PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Moral in der Gesellschaft (Split aus: Gestern bei Domian......Ehemann ist zu lieb?!?)


Anárion
2005-12-20, 14:29:56
Wieder aus dem Zusammenhang gerissen! Menschenverachten ist es dann, wenn man seine moralischen Denkweisen automatisch auf andere projeziert, ohne deren kulturellen, ideellen, indiviudellen, realen und gesellschaftlichen Kontext mit einzubeziehen!!! Genau mit dieser Einstellung hat man viele Kulturen und Individuen zerstört. Mit dieser festen Argumentation hat man auch einen Kepler verurteilt, hat man Menschen verbrannt, weil man sich im moralischen Recht glaubte! Und genau diese Denkweise legst Du so zutage, genau wie im Mittelalter, nur etwas modernisert und aktuell eingekleidet, das Prinzip ist aber genau das gleiche. Verurteile alles nach festen Regeln, so macht man sich das Denken leicht! Aber so funktioniert die Welt nicht.

Ein bewährtes Prinzip zur Erhaltung der eigenen Kultur. Die Welt war nie eine friedliche, sie hat schon immer so funktioniert. Auslöschen, überschreiben, indoktrinieren, übertragen. Das eigentliche Problem sind die Individualisten die ihren kleinsten Penisring als kulturelle Befreiung, Bewegung verkaufen und auf ihre Individualität, ja Einzigartigkeit pochen. Modernes Denken ist zu sehr von Toleranz durchtrieft die in den Mechanismen dieser Welt gar nicht aufgeht. Ohne eine gewisse Ordnung funktioniert keine Gesellschaft, und dazu gehört eben diese jene Moral, die hier angefochten wird.

Ajax
2005-12-20, 14:34:48
Sprache des Mannes:

Willst Du mich heiraten? = Ich will, dass es illegal wird, wenn Du mit anderen Männern ins Bett gehst...

X-D

Monger
2005-12-20, 14:36:13
Ohne eine gewisse Ordnung funktioniert keine Gesellschaft,

Da stimme ich sogar zu.

und dazu gehört eben diese jene Moral, die hier angefochten wird.

Den Beweis hat mir noch keiner erbringen können! ;)
Dass absolute Moralvorstellungen irgendwas anderes als das Recht auf Gewohnheit mit sich bringen (ich betone ABSOLUT, weil natürlich jeder Mensch Moralvorstellungen hat und braucht), habe ich noch nicht feststellen können.

Anárion
2005-12-20, 14:59:37
Da stimme ich sogar zu.


Den Beweis hat mir noch keiner erbringen können! ;)
Dass absolute Moralvorstellungen irgendwas anderes als das Recht auf Gewohnheit mit sich bringen (ich betone ABSOLUT, weil natürlich jeder Mensch Moralvorstellungen hat und braucht), habe ich noch nicht feststellen können.

Wir sind noch nicht so weit oder so tief gefallen um den Phönix aus der Asche mit völlig neuen Moralvorstellungen einzukleiden, und absehen zu können ob Polyamorie nicht doch den ersehnten ewigen Frieden auf der Welt bringt.

Das Verlustgefühl über den Partner mitsamt der "Sicherheit" durchs Fremdgehen, wage ich nicht religiösen (auferlegten) Ursprungs zu sehen denn als den Weg den die Natur eingeschlagen hat. Eine innere Ordnung gibt einem das Gefühl von Sicherheit, nur als Gemeinschaft ist man imstande großes zu vollbringen. Ein Pfeil bricht leichter als ein ganzer Köcher voll. Eine lose Gemeinschaft in der ein jeder selbst sich und des anderen Moralvorstellungen respektiert und achtet, und sich diese wahren lassen, kann nicht funktionieren.* Sie mag für viele ein Ideal darstellen aber manche Dinge glänzen nur in ihrer theoretischen Existenz. Die Natur als Ausrede für das eigene geistige Versagen, als Rechtfertigung zur eigenen Machterhaltung? Nun, die Psyche kennt nur Tendenzen, keine völlig neuen Menschen.

* gemeint, aber falsch ausgedrückt, war: Anarchismus als Gesellschaftsform.

{655321}-Hades
2005-12-20, 15:18:39
Da stimme ich sogar zu.


Den Beweis hat mir noch keiner erbringen können! ;)
Dass absolute Moralvorstellungen irgendwas anderes als das Recht auf Gewohnheit mit sich bringen (ich betone ABSOLUT, weil natürlich jeder Mensch Moralvorstellungen hat und braucht), habe ich noch nicht feststellen können.

Moral ist im wahrscheinlich schon ersten Moment der Zivilisation geboren worden. Ausfindig als Urzwurzel der Moral konnte man das Inzestverbot machen, das in allen Kulturen auf die eine oder andere Art vorkommt. Moral bringt das Recht auf Gewohnheit, das hast du Recht, aber Gewohnheit IST Vorrausetzung zu menschlichem Handeln miteinander. Niklas Luhmann hat das Problem, das man hätte und teilweise hat, wenn man diese Gewohnheit (Sitte, Brauch, Anstand, Verhaltensnormen, darunter auch Moral) nicht hätte, als die sogenannte doppelte Kontingenz bezeichnet.

A interagiert, in Luhmanns Falle, allerdings auf jede Interaktion wohl übertragbar, kommuniziert, mit B.

B interagiert mit A.

Damit das überhaupt möglich ist, muss das schier unendliche (beidseitige, "doppelte Kontingenz") Potential der Handlung eingeschränkt werden. Dies findet über Sitte, Brauch, Verhaltensnormen, eben auch Moral statt. Im Großen wie im Kleinen.

Monger
2005-12-20, 15:33:25
Eine innere Ordnung gibt einem das Gefühl von Sicherheit, nur als Gemeinschaft ist man imstande großes zu vollbringen.

... was wiedermal eine dämliche, christliche Annahme ist. Was so tolles, großes wollen wir denn erreichen, für das wir die Individualität opfern wollen?
(oder genauer: geopfert haben. Was in der Moderne als "Sittenverfall" angekreidet wird, ist ja genau diese Rückkehr zum Individualismus.)

...Eine lose Gemeinschaft in der ein jeder selbst sich und des anderen Moralvorstellungen respektiert und achtet kann nicht funktionieren. Sie mag für viele ein Ideal darstellen aber manche Dinge glänzen nur in ihrer theoretischen Existenz.

Das kann jetzt nicht dein Ernst sein !?!


Die Natur als Ausrede für das eigene geistige Versagen, als Rechtfertigung zur eigenen Machterhaltung? Nun, die Psyche kennt nur Tendenzen, keine völlig neuen Menschen.
Bitte WAS?
Der Mensch braucht sich nicht dafür zu rechtfertigen, Mensch zu sein. Der Mangel liegt in deinem falschen, unvollständigen Menschenbild. Und dass alle Menschen im Prinzip die selbe Psychologie besitzen, ist (wiedermal) eine unbewiesene Aussage. Wenn sie sich so ähneln würden, würden wir diese Diskussion nicht führen können.

Monger
2005-12-20, 15:40:55
... Damit das überhaupt möglich ist, muss das schier unendliche (beidseitige, "doppelte Kontingenz") Potential der Handlung eingeschränkt werden. Dies findet über Sitte, Brauch, Verhaltensnormen, eben auch Moral statt. Im Großen wie im Kleinen.

Leuchtet mir absolut ein. Nichts auf der Welt hat sich zufällig entwickelt, stellt sich nur die Frage: zum Guten oder zum Schlechten?

In dem Fall stellen sich doch zwei Fragen:

- Was konkret soll geschützt werden?

- und warum ausgerechnet so?

Moral ist beliebig. Also warum gerade diese Moral, und keine andere?


Ich sehe diesen Grund nicht mehr. Jeder moderne Mensch ist fähig, seine eigene Moral zu entwickeln, zu leben und zu verteidigen. Es braucht hierfür keine "Gesellschaft" mehr.

Madkiller
2005-12-20, 15:45:52
Ein Messer ist ein Messer, und man kann es zum Schneiden von Nahrungsmitteln verwenden, aber auch zum Töten. Was kann das Messer dafür, wie man es einsetzt, es hängt vom Handelnden ab.
Das Messer ist aber ein Gegenstand der von sich aus zu nichts in der Lage ist.
Der Mensch und seine Gedanken und sein Handeln sind IMO als Eins zu betrachten, da die beiden sehr ineinander verflochten sind.
Oder anders rum. Wenn man die Gedanken eines Menschens - und dadurch sein Handeln - verurteilt, verurteilt man damit IMO den Menschen an sich.

Nach deinem Beispiel wäre der Mensch an sich garnichts ohne sein Denken und Handeln. Und damit auch garnicht erst kritikwürdig.

Lange Rede, kurzer Sinn.
Für mich ist eine Trennung von "Mensch" und "Handeln/Denken" nicht nötig. Und dadurch, daß du recht gern Superlative nutzt in deinem Fall auch ggf. misszuverstehen.

Ich kritisiert, daß er sich nicht über vorhanden Fakten und Tatsachen informiert, bevor er ein Urteil oder Kommentar abgibt. Das kann man von heutigen aufgeklärten Internetnutzern verlangen, Google und Wikipedia helfen da schnell weiter.
Keine Angst, das hatte ich schon herausgelesen.
Ändert für mich - im Endeffekt - trotzdem nichts daran, daß wenn man das Denken/Handeln eines Menschen so kritisiert wie du, man im Endeffekt auch den "Menschen" an sich kritisiert.
Gerade weil die Misstände die du ansprichst meist viel zu tief gehen. Und deswegen - zumindest momentan - mit dem "Menschen" an sich verflochten sind.
Deswegen war es für mich wichtig zu erfahren, wie die Trennung bei dir so genau wie möglich aussieht. Ich gebe mich nicht immer mit 90% zufrieden.

Wenn Du mal genauer meine Texte liest, wirst Du sehen, das ich zu keinem Zeitpunkt jemanden kritisiere, wenn er schreibt:
Ich stelle 2 Fragen in dem ganzen Thread, und du liest dabei raus, daß ich

1.) nicht genau lese
2.) dir vorwerfen würde, daß du undifferenziert kritisierst

Damit pauschalisierst du.

btw
Da ich das Gefühl habe, daß du die Intention meiner Fragen erneut missinterpretiert hast:
Ich frage (gerade in diesem und in dem anderen Thread) in erster Linie nicht, weil mir gewisse Sachen unklar sind, sondern weil ich die gewissen Sachen aus deinem Blickwinkel genauer (oder möglichst genau) erklärt haben möchte.

Letzlich komme ich zu dem Schluß (der aber noch nicht entgültig ist), daß vieles darauf beruht, daß Menschen vor gravierenden Erkenntnissen eine tiefe Angst haben. Es bedeutet immer ein Risiko, alte Denkmuster und Verhaltensweisen zu verlassen, und ein Risiko erzeugt oft diese Furcht und die Flucht in die alten Gewohnheiten. Aus vielschichtigen Gründen wurde vielen anerzogen, sich stets auf die Gewohnheit zu verlassen, und nicht auf das Risiko, ja keine Experimente oder anderen Wege gehen.
Natürlich, da kann ich dir zustimmen. In meiner Sig steht ja auch was dazu.

Beantwortet das in etwa Deine Frage?
Natürlich, deine Antworten sind ja immer schön umfangreich.

blackbox
2005-12-20, 16:14:04
Ich sehe diesen Grund nicht mehr. Jeder moderne Mensch ist fähig, seine eigene Moral zu entwickeln, zu leben und zu verteidigen. Es braucht hierfür keine "Gesellschaft" mehr.

Das ist einerseits wahr und andererseits falsch.
Dazu müssten wir erst ein paar Begriffe definieren: Was ist ein moderner Mensch? Was ist Moral? Was ist eine Gesellschaft?

Der Stadtmensch kann tatsächlich souverän leben und sein Leben gestalten. Und zwar ohne eine Bindung zu Mitmenschen zu pflegen. Nichtsdestotrotz ist er auf die Gesellschaft angewiesen, in der er lebt. Er ist von Menschen abhängig, es wird ihm niemals gelingen, sich völlig abzukapseln. Und die Gesellschaft, in der er lebt, ist nun mal hochgradig moralisch. Sie wird zwar unwissend akzeptieren, dass ein anders denkender unter ihnen ist, aber sobald er ablebt, in seiner Wohnung tot und verwest aufgefunden wird, macht sich die Gesellschaft moralische Vorwürfe. Aber welche Vorwürfe macht sich der Stadtmensch? Hat er zuvor überhaupt solche moralischen Gedanken entwickelt, wie es die Gesellschat sie nach seinem Ableben gemacht hat? Ich behaupte nein.
Das Ganze hat mehr als einen egozentrischen Touch.
Was wäre denn das für eine Gesellschaft, in der nur "moderne Menschen" leben würden?

Anárion
2005-12-20, 16:17:50
... was wiedermal eine dämliche, christliche Annahme ist. Was so tolles, großes wollen wir denn erreichen, für das wir die Individualität opfern wollen?

Eine Gemeinschaft fängt bei zweien an und gerade diese Symbiose ist die wohl erfüllendeste. Sobald das eigene Ego den Vortritt hat, beginnen die Fehler die man zusehendes nicht bereit ist sich selbst einzugestehen oder gar zu erkennen. Versuche unvoreingenommen zu lesen. Christliche Annahme wtf?


Das kann jetzt nicht dein Ernst sein !?!

Das ist mein voller Ernst. Ich halte anarchistische Gemeinschaften für realitätsfremd. Nur leider ist meine Neigung mich kurz zu halten diesmal deutlich durchgebrannt. Das sehe ich gerne ein.


Bitte WAS?
Der Mensch braucht sich nicht dafür zu rechtfertigen, Mensch zu sein. Der Mangel liegt in deinem falschen, unvollständigen Menschenbild. Und dass alle Menschen im Prinzip die selbe Psychologie besitzen, ist (wiedermal) eine unbewiesene Aussage. Wenn sie sich so ähneln würden, würden wir diese Diskussion nicht führen können.

Die Grundtendenz ist die gleiche, alles andere beeinflusst die Erziehung, die soziale Umgebung...und und und. Wieso diese panische Angst? Von Gleichheit ist nicht die Rede weswegen das Argument der Gleichschaltung durch religiöse Moralvorstellungen nicht zieht. Der Mensch bleibt immer individuell, einzigartig für sich, aber Individualismus wird nun mal liebend gerne mit Egoismus vertauscht. Versuche nicht mehr hineinzuinterpretieren als dasteht, auch wenn meine Postings sicherlich gerne dazu verleiten.

PHuV
2005-12-20, 16:43:19
Wenn Du mal genauer meine Texte liest, wirst Du sehen, das ich zu keinem Zeitpunkt jemanden kritisiere, wenn er schreibt:...



Ich stelle 2 Fragen in dem ganzen Thread, und du liest dabei raus, daß ich

1.) nicht genau lese
2.) dir vorwerfen würde, daß du undifferenziert kritisierst

Damit pauschalisierst du.


Moment, diese Schlüsse ziehst Du, das habe ich aber weder gesagt, noch gemeint, noch versteckt angedeutet? Es ging mir nur um ein konkretes Beispiel, daß ich etwas nicht tue, damit unterstelle ich Dir nicht automatisch die von Dir genannten zwei Punkte, das machst Du selbst, gelle ;) !

PHuV
2005-12-20, 16:51:59
Der Mensch bleibt immer individuell, einzigartig für sich, aber Individualismus wird nun mal liebend gerne mit Egoismus vertauscht.

Das ist der Knackpunkt bei vielen Diskussionen um Individualität.


Ohne eine gewisse Ordnung funktioniert keine Gesellschaft, und dazu gehört eben diese jene Moral, die hier angefochten wird.

Moment, ganz großer Einspruch: Ordnung und Moral sind zwei verschiedene Dinge, und haben per se nichts miteinander zu tun. Ordnung funktioniert sehr wohl auch ohne Moral, und umgekehrt!

PHuV
2005-12-20, 17:03:35
Und die Gesellschaft, in der er lebt, ist nun mal hochgradig moralisch.


Nur ist die Moral vollkommen anders, je nach Gesellschaft! In tiefsten finstersten Bayern gehört es sich, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, wenn Du nicht gehst, bist Du in deren Sicht automatisch unmoralisch!

Genau so weiter geht es. Gesellschaftlicht ist es moralisch in Ordnung, wenn man sich im Bierzelt die Hucke vollsäuft, aber sobald man mit einer anderen Frisur rumläuft (Punk, extrem gefärbt), gehört sich das nicht.

Wie Du siehst, funktioniert das mit dieser Art von Moralgedanken überhaupt nicht. Und letztlich führt diese Auslegung von Moral nur zu einen, daß sich die Menschen dieser oberflächlich unterordnen, sprich man geht in die Kirche, obwohl man überhaupt nicht gläubig ist, hält seine Haare ordentlich, obwohl man lieber etwas anderes möchte!

Moral ist nicht nur die allseitsgeliebe Ordnung der Gesellschaft, Moral kann genau so zerstören, einschränken, beschneiden und zu falschem Verhalten führen.

Beispielsweise darf ein muslimischer Mann eine Frau bei der Menstruation nicht anfassen, sie gilt als unrein. In dem Moment, wo er sie trotzdem anfaßt, und sei es, um ihr zu helfen, weil sie umfallen ist, verletzt ist usw. , handelt er unmoralisch. Nur wird diese durch eine größere moralische Regel (Menschen helfen) wieder aufgehoben.


Sie wird zwar unwissend akzeptieren, dass ein anders denkender unter ihnen ist, aber sobald er ablebt, in seiner Wohnung tot und verwest aufgefunden wird, macht sich die Gesellschaft moralische Vorwürfe.


Warum?


Aber welche Vorwürfe macht sich der Stadtmensch? Hat er zuvor überhaupt solche moralischen Gedanken entwickelt, wie es die Gesellschat sie nach seinem Ableben gemacht hat? Ich behaupte nein.
Das Ganze hat mehr als einen egozentrischen Touch.
Was wäre denn das für eine Gesellschaft, in der nur "moderne Menschen" leben würden?

Meine Güte, was willst Du uns damit sagen? Das der Stadtmensch unmoralischer ist als der Landmensch?

Madkiller
2005-12-20, 17:10:59
Moment, diese Schlüsse ziehst Du, das habe ich aber weder gesagt, noch gemeint, noch versteckt angedeutet? Es ging mir nur um ein konkretes Beispiel, daß ich etwas nicht tue, damit unterstelle ich Dir nicht automatisch die von Dir genannten zwei Punkte, das machst Du selbst, gelle ;) !
Bitte?
Du schriebst: "Wenn Du mal genauer meine Texte liest, wirst Du sehen, das ich zu keinem Zeitpunkt jemanden kritisiere, wenn er schreibt:..."

Durch das "mal" deutest du an, daß ich es machen sollte.
Durch die Steigerungsform "genauer" sagst du aus, daß ich es bis jetzt noch nicht getan habe. Warum sonst die Steigerung?
Und die Zukunftsform "wirst du sehen" macht auch nur Sinn, wenn es derjenige bis jetzt noch nicht gesehen hat.

PHuV
2005-12-20, 17:20:25
Man muß sich mal folgendes klarmachen, Moral wird definiert, je nach Zeitgeist, je nach Gesellschaft. Was in der einen Gemeinschaft ok ist, ist bei einer anderen verpönt. Somit ist Moral an sich immer ein bilaterale Absprache von Regeln und Verhaltensnormen.

Das deutsche Wort für Moral ist Wertvorstellung, und damit ist schon alles gesagt, es ist eine Vorstellung, wie wir Dinge, Meinungen, Handlungen, Vorstellungen, Ideen usw. von anderen Menschen oder Gruppen und Gesellschaften bewerten. Vorstellungen können jedoch stark abweichen, weil gegen die Vorstellung immer der Trieb (siehe Freud), die Motivation und die eigenen Wünsche bzw., der eigene Egoismus steht.

Jeder hat eigene Wert, und nun geht es darum, diese Vorstellungen über Werte, Verhalten und Handlungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, so daß

a) jeder mit seiner Wertvorstellung so leben kann, daß er sich individuell entfalten kann
b) mit seinen Wertvorstellungen andere nicht stört bzw. belästigt.

Ein Satanist trägt das Kreuz verkehrt herum, der Christ fühlt sich gestört, welche Moral ist nun richtig oder falsch?

Man kann zu diesem Thema viele Beispiele finden, wo Moral bindet, aber auch zu widersprüchlichen Ergebnissen führt bis dorthin, wo es zu einer zwiespältigen Doppelmoral mit daraus resultierenden Problemen führt.

Ein konkretes Beispiel, früher war Mastubation verboten, dies führte dazu, daß auch beispielsweise Frauen in Europa und den USA bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts beschnitten wurden (Stichwort Hysterie). Somit hat früher jeder, der onaniert hat, immer automatisch ein schlechtes Gewissen gehabt. Was hat es gebraucht? Nichts. Heute schmunzeln wir vielleicht über diese Art von Moralvorstellungen, aber Fakt ist, dieses Moralvorstellungen waren toternst, und diejenigen, die dabei erwischt wurden, hatten mit erheblichen Konsequenzen zu rechnen, sogar bei uns bis ins 20.Jahrhundert (dazu hat mir mal ein 55 jähriger Klosterschüler ein paar nette Details erzählt).

Wie wir hier sehen können, machen Moralvorstellungen nicht halt vor individuellen Handlungen, die eigentlich keinen anderen betreffen, sondern nur sich selbst, und das ist das gefährliche daran! Hier hat die Moral überhaupt nichts mit Ordnung und gesellschaftlichen Regelung zu tun, trotzdem ist sie aktiv, und man wird daran bewertet! Aber mit welchem Recht? Mit welcher Berechtigung?

Beispiel: Du sollst nicht töten!

Als eines der höchste moralischen Instanzen und Regeln, die wir haben. Bei Verteidigung ist töten als Ausweg wiederum legitim, als Soldat in dem Krieg ebenfalls, dort ist es sogar ausdrücklich erwünscht! Wer da früher moralisch wurde und den Befehl verweigerte, wurde selbst hingerichtet. Aber man tötet auch Fliegen, Tiere, damit wir Nahrung haben, Wälder werden vernichtet, weil Straßen gebaut werden müssen usw.

Moral?

Ein Mann ist mit Pferd und viel Gepäck am Fluß, um daraus zu trinken. Plötzlich kommt ein Fremder vorbeigeritten, nimmt sein Schwert und schlägt dem Trinkenden seine Kopf ab. Danach nimmt er das Pferd und das Gepäck und reitet fort.

Wie bewerten Ihr diese Tat?

Du willst irgendwo einparken, und setzt gerade sichtbar für alle zum Parken an. Plötzlich schießt ein Auto hervor und eine Frau nimmt Dir einfach Deinen Parkplatz weg!

Wie bewerten Ihr diese Tat?

PHuV
2005-12-20, 17:21:03
Bitte?
Du schriebst: "Wenn Du mal genauer meine Texte liest, wirst Du sehen, das ich zu keinem Zeitpunkt jemanden kritisiere, wenn er schreibt:..."

Durch das "mal" deutest du an, daß ich es machen sollte.
Durch die Steigerungsform "genauer" sagst du aus, daß ich es bis jetzt noch nicht getan habe. Warum sonst die Steigerung?
Und die Zukunftsform "wirst du sehen" macht auch nur Sinn, wenn es derjenige bis jetzt noch nicht gesehen hat.

Gut, war nicht so gemeint, sorry!

Monger
2005-12-20, 17:23:47
... Sie wird zwar unwissend akzeptieren, dass ein anders denkender unter ihnen ist, aber sobald er ablebt, in seiner Wohnung tot und verwest aufgefunden wird, macht sich die Gesellschaft moralische Vorwürfe.
...


Ich hab keine Ahnung was du mir sagen willst, und ich hab auch keine Ahnung was deine Anekdote mit Moral zu tun hat.

Eine Gemeinschaft fängt bei zweien an und gerade diese Symbiose ist die wohl erfüllendeste. Sobald das eigene Ego den Vortritt hat, beginnen die Fehler die man zusehendes nicht bereit ist sich selbst einzugestehen oder gar zu erkennen. Versuche unvoreingenommen zu lesen. Christliche Annahme wtf?

Wieder so eine Behauptung. Warum muss man die eigenen Fehler korrigieren? Warum sind dafür andere besser geeignet als man selbst, und warum darf es nur eine einzige Person sein?
Wie ich schon vorher gesagt habe: der einzige wahre Grund für eine Partnerschaft ist, um eine Familie zu gründen, nichts anderes. Kein anderer Grund legitimiert so eine Beziehungsform - und genau der Grund ist halt inzwischen fragwürdig geworden.


Die Grundtendenz ist die gleiche, alles andere beeinflusst die Erziehung, die soziale Umgebung...und und und. Wieso diese panische Angst? Von Gleichheit ist nicht die Rede weswegen das Argument der Gleichschaltung durch religiöse Moralvorstellungen nicht zieht. Der Mensch bleibt immer individuell, einzigartig für sich, aber Individualismus wird nun mal liebend gerne mit Egoismus vertauscht. Versuche nicht mehr hineinzuinterpretieren als dasteht, auch wenn meine Postings sicherlich gerne dazu verleiten.

Da komme ich jetzt nicht mehr mit. Einerseits redest du von allgemeingültigen Moralvorstellungen, andererseits gestehst du zu dass jeder Mensch individuell ist.
Außerdem würde ich gerne von dir hören, wie sich denn Egoismus und Individualismus unterscheiden! ;)


Um nochmal meinen vorigen Gedanken weiterzuspinnen: jeder Mensch muss nicht nur fähig sein seine eigenen Moralvorstellungen zu entwickeln, sondern auch mit der Umwelt zu kommunizieren.
Da scheint unser Mißverständnis zu liegen: individuelle Moralvorstellungen entbinden einen nicht von der Pflicht, sich mit fremden Moralvorstellungen auseinander zusetzen. Innerhalb seines eigenen Raumes (Freunde, Kollegen, Verwandte etc.) muss man sich selbstverständlich auf irgendwas einigen.

Das kann aber eine sehr individuelle Lösung sein, und erfordert keine verordnete Moral von oben.

Wenn sich ein Ehepaar darauf einigt, dass Seitensprünge ok sind, sind diese auch akzeptabel.
Oder auf unseren Fall übertragen: solange wir keine Vorstellung davon haben, wie die Beziehung zwischen dieser Frau und ihrem Mann aussah, welche moralischen Grundsätze sie vereinbart haben und welche verletzt wurden, können wir die Situation überhaupt nicht beurteilen.

PHuV
2005-12-20, 17:41:00
Spätenstens jetzt sollten einige gemerkt haben, daß der Begriff Moral nicht absolut verwendet werden kann! Dazu gibt es zu viele Gegenbeispiele, und damit ist diese Tatsache bewiesen! Genau aufgrund dieser Problematik kann man in vielen Fällen mit Berufung auf die Moral gar nichts erreichen, um Handlungen und Vorgängen zu erläutern! Moral bezieht nur einen Standpunkt mit ein, ohne jedoch viele Rahmenbedingungen mit dem Kontext der Umgebung gleichzeitig mit zu berücksichtigen, und das ist für eine tatsachenorientiere Betrachtungsweise nicht förderlich!

Da sich Umstände immer ändern, Umgebungen, Kulturen und Rahmenbedingungen, muß der Mensch, wenn er entsprechend überleben will, immer seine "Moral" anpassen, ob er will oder nicht! Daß das sehr gut funktioniert, sieht man am 3.Reich, wo eigentlich die christliche Mehrheit der Bevölkerung dem Rassenwahn und der daraus resultierenden Kriegswahn hätte widerstreben müssen! Moral ist nun mal beliebig austauschbar, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, siehe aktuelles Beispiel 2.Irakkrieg!

{655321}-Hades
2005-12-20, 19:01:49
Leuchtet mir absolut ein. Nichts auf der Welt hat sich zufällig entwickelt, stellt sich nur die Frage: zum Guten oder zum Schlechten?

Das, mein Lieber, ist eine Frage, bei der jeder das Recht hat, sie für SICH zu beantworten, jedoch nicht für die Gesellschaft. :)

In dem Fall stellen sich doch zwei Fragen: Du wirst gleich drei stellen. X-D

- Was konkret soll geschützt werden?

Hmm. Wie erkläre ich dir das jetzt nach Möglichkeit so, dass du mich verstehst. Da ich das ja studiere, kann es mir passieren, dass ich mich unverständlich ausdrücke. Schrei einfach, wenn das so ist. :)

Eine Gesellschaft formuliert für sich aus gewissen Zwängen heraus (Hobbes zB hat dies im Leviathan ausführlich behandelt) Regeln, die das Gemein(!)wohl sichern sollen, was auf der anderen Seite einen Verlust für das legitime affektive Handeln für das Wohl des Einzelnen darstellt. Schlussendlich sollte dabei allerdings ein ständiger Ausgleich stattfinden, so dass das Moment der Sicherheit vor anderen der eigentliche Gewinn ist. Das soll durch Moral geschützt werden: Die Gewohnheit, sich sicher fühlen zu können. Im Großen und im Kleinen. ;)

- und warum ausgerechnet so?

Mit der Frage setzen sich Anthropologen, Soziologen und Ethnologen seit Jahrzehnten auseinander. Max Weber hat die Methode der kausalen Erklärung aus der Geschichte für die Richtige gehalten. Bis jetzt hat man mit dieser Methode sehr viele, durchaus plausible Erkenntnisse gewinnen können. Und wo du Recht behältst, behältst du du Recht: Es hat sehr viel mit (ehemals) religiösen Einflüssen zu tun, die sie nun aber verselbstständigt haben.

Moral ist beliebig. Also warum gerade diese Moral, und keine andere?

Berechtigte Frage. Sagen wir mal so: Sie erweist sich bis jetzt als durchaus gesellschaftsdienlich, und sie wird in die öffentliche Kommunikation seligiert, sonst würden wir jetzt ja auch garnicht darüber sprechen. Du kennst sie schonmal, und manche kennen sie nicht einmal anders. Das kann sich bei Zeiten auch wieder ändern, so wie es in den 70ern in Deutschland geschehen ist, wenn wir speziell die Sexualmoral betrachten.

Ich sehe diesen Grund nicht mehr. Jeder moderne Mensch ist fähig, seine eigene Moral zu entwickeln, zu leben und zu verteidigen. Es braucht hierfür keine "Gesellschaft" mehr.

Da irrst du dich ganz fundamental. Es ist zwar richtig, dass wir als Gesellschaft inzwischen sehr weite moralische Ausdrücke gelten lassen, doch einigen wir uns in unserer Staatsbürgerschaft bereits auf eine gewisse Grundmoral, dargestellt und institutionalisiert durch das Grundgesetz. Wie es hier aussähe, wenn wir diese regulativen Institutionen unserer Moral nicht mehr hätten (Polizei, Gerichte, Verfassungsgericht), kannst du dir in deiner blühenden Fantasie ja mal ausmalen.

Und dieser "moderne Mensch", wie du ihn nennst, wäre dann permanent der Gefährdung der auf einmal frei handlungsfähigen unmodernen Menschen ausgesetzt. Scientology, Islamisten, fundamentalistische Christen...die dürften auf einmal nämlich auch alle ihre Moral formulieren, leben und verteidigen. Garnicht so rosig, was?

Ferner benötigst du als Mensch die Gesellschaft mehr als je zuvor. Auch wenn die Stadt (wie Georg Simmel bereits untersuchte) eine enorme Anonymität erzeugte, ändert dies nichts an der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in ihren Funktionen weit ausdifferenziert hat. Dies findet AFAIK erstmals bei Spencer und Durkheim Erwähnung (mechanische und organische Solidarität). Du bist als Mensch heute auf Spezialistentum angewiesen, der Allrounder, der sein komplettes Leben schmeißt, ist längst Geschichte.

Alleine dieser Faktor macht dich abhängig, was dich auch dazu zwingt, dich der Sozialisation zu unterwerfen. Die Problematik des Individuums und der Gesellschaft hat auch bereits wesentliche Ergründung erfahren.

{655321}-Hades
2005-12-20, 19:16:47
Das deutsche Wort für Moral ist Wertvorstellung, und damit ist schon alles gesagt, es ist eine Vorstellung, wie wir Dinge, Meinungen, Handlungen, Vorstellungen, Ideen usw. von anderen Menschen oder Gruppen und Gesellschaften bewerten. Vorstellungen können jedoch stark abweichen, weil gegen die Vorstellung immer der Trieb (siehe Freud), die Motivation und die eigenen Wünsche bzw., der eigene Egoismus steht.


Zu der ewigen Psychoanalyserumkackerei (das bezieht sich jetzt garnicht auf dich, sondern darauf, dass mich der Umstand allgemein nervt), möchte ich gerne einmal Robert K. Merton zitieren. Der allgemeine Hype der Psychoanalyse und der Reduktion des Menschen auf seine Triebe ist in der Wissenschaft schon LANGE vorbei, und das sollte endlich auch im Alltagsverständnis stattfinden.


"Bis vor kurzem, und ganz sicher schon früher, konnte man von einer ausgeprägten Tendenz in der psychologischen und soziologischen Theorie sprechen, die Fehlfunktionen von sozialen Strukturen dem Versagen der sozialen Kontrolle über die übermächtigen biologischen Triebe des Menschen anzulasten. Die Metaphorik des mit dieser Lehre implizierten Verhältnisses von Mensch und Gesellschaft ist so eindeutig wie fragwürdig. Da sind am Anfag der Mensch und seine biologischen Triebe, die nach freier Entfaltung streben; und dann erst die soziale Ordnung, im wesentlichen als ein Apparat für Triebmanagement, soziale Spannungsverarbeitung und, um mit Freud zu reden, "Triebverzicht". Die Nichtkonformität mit den Anforderungen der sozialen Struktur wäre demnach bereits in der Natur des Menschen angelegt. Es sind die biologisch bedingten Triebe, die von Zeit zu Zeit die soziale Kontrolle durchbrechen. Und Konformität wird damit implizit zu einem Ergebnis eines Nützlichkeitskalküls oder einer unwillkürlichen Konditionierung erklärt. Mit dem neuerlichen Fortschritt der Sozialwissenschaft hat diese Begrifflichkeit eine grundlegende Veränderung erfahren. Zum einen erscheint es nicht mehr als selbstverständlich, dass sich Mensch und Gesellschaft in einem unablässigen Krieg zwischen biologischem Trieb und gesellschaftlicher Triebunterdrückung gegenüberstehen. Das Bild des Menschen als eines Bündels ungezähmter Triebe hat allmählich mehr von einer Karikatur als von einem Porträt."

{655321}-Hades
2005-12-20, 19:21:23
Um nochmal meinen vorigen Gedanken weiterzuspinnen: jeder Mensch muss nicht nur fähig sein seine eigenen Moralvorstellungen zu entwickeln, sondern auch mit der Umwelt zu kommunizieren.
Da scheint unser Mißverständnis zu liegen: individuelle Moralvorstellungen entbinden einen nicht von der Pflicht, sich mit fremden Moralvorstellungen auseinander zusetzen. Innerhalb seines eigenen Raumes (Freunde, Kollegen, Verwandte etc.) muss man sich selbstverständlich auf irgendwas einigen.

Das kann aber eine sehr individuelle Lösung sein, und erfordert keine verordnete Moral von oben.

Wenn sich ein Ehepaar darauf einigt, dass Seitensprünge ok sind, sind diese auch akzeptabel.
Oder auf unseren Fall übertragen: solange wir keine Vorstellung davon haben, wie die Beziehung zwischen dieser Frau und ihrem Mann aussah, welche moralischen Grundsätze sie vereinbart haben und welche verletzt wurden, können wir die Situation überhaupt nicht beurteilen.


1. Warum sollte sich die Gesellschaft erst mit anderen Moralvorstellungen auseinandersetzen, wenn es doch viel einfacher ist, die selben zu behalten und anderen anzuerziehen? Der Gesellschaft wirst du dafür keinen Grund liefern können.

2. Desto individueller die Lösung, desto größer das Babylon, wenn diese Lösungen gänzlich Fundamentales betreffen.

3. Natürlich, Moral ist streng genommen immer so etwas wie ein Vertrag unter vielen. Und wenn die beiden vereinbaren, dass das Rumpoppen in Ordnung ist, ist es wohl auch nicht verwerflich, wenn sie rumpoppen. Nur sollte das jemand mitbekommen, brauchen sie sich nicht wundern, wenn es trotzdem gesellschaftlich stigmatisiert wird.

{655321}-Hades
2005-12-20, 19:36:23
Moment, ganz großer Einspruch: Ordnung und Moral sind zwei verschiedene Dinge, und haben per se nichts miteinander zu tun. Ordnung funktioniert sehr wohl auch ohne Moral, und umgekehrt!

Moment, ganz großer Einspruch: Und wie. Moral inkludiert immer einen Respektgedanken, wenn auch einen zwangsweisen in einigen Fällen. Fällt die Moral zur Missgunst der Ordnung aus, haben wir das, was man in der Soziologie als "Anomie" bezeichnet.

Moral und Ordnung unterliegen im gesellschaftlichen Sinne einer wechselseitigen Beziehung und Bedingung. Wo keine Institution, die gemeine Moral durchzusetzen, dort Platz für neue Moral, wo keine Moral mehr die Institution stützt, dort Anomie.

Monger
2005-12-20, 19:37:07
Du wirst gleich drei stellen. X-D

Ja, ich stell sogar nochmal zwei Fragen:
Studierst du Philosophie? Welcher Schwerpunkt?


Btw, wenn mein Schulwissen mich nicht trügt, sollte man den Leviathan mit Vorsicht genießen. Er hat die damalige Ansicht zementiert, dass die Menschheit in Menschen erster, zweiter und dritter Klasse unterteilt ist. Das mag aus damaliger Sicht richtig gewesen sein, aber ich weiß noch dass ich damals im Unterricht einen ziemlich schalen Beigeschmack bei der Geschichte hatte...

...


Fassen wir zusammen: Moral dient dem Schutz der Gesellschaft - da sind wir uns ja wohl alle einig. Der moralische Minimalkonsens besteht in der Gesetzgebung. Diese ist für diese gesamte Gesellschaft bindend, um eben die Gesellschaft zu schützen.

Jetzt aber: der Staat ist durch den Gesellschaftsvertrag legitimiert. JEDER deutsche Bürger hat zumindest stillschweigend sich der deutschen "Staatsmoral" unterworfen, und damit ist sie auch gültig.

Das gilt für das, was wir landläufig unter Moral verstehen nicht. Ich habe mich nie den Moralvorstellungen meiner Umwelt (Nachbarn, Bekannte etc.) unterworfen, schon alleine weil die
a) alles andere als eindeutig ist. Immerhin hat JEDER Mensch etwas abweichende Vorstellungen
b) ein normaler Bürger eben nicht selbst richten darf, und auch selbst keine allgemeingültigen Moralvorstellungen diktieren darf. Dafür ist der Staat da.


...Du bist als Mensch heute auf Spezialistentum angewiesen, der Allrounder, der sein komplettes Leben schmeißt, ist längst Geschichte.

Alleine dieser Faktor macht dich abhängig, was dich auch dazu zwingt, dich der Sozialisation zu unterwerfen. Die Problematik des Individuums und der Gesellschaft hat auch bereits wesentliche Ergründung erfahren.

Ist ja völlig richtig. Trotzdem existiert in unserem Kulturkreis eine klare Abgrenzung zwischen öffentlichem Leben und Privatleben (das ist sogar gesetzlich festgelegt). Schon alleine, um einer immer komplexer werdenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. In früheren Zeiten sah das definitiv anders aus.
Solange ich gegen keine Gesetze verstoße, darf kein Mensch über mein Privatleben urteilen. Private Sozialverhältnisse gehen einzig und allein die beteiligten Menschen was an.

Auch das ist Moral, aber eben auf ganz anderer Ebene legitimiert.

Abraxaς
2005-12-20, 19:46:17
Ein bewährtes Prinzip zur Erhaltung der eigenen Kultur. Die Welt war nie eine friedliche, sie hat schon immer so funktioniert. Auslöschen, überschreiben, indoktrinieren, übertragen. Das eigentliche Problem sind die Individualisten die ihren kleinsten Penisring als kulturelle Befreiung, Bewegung verkaufen und auf ihre Individualität, ja Einzigartigkeit pochen. Modernes Denken ist zu sehr von Toleranz durchtrieft die in den Mechanismen dieser Welt gar nicht aufgeht. Ohne eine gewisse Ordnung funktioniert keine Gesellschaft, und dazu gehört eben diese jene Moral, die hier angefochten wird.

Nur kam die Moral schon vor den Verfechtern der "Sexrevolte",bzw. konnten jene erst durch sie zu eben diesen werden.Desweiteren kann ein Individuum sehr wohl ähnliche bzw. selbige moralische Grundsätze haben,denn die Moral ist ja keineswegs Basis der Existenz und wurde im Zuge der Entwicklung erschaffen.
Moral ist von Menschen für Menschen konzipiert worden und der Mensch ist nicht perfekt sonst würde er die sich auferlegte Moral nicht brauchen.

{655321}-Hades
2005-12-20, 20:01:36
Ja, ich stell sogar nochmal zwei Fragen:
Studierst du Philosophie? Welcher Schwerpunkt?

Nein, ich studiere Soziologie, die Wissenschaft von der Gesellschaft. Philosophen darf man zu solchen Themen nur noch selten fragen, Soziologen haben lange genug gebraucht, sich ausreichend von anderen Disziplinen, vor allem eben der Philosophie, zu emanzipieren.

Btw, wenn mein Schulwissen mich nicht trügt, sollte man den Leviathan mit Vorsicht genießen. Er hat die damalige Ansicht zementiert, dass die Menschheit in Menschen erster, zweiter und dritter Klasse unterteilt ist. Das mag aus damaliger Sicht richtig gewesen sein, aber ich weiß noch dass ich damals im Unterricht einen ziemlich schalen Beigeschmack bei der Geschichte hatte...

Natürlich ist Hobbes schon lange nicht mehr ausschlaggebend, aber hat er doch erste Ansätze der Erklärung dafür geliefert, warum Menschen sich zu einem Staat zusammenschließen.

Fassen wir zusammen: Moral dient dem Schutz der Gesellschaft - da sind wir uns ja wohl alle einig. Der moralische Minimalkonsens besteht in der Gesetzgebung. Diese ist für diese gesamte Gesellschaft bindend, um eben die Gesellschaft zu schützen.

Das war meine Aussage. Die Gesetzgebung ist, sagen wir mal, die harte Gängelung des Systems. Die Gesetzgebung resultiert aus der Moral, sofern man davon ausgeht, dass die Mikrophänomene die Makrophänomene entstehen lassen. Das wiederum haben auch wieder einige Soziologen versucht zu ergründen.

Jetzt aber: der Staat ist durch den Gesellschaftsvertrag legitimiert. JEDER deutsche Bürger hat zumindest stillschweigend sich der deutschen "Staatsmoral" unterworfen, und damit ist sie auch gültig.

Korrekt. Quittieren kannst du deine Staatsbürgerschaft zu jeder Zeit. Danach ist der Staat jedoch nicht mehr für dich verantwortlich.

Das gilt für das, was wir landläufig unter Moral verstehen nicht. Ich habe mich nie den Moralvorstellungen meiner Umwelt (Nachbarn, Bekannte etc.) unterworfen, schon alleine weil die
a) alles andere als eindeutig ist. Immerhin hat JEDER Mensch etwas abweichende Vorstellungen
b) ein normaler Bürger eben nicht selbst richten darf, und auch selbst keine allgemeingültigen Moralvorstellungen diktieren darf. Dafür ist der Staat da.


a) vollkommen richtig. Deswegen halten einige in diesem Thread oder vormaligen Thread das Verhalten ja auch für schwer verwerflich, und andere weniger.

b) "Nicht richten" dürfen heißt eben nicht "keine Meinung haben dürfen und daraus Konsequenzen ziehen". Weiter dazu unten...

Ist ja völlig richtig. Trotzdem existiert in unserem Kulturkreis eine klare Abgrenzung zwischen öffentlichem Leben und Privatleben (das ist sogar gesetzlich festgelegt). Schon alleine, um einer immer komplexer werdenden Gesellschaft Rechnung zu tragen. In früheren Zeiten sah das definitiv anders aus.

polis und oikos sind ein uraltes Problem. Was du nicht öffentlich machst und nicht öffentlich wird, ist ja auch nicht strafbar. Selbst wenn du Leichen im Keller verbuddelst, bist du ja solange nicht bestrafbar, bis die Leichen ausgegraben werden. Wo ist also das Problem? Die Dame aus dem Thread voran hat ihre Probleme in die öffentliche Diskussion getragen: Selbst Schuld.

Solange ich gegen keine Gesetze verstoße, darf kein Mensch über mein Privatleben urteilen. Private Sozialverhältnisse gehen einzig und allein die beteiligten Menschen was an.

Das siehst du falsch. Und hier geht es von oben aus weiter. Er darf urteilen, wie er lustig ist, nur darf er, um dich "zu richten", keine Methoden anwenden, die nicht mit der Gesetzgebung konform gehen. Dich zu schneiden, dich öffentlich zu meiden, das ist alles konform. Was er nicht darf, ist schließlich ebenfalls in der Gesetzgebung festgehalten, Beleidigung, Nötigung, Verleumdung...

Auch das ist Moral, aber eben auf ganz anderer Ebene legitimiert.

Legitimiert, insofern es eben nicht gegen die Gesetzgebung verstößt.

Monger
2005-12-20, 20:24:10
...Wo ist also das Problem? Die Dame aus dem Thread voran hat ihre Probleme in die öffentliche Diskussion getragen: Selbst Schuld.
...
Das siehst du falsch. Und hier geht es von oben aus weiter. Er darf urteilen, wie er lustig ist, nur darf er, um dich "zu richten", keine Methoden anwenden, die nicht mit der Gesetzgebung konform gehen. Dich zu schneiden, dich öffentlich zu meiden, das ist alles konform. Was er nicht darf, ist schließlich ebenfalls in der Gesetzgebung festgehalten, Beleidigung, Nötigung, Verleumdung...


OK, ich denke jetzt sind wir auf einem Nenner! :D
Dem Post kann ich mich voll und ganz anschließen.

Natürlich steht es jedem frei, andere Moralvorstellungen nicht gut zu finden. Auch wenn es natürlich ein schwerer Fehler ist, NICHT an meine Moralvorstellungen zu glauben! :D

PHuV
2005-12-21, 01:41:51
Zu der ewigen Psychoanalyserumkackerei (das bezieht sich jetzt garnicht auf dich, sondern darauf, dass mich der Umstand allgemein nervt), möchte ich gerne einmal Robert K. Merton zitieren. Der allgemeine Hype der Psychoanalyse und der Reduktion des Menschen auf seine Triebe ist in der Wissenschaft schon LANGE vorbei, und das sollte endlich auch im Alltagsverständnis stattfinden.


Soziologen wieder :| :|

Wer will den hier auf Triebe reduzieren? Sie sind ein Bestandteil, vielleicht nicht mehr so eng gefaßt, wie Freud es tat, aber sie sind sehr wohl nicht da, und keiner hat von Reduzierung auf die Triebe gesprochen, am allerwenigsten ich. Und nur weil ein Herr Merton damit nicht einverstanden ist, muß es per se nicht falsch sein! Und wer die Triebe verleugnet, hat wirklich von der menschlichen Natur keine Ahnung, da nützen alle hochtrabenden soziologischen Konzepte nichts. Wie gesagt, es sprach keiner von Reduzierung oder von einem "Bündels ungezähmter Triebe", wie Du es so schön ausdrückst, vielmehr geht es um die Summe aller Teile, wo jede Komponente, und da nannte ich auch noch Motivation und die eigenen Wünsche, Egoismus usw. . Und ebenso habe nicht behauptet, daß es um übermächtige Triebe geht, sie sind durchaus gleichberechtigt wie die anderen Dinge des menschlichen Handeln auch.


"Bis vor kurzem, und ganz sicher schon früher, konnte man von einer ausgeprägten Tendenz in der psychologischen und soziologischen Theorie sprechen, die Fehlfunktionen von sozialen Strukturen dem Versagen der sozialen Kontrolle über die übermächtigen biologischen Triebe des Menschen anzulasten. Die Metaphorik des mit dieser Lehre implizierten Verhältnisses von Mensch und Gesellschaft ist so eindeutig wie fragwürdig. Da sind am Anfag der Mensch und seine biologischen Triebe, die nach freier Entfaltung streben; und dann erst die soziale Ordnung, im wesentlichen als ein Apparat für Triebmanagement, soziale Spannungsverarbeitung und, um mit Freud zu reden, "Triebverzicht". Die Nichtkonformität mit den Anforderungen der sozialen Struktur wäre demnach bereits in der Natur des Menschen angelegt. Es sind die biologisch bedingten Triebe, die von Zeit zu Zeit die soziale Kontrolle durchbrechen. Und Konformität wird damit implizit zu einem Ergebnis eines Nützlichkeitskalküls oder einer unwillkürlichen Konditionierung erklärt. Mit dem neuerlichen Fortschritt der Sozialwissenschaft hat diese Begrifflichkeit eine grundlegende Veränderung erfahren. Zum einen erscheint es nicht mehr als selbstverständlich, dass sich Mensch und Gesellschaft in einem unablässigen Krieg zwischen biologischem Trieb und gesellschaftlicher Triebunterdrückung gegenüberstehen. Das Bild des Menschen als eines Bündels ungezähmter Triebe hat allmählich mehr von einer Karikatur als von einem Porträt."[/QUOTE]

PHuV
2005-12-21, 02:10:24
Moment, ganz großer Einspruch: Und wie. Moral inkludiert immer einen Respektgedanken, wenn auch einen zwangsweisen in einigen Fällen. Fällt die Moral zur Missgunst der Ordnung aus, haben wir das, was man in der Soziologie als "Anomie" bezeichnet.

Moral und Ordnung unterliegen im gesellschaftlichen Sinne einer wechselseitigen Beziehung und Bedingung. Wo keine Institution, die gemeine Moral durchzusetzen, dort Platz für neue Moral, wo keine Moral mehr die Institution stützt, dort Anomie.

Ich sehe, Du bist Merton-Fan ;) . Das Problem ist hier, daß sich diese Beobachtungen rein auf die europhäischen und westlichen Kulturkreis stützt, ausgehend vom 19. Jahrhundert bis heute, sprich soziale Ordnung war immer an Religion gebunden, sprich bei uns am Christentum!
Und bei dieser Betrachtungsweise darf man nicht vergessen, daß wir über die Jahrhunderte immer eine christlich geprägte Gesellschaft waren. Durch den Wegfall dieser alten christlichen Wertvorstellungen entsteht genau die Lücke, welche Du mit Anomie bezeichnest, weil bisher einfach die alten Verbundenheit zum Christentum bisher kaum durch andere Konzepte ersetzt oder aufgefüllt werden konnten, spricht, da solche neuen Konzepte erst wachsen und gedeien müssen. Somit ist noch nicht gesagt, daß diese Anomie ein allgemeingültiges Gesetzt ist, sondern eventuell ein einmaliges Phänomäen, beschränkt in unserem Kulturkreis. Wie sich diese Lücke füllen wird, kann heute noch keiner beantworten, und es wird hoffentlich nicht die Rückkehr zu den alten Vorstellungen sein.

Der Gegenbeweis, das soziale Ordnung auch ohne Moral oder hier christliche Wertvorstellungen nicht funktioniert, ist per se noch nicht erbracht, darin ist die Betrachtungsweise aus meiner Sicht zu einseitig. Jedoch bin ich dazu wahrscheinlich zu ungebildet auf diesem Gebiet, um das global bewerten zu können.

Da bei Moral leider immer die Komponente der Emotionalität mit hinzukommt, und die Defintion der Sittlichkeit sich ständig ändert, braucht man heute eigentlich einen ganz anderen Verhaltenskodex, der diese subjektiven Komponenten weitestgehend ausschließt. Jedoch wenn man sich allein alle Konzepte der Ethik anschaut, sieht man, daß sich viele darüber schon den Kopf zerbrochen haben, ohne eine entgültige Lösung zu haben.

Aus meiner Sicht ist eine Moralgrundsatz bzw. ein Sittlichkeitverhalten immer nur ein tempöräres und begrenztes Phänomäen, welches immer einen Kontext hat. Wenn man diesen Kontext versteht, kann man einen moralischen Grundsatz anwenden und auch so leben, man muß jedoch u.U. jederzeit in der Lage sein, diese Grundsatz aufgrund sozialer Regeln abzuändern, wenn sie nicht zu sehr den fundierten und geprägten Grundsätzen wiedersprechen.

Beispielsweise wäre es für uns moralisch sicherlich kein Problem, in arabischen Ländern nur mit der rechten Hand zu essen usw. (Hinweis, die linke Hand gilt aus pratiksichen Gründen als unrein), wir hätten sehr wohl ein Problem damit, einfach mal mit der Frau des Eskimos zu schlafen, weil dieser sie uns in der einsamen Eiswüste anbietet. Ebenso haben viele ein Problem, wenn sie leidenden Menschen die Sterbehilfe aus "moralischen Gründen" verweigern. Doch hier fängt es doch an, wo darf man als Staat in die Autonomie eingreifen, wo nicht? Ist Leben immer schützenswert, warum gibts dann Abtreibung, aber keine Sterbehilfe? Drogenkonsum war auch mal moralisch geächtet, und es entsteht ein konkreter wirtschaftlicher und gesundheitlicher Schaden, trotzdem akzeptiert es heute jeder. Bei einem Seitensprung wird aber (wenn kein weiterer "Schaden" verursacht wurde) plötzlich hier die moralische Keule rausgeholt.

Wir sehen doch, das der moralische Kontext sich ständig ändert, und je mehr Individuen beteiligt sind, umso schwieriger wird es, einen allgemein gültigen Kontext zu finden.

Um mal beim Beispiel des Fremdgehens zu bleiben? Wo ist den der Zeitpunkt, ab dem es "moralisch" verwerflich gilt?

Aus meiner Sicht kann man es vielleicht ganz einfach definieren:
In dem Moment, wo ein konkreter Schaden an Leib, Seele und Gesundheit verursacht wird, wo wirtschaftliche Nachteile entstehen, dann kann man durchaus eine Tat als "moralisch" verwerflich bezeichnen. Nur dann dürften sich viele auch nicht scheiden lassen, weil beispielsweise Kinder sehr wohl daran leiden bzw. eventuell ein Schaden entsteht. Ist Vertrauensverlust gleich ein Schaden? Was ist, wenn eine Frau sich von einem Mann vorher trennt, weil sie sich vernachlässig fühlt, vielleicht er sie vernachlässigt hat, er will die Trennung aber nicht. Sie sucht sich einen anderen, er sucht den Alkohol, wer hat jetzt welchen Schaden verursacht?

Beispiel:
Mann vernachlässigt Frau, Frau sagt es Mann, Mann ist unfähig zu reagieren, reagiert mit Zorn und Wut, droht mit Mord, Frau hat Angst, Frau sucht sich heimlich anderen Mann.

Aber wenn ich mir die ganzen Fragestellungen so betrachte, komme ich persönlich immer wieder zu einem Schluß:

1) Vorgänge müssen immer individuell betrachtet werden!
2) Es gibt sehr viele Faktoren menschlichen Verhaltens, welche oft nicht alle erfaßt werden könne.
3) Moralische Wertvorstellungen können nicht verallgemeinert werden, da die Faktoren Wirkung und Ursache oft nicht eindeutig festgemacht werden können.

Deshalb lasse ich persönlich oft die Moral außen vor, weil sie für das Verständnis von Problemen und deren Lösung einfach nicht hilfreich sind. das Thema ist zu komplex, um es mit einfachen moralischen Regeln zu versimplifizieren. Moral kann man immer dann verwenden, um konkret Grenzen zu ziehen, im Sinne eines erzieherischen Effektes oder eines Verhaltenskodex für sich selbst oder seine Kinder bzw. anvertrauten Personen, aber mehr nicht. Und wenn viele die gleiche Moraleinstellungen teilen, dann kann man Personen für dieses Verhalten zur Rechenschaft ziehen, wenn nicht, hat man einfach Pech gehabt (mich regt es auch auf, daß Leute in Berlin einfach ihren Müll auf die Straße werfen, aber ich habe da vielleicht moralisch recht, aber es juckt (leider) keinen außer mir). Aber in vielen Fällen ist die Fragen, ob wir das als aufgeklärte Gesellschaft überhaupt wollen. Wollen wir uns wirklich so dem wankenden Zeitgeist der Moral unterwerfen, und gestern kommt der kleine Kiffer in den Knast, ist geprägt fürs ganze Leben, heute bekommt er nicht mal eine Geldstrafe?

Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Und wir befinden uns heute in einem gewaltigen Umbruchprozess, wo keiner weiß, wohin es führen wird! Wer weiß, was dann als moralische Regeln rauskommt? Ich bin der Meinung, moralisches Verhalten muß ein gewisses Fundament haben, und zwar in der Weise, daß es frei von religiösen Gedanken ist, und fundiert in Regeln der Natur, wie auch immer diese aussehen mögen. Vielleicht reichen auch einfache Kernsätze wie der kategorische Imperativ von Kant aus? Vielleicht bekommt man eine Verständnisbegriff über die Kulturen hinweg? Vielleicht bietet die Spiritualität eine Lösung?

Ich sehe es als Wandlungsprozess in dem Sinne, daß man nicht aufhört, die Fragen immer wieder neu zu stellen. In dem Moment, wo man meint, die Antwort gefunden zu haben, und dann noch behauptet, diese sei allgemeingültig, hat man menschlich eigentlich verloren, dann findet aus meiner Sicht kaum noch eine Entwicklung statt.

{655321}-Hades
2005-12-21, 09:31:33
Ich sehe, Du bist Merton-Fan ;) . Das Problem ist hier, daß sich diese Beobachtungen rein auf die europhäischen und westlichen Kulturkreis stützt, ausgehend vom 19. Jahrhundert bis heute, sprich soziale Ordnung war immer an Religion gebunden, sprich bei uns am Christentum!
Und bei dieser Betrachtungsweise darf man nicht vergessen, daß wir über die Jahrhunderte immer eine christlich geprägte Gesellschaft waren.

Zuerst einmal bin ich nur nebenberuflich Merton-Fan, hauptberuflich Luhmannjünger. :D

Zwar hat Merton primär die amerikanische Kultur untersucht, doch ist gerade sein Anomiebegriff derart abstrakt formuliert, dass er sich auf jede andere Gesellschaft übertragen lässt. Lass mich spontan an ein unchristliches Land denken...die Türkei! Der Laizismus ist dort nicht von selbst entstanden, und dieser Wandel hatte die selbe Ursache: das Kulturziel wurde nicht mehr geteilt, oder es wurde der breiteren Masse der Menschen keine Möglichkeit gegeben, das Kulturziel zu verwirklichen. China! Siehe maoistische Revolution. Japan hatte nach der Zwangsöffnung unter ausgeprägten Formen von Anomie zu leiden. Als Beispiel seien die arbeitslosen Samurai genannt, die spontan auf eine Strafexpedition geschickt wurden.

Durch den Wegfall dieser alten christlichen Wertvorstellungen entsteht genau die Lücke, welche Du mit Anomie bezeichnest, weil bisher einfach die alten Verbundenheit zum Christentum bisher kaum durch andere Konzepte ersetzt oder aufgefüllt werden konnten, spricht, da solche neuen Konzepte erst wachsen und gedeien müssen. Somit ist noch nicht gesagt, daß diese Anomie ein allgemeingültiges Gesetzt ist, sondern eventuell ein einmaliges Phänomäen, beschränkt in unserem Kulturkreis. Wie sich diese Lücke füllen wird, kann heute noch keiner beantworten, und es wird hoffentlich nicht die Rückkehr zu den alten Vorstellungen sein.

Dass die Anomie kein einmaliges Phänomen ist, lässt sich einfach beweisen. Anomie ist ja nicht gleich eine ganze Revolution, nur im extremen Falle. Anomie findet zur Zeit auch in Frankreichs Vorstädten statt. Der Wegfall der Religion bedeutet bei uns "Gott sei Dank" ja eben nicht den Wegfall der Gesetzgebung, der aus ihren Werten entstanden ist. Dass die Moral sich extrem ändert, bestreitet ja auch keiner. Dass dementsprechend die Gesetzgebung auch noch geändert werden wird, ist klar, ist schließlich auch schon passiert. Paragraph 175, der neulich hier irgendwo in einer Diskussion auftauchte, sei einmal genannt, und die legale Besitzmenge für Cannabisprodukte ist auch erhöht worden.


Der Gegenbeweis, das soziale Ordnung auch ohne Moral oder hier christliche Wertvorstellungen nicht funktioniert, ist per se noch nicht erbracht, darin ist die Betrachtungsweise aus meiner Sicht zu einseitig. Jedoch bin ich dazu wahrscheinlich zu ungebildet auf diesem Gebiet, um das global bewerten zu können.

Wenn niemand es mehr für nötig hielte, die Gesetze zu befolgen, die ja nichts anderes als eine imperative Moral sind, dann aber gute Nacht. Und das halte ich für global erwiesen. Wenn sich Menschen wieder vor Menschen verstecken müssen, dann kehren wir tatsächlich auf eine ganz niedere Ebene zurück.


Da bei Moral leider immer die Komponente der Emotionalität mit hinzukommt, und die Defintion der Sittlichkeit sich ständig ändert, braucht man heute eigentlich einen ganz anderen Verhaltenskodex, der diese subjektiven Komponenten weitestgehend ausschließt. Jedoch wenn man sich allein alle Konzepte der Ethik anschaut, sieht man, daß sich viele darüber schon den Kopf zerbrochen haben, ohne eine entgültige Lösung zu haben.

Das nennt man dann "Respekt und Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen". Kann ja auch jeder haben, wie er lustig ist, nur wird dann auch jeder für sich definieren, was richtig, und was falsch ist, und in diesem Rahmen bleibt es seine Sache, was er an anderen bemängelt, sofern er dabei nicht zu weit geht.


Aus meiner Sicht ist eine Moralgrundsatz bzw. ein Sittlichkeitverhalten immer nur ein tempöräres und begrenztes Phänomäen, welches immer einen Kontext hat. Wenn man diesen Kontext versteht, kann man einen moralischen Grundsatz anwenden und auch so leben, man muß jedoch u.U. jederzeit in der Lage sein, diese Grundsatz aufgrund sozialer Regeln abzuändern, wenn sie nicht zu sehr den fundierten und geprägten Grundsätzen wiedersprechen.

Natürlich immer temporär. Gesellschaft wandelt sich. Und natürlich muss man diese Grundsätze abändern können, und zwar je nachdem man auf soziale Akzeptanz angewiesen ist. Wenn du das nicht bist, kannst du dich auch wie der Elefant im Porzellanladen aufführen. Ich will ja niemandem unmoralisches Verhalten verbieten, nur soll man sich nicht ständig über die Konsequenzen einer intoleranten Gesellschaft beschweren, sondern sich dann nur noch unter Gleichgesinnten bewegen. Was in die Öffentlichkeit getragen wird, muss sich nunmal der Gesellschaft stellen.


Beispielsweise wäre es für uns moralisch sicherlich kein Problem, in arabischen Ländern nur mit der rechten Hand zu essen usw. (Hinweis, die linke Hand gilt aus pratiksichen Gründen als unrein), wir hätten sehr wohl ein Problem damit, einfach mal mit der Frau des Eskimos zu schlafen, weil dieser sie uns in der einsamen Eiswüste anbietet. Ebenso haben viele ein Problem, wenn sie leidenden Menschen die Sterbehilfe aus "moralischen Gründen" verweigern. Doch hier fängt es doch an, wo darf man als Staat in die Autonomie eingreifen, wo nicht? Ist Leben immer schützenswert, warum gibts dann Abtreibung, aber keine Sterbehilfe? Drogenkonsum war auch mal moralisch geächtet, und es entsteht ein konkreter wirtschaftlicher und gesundheitlicher Schaden, trotzdem akzeptiert es heute jeder. Bei einem Seitensprung wird aber (wenn kein weiterer "Schaden" verursacht wurde) plötzlich hier die moralische Keule rausgeholt.

Will hier irgendwer untreue Frauen mit Blutrecht bestrafen? Es entsteht aber sehr wohl, und das kannst du an den Reaktionen ja sehen, ein seelischer Schaden. Betrogen werden ist ziemlich hart.


Wir sehen doch, das der moralische Kontext sich ständig ändert, und je mehr Individuen beteiligt sind, umso schwieriger wird es, einen allgemein gültigen Kontext zu finden.

Richtig.

Um mal beim Beispiel des Fremdgehens zu bleiben? Wo ist den der Zeitpunkt, ab dem es "moralisch" verwerflich gilt?

Sobald Treue zwischen zweien vereinbart ist, nehme ich mal an, es sei denn man hat zuviel über freie Liebe gelesen.


Aus meiner Sicht kann man es vielleicht ganz einfach definieren:
In dem Moment, wo ein konkreter Schaden an Leib, Seele und Gesundheit verursacht wird, wo wirtschaftliche Nachteile entstehen, dann kann man durchaus eine Tat als "moralisch" verwerflich bezeichnen. Nur dann dürften sich viele auch nicht scheiden lassen, weil beispielsweise Kinder sehr wohl daran leiden bzw. eventuell ein Schaden entsteht. Ist Vertrauensverlust gleich ein Schaden? Was ist, wenn eine Frau sich von einem Mann vorher trennt, weil sie sich vernachlässig fühlt, vielleicht er sie vernachlässigt hat, er will die Trennung aber nicht. Sie sucht sich einen anderen, er sucht den Alkohol, wer hat jetzt welchen Schaden verursacht?

Homo oeconomicus, rational choice...Schaden an der Seele, und das müsstest du eigentlich gut wissen, kann man nicht als wirtschaftlichen Schaden in Rechnung stellen. Moral will eine optimale Gesellschaft imaginieren, dass ein Optimum eine unerreichbare Sache ist, sollte ja bekannt sein. Natürlich ist nie auszuschließen, dass diese Utopie nicht überall funktionieren wird. Natürlich sind Dinge individuell zu bewerten und von Fall zu Fall, aber in diesem Fall fiel die Bewertung wohl hart aus.


Beispiel:
Mann vernachlässigt Frau, Frau sagt es Mann, Mann ist unfähig zu reagieren, reagiert mit Zorn und Wut, droht mit Mord, Frau hat Angst, Frau sucht sich heimlich anderen Mann.

Aber wenn ich mir die ganzen Fragestellungen so betrachte, komme ich persönlich immer wieder zu einem Schluß:

1) Vorgänge müssen immer individuell betrachtet werden!
2) Es gibt sehr viele Faktoren menschlichen Verhaltens, welche oft nicht alle erfaßt werden könne.
3) Moralische Wertvorstellungen können nicht verallgemeinert werden, da die Faktoren Wirkung und Ursache oft nicht eindeutig festgemacht werden können.


1. Bestreitet ja keiner, was trotzdem nicht heißt, dass eine allgemeine Auffassung zu einem Thema falsch sein muss. Ohne eine allgemeine Auffassung kann man ja nichtmal Maßstäbe für die individuelle Bewertung anlegen. Selbst dann, wenn du das Verhalten einer Person individuell betrachtest und bewertest, erzeugst du bereits Moral.

2. *nick*

3. Doch, genau dazu sind sie da. Um allgemein zu sein. Das heißt natürlich nicht, dass sich jeder Hans und Franz das Recht zu einem Urteil rausnehmen sollten, was allerdings nicht verhindern wird, dass sie es tun.


Deshalb lasse ich persönlich oft die Moral außen vor, weil sie für das Verständnis von Problemen und deren Lösung einfach nicht hilfreich sind. das Thema ist zu komplex, um es mit einfachen moralischen Regeln zu versimplifizieren. Moral kann man immer dann verwenden, um konkret Grenzen zu ziehen, im Sinne eines erzieherischen Effektes oder eines Verhaltenskodex für sich selbst oder seine Kinder bzw. anvertrauten Personen, aber mehr nicht. Und wenn viele die gleiche Moraleinstellungen teilen, dann kann man Personen für dieses Verhalten zur Rechenschaft ziehen, wenn nicht, hat man einfach Pech gehabt (mich regt es auch auf, daß Leute in Berlin einfach ihren Müll auf die Straße werfen, aber ich habe da vielleicht moralisch recht, aber es juckt (leider) keinen außer mir). Aber in vielen Fällen ist die Fragen, ob wir das als aufgeklärte Gesellschaft überhaupt wollen. Wollen wir uns wirklich so dem wankenden Zeitgeist der Moral unterwerfen, und gestern kommt der kleine Kiffer in den Knast, ist geprägt fürs ganze Leben, heute bekommt er nicht mal eine Geldstrafe?

Die Schnelllebigkeit der Gesellschaft soll doch jetzt nicht wirklich als Rechtfertigung für amoralisches Verhalten herhalten, oder? Außerdem ist dein Beispiel gesetzlich geregelt: Es ist Umweltverschmutzung. Wenn nicht mehr Menschen als dein Bekanntenkreis deine moralischen Auffassungen teilen würden...stell dir das doch bitte einmal vor!


Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Und wir befinden uns heute in einem gewaltigen Umbruchprozess, wo keiner weiß, wohin es führen wird! Wer weiß, was dann als moralische Regeln rauskommt? Ich bin der Meinung, moralisches Verhalten muß ein gewisses Fundament haben, und zwar in der Weise, daß es frei von religiösen Gedanken ist, und fundiert in Regeln der Natur, wie auch immer diese aussehen mögen. Vielleicht reichen auch einfache Kernsätze wie der kategorische Imperativ von Kant aus? Vielleicht bekommt man eine Verständnisbegriff über die Kulturen hinweg? Vielleicht bietet die Spiritualität eine Lösung?

aths hat mal sehr treffend gesagt (sinngemäß): "Wir sollten aufhören, immer zu glauben, wir befänden uns an dem entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte."

Gesellschaft hat sich schon immer gewandelt, heute vermutlich schneller als gestern. Nur, weil wir nicht wissen, welche Moral morgen entsteht, ist dies kein Grund, die Moral von heute nicht zu leben. Wir sind des weiteren keine aufgeklärte Gesellschaft. Wer bedient sich denn seines eigenen Verstandes? Die meisten Menschen können froh sein, das wahrhaft aufgeklärte Menschen ihnen einiges an Freiheit eingeräumt haben.

Der Spiritualität will ich diese Leitrolle nicht einräumen. Nein, danke, bitte nicht noch einmal. Aber einfache Grundsätze, wie die Achtung des Lebens, müssen nicht einmal falsch sein, nur weil sie der westlichen Gesellschaft durch das Christentum in die Wiege gelegt wurden. Außerdem wird niemand den Wandlungsprozess soweit umkehren können, als dass man die religiöse Komponente bzw. Wurzel unserer Werte ausmerzen könnte.


Ich sehe es als Wandlungsprozess in dem Sinne, daß man nicht aufhört, die Fragen immer wieder neu zu stellen. In dem Moment, wo man meint, die Antwort gefunden zu haben, und dann noch behauptet, diese sei allgemeingültig, hat man menschlich eigentlich verloren, dann findet aus meiner Sicht kaum noch eine Entwicklung statt.

Richtig.

No.3
2005-12-21, 10:29:17
Wie ich schon vorher gesagt habe: der einzige wahre Grund für eine Partnerschaft ist, um eine Familie zu gründen, nichts anderes. Kein anderer Grund legitimiert so eine Beziehungsform - und genau der Grund ist halt inzwischen fragwürdig geworden.

Wieso fragwürdig geworden ?

Rainer

Monger
2005-12-21, 10:32:38
Wieso fragwürdig geworden ?

Rainer

Lass uns das Thema nicht wieder aufrollen. Im Endeffekt ist es eine Glaubensfrage. Entweder man glaubt, dass die klassische Familie die einzige, sinnvolle Lebensgemeinschaft darstellt, oder eben nicht. Auf welcher Seite ich stehe, sollte inzwischen klar geworden sein.