Anmelden

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Seine Seele an die BVG verkaufen


g0ne²
2006-09-22, 16:17:27
Egal wen du in Berlin danach fragst, wen er auf der ganzen Welt am meisten hasst, die Antwort lautet: die U-Bahn-Kontrolleure. Wenn man einmal von den ganzen DJs/Grafik-Designern/Models im Heer der Arbeitslosen absieht, bleiben offenbar nur ein paar Vollidioten, ausgestoßen aus der Gesellschaft aber mit offenen Armen in der großen Familie namens BVG willkommen geheißen. Das vorweg. Ich bekam einen Witz von einem Gehalt dafür, in einem Call-Center zu sitzen und mit sozialen Härtefällen zu sprechen, also erschien mir der Kontrolleurs-Job wie ein Schritt nach oben auf der Karriereleiter und ein einfacher Weg, Geld zu machen. Ich schickte meine Bewerbung ab und nach drei Wochen strapaziösem Training war ich ein offizieller Angestellter der BVG.

TRAINING

Herauszufinden, wie man Kontrolleur wird, ist viel schwerer als du denkst.

Nach zwei Tagen am Telefon spreche ich endlich mit einem Typen von einer der privaten Sicherheitsfirmen, die die BVG als Subunternehmer einsetzt, um ihre Kontrolleure einzustellen. Das ist eine Art von Rückversicherung für die BVG. Wenn ein Kontrolleur jemandem eine reinhaut, sagen sie einfach, es sei die Schuld der Sicherheitsfirma, weil die dem Trottel einen Job gegeben haben, und die BVG kommt mit weißer Weste aus der Sache raus. Der Kollege am Telefon meint, ich müsse mindestens 21 und als arbeitslos registriert sein und „Erfahrung aus vorausgehenden Tätigkeiten“ mitbringen. Nachdem ich ein paar Formulare ausgefüllt habe, gehe ich auf einen einwöchigen Trainingskurs der Sicherheitsfirma. Dort bringen sie mir die Regeln der Kontrolleurs-Arbeit bei, und auch was über Psychologie und das Wesen des Menschens, um mir die Fähigkeit zu geben, in die Köpfe der Hunde einzudringen, die ich jagen werde. Die Kursleiterin war vom Typ verkappte Lesbin mittleren Alters mit riesigen Hängetitten. Sie regierte zwar mit eiserner Hand, aber da 90% der Teilnehmer betrunkene, nach Sex dürstende Schulabbrecher waren, muss sie sich ungefähr so potent gefühlt haben wie Marlene Dietrich in einem Russ- Meyer-Streifen.

In den Klassenzimmern herrschte diese Atmo wie bei den Anonymen Alkoholikern im geschlossenen Vollzug. Der Raum war klein und hatte weiße Wände, die Tische waren mit „Ich hab deine Mudder gefickt“ u.ä. vollgeschmiert, noch schlimmer als Elliot Smiths Denkmal. In den Pausen hingen alle am Getränkeautomaten ab und haben Lügen über die anderen verbreitet und Geschichten aus ihrer Vergangenheit erzählt. Der, der neben mir saß, hieß Steffen. Er war echt nett aber dumm wie Brot und berichtete mir, wie er mit seiner Freundin Drogen vertickte. Er selbst hatte die Finger davon gelassen, aber seine Freundin wurde zum Junkie und die beiden trennten sich. Wie man Kokain mit Puderzucker streckt, wusste er auch. Er wusste viele interessante Dinge. Irgendwie war es ein großes Netzwerk, in dem man alle möglichen coolen Infos bekam, während einem eingetrichtert wurde, wie man das Gesetz vertritt.

Am Ende der Woche musste ich noch ein paar Tests absolvieren, um zu beweisen, dass ich nicht verrückt bin. Als erstes ein zweistündiger Multiple-Choice-Test mit verschiedenen Szenarios, in denen man wählen musste, wie man wann handeln würde. Selbst für den durchschnittlichen Drogensüchtigen wäre die richtige Antwort leicht gewesen. Unvorstellbarerweise schaffte es der Typ, den wir „Rainman“ nannten, durchzufallen, weil er beinahe jede Box angekreuzt hatte, um sicher zu gehen, dass er die richtige Antwort erwischt hatte. Auf die schriftliche Prüfung folgte ein 15-minütiges Interview mit drei Assessoren. Wir haben noch mehr Rollenspiele gemacht und ich ließ sie ein wenig an meiner Biographie teilhaben. Es war das leichteste Examen meines Lebens, denn sie schienen tief beeindruckt von meinen „Referenzen“ zu sein, die ein halbes Jahr erfolgreiche Arbeitslosigkeit einschließen. Eine Woche später bekam ich per Post die Mitteilung, dass ich mit Auszeichnung bestanden hatte und jetzt bereit war, raus auf die Jagd zu gehen.

TAG 1

Mein erster Arbeitstag beginnt um 6.00 Uhr. Wir zwängen uns alle in einen kleinen Raum, der nach Scheiße und toten Menschen stinkt, und jedem 2 bis 3-Personen-Kontroll-Team werden ein paar U-Bahn- und Tram-Linien zur Patrouille zugeteilt. Weil die anderen Jungs gecheckt haben, dass ich der Neue bin, gehen sie mir mit Stories von Kontrolleuren auf die Eier, die zusammengeschlagen und erschossen wurden. Der Neue zu sein, bedeutet auch, mit den alten Hasen ein Team zu bilden. Meine beiden Kumpel sind eine straighte Ausgabe von Cheech and Chong, chronischer Körpergeruch und über 20 Jahre Erfahrung, auf die sie zurückblicken können, was bei einem derart furchtbaren Beruf ungefähr so schlimm ist, wie zu zweimal lebenslänglich verurteilt zu werden. Die Vorstellung, dass Kontrolleur zu sein sich so anfühlt, als wäre man ein einsamer Sheriff aus der Zukunft, erweist sich als falsch, als wir Mittagspause machen und noch keinen einzigen beschissenen Schwarzfahrer erwischt haben. Während wir kettenrauchend an der Bratwurstbude abhängen und warmes Sternburg kippen, erklärt mir Cheech verschiedene Tricksereien, die gegen uns angewandt werden. „Die Leute überziehen ihre Tickets mit Kleber, damit sie sie nochmal benutzen können“, sagt er. „Sie pulen den einfach ab, wenn sie gefahren sind, und das Ticket ist so gut wie neu.“ Nach dem Essen, als wir gerade in den hundertsten Zug des Tages einsteigen und ich mich frage, ob das alles eine große Zeitverschwendung ist, machen wir einen dicken Fang und kassieren drei Leute auf einmal. Unsere Kunden bestehen aus einen alten Säufer, der riecht, als würde er sich mit Gin waschen, seitdem er zehn ist, und einem asiatischen Pärchen, das sich vor Angst in die Hose macht, weil sie befürchten, dass wir sie zur Erlangung internationaler Geheimnisse foltern wollen. Die beiden bezahlen sofort, aber wir müssen die Adresse und Telefonnummer des Trinkers aufschreiben, weil er sein Portemonaie in der letzten Kneipe vergessen hat. Ich versuche unsympathisch auszusehen. Der restliche Tag verläuft ganz lässig: 13 Schwarzfahrer, einen über unserer Tagesquote von 12.

TAG 2-4

Nach dem ersten Tag wird alles einfacher. Leute ohne Tickets tun mir nicht Leid. Je mehr ich aufschreibe, desto mehr Kohle verdiene ich. Sobald du 16 erwischt hast, bekommst du den Rest des Tages frei, also versuch, so viele kleine Fucker wie möglich zu catchen. Die Regeln des Geschäfts gehen mir in Fleisch und Blut über, wir steigen immer an den Enden der Züge ein und arbeiten uns zur Mitte durch, damit keiner mehr abspringt, wenn wir gesehen werden.

Unseren nächsten großen Fang machen wir am Nachmittag des dritten Tages. Ein Haufen amerikanischer Touristen hat sich den Weg in einen Zug gebahnt, ohne auch nur über Tickets nachzudenken. Ich gehe direkt auf sie zu, während meine Kollegen die anderen Fahrgäste überprüfen. Der Anführer der Gruppe versucht sich herauszuwinden, als er das Wort „Bußgeld“ hört, ein anderer fischt sofort sein Handy raus, um die Botschaft anzurufen. Letztlich geben sie den Kampf auf, und lassen 300 Euro rüberwandern, von denen 50 in unseren Taschen verschwinden. Gefälschte Strafzettel verteilen, ist eine Nebenverdienst des Berufes. Besonders die Touris haben keinen Plan, wie das System funktioniert. Man könnte „200 MÜCKEN STRAFE“ auf ein Stück Toilettenpapier kritzeln und sie würden’s glauben.

Trotz dieses Coups fängt die Zeit an, lang zu werden. Wir reden hauptsächlich über Fußball und Filme. Es stellt sich heraus, dass beide Typen, mit denen ich arbeite, insgeheim süchtig nach Horror-Filmen sind und ihr ganzes Geld für das krasseste Zeug ausgeben. Nachdem wir uns den halben Tag darüber unterhalten haben, wer in einer Schlägerei zwischen Paul Naschy und Christopher Lee gewinnen würde, kann ich es kaum erwarten, wieder einzusteigen und Fahrgäste zu stressen.

TAGE 5-7

Während ich Touristen für ihre Naivität in puncto ausländische Verkehrssysteme in mein Herz geschlossen habe, beginne ich, die Studenten wahrhaft zu verabscheuen. Diese faulen kleinen Scheißer glauben, sie wären so verdammt cool. Sie ignorieren dich bis zum letzten Moment und fangen dann an, eine Ewigkeit in ihrem riesigen Wolfskin-Rucksack zu wühlen, bis sie ihr Semesterticket rausholen und es dir mit diesem abgewichsten Grinsen vorhalten, für das man sie mit einer Flasche in die Fresse schlagen und ihnen den Schwanz abschneiden will. Überhaupt, nach zehn Stunden U-Bahn fahren, fängst du an, alle zu hassen. Als ich am fünften Tag ein in ihre pubertären Dreadlocks reinschwitzendes Pärchen Ethnologie-Studenten erwische, kann ich mir nicht mal mehr ein Lächeln abringen. Tag 6 ist noch schlimmer. Gegen 13 Uhr treffen wir auf zwei Kandidaten mit ungültigen Fahrscheinen. Das passiert häufig mit Touristen, aber die beiden Brüder kommen offensichtlich straight outta Neukölln, die Sache stinkt. Als wir auf den Bahnsteig treten, wird es chaotisch, weil die Jungs Richtung Ausgang losrennen. Mein Herz schlägt wie das eines Sechzehnjährigen auf Speed. Bevor ich irgendwas machen kann, packen mich die Kollegen an meiner XL-Bomberjacke, unter der der Kassier-Computer versteckt wird, und lassen sie davonkommen. Das System ist am Ende. Gut so. Ich hab sowieso keinen Bock mehr darauf, mit schwachköpfigen Sozialfällen rumzuhängen, die alle hassen und von allen gehasst werden. Warum in Gottes Namen werden nicht einfach automatische Drehkreuze aufgestellt, so wie in allen anderen zivilisierten Ländern auch?
quelle:
www.viceland.com

Superheld
2006-09-22, 16:30:11
was soviel Text;(

werds mir durchlesen wenn ich Bock habe=)

EvilOlive
2006-09-22, 16:39:29
alt

lilgefo~
2006-09-22, 16:42:24
Blödsinn

g0ne²
2006-09-22, 16:51:10
ach herrlich ...die "alt" schreier sind wieder da :D

Marshall
2006-09-22, 16:59:53
http://www.forum-3dcenter.org/vbulletin/showthread.php?t=312664&highlight=bvg

g0ne²
2006-09-22, 17:08:22
ok ..mein fehler... na is ja eh nur die spülwiese