PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Review: Tropico Gold


aths
2002-08-07, 04:25:59
Und wieder einmal ging es schief. Während man im Ruderboot sitzt, um nicht zur Rechenschaft gezogen werden zu können, guckt man noch ein mal zurück, zur Stätte seines Schaffes: Einer Karibik-Insel namens Tropico.

Natürlich existiert diese nicht wirklich, aber "El Presidente" ist man ja auch nur in seiner Fantasie. "Tropico" weiß auf ganzer Linie zu überzeugen. Zu Beginn gibt es eine Art Charakter-Erschaffung. Damit werden etliche Startbedingungen der nun folgenden Regentschaft festgelegt, auch der gewünschte Regierungs-Stil kann begünstigt werden. Möchte man eine kommunistische Demokratie oder Diktatur, oder eine Demokratie nach westlichem Vorbild gestalten? Möchte man als orthodoxer Religiöser herrschen, oder gar als Militarist? Tritt man als Saubermann an, oder als Kronprinz, oder wurde der Amtsübernahme von einem großen Geheimdienst eingefädelt?

Wie auch immer, zunächst hegt das Volk die Hoffnung, dass es sein neuer Herrscher besser machen kann als seine Vorgänger, denen in der Regel nur eine kurze Amtszeit gewährt wurde. Doch ehe es zu schaffen ist, seine eigene Macht-Position wirklich abzusichern, kommt das Volk mit unzähligen Wünschen: Sie wollen Arbeit, und das auch noch gut bezahlt. Die Menschen wollen Wohnungen, und nach Möglichkeit wenig Miete bezahlen. Sie wollen sich amüsieren, und das möglichst abwechslungreich. Das Volk will Seelsorge und Schulbildung, und zwar kostenlos. Was sich jetzt als ultrakomplexe Simulation anhört, erweist sich dann allerdings als halb so schlimm.

Einerseits hat man seinen Ratgeber, der in brenzligen Situationen eine Lösung empfiehlt. Andererseits stehen einem unzählige Statistiken zur Verfügung. Diese sind wirklich gelungen! Denn dank der thematischen Sortierung findet man schnell, was man sucht. Außerdem gibt es nützliche "Hyperlinks", um weitere Details zu erfahren. Und obendrein kann man sich die Entwicklung der letzten Jahre grafisch veranschaulichen lassen. Wo der Schuh drückt, lässt sich also leicht ermitteln.

"Tropico" hat noch weitere Stärken. Die vielleicht angenehmste Eigenschaft ist die unverkrampfte Atmosphäre. Trotz eines manchmal stressigen Präsidenten-Jobs verliert man kaum die Laune, da ein ironischer Abstand gewahrt wird. Tropico erlaubt einem das zu tun, was Spaß macht. Zum Beispiel, Pauschaltouristen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Oder bombastische Amüsierviertel zu bauen, die von der einen Seite die Luxus-Touristen bedienen und von der anderen Seite von reichen Tropicanern besucht werden. Auch die Charakter-Erstellung ist mit einer Portion Witz ausgestattet. So sind zum Beispiel nicht nur positive, sondern zwei negative Eigenschaften auszuwählen. Ist man Schürzenjäger, irritiert das die Kirche, und die Achtung der weiblichen Bevölkerung ist düftig. Jähzornige Regenten haben es in der Außenpolitik schwerer. Und als Flatulenzer kommt man nicht umhin, der Palastwache doppelten Sold zu zahlen... Tropico ist also kein ernstes, aber durchaus seriöses Spiel.

Das ganze wird grafisch exzellent gelöst. Abgesehen davon, dass die Gebäude-Errichtung lieblos umgesetzt wurde, finde ich die Grafik fantastisch. (Außerdem ist sie schön in 2D.) Man kann sich so nahe heran zoomen, dass an Gebäuden noch kleinste Details zu erkennen sind, oder so weit weg zoomen, dass die gesamt Insel im Überblick erscheint. Jeder einzelne Bewohner oder Tourist läuft tatsächlich auf der Insel herum, geht zur Arbeit bzw. nach Hause, hebt einen in der Bar, geht ins Restaurant oder auch ins Kino (welches wahlweise Propaganda zeigt, oder verschiedene Gruppierungen bedient.) Der Modus für den Gesamt-Überblick empfiehlt sich wenn es gilt, günstige Bereiche für neue Farmen (oder auch Hotels) auszukundschaften: Grün ist gut, gelb mäßig und rot unbrauchbar. Das Klima ändert sich mit der Zeit, so dass sich hin und wieder eine Kontrolle empfiehlt.

Nebenbei klimpert die Hintergrundmusik aus dem Lautsprecher. Früher oder später stellt man sie ab, aber die ersten male ist sie ganz nett. Offenbar waren professionelle Leute am Werk, und bringen somit Karibik-Stimmung ins Zimmer.

Während man unermüdlich für sein Volk schuftet, verlangt das undankbare Pack Wahlen. Anstatt sich mit den weisen Entscheidungen des Presidente zufriedenzugeben! Auch hier hat man alle möglichen Werkzeuge zur Hand, um ein Gelingen zu fördern. Welche Gruppierung klagt am lautesten und wäre noch kurzfristig zu besänftigen? Sollte man einfach ein paar Edikte erlassen, um sich bei bestimmten Volksschichten einzuschmeicheln? Bessern sich die Prognosen nicht entscheident, bleibt immer noch der Wahlbetrug. Der allerdings auch seine Grenzen hat. Sieht es also ganz übel aus, wird die Wahl kurzerhand abgeblasen. Da eine verlorene Wahl unweigerlich eine Abdankung zufolge hat, lässt sich auch extrem kurzfristig noch das Kriegrecht verhängen. Das allerdings ist nur möglich, wenn man sich rechtzeitig mit dem Militär gutgestellt hat.

Wobei Beschneidung von Freiheiten des Volkes allerdings auch ernsthafte Risiken birgt. Rebellen-Gruppen könnten sich formieren, und das Volk bleibt nachhaltig sauer. Glücklich, wenn man rechtzeitig daran dachte, sich eine verlässliche Soldaten-Truppe aufzubauen. Soldaten allerdings sind teuer. Warum also nicht Wahlen zulassen und stattedessen auf Propaganda setzen? Wer ein möglicherweise vorhandenes altes Kolonialfort auf seiner Insel nicht zur Touristenattraktion, sondern zu einem Kerker ausgebaut hat, kann dort besonders störende Quengler auf Haferschleimsuppe setzen und umerziehen lassen. Diese müssen dazu erst verhaftet werden (was für das Gefängnis, das in jedem Fall gebaut werden kann, natürlich auch gilt.) Alle Leute die im Umkreis der Verhaftung sind, stellen mehr oder weniger das Regime infrage, und die Verwandten des Dequilenten schwören der Regierung sowieso ab. Drakonische Maßnahmen sollten also nicht zur Gewohnheit werden.

Es bieten sich viele Möglichkeiten an, um seine Beliebtheitswerte zu steigern. Doch allen kann man es praktisch nie recht machen.

Baut man kräftig die Industrie aus freuen sich die Kapitalisten, währen die Umweltschützer die Zerstörung der Natur beklagen. Kommt man den Religiösen zu weit entgegen, erzürnt das die Intellektuellen. Regiert man zu liberal nach dem Motto "Jeder ist seines Glückes Schmied", klagen die Kommunisten. Doch nach dem das Spiel gestartet wurde interessiert nur eins: Ein beständiger Geldfluss in die Staatskasse.

Geld bekommt man erstrangig durch Export oder Tourismus, ein wenig kann man auch durch Mieten oder Einnahmen aus verschiedenen anderen Gebäuden erzielen. Zunächst exportiert man unbehandelte Nahrungsmittel, da Tropico eine Maisüberproduktion aufweist. Später kann man die Insel nach Mineralien absuchen und Metalle abbauen. Am meisten Geld bringen Industrie-Produkte. So eine Konserven- oder Möbelfabrik ist allerdings nicht gerade billig, und stellt vor allem nur Schulabgänger ein. Also muss eine Schule gebaut werden, deren Lehrer-Gehalt die Finanzen belasten... und die meisten Industrie-Gebäude brauchen außerdem Strom. Ein Kraftwerk ist aber nicht nur ein ständiger Kostenfaktor, sondern belastet auch die Umwelt. In der Nähe lebende Einwohner haben geringere Lebensqualität als anderswo, und an Tourismus ist in diesem Bereich der Insel gar nicht erst zu denken. Der kluge Landesvater läßt außerdem in Wohngebieten ausreichen "Löcher", um dort später soziale Einrichtungen u.a. zu platzieren.

Tropico bietet keine Kampagne und kein Multiplayer-Modus. Stattdessen kann man entweder vorgefertigte Szenarien oder Zufallswelten spielen. Bei Zufallswelten lassen sich Parameter wie Inselgröße- und Hügeligkeit, Vegetation, Mineralienvorkommen usw. festlegen. Wer will, schränkt seine Regentschaft zeitlich ein und setzt sich ein Ziel. Beispielsweise, möglichst viel Geld auf sein Schweizer Konto zu schaffen, was man nur als kluge Altersvorsorge sehen kann. Es ist aber auch möglich, ohne Ziel oder zeitliche Grenze zu spielen. Wer einfach nur experimentieren will, wählt den sorgenfreien Sandkasten-Modus. Ansonsten kann man die Bedingungen so anpassen, dass Tropico einerseits nicht frustiert, aber andererseits eine Herausforderung bleibt. Politische und wirtschaftliche Schwierigkeit lassen sich getrennt regeln. Vor der Regierungsübernahme kann man also dafür sorgen, über seine Wunschinsel zu herrschen.

Und herrschen ist nicht leicht! Man sollte sich mit den beiden Großmächten gutstellen um möglichst viel Entwicklungshilfe zu kassieren, hat die Schwerpunkte der Einwanderungsbehörde festzulegen usw. usf.


In anderen Spielen ist man der Auserwählte irgendeiner alten Prophezeihung oder muss zumindest die ganze Welt retten. Nicht so bei Tropico. Man regiert "lediglich" einen Ministaat. Presidente zu sein ist ein Fulltime-Job und kann zur Vernachlässigung von sozialen Kontakten oder wenigstens zu Aufgabe eines regelmäßigen Tagesablaufs führen. Dafür erhält man am Ende seiner Amtszeit ein auf die Eigenarten seines Regimes zugeschnittenes Fazit - gesprochen aus dem Off von seinem treuen Berater. Man kann zwar weiter spielen, aber eine Punktwertung erfolgt dann nicht mehr.

Meine Punktwertung für "Tropico Gold" (= Originalspiel + Expansion) ist jedenfalls "10 von 10".


Die Audienz ist beendet, ich habe ein Volk zu regieren!

Joe
2002-08-07, 16:47:03
Alles schön und gut ich spiel genr Tropico aber mich würd viel mehr intressieren, wa in Gold anders ist!
Ich liebe übrigens den Berater mit dem Akzent "Presidente, ich bin froh, dass sie daran denken, etwas geld aufihrem schweizer Konto beiseite zu legen" ;D ;D ;D

aths
2002-08-07, 19:18:21
In der Gold-Edition ist das Expansion Pack gleich mit integriert (es muss nicht extra installiert werden.) Das Expanion Pack bringt neue Gebäude, neue Edikte und einige neue Wahlmöglichkeiten bei der "Charakter-Erschaffung", und natürlich die obligatorischen "Map Packs", also neue Szenarien.

aths
2002-08-09, 23:43:02
Ich spiele das Spiel seit Tagen... und es wird nicht langweilig. Inzwischen tut der Zeigefinger vom ganzen Geklicke ernsthaft weh, doch ich kann einfach nicht aufhören! Regieren ist eine Sucht!