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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Antistatik-Tüten


Arokh
2007-03-08, 16:08:57
Hi Leute,

ich habe die Tage mal mit einem Kollegen gefachsimmelt, worauf eigentlich die Wirkung einer Antistatik-Tüte, in die man z.B. elektronische Bauteile verpackt, basiert.
Er war der Ansicht, so eine Tüte stelle einfach einen Faradayschen Käfig dar. Innerhalb eines solchen Käfigs in das elektrische Potential räumlich konstant, deswegen liegt jedes im Innenraum befindliche Objekt - etwa ein elektronisches Bauteil - auf dem gleichen Potential wie die Käfighülle, und es kann somit kein für das Bauteil schädlicher Strom fließen, egal wie die Hülle durch Umwelteinflüsse elektrisch aufgeladen wird.

Mein Gedankengang aber ist, daß das so nicht stimmen kann. Solange sich ein Bauteil im Inneren einer als Faradayscher Käfig wirkenden Tüte befindet, ist es zwar gegen schädliche Ströme geschützt. Sobald man es aber aus der Tüte herausnimmt, ändert sich das Potential des Bauteils ggf., so daß es eine Potentialdifferenz zur Tüte bekommt. Berührt jetzt das Bauteil die Tüte - was ja beim Herausnehmen sehr leicht passieren kann - fließt aufgrund dieser Potentialdifferenz ein Strom zwischen Tüte und Bauteil, der das Bauteil beschädigen kann. Da so etwas bei einer realen Antistatik-Tüte nicht passiert (und auch nicht passieren darf), ist meine Überlegung, daß eine Antistatik-Tüte nicht auf dem Prinzip des Faradayschen Käfigs basieren kann.

Um meine Überlegung noch etwas deutlicher werden zu lassen, nehmen wir an, vor dem Einpacken des Bauteils in die Tüte liegen beide auf Erdpotential, d.h. 0 V. Nachdem nun das Bauteil in die Tüte einebracht und die Tüte verschlossen wurde, kommt es irgendwann zu einer Aufladung der Tütenoberfläche, wodurch das Potential der Tüte auf +1000 V ansteigt. Da die Tüte als Faradayscher Käfig wirkt, kommt auch alles im Inneren der Tüte auf dieses Potential zu liegen, also auch das Bauteil. Soweit besteht also keine Gefahr für das Bauteil. Nun wird das Bauteil aus der Tüte entnommen. Dabei soll es zu keinem Zu- oder Abfluß von Ladungen auf der Tütenoberfläche kommen, d.h. das Potential der Tüte bleibt unverändert auf +1000 V. Das Potential des Bauteils jedoch geht, da es nicht mehr von der Ladung der Tüte umgeben ist, auf den Wert zurück, den es vor der Aufladung der Tütenoberfläche hatte, also auf 0 V. Und hat damit eine Potentialdifferenz von 1000 V zur Tüte. Was gerade nicht passieren soll.

Crop Circle
2007-03-08, 16:23:45
Vielleicht lassen die Tüten keine Influenz zu. Also wenn das Bauteil in der Tüte an selbiger reibt, können dazwischen keine Ladungen fließen.

Alchemist
2007-03-08, 17:30:56
Ich denke, daß die Antistatic-Tüte leitfähig ist. Dadurch können sich keine Potentiale durch Reibung aufbauen, bzw. diese werden sofort wieder eingeebnet.

ilPatrino
2007-03-08, 17:38:50
du bringst die tüte durch anfassen auf das potential deines körpers. die ist leitfähig und damit bringst du auch das teil in der tüte auf das neue potential. wenn du dann das teil rausnimmst, ist alles auf einem potential und es fließen keine ausgleichsströme über das bauteil. die sind bereits vorher durch die tüte geflossen. dort sind sie unschädlich...

youngstar
2007-03-08, 17:44:53
funktioniert eine solche anti statik hülle nicht nach dem prinzip eines faradayschen käfigs?

Alchemist
2007-03-08, 18:05:32
Daher kriegt man RAM-Bausteine auch oft in Alufolie eingewickelt verkauft.

Arokh
2007-03-08, 18:13:23
du bringst die tüte durch anfassen auf das potential deines körpers. die ist leitfähig und damit bringst du auch das teil in der tüte auf das neue potential. auf diese Lösung bin ich bereits eingegangen: das Teil in der Tüte kommt dadurch auf das gleiche Potential wie die Tütenoberfläche, daß es von der Ladung der Tüte umschlossen ist. Holt man es aus der Tüte heraus, ist es nicht mehr von dieser Ladung umschlossen und bekommt dadurch ein anderes Potential.

wenn du dann das teil rausnimmst, ist alles auf einem potential eben das bezweifle ich.

DeutscherHerold
2007-03-08, 18:56:21
Holt man es aus der Tüte heraus, ist es nicht mehr von dieser Ladung umschlossen und bekommt dadurch ein anderes Potential.

nö, du sagst es doch selbst. die tüte bekommt das gleiche potential wie du, der tüteninhalt das gleiche potential wie die tüte - ergo: der tüteninhalt und du haben das gleiche potential. daraus folgere ich, dass wenn du den tüteninhalt herausnimmst, sich nichts an dem potential des tüteninhalts ändert, da es ja bereits das gleiche potential wie der "herausnehmer" aufweist.

Arokh
2007-03-08, 19:27:25
nö, du sagst es doch selbst. die tüte bekommt das gleiche potential wie du, der tüteninhalt das gleiche potential wie die tüte aber eben nur dadurch, daß er von der Ladung der Tüte umschlossen ist. Holt man ihn aus der Tüte heraus, ist nicht länger die Ladung um ihn herum, und dadurch ändert sich sein Potential.
Stell dir eine geladene Hohlkugel mit der Gesamtladung Q vor. Außerhalb der Hohlkugel ist das elektrische Potential im Abstand r vom Kugelmittelpunkt

V(r) = Q/r (mal irgendwelche Konstanten, wie epsilon_0 und so)

Auf der Kugeloberfläche und im Innenraum der Kugel ist das Potential

V_innen = V(R) = Q/R

wobei R der Kugelradius ist.
Befindet sich das Bauteil also im Innenraum, ist sein Potential V_innen. Holt man es aus dem Innenraum heraus und bringt es in den Abstand r0 > R vom Kugelmittelpunkt, ändert sich ein Potential zu V(r0).

daraus folgere ich, dass wenn du den tüteninhalt herausnimmst, sich nichts an dem potential des tüteninhalts ändert, genau das halte ich für falsch.

Spasstiger
2007-03-08, 20:20:20
Die antistatische Tüte kann sich beim Transport nicht durch Reibung auf ein bestimmtes Potential aufladen. Dadurch wird verhindert, dass statische Entladungen zur Karte hin auftreten, welche Bauteile beschädigen könnten.

Das ist jedenfalls meine Vermutung.

Beim oder direkt vor dem Auspacken der Karte sollte man sich selbst natürlich erden, beim Auspacken der Karte entfällt ja der Schutz und die Karte wird anfällig für die statische Entladung, die vom Körper ausgehen kann. In meinen Augen dient die antistatische Hülle einfach als Transportschutz.

Da die antistatische Hülle auch einen Faradayschen Käfig darstellt, wird sie die Karte/Hardware wahrscheinlich auch vor äußeren Überspannungen bis zu einem gewissen Grad schützen.

Btw.: Ich denke nicht, dass die antistatische Hülle und die darin verpackte Hardware leitend verbunden ist. Sonst wäre ja kein Schutz vor äußeren Überspannungen gewährleistet.

DeutscherHerold
2007-03-09, 16:43:00
aber eben nur dadurch, daß er von der Ladung der Tüte umschlossen ist. Holt man ihn aus der Tüte heraus, ist nicht länger die Ladung um ihn herum, und dadurch ändert sich sein Potential.
Stell dir eine geladene Hohlkugel mit der Gesamtladung Q vor. Außerhalb der Hohlkugel ist das elektrische Potential im Abstand r vom Kugelmittelpunkt

V(r) = Q/r (mal irgendwelche Konstanten, wie epsilon_0 und so)

Auf der Kugeloberfläche und im Innenraum der Kugel ist das Potential

V_innen = V(R) = Q/R

wobei R der Kugelradius ist.
Befindet sich das Bauteil also im Innenraum, ist sein Potential V_innen. Holt man es aus dem Innenraum heraus und bringt es in den Abstand r0 > R vom Kugelmittelpunkt, ändert sich ein Potential zu V(r0).

genau das halte ich für falsch.

hmm sicher das du den ladungszustand in einer symmetrischen kugel (konstanter radius r) im bezug aufs ladungsverhalten mit einer asymetrischen tüte bezeichnen kannst. da du mit epsilon_0 arbeitest gehst du davon aus, dass sich das ganze im vakuum befindet, was in der realität ja wohl nicht der fall sein dürfte.. ich denke die lösung ist naheliegender.. mal meinen etech prof fragen

anddill
2007-03-09, 19:53:28
Die Tüte ist zwar leitfähig, aber hochohmig, so daß Ladungen nicht schlagartig ausgeglichen werden, sondern langsam abfließen können.

Rhönpaulus
2007-03-09, 20:08:00
sie verhindert einfach starke potentialunterschiede zwischen den einzelnen kontakten eines elektronischen bauteils welche durch reibung an kunststoffen entstehen können.
da kunststoffe sehr gute isolatoren sind können diese ladungen nicht auf natürliche weise abfließen und so eine ernste zerstörungsgefahr für unipolare transistoren sein
.
die kunststofffolie wird dazu im vakuum entweder mit kohlenstoff oder metallen wie alu oder gold bedampft.
welche gesamtladung herscht ist dem bauteil egal.
alufolie oder einfaches zeitungspapier tut es übrigens genauso gut.