PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nur ein Buch.


smileyyy
2004-03-26, 22:21:09
Nur ein Buch

Angespannt, mit zitternden Fingern und schnell gehendem Atem gleiten meine erwartungsvollen Augen
über die schwarzen Lettern, welche in den letzten Stunden die Welt für mich bedeuteten. Alles um mich herum war nebensächlich, die Stimmen meiner Mitmenschen ünhörbar für meine nach innen gekehrten Ohren. All jene, alltäglichen, störenden Geräusche, Düfte, Reize, konnten mich nicht meiner Welt entreißen. Später erzählte mir oft die Mutter wie abwesend, verloren ich dagesessen habe. Der sonst so rege Geist war heute nach innen gekehrt und wurde zur Fantasie. Obgleich es anders scheinen wollte, waren meine Sinne in höchster Bereitschaft auch nur die leiseste Andeutung einer Veränderung wahrzunehmen. Doch waren diese anderer Natur als man vielleicht glauben sollte. Von den, wie bereits erwähnt, nach außen tauben Ohren, über die leise atmende Nase, bis zu den Toren zur Seele, die heute weit offen stehen, sie alle wurden bis auf das Äußerste gefordert. Die nach außen gerichteten Sinne konnten dafür ihrer lange ersehnten und auch verdienten Ruhe frönen.
In diesem Moment wenden die warmen Hände das letzte Blatt. Nur noch wenige Zeilen und die Augen werden sich für einige Zeit schließen dürfen, um den Gedanken den Vortritt zu lassen. Nun ist es erreicht, das matte Gelb, das stechende Weiß, das vergilbte Papier, das schwarze geschwungene "Ende". So verschieden es auch aussehen mag, die Folge bleibt doch immer dieselbe. Voller Stolz, Freude und um zahllose Erfahrungen eines Anderen reicher, lässt man den Stoff aus dem die Träume sind aus den feuchten Händen gleiten. Die Gedanken laufen Amok, die Augen beginnen vorsichtig zu zucken, als erwachten sie aus einem langen Traum. Hunderte von Seiten ziehen in Form von Bildern, welche in Bruchteilen von Sekunden erscheinen und sich wieder in der Weite verlieren, an dem inneren Auge vorbei. Ein Gefühl unendlicher Freude stellt sich ein. Langsam beginnen sich die Glieder zu regen und plötzlich nimmt man Dinge war, die man in weiter Ferne wähnte. Unterdessen schließen sich die Tore zur Seele langsam aber sicher, ein Jucken wird spürbar, ein tauber Fuß meldet sich zu Wort. Kurz: Man erwacht.Wie die meisten von ihnen wahrscheinlich schon mit ihrem Scharfsinn errieten, schreibe ich von der letzten Seite eines Buches. Dieser Zeitpunkt stellt für mich einen der schönsten Augenblicke, wobei man dies wörtlich nehmen kann, die ein Mensch wohl jemals erleben darf, dar. Das noch handwarme Buch verschließt sich unter einem leisen, von den sich schließenden Seiten ausgelösten, Lufthauch. Man lässt es langsam aus den Händen gleiten um noch möglichst lange daran festzuhalten, es nicht körperlich loszulassen, denn geistig bleibt uns der Inhalt wohl ewig im Gedächtnis. Manch einer wird sich nun fragen weshalb ich dies niederschreibe, wo es doch jeder selbst schon erlebte. Aus dem einen, banalen Grund, dass sich die Zahl derer kontinuierlich verringert, die sich darunter etwas vorzustellen vermögen.
Viele gehen durch das Leben ohne einmal mit Freude ein Buch gelesen zu haben. Sollte mich nicht kümmern werden einige denken. Eigentlich richtig, doch kann ich es nicht mehr stillschweigend mitansehen. Von meinen Mitmenschen wandeln leider nur mehr wenige auf dem Pfad des Lesens. Unter Zwang lesen sie selbstverständlich, doch scheint mir dies nicht der Sinn der wunderbaren Sache an sich. Ich persönlich sehe in einem Buch einen Ozean, der so weit und so tief ist, dass es nicht in meinem Ermessen liegt ihn vollends zu erforschen. Doch mit der Zeit getraute ich mich immer weiter hinauszuschwimmen und lernte, immer tiefer zu tauchen. Da stieß ich dann plötzlich auf mir bisher verschlossene Bereiche und auf viel Neues. Immer weiter werde ich schwimmen, auch wenn ich das Ende wohl nie erreichen werde. (Und dies auch gar nicht möchte). Die Morgenröten, die man auf diesem Ozean erleben darf, geben wieder neue Hoffnung gegenüber den Stürmen. Diese Morgenröten sind ein schönes Buch. Die Stürme überlasse ich ihnen selbst zur Interpretation. Die Abendröten sind jedoch das wichtigste. Sie haben die Macht,
alles andere in den Schatten zu stellen und man kann in ihrer Schönheit versinken. Ebenso können sie den Regen und Sturm bringen, der manchmal so stark sein kann, dass man darin ertrinkt. Ich hatte das unbeschreibliche Glück, dass auf mein erstes Abendrot ein Tag folgte, der an Schönheit und Wärme seinesgleichen sucht. Andere Menschen hatten dieses Glück leider nicht, oder haben nicht die Möglichkeit jemals ein Abendrot zu erleben, da ihr Himmel so bewölkt ist, dass die Sonne nicht durchzudringen vermag.
Dann gibt es aber auch jene, die einfach nicht zum Himmel aufschauen wollen. Lieber sehen sie sich gespieltes Leben im Fernsehen, oder künstliches Leben am Computer an. Dagegen ist am Tage nicht das Geringste einzuwenden, denn man sollte mit der Zeit gehen (oder schwimmen). Doch bedaure ich diejenigen, die es sich von diesen Dingen nehmen lassen, einen Sonnenuntergang zu genießen.
Manch einer mag nun sagen, dass es Sonnenuntergänge auch im Fernsehen zu bewundern gibt, doch lassen wir uns wir ehrlich sein. Es sind nicht allein die Farben, die uns in ihren Bann ziehen. Ebenso große Bedeutung schreibe ich dem lauen Wind, dem leisen Rauschen der Bäume und vor allem Anderen, den gleichsam staunenden Mitmenschen zu.

Wenn sie das Pech hatten, dass auf ihren ersten Sonnenuntergang der Sturm folgte, oder aber sie sich noch niemals mit ganzem Herzen auf einen solchen eingelassen haben, dann mögen sie das bitte unbedingt tun, denn:

So gut wie alles, was du heute tust, wird über kurz oder lang bedeutungslos sein. Trotzdem mußt Du es unbedingt tun.

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. (Jean Baptiste Moliere)

Bücher sind eines der schönsten Sachen der Welt. Lassen wir sie nicht in Vergessenheit geraten.

Smileyyy

Dexter
2004-03-27, 03:00:24
wie wahr, wie wahr :up:
obwohl ich persönlich eher traurig werde, wenn sich ein spannendes buch dem ende neigt, aber umso länger bleiben die gedanken an und in der geschichte hängen...

Karlsson
2004-03-27, 03:24:47
:uhippie:

smileyyy
2004-03-27, 13:58:16
Nun, was dieses Zitat anbelangt muss ich mich entschuldigen. Oder derjenige der den flaschen Namen daruntersetzte, oder derjenige, der es sich aneignete.

Karlsson
2004-03-27, 18:23:41
:uhippie:

Gnafoo
2004-03-27, 18:53:33
Original geschrieben von Dexter
wie wahr, wie wahr :up:
obwohl ich persönlich eher traurig werde, wenn sich ein spannendes buch dem ende neigt, aber umso länger bleiben die gedanken an und in der geschichte hängen...

Geht mir genauso .. deswegen lese ich am liebsten gaaanz lange
Bücher oder ganze Bücherreihen, die an einem Stück geschrieben sind
:) Dem Schluss kann ich dann meistens nicht mehr viel abgewinnen,
weil ichs dann immer schade finde, dass ich nicht weiterlesen kann.

Und ich finde es auch schade, dass das Lesen für viele immer mehr
in den Hintergund rückt.

cya DerTod2k