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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum man trotz KriegsSPIELEN Gewalt hassen kann


MadManniMan
2005-11-18, 06:28:06
...dies könnte mehr oder weniger zum Sammelbecken für diverse Anekdoten Eures Wesens werden, doch laßt mich exemplarisch beginnen.

Seit ich vor ein paar Wochen Fable in die Hände bekam, bin ich wieder einer extremen Zockerphase verfallen (Nächte um die Ohren schlagen, durchaus mal lieber einen Abend zocken, anstelle ein Bier trinken zu gehen, etc. pp) und spielte seitdem - wie auch eigentlich sonst immer - solche Spiele, die mit Gewalt wie selbstverständlich agieren.

Nehmen wir Fable: auch wenn es mir hier schon schwer fiel, wirklich böse zu spielen (ich spiele in Rollenspielen keine Rollen, ich spiele, als wäre ich mein Avatar persönlich), so trat ich doch ohne Skrupel Hühner durch die Gegend. In der Realität könnte ich Tieren ungefähr genauso gut weh tuen, wie Kleinkindern. Zudem war es mir eine wahre Freude, snipernd Köpfe abzutrennen, welch Vergnügen! ... RL: wann auch immer ich mich prügelte, half ich meinem Kontrahenten im Nachhinein, wenn sich die Gelegenheit ergab.

Nehmen wir Black & White 2: wiederum bemühte ich mich um das Wohlergehen meiner Untergebenen, dennoch war es eine Mordsgaudi, meine Kuh pogend in die Gegnerscharen zu schicken, auf daß sie Einen nach dem Anderen zerquetschen würde. Die Gebäude der anderen Völker ließ ich mit einem hämischen Grinsen in Vulkanen vergehen, Kinderschreie sind Musik in den Ohren eines gerade offensiv agierenden Gottes!

Nehmen wir Call of Duty und Silent Storm, beide Spiele spielte ich zuletzt. Natürlich ist mir hier nichts wichtiger, als das höchsteffiziente und durch mich forcierte frühe Ableben meiner mir feindlich gesonnenen Gegner. Ich leg mich auf die Lauer und überlege, wem ich den nächsten Headshot verpasse, während sie sich gerade in meiner Muttersprache ganz normal über den Tag unterhalten.

---

Aber nochmal zu Silent Storm: gerade war ich am Abwägen, ob ich der Erfahrung wegen ein paar Zivilisten über den Haufen schießen sollte, als ich Soldier Side vom neuen SoaD-Album Hypnotize laufen hatte. Ohne mich drauf zu konzentrieren, vernahm ich den Text des Liedes und saß plötzlich heulend wie ein Schloßhund vor meinem Rechner und mußte mir die Tränen aus dem Gesicht wischen... Zum Nachvollziehen, hier die Lyrics:


Dead men lying on the bottom of their graves,
Wondering when savior comes,
Is he gonna be saved?

Maybe your a sinner into your ultimate lie,
Maybe your a joker,
Maybe you deserve to die.

They were crying when their sons left,
God is wearing black,
He's gone so far to find the Hope,
He's never coming back.

They were crying when their sons left,
All young men must go,
He's gone so far to find the truth,
He's never going home.

Yound men standing on the top of their own graves,
Wondering when Jesus comes,
Are they gonna be saved?

Hold you to the letter,
Bishop tells the King his lies,
Maybe your a mourner,
Maybe you deserve to die.

They were crying when their sons left,
God is wearing black,
He's gone so far to find the hope,
He's never coming back.

They were crying when their sons left,
All young men must go,
He's gone so far to find the truth,
He's never going home.

Welcome to the soldier side,
Where there's no one here but me.

People all grow up to die,
There is no one here but me.

Welcome to the soldier side,
Where there's no one here but me.

People on the soldier side,
There is no one here but me.

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Es sind nur Worte in einer traurigen Melodie. Ich habe nie selbst Krieg erlebt. Ich habe zudem zwar meinen Großvater durch den 2. WK verloren, aber durch meinen fehlenden Bezug zu diesem werde ich einzig bei dem Gedanken daran sehr traurig, daß mein Vater mit 9 Jahren bereits für seine Brüder als ältester Mann im Haus sorgen mußte und gleichsam ohne jeden Vater aufwuchs.
Das mal außen vor gelassen habe ich, wie gesagt, überhaupt Null persönliche Erfahrung mit Gewaltakten, die für Irgendjemanden in ihrer Endkonsequenz Trauer bzw. seelisches Leid verursachten.

Dennoch reicht der unterschwellige Gedanke an das besungene Szenario, in mir eine unheimliche Verzweiflung zu verursachen - wer Das Fünfte Element kennt: ich fühlte mich so, wie Leeloo, als sie "War" eingab.
Anderes Beispiel: ich sah vor Wochen eine Reportage über den Mauerbau und wurde mit Bildern konfrontiert, die wiederum eine unheimliche Abscheu in mir erweckten. Will ich jetzt aber nicht weiter ausführen, es sollte klar sein, weswegen.


Worauf ich hinauswill: seit ich einen Gameboy in der Hand hatte (Weihnachten '89, IIRC), konfrontierte ich mich selbst mit Gewalt zur Unterhaltung, vielleicht gar noch eher durchs Fernsehen. Seit ich mir dessen bewußt bin, sind Horrorfilme eines meiner liebsten Genres. An Computerspielen lasse ich vieles links liegen, aber Shooter muß ich einfach probieren - je näher an der Realität, desto besser.
Aber dennoch bin ich verdammt sensibel, sei es um meinet Willen, oder um fremdes Leid. Reale Pein finde ich grauenvoll - und wenn ich es zulasse, so sorgen auch ein gutes Buch, ein Lied, ein Film, oder gar die Erzählung einer mir als fiktiv bewußten Geschichte für Heulkrämpfe.

Ich treibe mein digitales Alter Ego meuchelnd durch die gegnerischen Reihen, während meine auditive Wahrnehmung meine Gefühle verrückt spielen läßt, wenn der Gedanke an die reale Auslebung dieser Situation durch mein Hirn spinnt.


Frage: bin ich eine Ausnahme? Soll es tatsächlich so sein, daß ein bedeutender Anteil an Menschen mit derartigen Gedanken- und Gefühlsmomenten keine Erfahrung hat?

Ich möchte keine Diskussion darum anzetteln, ob viele "vernünftige" Menschen darunter leiden müssen, dass einige wenige mit derartigen Medien nicht umgehen können und darum der Allgemeinheit ob des Gefahrenpotentials tatsächlich aber durchaus ein Dienst geleistet wird, wenn der Zugang zu derlei Phantasie erschwert wird*.
Vielmehr möchte ich eure jeweiligen Erfahrungen mit solchen Gefühlen verstehen lernen - eine Aufforderung zum Seelenstriptease, sozusagen.


Ein schönes WE euch, ich bin gespannt auf eure Antworten!


* ...ich werde zwar den Gedanken nicht los, daß eine kompromißlose Konfrontation aller Menschen mit derartigen Phantasien unterm Strich eine bessere Vorsorge, als Quasi-Zensur wäre, wohl aber ist die Gefahr zu groß, daß ich hierbei einfach zu optimistisch denke.

Kladderadatsch
2005-11-18, 08:19:00
du gehörst nun mal, ob du willst oder nicht, zu den menschen, die zwischen spiel und realität klare grenzen setzen können;)
hättest du im rl plötzlich auch lust, hühner herum zu kicken, wärst du eben einer der psychopathen, die für das extrem schlecht geprägte image dieser spiele verantwortlich sind.
zum glück denkt die masse wie du, mehr oder weniger sensibel, und zum glück wissen das auch die verantwortlichen- die die games dann erlauben oder dulden.

ich wüsste jetzt nicht, warum du dich da in irgendeiner weise rechtfertigen müsstest?

Dunkeltier
2005-11-18, 08:41:19
Ich glaub, ich bin da noch einen Tick empfindlicher. In den meisten Spielen könnte ich nicht einmal ein Huhn herumtreten, geschweige denn in B&W die Dorfbewohner grundlos töten. Und ein paar ganz wenige Spiele bringen mich sogar zum heulen (Mystic Quest auf GB, B&W auf PC). Ausnahme sind natürlich Shooter, wo ich einfach drauflos ballere weil die Handlung aus nichts anderen besteht. Was natürlich nicht heißt, das ich im realen Leben ein Messer oder eine Kettensäge zücke, und grundlos meine Mitmenschen niedermetzel. Kommt halt immer drauf an, ob ein Spiel zur Unterhaltung da ist, oder aber ob der "Wettkampf" das eigentliche darstellt. Entsprechend gehe ich dann auch an die Games heran.

rokko
2005-11-18, 09:13:21
als wäre ich mein Avatar persönlich

Hehe das ja nett. :smile:
Ich habe da kein Problem mit virtueller Gewalt. Solange diese nicht Zweck des Spiels selber ist.
Es kam früher schon Freude auf wenn man sich Axt schwingend auf seinen Gegner stürtze um ihm die Füße bis zum Hals zu amputieren. Sensibel ? Skrupel? Überhaupt nicht macht ja Spass. Virtuell mal richtig Schaden anrichten ohne das was dabei passiert. Genau das ist nämlich auch Vorteil von virtuellen Spielen.
Spielen liegt eben in der Natur des Menschen. Im Tierreich übrigends auch.
Gespielte Gewalt kann dazugehören.
Der frühe Mensch musste sich zum Überleben eben Nahrung verschaffen. Ohne Gewalt gabs da kein Fleisch. Ich vermute mal das eben dieser Ansatz immernoch so latent vorhanden ist wie Fettleibigkeit. In der westlichen Kultur wo Wurst eben nicht mehr im Wald gejagt wird sondern im Supermarkt gekauft wird bedient man sich gerne zur Ablenkung der virtuellen Gewalt. Viele essen gerne Steak aber ein Schwein zu schlachten können sie nicht mehr. Sie bringen es einfach nicht fertig einem Lebewesen Gewalt anzutun. Ich kann das auch nicht. Am PC ist das allerdings kein Problem.
Normale Menschen haben mit Gewalt eigentlich fast nichts mehr zu tun.(da gibt es sicher ausnahmen)
Da bieten eben PC-Spiele ein virtuelles Druckventil um mal sowas auszuleben.
Gewalt ist Konfrontation und darauf bauen fast alle Viedospiele auf. Konfrontation als Herausforderung. Ich habe z.B. kein einziges Spiel was ohne Konfrontation auskommt. Selbst CIV4 nicht.
Es kommt natürlich immer darauf an wie exessziv Gewalt betrieben und dargestellt wird.

seahawk
2005-11-18, 11:07:09
Ich habe kein Problm mit Gewalt in Spielen. In BF2 habe ich gar nicht das Gefühl zu töten, es ist mehr wie ein Tor beim Fussball. So geht mit das bei Onlineshootern immer.

Bei SP stört mich nur übertriebene Gewalt. Wenn man in GTA:SA den einen Musikfuzzi inkl. Freundin im Hafenbecken versenkt, so fand ich das doch geschmacklos. In Doom3 oder Kriegsshootern habe ich damit kein Problem, ist ein interaktiver Film.

Auch bei Vampires kann ich gut damit umgehen, ich beschwere mich ja auch nicht, dass in den baldefilmen massig gemetzelt wird.

roman
2005-11-18, 11:13:58
Ich habe kein Problm mit Gewalt in Spielen. In BF2 habe ich gar nicht das Gefühl zu töten, es ist mehr wie ein Tor beim Fussball. So geht mit das bei Onlineshootern immer.

Bei SP stört mich nur übertriebene Gewalt. Wenn man in GTA:SA den einen Musikfuzzi inkl. Freundin im Hafenbecken versenkt, so fand ich das doch geschmacklos. In Doom3 oder Kriegsshootern habe ich damit kein Problem, ist ein interaktiver Film.

Auch bei Vampires kann ich gut damit umgehen, ich beschwere mich ja auch nicht, dass in den baldefilmen massig gemetzelt wird.
seh ich genauso. stören tun mich nur spiele wie zB "manhunt" oder "condemned", bei denen gewalt das spielbestimmende element ist. sowas sollte erst gar nicht entwickelt werden. und so übertriebene splattereffekte, wie sie zB soldier of fortune zu bieten hat, schalte ich normalerweise eh ab.

NameLessLameNess
2005-11-18, 12:07:36
seh ich genauso. stören tun mich nur spiele wie zB "manhunt" oder "condemned", bei denen gewalt das spielbestimmende element ist. sowas sollte erst gar nicht entwickelt werden. und so übertriebene splattereffekte, wie sie zB soldier of fortune zu bieten hat, schalte ich normalerweise eh ab.
Hier wurde ein wichtiger Punkt noch nicht angesprochen.
Nämlich die Selbstironie der Spielehersteller (wie die GTA / Manhunt- Macher).
Deshalb stören mich solche scheinbar gewaltverherrlichenden Games nicht wirklich.
Die Szene die Seahawk oben schrieb, als man bei GTA:SA das Auto mit Insassen versenken musste,
fand ichs eher lustig als geschmacklos. Lag aber auch nur daran das man in GTA:SA eigentlich
überhaupt nix ernst nehmen kann. Von den Radiosendern angefangen, bis hin zu den Shops merkt
man , das es auf übertrieben ironische weise lustig sein soll und nicht todernst. Daher lebt
das Spiel eher von schwarzem Humor oder sowas wie Galgenhumor. Manche sehen diesen Unterschied
leider nicht und die sollten son Game auch nicht zocken.
Und gegenteilig find ich son Game wie SOF2 oder Manhunt, die inhaltlich nicht besonders sind
und fast davon leben die blutigsten Games zu sein, nicht besonders reizvoll.

Maki
2005-11-18, 12:29:36
@ MadManniMan: Das beschreibt genau meine Gefühle zu PC Spielen.

Tybalt
2005-11-18, 12:40:39
Bei mir wirkt sich das eigentlich nur auf Rollenspiele aus.
Richtig böse kann ich nicht spielen.
Liegt warscheinlich daran, daß RPG nunmal die glaubwürdigsten Welten erschaffen in die man eintauchen kann. Da tun mir dann manche NPC leid.

roman
2005-11-18, 12:44:34
Hier wurde ein wichtiger Punkt noch nicht angesprochen.
Nämlich die Selbstironie der Spielehersteller (wie die GTA / Manhunt- Macher).
Deshalb stören mich solche scheinbar gewaltverherrlichenden Games nicht wirklich.
Die Szene die Seahawk oben schrieb, als man bei GTA:SA das Auto mit Insassen versenken musste,
fand ichs eher lustig als geschmacklos. Lag aber auch nur daran das man in GTA:SA eigentlich
überhaupt nix ernst nehmen kann. Von den Radiosendern angefangen, bis hin zu den Shops merkt
man , das es auf übertrieben ironische weise lustig sein soll und nicht todernst. Daher lebt
das Spiel eher von schwarzem Humor oder sowas wie Galgenhumor. Manche sehen diesen Unterschied
leider nicht und die sollten son Game auch nicht zocken.
Und gegenteilig find ich son Game wie SOF2 oder Manhunt, die inhaltlich nicht besonders sind
und fast davon leben die blutigsten Games zu sein, nicht besonders reizvoll.
GTA:SA hab ich selber sehr gerne gezockt. da fand ich den gewaltfaktor auch gar nicht übertrieben, da sich das ganze gut in die handlung einfügt.

wenn allerdings wie bei manhunt für besonders brutale und "originelle" tötungsmethoden auch noch extrapunkte vergeben werden, ist imho eine grenze überschritten. da kann ich auch keine ironie mehr erkennen.