Gast
2004-01-22, 15:53:10
...zur Gesundheitsreform:
„Ich geh nicht mehr zum Arzt!“
Wenn dieser Satz Alltag wird, ab Januar 2004, dann nicht weil der Patient mit seinem Arzt plötzlich unzufrieden wäre, sondern weil die tatsächlichen Kosten für jeden Patienten, also die Eigenleistungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems, unüberschaubar in die Höhe gehen.
Was sich Frau Ministerin Schmidt und Herr Seehofer mit ihrer Gesundheitsreform da ausgedacht haben, ist ein unüberlegter Schnellschuss, der vor allem chronisch Kranke in die Knie zwingen wird.
Aber der Reihe nach. Was ändert sich konkret ab 01.01.2004?
1.
Alle bisherigen Vereinbarungen, die jeder Kassenpatient mit seiner Krankenkasse über Zuzahlungen getroffen hat – also sämtliche Vereinbarungen über die Befreiung von Rezeptgebühren, auch wenn diese z.B. bis 2006 gelten sollten – sind ab dem neuen Jahr hinfällig. Das heißt, jeder, der in seiner Apotheke ein Rezept einlösen möchte, muss für die Rezeptgebühren in Zukunft tiefer in die eigene Tasche greifen.
Bei einer Zuzahlung von € 5,– bzw. € 10,– (je nach Packungsgröße) kommen gerade im HIV -Bereich, wo die Therapie aus mehreren Präparaten zusammengesetzt ist, enorme Eigenleistungen auf jeden Patienten zu.
Freilich sieht das neue Gesetz eine Belastungsobergrenze vor. Diese Belastungsgrenze für alle zuzahlungspflichtigen Patienten beträgt 2% des Bruttoeinkommens (bei chronisch Kranken sind dies 1%). Wird diese Belastungsgrenze bereits innerhalb des Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Von Beginn des neuen Jahres an muss jeder Patient allerdings zunächst in den eigenen Geldbeutel greifen. Um später dieses Geld von seiner Kasse wiederzubekommen, hat der Patient alle Belege für Zuzahlungen, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und andere medizinische Anwendungen zu sammeln und der Krankenkasse vorzulegen. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen werden die Zuzahlungen, die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten sowie evtl. erhaltenes Kindergeld eingerechnet.
2.
Eine HIV-Infektion, die vor allem durch die sogenannte Kombinationstherapie Menschen mit HIV und Aids wieder älter werden ließ, kann durch die hohen Selbstbeteiligungen eines jeden Patienten wieder zu einem unkontrollierbaren Risiko werden.
Gerade HIV-positive Patienten, die eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente oder Sozialhilfe beziehen, können nicht in Vorleistung gehen.
3.
Eine intensive Beratung, gerade für die Patienten wichtig, die neu mit einer Therapie beginnen, kann bei einem Gewinn von nur noch € 6,10 pro Packung von den Apotheken als Serviceleitung nicht mehr erbracht werden.
4.
Das Bereithalten von Medikamenten, um diese direkt an den Patienten weiter zu geben, kann künftig von vielen Apotheken ebenfalls nicht mehr finanziert werden. Der Service, jedes Medikament auf Lager zu haben, muss aus Kostengründen eingeschränkt werden.
Viele HIV-Ärzte befürchten nun, dass gerade die sogenannte „Compliance“, also die Therapietreue (entscheidend für den Erfolg einer HIV-Therapie), unter den Kostenbelastungen und eingeschränktem Service der HIV-Schwerpunkt-Apotheken leiden wird.
Ein Patient, der von einer kleinen Rente, Sozialhilfe oder einem geringen Einkommen leben muss, wird es sich künftig überlegen, € 30,– oder mehr pro Monat an Eigenleistung für seine Medikamente zuzuzahlen. Eher wird wohl auf das Einlösen eines Rezeptes verzichtet werden. Dazu kommt noch die Arztgebühr in Höhe von € 10,– pro Quartal, die beim behandelnden Arzt vor jeder Behandlung entrichtet werden muss.
Welche Folgen eine vom Patienten durch die neue finanzielle Belastung abgesetzte oder unregelmäßig genommene Therapie auf das Fortschreiten einer HIV-Infektion haben wird, sind klar: Sämtliche Erfolge der Behandlung von HIV und Aids werden obsolet. Es droht ein Rückfall in die 80er und 90er Jahre. HIV Patienten werden wieder früher sterben.
Diese Gesundheitsreform wird jeden treffen. Jeder Patient wird nicht nur finanziell, sondern auch psychisch belastet. Diese Stress-Situation, in die jeder HIV-Patient künftig gebracht wird, ist schlecht für das Immunsystem und jeder HIV-Behandlung gegenüber kontraproduktiv!
Apotheker und Ärzte machen sich schon jetzt Gedanken, wie sie ab Januar mit ihren Patienten umgehen sollen. Gerade im HIV-Bereich ist die soziale Situation vieler Patienten sehr schlecht. Substituierte Patienten, die neben Methadon oder Polamidon auch HIV-Medikamente nehmen und sich durch Krankheit und Arbeitslosigkeit in einer sozialen Schieflage befinden, werden unverantwortlich belastet.
Ein mühevoll aufgebautes Arzt-Patienten-Verhältnis wird darunter leiden, wenn jede Arztpraxis und jede Apotheke auf das Eintreiben der neuen Gebühren bestehen muss.
Auf die Krankenkassen, die eigentlich mit dieser Reform aus den roten Zahlen geholt werden sollen, kommt ab Januar zusätzlich ein erhöhter Verwaltungsaufwand zu. Das, was mit der Reform bei den Kassen an Kosten gespart werden sollte, wird nun an Verwaltungsaufwand wieder ausgegeben.
Frau Schmidt, Herr Seehofer, da haben sie sich wohl verrechnet!
„Ich geh nicht mehr zum Arzt!“
Wenn dieser Satz Alltag wird, ab Januar 2004, dann nicht weil der Patient mit seinem Arzt plötzlich unzufrieden wäre, sondern weil die tatsächlichen Kosten für jeden Patienten, also die Eigenleistungen zur Finanzierung des Gesundheitssystems, unüberschaubar in die Höhe gehen.
Was sich Frau Ministerin Schmidt und Herr Seehofer mit ihrer Gesundheitsreform da ausgedacht haben, ist ein unüberlegter Schnellschuss, der vor allem chronisch Kranke in die Knie zwingen wird.
Aber der Reihe nach. Was ändert sich konkret ab 01.01.2004?
1.
Alle bisherigen Vereinbarungen, die jeder Kassenpatient mit seiner Krankenkasse über Zuzahlungen getroffen hat – also sämtliche Vereinbarungen über die Befreiung von Rezeptgebühren, auch wenn diese z.B. bis 2006 gelten sollten – sind ab dem neuen Jahr hinfällig. Das heißt, jeder, der in seiner Apotheke ein Rezept einlösen möchte, muss für die Rezeptgebühren in Zukunft tiefer in die eigene Tasche greifen.
Bei einer Zuzahlung von € 5,– bzw. € 10,– (je nach Packungsgröße) kommen gerade im HIV -Bereich, wo die Therapie aus mehreren Präparaten zusammengesetzt ist, enorme Eigenleistungen auf jeden Patienten zu.
Freilich sieht das neue Gesetz eine Belastungsobergrenze vor. Diese Belastungsgrenze für alle zuzahlungspflichtigen Patienten beträgt 2% des Bruttoeinkommens (bei chronisch Kranken sind dies 1%). Wird diese Belastungsgrenze bereits innerhalb des Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Von Beginn des neuen Jahres an muss jeder Patient allerdings zunächst in den eigenen Geldbeutel greifen. Um später dieses Geld von seiner Kasse wiederzubekommen, hat der Patient alle Belege für Zuzahlungen, Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und andere medizinische Anwendungen zu sammeln und der Krankenkasse vorzulegen. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen werden die Zuzahlungen, die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten sowie evtl. erhaltenes Kindergeld eingerechnet.
2.
Eine HIV-Infektion, die vor allem durch die sogenannte Kombinationstherapie Menschen mit HIV und Aids wieder älter werden ließ, kann durch die hohen Selbstbeteiligungen eines jeden Patienten wieder zu einem unkontrollierbaren Risiko werden.
Gerade HIV-positive Patienten, die eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente oder Sozialhilfe beziehen, können nicht in Vorleistung gehen.
3.
Eine intensive Beratung, gerade für die Patienten wichtig, die neu mit einer Therapie beginnen, kann bei einem Gewinn von nur noch € 6,10 pro Packung von den Apotheken als Serviceleitung nicht mehr erbracht werden.
4.
Das Bereithalten von Medikamenten, um diese direkt an den Patienten weiter zu geben, kann künftig von vielen Apotheken ebenfalls nicht mehr finanziert werden. Der Service, jedes Medikament auf Lager zu haben, muss aus Kostengründen eingeschränkt werden.
Viele HIV-Ärzte befürchten nun, dass gerade die sogenannte „Compliance“, also die Therapietreue (entscheidend für den Erfolg einer HIV-Therapie), unter den Kostenbelastungen und eingeschränktem Service der HIV-Schwerpunkt-Apotheken leiden wird.
Ein Patient, der von einer kleinen Rente, Sozialhilfe oder einem geringen Einkommen leben muss, wird es sich künftig überlegen, € 30,– oder mehr pro Monat an Eigenleistung für seine Medikamente zuzuzahlen. Eher wird wohl auf das Einlösen eines Rezeptes verzichtet werden. Dazu kommt noch die Arztgebühr in Höhe von € 10,– pro Quartal, die beim behandelnden Arzt vor jeder Behandlung entrichtet werden muss.
Welche Folgen eine vom Patienten durch die neue finanzielle Belastung abgesetzte oder unregelmäßig genommene Therapie auf das Fortschreiten einer HIV-Infektion haben wird, sind klar: Sämtliche Erfolge der Behandlung von HIV und Aids werden obsolet. Es droht ein Rückfall in die 80er und 90er Jahre. HIV Patienten werden wieder früher sterben.
Diese Gesundheitsreform wird jeden treffen. Jeder Patient wird nicht nur finanziell, sondern auch psychisch belastet. Diese Stress-Situation, in die jeder HIV-Patient künftig gebracht wird, ist schlecht für das Immunsystem und jeder HIV-Behandlung gegenüber kontraproduktiv!
Apotheker und Ärzte machen sich schon jetzt Gedanken, wie sie ab Januar mit ihren Patienten umgehen sollen. Gerade im HIV-Bereich ist die soziale Situation vieler Patienten sehr schlecht. Substituierte Patienten, die neben Methadon oder Polamidon auch HIV-Medikamente nehmen und sich durch Krankheit und Arbeitslosigkeit in einer sozialen Schieflage befinden, werden unverantwortlich belastet.
Ein mühevoll aufgebautes Arzt-Patienten-Verhältnis wird darunter leiden, wenn jede Arztpraxis und jede Apotheke auf das Eintreiben der neuen Gebühren bestehen muss.
Auf die Krankenkassen, die eigentlich mit dieser Reform aus den roten Zahlen geholt werden sollen, kommt ab Januar zusätzlich ein erhöhter Verwaltungsaufwand zu. Das, was mit der Reform bei den Kassen an Kosten gespart werden sollte, wird nun an Verwaltungsaufwand wieder ausgegeben.
Frau Schmidt, Herr Seehofer, da haben sie sich wohl verrechnet!