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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studium, Menschen, Auswandern und andere Ungereimtheiten


hanzo
2005-12-27, 15:01:07
Schönen 3. Weihnachtstag und frohes Hanukkah (Tag 2) wünsche ich! :)

Bevor ich mein Problem hier schildere, fass ich mal kurz mein Leben zusammen:

Da mein Großonkel in Kanada wohnt, bin ich seit ich 2 bin, fast jedes Jahr mit meinen Eltern dorthin gefahren. Es waren meist 2-3 Wochen und in diesen kurzen, aber doch "häufigen" Besuchen habe ich eine gewisse Sympathie für diese Umgebung entwickelt. Denn seitdem ich 15 oder 16 war, hatte ich mir immer wieder einmal überlegt, dorthin auszuwandern und dort zu leben.

Jetzt bin ich 19 Jahre und habe im Mai 2005 mein Abitur mit 2,6 bestanden. Dafür habe ich relativ wenig bis gar nichts getan, für alle 4 Prüfungen habe ich am Ende ca. eine Woche gelernt. Gleich nach dem Abiball (eigentlich wollte ich schon früher, da ich schon vorher wusste, dass diese Veranstaltung ein Reinfall werden würde (so war es dann im Übrigen auch :D)) bin ich dann für 9 Wochen zu meinem Onkel gefahren, um die relativ lange Freizeit zwischen Schule und Uni zu überbrücken.

Dort habe ich dann viele Leute kennengelernt, sowohl Einheimische, als auch andere Zugereiste, da ich für 4 Wochen einen Sprachkurs gemacht habe. Danach habe ich auch 4 Wochen ein Praktikum in einem Büro einer Autowerkstatt gemacht und die letzte Woche war nur noch herumreisen und die letzten Abende mit den Freunden verbringen. Gegen Ende dieser Zeit hatte ich dann auch ein kleines Verlangen, wieder zurück nachhause zu fliegen.

Doch schon nach nur einer Woche kanadischer Abstinenz wollte ich gern wieder zurück. Ich habe sowohl meine neuen Freunde vermisst, als auch die ganze Umgebung selbst. Dann habe ich mich selbst gefragt, warum ich mich dann in der letzten der 9 Wochen so gefreut hatte, nachhause zu fahren, und vorher nicht. Und ich denke, dass es ganz einfach daran lag, dass ich bei meinem Onkel in seiner doch für 2 Leute zu kleinen Wohnung einfach nicht genug Privatsphäre und Freiraum hatte. Es gab eben nur sein Schlafzimmer (für mich gar kein Aufenthaltsraum, wieso auch), das kleine Arbeitszimmer, wo mein Notebook stand, und das Wohnzimmer, wo ich auf der (sehr bequemen :D) ausziehbaren Couch geschlafen hatte. Mein Onkel ist Ende 70, sehr fit für sein Alter, und geht an 3 Tagen der Woche als Doorman in der 7-15 Uhr Schicht arbeiten. Das heißt, ich war fast nie alleine, wenn ich zuhause war, denn wie es der Zufall so wollte, war er immer nur dann weg, wenn ich in der Sprachschule oder auf der Arbeit war.

Naja, wieder zurück nach Deutschland, Ende August. Ich hatte mich bei 3 Unis beworben und habe mich für die Uni Osnabrück entschieden, da der Studiengang meiner Wahl, Wirtschaftsinformatik auf Bacherlor/Master, dort 1 Jahr kürzer verläuft und "wir" nur 25 Leute im Jahrgang sind. Wohnung gefunden, nett eingerichtet, quasi mein neues zuhause. Ich bin recht zufrieden mit der Stadt selbst, da ich aus einer sehr kleinen Stadt komme, wo nie etwas los war. In meiner Wohnung fühle ich mich sehr wohl und auch die Uni ist sehr "nett".

Nun kommt endlich die Wende des Textes, auf den wahrscheinlich schon alle warten:

Jeden morgen wenn ich meine 10-15min zu Uni laufe denke ich darüber nach, wie schön es doch war, den morgendlichen Weg in Kanada gelaufen zu sein. Diverse Sachen werden mit Kanada verglichen, sei es die Innenstadt, die Aufmachung, einfach alles. Aber vor allem die Osnabrück'schen Mitmenschen ziehen in diesem Vergleich den Kürzeren.
Zuhause habe ich 3-4 sehr gute Freunde, auf die ich mich verlassen kann und mit denen man immer Spaß hat. Leider ist Standort-bedingt nicht viel möglich, aber man macht eben das Beste draus.

Nur die neu kennengelernten Leute in Osna sind überhaupt nicht so: Der eine hängt nur mir seiner Freundin, die auch noch woanders wohnt, herum, 2 andere haben sich hinter als "ich bin was besseres"-Menschen entpuppt und naja, so zieht sich das dadurch. In letzter Zeit war mir das auch zuhause aufgefallen, die "Deutschen" sind sehr Kontakt-scheu und denken oft, sie seien etwas Elitäres. Klar gibt es da zig Ausnahmen, aber die erstmal so schnell zu finden ist auch nicht so einfach.

So steh ich nun da, kann selten was in Osna machen, weil 80% (!!!) jedes Wochenende nachhause fahren. Ich meine, was soll das, damit macht man sich doch dann den Hauptteil der Woche total schwer, man kann mit anderen Leuten gar nicht richtig zusammenkommen.

Dann ist bald auch noch Klausurzeit und ich hab überhaupt keine Lust was dafür zu machen. Ich bin dieses ewige Gehirn-aufladen und mit einem Schlag entleeren leid, doch so wie es aussieht, muss ich da jetzt wohl durch. Denn ich habe keine gescheite Alternative gefunden, in der ich sowas nicht in diesem Ausmaß tuen muss.

So, und jetzt kommt endlich der Höhepunkt: Soll ich doch auswandern?

Aber was kann ich da dann machen? Studieren? No way, viel zu teuer als Ausländer, Staatsbürgerschaft gibt's erst ab 3 Jahren Aufenthalt. Die ersten 2-3 Wochen könnte ich bei meinem Onkel nächtigen, aber dann brauche ich auch ein eigenes apartment und muss mir dafür ein wenig Einrichtung besorgen. Was mache ich mit den ganzen neuen Möbeln aus der Wohnung in Osna? Und was kann ich dann übergangsmäßig dort tuen, um einigermaßen etwas zu verdienen.

Ich sehne mich wirklich stark danach, endlich wieder in Kanada zu sein um dort mein Leben zu leben. Ist es zu verrückt das jetzt zu tun oder sollte ich mein Studium zu Ende bringen und dann weitersehen, dort Fuß zu fassen?

Was man hier so liest und sonst so hört, ist es dann eigentlich egal, in Kanada sinken die Arbeitslosenzahlen jedes Jahr, aber das soll nicht heißen, dass es da jetzt viel besser als hier aussieht, nur denke ich nicht, dass es schlechter wird, als hier.

Das ist jetzt eigentlich nicht nur ein Problem mehr, sondern 3:
- Studium...soll ich mich zusammenreißen? Der Stoff macht mir eigentlich schon Spaß, nur habe ich keine Lust mehr auf Klausuren, so Wochenprojekte wären mir viel lieber, oder häufigere mündliche Prüfungen.
- Menschen...liegt es an mir, oder habt ihr in letzter Zeit ähnliche Erfahrungen gemacht? Aber es ist ja jetzt nicht so, dass ich gar keine Freunde habe, mit den "Alteingesessenen" funktioniert's ja, nur sind die leider nicht in Osna
- Auswandern...sinnvoll oder nicht?

Auch wenn der Text jetzt ziemlich ausgeartet ist und evtl. etwas an Struktur und Flüssigkeit verloren hat, bin ich sehr gespannt, was ihr dazu zu sagen habt, seien es alle oder auch nur eines der Probleme.

Noch frohes Kopfzerbrechen über Silvester,
hanzo

Monger
2005-12-27, 15:16:22
Ich kann dir eigentlich nur empfehlen, diese drei Fragen um mindestens ein viertel Jahr zu verschieben. Du scheinst mir einfach nur emotional aufgewühlt zu sein:alles ist fremd und ungewohnt, die Menschen sind unfreundlich und verschlossen...

Es kann natürlich sein dass dir die kanadische Mentalität tatsächlich mehr liegt. Es kann aber natürlich auch einfach nur sein dass du "Heimweh" hast. Das alte Leben hinter sich zu lassen ist immer schwer.


Zum Studium und deinen Freunden kann ich dir nix sagen. Studium ist immer und für jeden hart, und natürlich vermisst man seine Freunde.

Zum Thema auswandern: natürlich kann man auswandern. Vielleicht bist du woanders wirklich glücklicher. Deutschland ist halt nicht jedermanns Fall...

Ich möchte dir nur den Tipp geben: Wenn du wegziehst, dann niemals um vor irgendwas zu fliehen. Ich kenne selber Leute, die nur deshalb die Ferne gesucht haben, weil sie hier mit irgendwas nicht zurechtgekommen sind. Oftmals schleppt man private Probleme aber auch im Ausland mit sich rum - weil sie eben nichts mit dem Land, sondern mit einem selbst zu tun haben.


Zieh also keine voreiligen Schlüsse.

tatarus
2005-12-27, 16:30:26
Habe auch sehr viele Verwandte in Kanada und mir auch mal überlegt zumindest ein paar Jahre dort zu leben. Um dort einzuwandern oder eine unbefristete Arbeitserlaubnis zu erhalten solltest du schon etwas studiert haben, dass die dort auch benötigen. Sonst nehmen die dich wahrscheinlich nicht. Dein Großonkel ist nicht in direkter Linie mit dir verwandt. Deshalb kannst auf Grund des Verwandtschafdtsverhältnisses nicht einwandern. Direkte Verwandte müssten übrigens 10 Jahre für dich bürgen. Sie wären in dieser Zeit zur Zahlung deiner Sozialhilfe, falls du welche benötigst, verpflichtet.

Studieren ist langweilig, aufwendig und nicht gerade mit einem guten Gefühl behaftet und viel lernen ist immer sch..... Zumindest ging mir das so bis ich meine Diplomarbeit angefangen habe. Da musst du eben durch.

Ich würde an deiner Stelle mal bei der kanadischen Einwanderungsbehörde genau nachsehen, welche Voraussetzungen du erfüllen musst. Wahrscheinlich kommst du um das Studium sowieso nicht herum. Außerdem ist der Alltag in Kanada mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht besser als hier. Man muss länger arbeiten und hat weniger Urlaub. Den Alltag kannst du sicher nicht mit deinen Aufenthalten dort vergleichen. Ohne Ausbildung bekommst du dort auch keinen Job und ein 2,6er Abi ist schon für deutsche Verhältnisse nicht gerade herausragend.

Du bist noch ziemlich jung und hast dir ein Idealbild von Kanada aufgebaut, das in der Realität nicht existiert. Warte lieber bis nach dem Studium mit deiner Entscheidung. Wahrscheinlich bleibt dir wegen der Gesetzeslage sowieso nichts anderes übrig.

MadManniMan
2005-12-28, 00:17:59
Bemerkenswert ...


Nun, vielleicht findest Du für einen kleinen Teil Deiner Verwirrungen Inspirationen in dem über meine Sig verlinkten Thread über meine eigenen Wirrungen.
Gleichsam muß ich sagen, daß ich Dich um Deine Beziehungen zu diesem Ausland beneide, bin ich doch zwar mit ganzen Herzen (Vor-)Harzer, wohl aber mit der allgemeinen Entwicklung in Dt. ... weniger ... naja ... ich könnte mir Besseres vorstellen!

Zu den Möbeln: Sodenn Du die Möglichkeit haben solltest (bedenke tatarus Anmerkungen) auszuwandern, wäre wohl ein Verkaufen keine schlechte Grundlage für weniger Altlasten und mehr Startkapital ;)


Ich bin sehr gespannt, wie sich der Thread weiterentwickelt.

Gruß, Manni

ScottManDeath
2005-12-29, 00:42:49
Ein Plan wäre auch, hier in Deutschland den Bachelor zu machen und danach z.b. den Master in Kanada. Vorteil bei der ganzen Sache, als graduate student bekommt man in der Regel eine Lehr- oder Forschungsstelle mit einem Gehalt sowie die Studiengebühren erlassen.

hanzo
2005-12-29, 19:28:15
Ein Plan wäre auch, hier in Deutschland den Bachelor zu machen und danach z.b. den Master in Kanada. Vorteil bei der ganzen Sache, als graduate student bekommt man in der Regel eine Lehr- oder Forschungsstelle mit einem Gehalt sowie die Studiengebühren erlassen.

Hatte ich mir auch überlegt, aber das ist letztendlich Unsinn:

Mein Studiengang ist ein Intensiv-Studiengang, d.h. nach 6 Semestern habe ich den Bachelor und nach 2 weiteren den Master. An allen anderen Unis bekomme ich den Bacherlor auch in 6, deswegen wäre es sehr bescheuert, jetzt dieses vollgepacktere Programm zu studieren um letztendlich mit dem Gleichen hinauszugehen.

Im 5. Semester ist ein obligatorisches Auslandssemester, d.h. es ist quasi Pflicht. Der Studienplan ist also so aufgebaut, dass das 5. Semester fast leergeräumt ist (die gehen schon davon aus, dass man im Ausland nicht viel "Brauchbares" lernt) und ein Teil des Master-Programms mit im Bacherlor-Teil enthalten ist.

tatarus' Anmerkungen sind auf jeden Fall gerechtfertigt, was die Einwanderung usw. angeht, jedoch bin ich mir nicht so sicher, ob ich dieses Verlangen nur aufgrund von akuter, emotionaler Aufwühlung habe. :)

Dass in Kanada, um jetzt auch speziell die Stadt zu nennen: Montreal, kein Paradies ist, ist mir schon klar. Ich bin ja jetzt auch nicht der Situation, dass ich Angst, vorm Leben habe, sprich, Versicherungen, Steuern, Löhne etc. Ich bin einfach nur dieses ganze Deutsche leid.