Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was ist eigentlich Literatur?
Tigerchen
2005-11-16, 11:23:40
Sichert euch die Währung und die Produktionsmittel. Den Rest überlasst dem Pöbel. Wenn ihr Profit wollt müßt ihr herrschen. Obwohl in diesen Worten eine gewisse Wahrheit liegt frage ich euch: "Wer ist der Pöbel und wer die Beherrschten".
Aus welcher Art von Literatur würdet ihr solch ein Zitat erwarten?
Klassiker? Biographie? Oder eine andere Rubrik?
Schreibt einfach eure Meinung. :)
Tigerchen
2005-11-17, 09:12:20
Schade daß keiner den Ball aufnimmt. Es ist nämlich so daß ich nach langer Zeit mal wieder den "Wüstenplanet" von Frank Herbert gelesen habe. Dieser Roman ist vordergründig "Sciene fiction" und somit für jeden ernsthaften Literaten natürlich absoluter Schund. Dabei bietet der Wüstenplanet und die 5 nachfolgenden Bände der Reihe mehr Substanz als sämtliche Werke von Böll oder Thomas Mann zusammen. Da wird dann in der Schule der "Tod in Venedig" durchgekaut was keinen Schüler interessiert. Der "Wüstenplanet" dagegen regt zu so viel Nachdenken über Politik, Religion, Macht und sogar Terrorismus an daß es schon fast Pflichtlektüre an den Schulen sein müßte.
Warum also ist das eine Schund und das andere Literatur?
Aqualon
2005-11-17, 10:39:56
Gute Frage. Manchmal denke ich, Sachen wie Böll, Mann, Schiller, Fontaine usw. werden nur in der Schule gelesen, weil sie von den Lehrern/Erstellern der Lehrpläne früher gelesen wurden. Sicherlich stellenweise interessant, aber die Schüler sind erstens meist genervt davon und zweitens kann man auch sogut wie nichts daraus mitnehmen.
Ich finde es sinnvoller aktuelle Bücher zu lesen, die sich um die Probleme der Gegenwart drehen und nicht um die Leiden von vor 200 Jahren oder noch länger her. Aber wahrscheinlich ist es so, dass ein Buch erstmal zig Jahre abgestanden sein muss, bevor es als hohe Literatur durchgeht (und der Autor nicht mehr persönlich dagegen protestieren kann ;-)).
Es gab ja auch einen riesen Aufschrei, als der Herr der Ringe von einer Literaturvereinigung in England zum Buch des Jahrtausends gewählt wurde, obwohl Tolkien vorher literarisch eher als Fantasy-Schund eingestuft worden ist (ich persönlich schätze ihn mehr als jeden klassischen Autor).
Mein bestes Beispiel, jedes Buch von Haruki Murakami hat mir persönlich mehr gegeben als alle Bücher zusammen, die ich in der Schule gelesen habe.
Aber nicht nur auf Literatur bezogen sollte jeder seine eigenen Erfahrungen machen und nicht nur dem folgen, was irgendwelche Leute gerade für angesagt halten oder nicht.
Aqua
Tigerchen
2005-11-17, 13:42:18
Gute Frage. Manchmal denke ich, Sachen wie Böll, Mann, Schiller, Fontaine usw. werden nur in der Schule gelesen, weil sie von den Lehrern/Erstellern der Lehrpläne früher gelesen wurden. Sicherlich stellenweise interessant, aber die Schüler sind erstens meist genervt davon und zweitens kann man auch sogut wie nichts daraus mitnehmen.
Ich finde es sinnvoller aktuelle Bücher zu lesen, die sich um die Probleme der Gegenwart drehen und nicht um die Leiden von vor 200 Jahren oder noch länger her. Aber wahrscheinlich ist es so, dass ein Buch erstmal zig Jahre abgestanden sein muss, bevor es als hohe Literatur durchgeht (und der Autor nicht mehr persönlich dagegen protestieren kann ;-)).
Es gab ja auch einen riesen Aufschrei, als der Herr der Ringe von einer Literaturvereinigung in England zum Buch des Jahrtausends gewählt wurde, obwohl Tolkien vorher literarisch eher als Fantasy-Schund eingestuft worden ist (ich persönlich schätze ihn mehr als jeden klassischen Autor).
Mein bestes Beispiel, jedes Buch von Haruki Murakami hat mir persönlich mehr gegeben als alle Bücher zusammen, die ich in der Schule gelesen habe.
Aber nicht nur auf Literatur bezogen sollte jeder seine eigenen Erfahrungen machen und nicht nur dem folgen, was irgendwelche Leute gerade für angesagt halten oder nicht.
Aqua
Ah ja. Richtig. Mit Tolkien ist es ähnlich. Vielleicht sollte man auch im Nobelpreiskomitee mal in sich gehen und die Aufteilung in Gut und böse aka Schund und Literatur überdenken.
eXistence
2005-11-17, 15:40:42
Ihr vergesst ein paar Dinge:
1. Im Deutsch-Unterricht sollten deutsche Werke behandelt werden und ein Buch wie HdR zählt nunmal nicht dazu (und wäre auch viel zu lang).
2. Wie heißt es doch so schön: das Land der Dichter und Denker.
Dieses "Image" will man natürlich pflegen und es gehört gewissermaßen zur Kultur ein paar der wichtigen Werke gelesen zu haben, ähnlich wie der Geschichtsunterricht.
3. Es geht garnicht darum etwas aus einem Buch zu lernen (jedenfalls nicht nur), sondern es geht darum, dass man lernt sich mit einer literarischen Materie zu befassen, speziell wenn die Sprache und der Ausdruck nicht den gewohnten Formen entspricht.
Davon abgesehen fand ich Werke wie "Faust", "Das Leben die Galileo Galilei" und "Die Leiden des jungen Werthers" ziemlich interessant (beim Werther beziehe ich mich im übrigen nicht auf die triviale Liebesgeschichte, Goethe hat dort sehr viel mehr reingesteckt) und auch aktuell (vor allem "Das Leben die Galileo Galilei")
4. es macht nen riesen Unterschied ob diese Themen in einem Leistungs- oder Grundkurs durchgenommen werden und wie der Lehrer sie vermittelt.
Gerade in Grundkursen ziehen die Lehrer den Stoff ziemlich unmotiviert und oberflächlich durch, kein Wunder dass da jedem die Lust vergeht.
P.S.
ich will mich nicht komplett gegen moderne Werke aussprechen, ganz im Gegenteil, ich hätte mich auch gefreut, wenn wir sowas mal gemacht hätten :(
aber die "Klassiker" haben IMO durchaus ihre Berechtigung im Lehrplan
Tigerchen
2005-11-17, 16:35:57
Ihr vergesst ein paar Dinge:
1. Im Deutsch-Unterricht sollten deutsche Werke behandelt werden und ein Buch wie HdR zählt nunmal nicht dazu (und wäre auch viel zu lang).
2. Wie heißt es doch so schön: das Land der Dichter und Denker.
Dieses "Image" will man natürlich pflegen und es gehört gewissermaßen zur Kultur ein paar der wichtigen Werke gelesen zu haben, ähnlich wie der Geschichtsunterricht.
3. Es geht garnicht darum etwas aus einem Buch zu lernen (jedenfalls nicht nur), sondern es geht darum, dass man lernt sich mit einer literarischen Materie zu befassen, speziell wenn die Sprache und der Ausdruck nicht den gewohnten Formen entspricht.
Davon abgesehen fand ich Werke wie "Faust", "Das Leben die Galileo Galilei" und "Die Leiden des jungen Werthers" ziemlich interessant (beim Werther beziehe ich mich im übrigen nicht auf die triviale Liebesgeschichte, Goethe hat dort sehr viel mehr reingesteckt) und auch aktuell (vor allem "Das Leben die Galileo Galilei")
4. es macht nen riesen Unterschied ob diese Themen in einem Leistungs- oder Grundkurs durchgenommen werden und wie der Lehrer sie vermittelt.
Gerade in Grundkursen ziehen die Lehrer den Stoff ziemlich unmotiviert und oberflächlich durch, kein Wunder dass da jedem die Lust vergeht.
P.S.
ich will mich nicht komplett gegen moderne Werke aussprechen, ganz im Gegenteil, ich hätte mich auch gefreut, wenn wir sowas mal gemacht hätten :(
aber die "Klassiker" haben IMO durchaus ihre Berechtigung im Lehrplan
Die Sache ist doch die daß lesen immer mehr aus der Mode gerät. Viele wissen gar nicht wieviel ihnen dadurch entgeht. Da ist es erste Aufgabe der Schule die Lust am Lesen zu erwecken. Und genau dies tut sie mit vielen Klassikern nicht. Wer sich diese Brocken antun will oder dem sie wirklich gefallen kann sowas ja auch später noch auf der Uni studieren. Nostalgie ala Dichter und Denker geht den meisten wohl auch am Allerwertesten vorbei. Und ich möchte dich wirklich mal fragen wie wichtig ein Werk sein kann welches nur innerhalb einiger durchgeistigter Zirkel Beachtung findet. Ich hab mich auch mal an Sachen wie "der Zauberberg" oder "Ansichten eines Clowns" herangewagt und fand dieses Geschreibsel ziemlich ungeniessbar. Was hat man eigentlich davon sich mit einer sprachlichen Ausdrucksform auseinanderzusetzen die niemand mehr benutzt? Wird dadurch wirklich das allgemeine Textverständnis besser oder fördert man damit nicht eher den Unwillen sich überhaupt mit Texten auseinanderzusetzen?
eXistence
2005-11-18, 08:12:15
Die Sache ist doch die daß lesen immer mehr aus der Mode gerät. Viele wissen gar nicht wieviel ihnen dadurch entgeht. Da ist es erste Aufgabe der Schule die Lust am Lesen zu erwecken. Und genau dies tut sie mit vielen Klassikern nicht.
Also wenn man damit anfängt solche Bücher zu lesen, dann dürfte man so in der 10. Klasse sein. Wer zu diesem Zeitpunkt noch keine Lust auf Lesen hat, dem würden andere Bücher auch nur schwer helfen.
Die Lust muss schon vorher geweckt werden!
Und ich möchte dich wirklich mal fragen wie wichtig ein Werk sein kann welches nur innerhalb einiger durchgeistigter Zirkel Beachtung findet.
Hab ich was verpasst? Werke wie "Faust" oder "Galilei" sind doch allg. sehr angesehen?
Wobei ich zustimmen muss, dass das nicht auf alle Werke zutrifft ("Effi Briest" <= das ist wirklich öde :) , "Die Leiden des jungen Werthers")
Ich hab mich auch mal an Sachen wie "der Zauberberg" oder "Ansichten eines Clowns" herangewagt und fand dieses Geschreibsel ziemlich ungeniessbar. Was hat man eigentlich davon sich mit einer sprachlichen Ausdrucksform auseinanderzusetzen die niemand mehr benutzt?
es geht nicht darum, dass du speziell diese Ausdrucksform nachher perfekt beherrscht, es geht vielmehr darum, dass du lernst, dich auf eine andere Ausdrucksform einzulassen und den Text entsprechend zu interpretieren. Denn gerade dieses Interpretieren (oder etwas lapidar formuliert: zwischen den Zeilen lesen, in den alten Werken werden sehr viel mehr Informationen indirekt vermittelt als bei modernen Werken oder trivial literatur) ist wichtig und trägt seinen Teil dazu bei, wenn man später die Texte anderer Leute (Politiker, Geschäftspartner) bewerten muss (oder sowas selbst schreibt).
Wird dadurch wirklich das allgemeine Textverständnis besser oder fördert man damit nicht eher den Unwillen sich überhaupt mit Texten auseinanderzusetzen?
Wie gesagt, der Wille sollte vorher schon da sein :)
Ich denke, das Verhältnis in der Schule muss einfach stimmen.
Ich würde mir z.B. folgendes vorstellen:
ein wichtiges Werk in der 10 Klasse (damit die Real-Schüler auch was davon haben ;) muss ja nicht gleich der Faust sein, eher sowas wie "Die Räuber" oder "Die Verwandlung")
In der Oberstufe ein weiteres wichtiges Werk pro Jahr.
Wenn man davon ausgeht, dass ein Grundkurs zwei bis drei Bücher pro Jahr schafft, dann hat man ein Verhältnis von min. 1-zu-1 (wobei die modernen Werke etwas überwiegen würden)
Ein Leistungskurs würde zwar auch ein paar moderne Sachen machen, aber sich mehr auf die Klassiker konzentrieren.
So ungefähr hätte ich mir jedenfalls die Aufteilung zu meiner Schulzeit gewünscht :cool:
(als Richtlinie was man so in einem Leistungskurs macht: in meinen zwei Jahren Deutsch-LK hab ich 8 oder 9 dieser alten Werke gelesen... )
@Tigerchen: Gehts du denn noch zur Schule? welche Klasse?
Tigerchen
2005-11-18, 08:56:06
@Tigerchen: Gehts du denn noch zur Schule? welche Klasse?
;D
Meine Schulzeit ist schon lange vorbei. Und glaub mir in der Schule wurde zu meiner Zeit nichts an Texten durchgenommen was einem auch nur im enferntesten dazu animieren könnte auch mal in der Freizeit ein Buch in die Hand zu nehmen. Interesse an Büchern wecken Eltern/Verwandte aber bestimmt nicht die Schule.
An deinem Schreibstil erkenne ich daß du schon ein wenig zur Elite gehörst und vielleicht auch das Glück hattest eine recht gute Schule in einem sozial gesichertem Umfeld zu besuchen richtig?
P.S.: Eigentlich wollte ich das Thema gar nicht aufs die Schule beziehen. Hat sich eben so ergeben. So laufen Diskussionen manchmal. Ging mir mehr um die Frage was denn nun Schund und was Literatur ist. Da scheint ja bei den Experten ein ziemliches Schubladendenken zu herrschen.
Scoff
2005-11-18, 22:46:25
x_x
BesenWesen
2005-11-19, 04:54:08
Schade daß keiner den Ball aufnimmt. Es ist nämlich so daß ich nach langer Zeit mal wieder den "Wüstenplanet" von Frank Herbert gelesen habe. Dieser Roman ist vordergründig "Sciene fiction" und somit für jeden ernsthaften Literaten natürlich absoluter Schund. Dabei bietet der Wüstenplanet und die 5 nachfolgenden Bände der Reihe mehr Substanz als sämtliche Werke von Böll oder Thomas Mann zusammen. Da wird dann in der Schule der "Tod in Venedig" durchgekaut was keinen Schüler interessiert. Der "Wüstenplanet" dagegen regt zu so viel Nachdenken über Politik, Religion, Macht und sogar Terrorismus an daß es schon fast Pflichtlektüre an den Schulen sein müßte.
Warum also ist das eine Schund und das andere Literatur?
Habe ich auch nie verstanden... ich habe seinerzeit schon lange vor der Oberstufe diverse Science-Fiction und Fantasysachen verschlungen und all die Klassiker, die mir in der Schule aufgezwungen wurden, ließen mich dagegen völlig kalt. Und so geht es mir bis heute.
Vermutlich ist die Verwendung einer eher simplen, direkten Ausdrucksform der Grund, aus dem Sci-Fi etc. in gewissen Kreisen nicht als ernstzunehmende Literatur aktzeptiert wird. Nun mögen ja solche sprachliche Feinheiten für manche faszinierend sein, mich hat hat das nie die Bohne interessiert... Während ein Frank Herbert mit seinem "Wüstenplaneten" auf knapp 700 Seiten eine ganze Welt entwirft, glaubhaft darstellt und viele aktuelle Fragen in einem durchweg spannendem Kontext behandelt, langweilt mich Fontane mit seiner Effi Briest einfach nur. Mal davon abgesehen, daß dieses Werk recht zäh zu lesen ist, bewegen mich die Affären und Probleme einer jungen Frau, die aus der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ausbrechen will, im Kern eigentlich herzlich wenig. Wenn ich etwas über diese Zeit lesen will, nehme ich ein Geschichtsbuch zur Hand, aber sicher keinen zeitgenössischen Roman.
Mylene
2005-11-19, 06:58:33
ich würde "literatur" mal grundsätzlich von der bezeichnung "klassiker" trennen. das problem bei der literatur ist nämlich, dass sich selbst die lit.wissenschaftler nicht ganz einig sind, was "literatur" denn nun wirklich ist. bisher hat man noch keine befriedigende definition gefunden, mit der alle einig wären. deshalb machen wir an der uni auch immer witze drüber, dass wir uns mit etwas beschäftigen, von dem wir eigentlich null ahnung haben, was es ist ;D
ich persönlich bin momentan auf dem stand, alles als literatur zu sehen, was in irgendeiner form verschriftlicht ist. ausnahme: gesetzes-/rechtstexte, anleitungen, einkaufszettel und alles, was dem in irgendeiner art ähnelt.
zu literatur gehören für mich auch in gewisser weise bspw. comics. allerdings ist das dann noch viel mehr ein thema für die medienwissenschaften, weil hier mehrere aspekte miteinander verknüpft werden (sprache/text, bild).
was die "klassiker" betrifft, die man nun bisher als solche bezeichnet, so sollte man diese doch kennen. sie stechen zwischen all den anderen büchern auf ihre besondere weise heraus. was das jeweilig ist, gilt es eben entweder selbst herauszufinden oder nachzulesen, welche erkenntnisse andere schon erarbeitet haben. in gewisser weise bilden die klassiker eine grundlage für lit.wissenschaftl. arbeiten.
böse zungen könnten auch behaupten, dass die klassiker nur deshalb ausgewählt werden, bzw. wurden, damit die lit.wissenschaftler ihre ganzen theorien beweisen und ihre daseinsberechtigung legimitieren können. :biggrin:
wie auch immer: die ganzen definitionen, was literatur ist, klassiker genannt werden, bzw. in den kanon aufgenommen werden darf, was der kanon selbst genau eigentlich wieder ist, etc. etc. etc. ...das ist die große krise der literaturwissenschaft und wird sie aller voraussicht nach auch noch lange bleiben. wenn nicht sogar bis in alle ewigkeit.
wenn man dir in der schule erzählt, dass dieses oder jenes literatur ist, wirst du ganz erstaunt sein, wenn das toll aufgebaute kartenhaus an der uni plötzlich in sich zusammen bricht und man letztendlich nur noch in ein tiefes erdloch blickt, aus das man kaum noch schlau wird -g-
ScottManDeath
2005-11-19, 08:21:47
Ich hatte den Wüstenplaneten auch gelesen, vor einigen Jahren. Ins besondere die letzten Bücher waren recht philosophisch. Ich werde sie wohl irgendwann nochmal lesen, da ich damals doch nicht alles verstanden habe, dann aber im Original. ;)
Ich denke, erst wenn man etwas Lebenserfahrung gesammelt hat, kann man mehr Nutzen aus "alter" Literatur ziehen. In der Schulzeit ist man denke ich noch nicht so weit (ging/geht mir auch so).
nggalai
2005-11-19, 08:39:56
Ich hab mich auch mal an Sachen wie "der Zauberberg" oder "Ansichten eines Clowns" herangewagt und fand dieses Geschreibsel ziemlich ungeniessbar. Was hat man eigentlich davon sich mit einer sprachlichen Ausdrucksform auseinanderzusetzen die niemand mehr benutzt? Wird dadurch wirklich das allgemeine Textverständnis besser oder fördert man damit nicht eher den Unwillen sich überhaupt mit Texten auseinanderzusetzen?
Der Hauptgrund dahinter, solche "Klassiker" zu lesen, ist einfach, dass man einen Einblick in die Literaturgeschichte erhält. Viele Bücher, ob jetzt aus der "hohen Literatur" oder der "Trivialliteratur" beziehen sich direkt oder indirekt auf diese Klassiker. Wenn man z.B. in einem Clive Barker-Roman liest, dass der Protagonist in einem Diner sitzt und sich gerade "'Siddhartha' im deutschen Original" reinzieht wäre es für die Charakterisierung des Protagonisten interessant zu wissen, worum's in dem genannten Buch geht und wie "schwierig" oder "leicht" die Sprache ist, wenn sich ein Ami das Buch auf Deutsch reinzieht. Einen solchen Hintergrund will die Schule mit der Lektüre solcher Bücher aufbauen. Dazu kommt die Sache mit den Klischees, Redewendungen und Zitaten. Es macht einen Unterschied ob man weiß, dass "des Pudels Kern" aus Faust stammt, oder ob man's selbst gelesen hat und den GRUND für diese Redewendung kennt.
Ich weiß nicht, wie's in Deutschland aussieht, aber das Gymnasium ist in der Schweiz explizit als Vorbereitung für ein späteres Studium gedacht. Und je breiter der literaturgeschichtliche Hintergrund eines Studenten, desto einfacher und interessanter wird dann ein etwaiges Literatur- und Sprachstudium.
Dennoch: wir haben auch Trivialliteratur gelesen, insbesondere im Englisch-Unterricht. Nicht wirklich totalen Schund, aber einfach Unterhaltungsbücher--Bücher also, die anders als die Hochliteratur zuerst unterhalten möchten, und erst in zweiter Linie eine tiefere Aussage machen wollen. Wobei man bei dieser Unterscheidung aufpassen darf; wer noch das Vorwort aus Goethes "Faust" im Kopf hat, wird wissen, dass Goethe wohl nicht zu einem kleinen Teil Unterhaltung bieten wollte. Ähnlich bei Shakespeare, der manche Bücher einfach "kurz als Spaß" runtergeschrieben hat, aber heute als hohe Literatur gelten ... Mylene hat's ja schon angetönt: die Definition, was denn nun "hohe Literatur" und was nicht ist, ändert auch von Professor zu Professor ...
Tybalt
2005-11-19, 14:19:30
Schade daß keiner den Ball aufnimmt. Es ist nämlich so daß ich nach langer Zeit mal wieder den "Wüstenplanet" von Frank Herbert gelesen habe. Dieser Roman ist vordergründig "Sciene fiction" und somit für jeden ernsthaften Literaten natürlich absoluter Schund. Dabei bietet der Wüstenplanet und die 5 nachfolgenden Bände der Reihe mehr Substanz als sämtliche Werke von Böll oder Thomas Mann zusammen. Da wird dann in der Schule der "Tod in Venedig" durchgekaut was keinen Schüler interessiert. Der "Wüstenplanet" dagegen regt zu so viel Nachdenken über Politik, Religion, Macht und sogar Terrorismus an daß es schon fast Pflichtlektüre an den Schulen sein müßte.
Warum also ist das eine Schund und das andere Literatur?
Schade das ich zu spät den Thread entdeckt habe. Wer Frank Herberts Werke nicht zur Spitzen Literatur Hinzuzählt ist in meinen Augen ein Ignorant.
Herbert versteht es wie kein anderer Religion und ihre Hintergründe zu analysieren und dies Tiefgründig in seinen Romanen wiederzugeben.
Das Problem der Schule ist einfach die relative unbekanntheit der klassischen Autoren wie Herbert, Lem und Heinlein. Das Buch Solaris von Lem hat mir vom Inhalt mehr zum Philosophieren verleitet, als der gesamte Philounterricht in der Oberstufe.
Doch sollte man sicher auch die Autoren die offensichtlich Vorbild standen kennen. Denn die klassische Science Fiction ist in meine Augen nichts anderes als eine Abstraktion der klassischen Literatur.
Als Zusatz: Mit klassischer Science Fiction ist nicht ein bestimmtes Alter, sondern ein bestimmter Umgang mit Science Fiction gemeint. So könnte zB Babylon 5 mit seinem relativ realistisch gehaltenen Weltbild noch darunter fallen. Während Star Trek und Star Wars herausfallen, obwohl sie wesentlich älter sind.
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