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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Telekom rechnet verbotene 0900-Dialer ab


gerry7
2004-04-30, 12:35:21
Wenn es um Profit geht ist dem Kapital alles andere egal

FALSCH VERBUNDEN

http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,297628,00.html

Ein kurzer Blick auf die Telefonrechnung genügt, um einen kleinen Schock zu bekommen: 50 Euro mehr als im vergangenen Monat. Doch nicht stundenlange Telefonate sind der Grund, sondern ganze zwei Verbindungen von je 60 Sekunden Länge. Beide Male steht eine 0900-Nummer in der Telefonrechnung - ein Internet-Dialer. Dabei handelt es sich um ein Computerprogramm, mit dessen Hilfe Verbindungen zu bezahlpflichtigen Internetangeboten aufgebaut werden.

Auch nach der Einführung einer Registrierungspflicht für Dialer ist das Thema des Betruges und der überhöhten Rechnungen längst nicht vom Tisch. In den vergangenen Monaten häuften sich die Beschwerden bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Die Behörde ging den Beschwerden nach und verbot schließlich rund 25.000 der über 900.000 registrierten Dialer in Deutschland.

Telekom weist Schuld von sich

Geholfen hat das dem Kunden jedoch nicht. Mit der Telefonrechnung für den vergangenen Monat kassierte die Telekom auch für diese verbotenen Dialer ab. Wie viele Kunden betroffen sind, lässt sich noch nicht abschätzen.

Die T-Com, zuständig für die privaten Anschlüsse der Telekom, weist indes jede Schuld von sich: "Wir können nicht jeden Dialer einzeln überprüfen. Wenn uns eine Registrierung der Regulierungsbehörde vorgelegt wird, müssen wir uns darauf verlassen", sagt Sprecher Rüdiger Gräve. Sicher ist dennoch: Die Telekom muss die Kosten erstatten, die für die zurückgezogenen Dialer entstanden sind. Denn mit dem Verbot der Programme dürfen deren Anbieter keine Gebühren mehr einziehen.

Im Gegensatz zur Telekom, über deren Rechnung die Kosten zunächst abgerechnet und dann weitergeleitet werden. "Wir haben nur die Registrierung der Dialer widerrufen, ohne gleichzeitig den Netzbetreibern die Abrechnung zu verbieten", erklärt der Sprecher der Regulierungsbehörde, Rudolf Boll. Das Inkasso-Verbot greift nur, wenn dem Kunden der unwiederbringliche Verlust seines Geldes droht. Das ist bei den jüngst verbotenen Dialern nach Ansicht der Behörde jedoch nicht der Fall. Da die Registrierung der Programme sogar rückwirkend aufgelöst wurde, können Kunden ihr Geld für alle bereits bezahlten Gebühren zurückfordern.

Das weiß auch T-Com-Sprecher Rüdiger Gräve: "Der Anspruch des Kunden richtet sich dann gegen den Netzbetreiber, also auch gegen uns." Neben dem größten Netzanbieter Telekom gibt es rund 50 weitere. Um sich das Geld tatsächlich zurückzuholen, müssen die Geschädigten allerdings selbst aktiv werden: "Sie müssen dazu schriftlich Einspruch bei der Telekom einlegen", sagt die Juristin der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen, Helga Zander-Hayat.

Kunde nicht ausreichend geschützt

Dabei sollte eigentlich alles besser werden: Im vergangenen August verschärfte der Gesetzgeber die Registrierungs-Voraussetzungen für Dialer. Demnach müssen die Anbieter mittlerweile nachweisen, dass jedes Programm eindeutig erkennbar ist. Der Nutzer muss dann dem Runterladen der Datei, der Installation des Dialers auf dem eigenen Rechner sowie dem Verbindungsaufbau einzeln zustimmen.

Auch die Kosten sollen transparent sein. Die Höchstpreise liegen bei zwei Euro pro Minute und 30 Euro bei zeitlich unbegrenzten Verbindungen.

Als Folge der neuen Regeln verbot die Regulierungsbehörde im Oktober bereits rund 400.000 Dialer. Damals waren über 60 Millionen Euro irrigerweise abgerechnet worden. Grund für das neue Verbot war das Fehlen einer so genannten Wegsurfsperre. Die Dialer-Verbindungen blieben so auch dann noch bestehen, wenn der Nutzer die teuren bereits Seiten verlassen hat.

Betroffen von dem Verbot sind drei Firmen: Intexus, Consul Info und Global Netcom.

Jedes Unternehmen bietet zahlreiche Dialer an. Doch Kontakt mit den Verantwortlichen aufzunehmen, erweist sich als schwierig. Mit einer aufgeschlüsselten Rechnung kann zwar die Telefonnummer ermittelt werden, die der Dialer genutzt hat. Auf Antrag teilt die Telekom dann auch den Anbieter mit, so etwa die Global Netcom mit Sitz im westfälischem Wetter. Ansprechpartner sind hier allerdings nur Mitarbeiter in einem Call-Center. Helfen können sie nicht. Schuld an dem ganzen Ärger sei schließlich der Anbieter der Internetseite, auf der die Dialer heruntergeladen werden, und nicht Global Netcom. Die Firma würde nur die Software zur Verfügung stellen, heißt es.

Der Geschäftsführer der Global Netcom, der Münchener Rechtsanwalt Bernhard Syndikus, fürchtet folglich keine Ansprüche von Kunden oder Telekom: "Ich sehe dafür keine gesetzliche Grundlage." In diesem Wirrwarr von Unternehmensverflechtungen könne der Geschädigte nur den Überblick verlieren, sagt dagegen Helga Zander-Hayat. "Die Vorgänge sind einfach nicht transparent genug", beklagt die Juristin.

Dialer-Datenbank hilft bei Suche

Am einfachsten lässt sich der abgerechnete Dialer mit der Datenbank der Regulierungsbehörde aufspüren, verfügbar auf deren Internetseite. Mit Hilfe der kompletten Telefonnummer kann dort nach dem Anwahlprogramm gesucht werden. Pro Nummer gibt es allerdings Hunderte Angebote. Um das Richtige zu finden, muss der Kunde den so genannten Hash-Wert eines Dialers kennen. Dabei handelt es sich um eine Ziffernkombination, die wie ein Fingerabdruck jedes Programm eindeutig identifiziert. Dieser Code findet sich in den Dateiinformationen des heruntergeladenen Dialers. Löschen sollte man das Programm daher nicht. Über den Hash-Wert finden sich dann auch wieder Postadressen und Geschäftsführer der Anbieter-Firmen - bei einem Anruf landet man dann allerdings wieder im Call-Center.

Sicherer ist es, dem ganzen Procedere von Anfang aus dem Weg zu gehen. Gegen eine geringe Gebühr sperrt die Telekom alle Dialer-Nummern für den eigenen Anschluss. Kostenlos können auch Schutzprogramme aus dem Internet heruntergeladen werden. Das spart in Zukunft Nerven und Geld: Denn die Regulierungsbehörde hat bereits weitere Dialer-Verbote angekündigt.