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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : MMORPGs fördern die soziale Kompetenz


Quantar
2007-08-04, 19:33:42
Ich beschäftige mich auch wissenschaftlich mit den Aspekten Computer vermittelter Kommunikation. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass in kaum einer anderen Disziplin die Anzahl von Wörtern wie „möglich“, „potentiell“ oder „wahrscheinlich“ dermaßen häufig ist. Technische Formate existieren nur durch ihre Nutzung. Und die Nutzung eines Formates ist immer abhängig vom Nutzer. Mit einem Messer kann man Menschen töten oder eine Armada anderer sinnvoller Tätigkeiten ausführen. So verhält es sich auch mit technischen Formaten. Man kann sie sinnvoll nutzen, oder eben Schindluder mit ihnen treiben. Ein Handy ist manchmal eine wunderbare Sache, doch wenn man nur Menschen begegnet, die 24/7 simsen, um Informationen auszutauschen, die eigentlich gar keine sind, dann zweifelt man an dem Nutzen.
Genauso ist es mit MMORPGs. Das Paradebeispiel ist und bleibt World of Warcraft. Dass es Sucht fördert und eventuell wichtigere Dinge vernachlässigt werden, liegt nicht am Spiel, sondern am Benutzer. Wieso es jetzt einen positiven Aspekt mit sich bringen soll, darauf will ich jetzt eingehen.

1. MMORPGs sind Spiele. Spiele sind Freizeitgestaltungen. Denen geht man in der Zeit nach, in der man sonst nix zu tun hat. D.h. zunächst einmal, es geschieht im Umfang seiner alltäglichen Verpflichtungen. Freizeit ist ein Zeitraster, welches an sich leer und unbestimmt ist. Es liegt am Menschen, was er daraus macht. Freizeit ist jedem selbst überlassen, es ist ein Rahmen, in dem jeder genau das macht, worauf er Lust hat. Es steht also allen frei, in ihrer Freizeit das zu machen, wonach ihnen der Sinn steht.

2. MMORPGs zeichnen sich hauptsächlich dadurch aus, dass die Interaktion im Mittelpunkt steht. Das heißt, ein Spiel ist nur so gut, wie es die anderen Menschen sind. Es gibt kein MMORPG ohne andere. Man stelle sich vor, es ist ein Spiel, und keiner geht hin. Was ist das dann? Es ist Nichts! Es existiert schlicht und ergreifend nicht.

3. Wenn wir uns ansehen, wie es innerhalb eines MMORPGs zugeht, können wir wesentliche Aspekte explizieren. Das Ego einer einzelnen Person ist nichts wert, es zählt einfach nichts. Alles ist Teamplay. There is no I in Team. Dieser Satz betrifft eine konventionelle Manschaft, wie das typische Fußballteam, aber auch die Menschen, die per MMORPG miteinander spielen. Ich sehe in WoW einen Vorteil! Um erfolgreich zu sein, muss man zwangsläufig sein eigenes Ego zurückstecken. Diejenigen, die etwas in dem Spiel erreicht haben, sind auch diejenigen, die etwas verstanden haben. Nämlich, dass man selber ersetzbar ist. Und nur zusammen erreicht man was. Und das nennt man Emergenz.
Man muss einfach Kompromisse eingehen, möchte man weiterkommen. Man muss lernen, seine eigenen Interessen zurückzustecken. Ein virtuelles Item ist toll, aber womöglich gibt es jemanden, der es besser gebrauchen kann. Dem es mehr nützt als einem. Und an diesem Punkt ist ein hohes Maß an Reflexion notwendig.
Man lernt zu verzichten, zu leiden, zu gönnen. Über den Dingen zu stehen!

4. We are the Web. Ein Spruch, der unsere Generation definiert. Doch wie allzu oft, ist auch darin ein Haufen Wahrheit versteckt. Wir bestimmen den Content, den wir vorgesetzt bekommen. Wir entscheiden, wie wir miteinander umgehen. MMORPGs sind eine andere Umgebung, in der wir uns testen können. Unser Verhalten beeinflusst das gesamte Geschehen.

5. Erschließung neuer Räume. Der wichtigste Punkt. Der Mensch ist beeinflusst von seinem Leben. Auch von Menschenbildern. In virtuellen Räumen sind alle Vorurteile nichtig. Es gibt keine Arme und Reiche. Kein Christ und Muslim. Kein Dummen und kein Intellektuellen. Keine „Normalen“ und keine „Behinderten“. Keine Schwarze, keine Weiße. Keine Manager, keine Arbeiter… Alle sind gleich! Wir können uns neu definieren, und das ist unsere Zukunft!

Annator
2007-08-04, 19:39:45
Schöner Text. Von Zeile zu Zeile konnte ich Nicken. Besonders erstaunlich finde ich die Freundschaften die in den einzelne Gilden zustande kommen. Die extrem fest und voller vertrauen sein können.

Faster
2007-08-04, 19:43:35
falls es neben mir nochjemanden geben sollte, dessen erste frage lautet, was zur hölle ein MMORPG denn überhaupt sein soll:
Massively Multiplayer Online Role-Playing Game (MMORPG) (wörtlich: Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel)
http://de.wikipedia.org/wiki/Massively_Multiplayer_Online_Role-Playing_Game

Fatality
2007-08-04, 19:44:01
was ist mit dem verhalten im umgang mit dem anderen geschlecht.
durch wow kann man keine frauen "klarmachen" ;)

reallife rockt, und wow ist nur ein spiel mehr nicht.

Quantar
2007-08-04, 19:51:04
durch wow kann man keine frauen "klarmachen"
Das ist bedingt richtig ;)

reallife rockt, und wow ist nur ein spiel mehr nicht.
Ich hab doch explizit erwähnt, dass es nur ein Spiel ist.

Dieses VL vs. RL Gebashe ist nur ein Ausdruck dessen, dass man es nicht begriffen hat.

Omee
2007-08-04, 20:13:53
was ist mit dem verhalten im umgang mit dem anderen geschlecht.
durch wow kann man keine frauen "klarmachen" ;)

reallife rockt, und wow ist nur ein spiel mehr nicht.

einer aus der gilde hat vor kurzem erst eine "klargemacht" (sie auch in gilde) und die sieht echt nicht schlecht aus.

wohnen zusammen etc.

Mr_Snakefinger
2007-08-04, 20:24:08
Abgesehen davon, dass ich die Art des Umgangs und die Herangehensweise an das Thema interessant und vor allem wichtig finde: Warum beschränkst Du deine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik auf MMORPGs?

Sagst Du selber, dass ein anderes Genre die genannten Eigenschaften nicht erfüllt (bzw. bist bei Deinen Untersuchungen) oder liegt es nur daran, dass MMORPGs einfach ein Genre darstellen, welches Du selber auch spielst?

Beispiel "Teamarbeit" (die Sache mit den Items - was auch immer das sein mag): Sowas gibt es im Shooter-Genre auch durchaus.

Auch die Sache mit den "Gilden" ist nicht soweit von einer Spielergemeinschaft (gemeinhin auch als "Clan" bezeichnet, wobei ich dem Begriff nichts abgewinnen kann) entfernt. Die Leute, mit denen ich regelmäßig zusammenspiele habe ich beispielsweise auch nur durch das Spielen kennengelernt und mit einigen von ihnen treffe ich mich auch regelmäßig (sofern es Zeit und Geld erlauben - wir wohnen teilweise 500 km voneinander entfernt). Manch einer hat mir auch unabhängig vom Spielen schonmal aus der Patsche geholfen, so dass man das durchaus als "soziale Bindung" bezeichnen kann.

Fatality
2007-08-04, 20:30:01
ich bin trotzdem der meinung das wow keine soziale kompetenzen wirklich "fördern" kann.
in wow sind diese sachen zwar, wie im eingangspost erklärt (find ich gut), rudimentär vorhanden allerdings ist das zu gering um von "fördern" zu sprechen.
Das reicht allemal aus um seine bereits vorhandenen kompetenzen nicht zu verlernen.

das was die meisten hier erklären könnte jede beliebige chat/kontaktforen-seite auch zwischen menschen schaffen.

Mr_Snakefinger
2007-08-04, 20:36:56
ich bin trotzdem der meinung das wow keine soziale kompetenzen wirklich "fördern" kann.
in wow sind diese sachen zwar, wie im eingangspost erklärt (find ich gut), rudimentär vorhanden allerdings ist das zu gering um von "fördern" zu sprechen.
Das reicht allemal aus um seine bereits vorhandenen kompetenzen nicht zu verlernen.

das was die meisten hier erklären könnte jede beliebige chat/kontaktforen-seite auch zwischen menschen schaffen.

Du hast Recht, die Wortwahl "fördern" ist möglicherweise zu stark gewählt.
Es wird wohl eher so sein: Jemand, der diese soziale Kompetenz hat, der wird sie auch in einer virtuellen Welt nicht verlernen oder vernachlässigen.
Genauso wird es aber auch Leute geben, denen Sachen wie "Teamwork" völlig egal sind und in einem solchen Fall eben auch nicht mitziehen.

Dennoch sollte der Aspekt nicht untergehen, dass MMORPGs (und andere Spiele) nicht zu einer sozialen Verarmung führen (müssen) - so wie es manche Leute gerne hinstellen.

Monger
2007-08-04, 22:06:58
3. Wenn wir uns ansehen, wie es innerhalb eines MMORPGs zugeht, können wir wesentliche Aspekte explizieren. Das Ego einer einzelnen Person ist nichts wert, es zählt einfach nichts. Alles ist Teamplay. There is no I in Team. Dieser Satz betrifft eine konventionelle Manschaft, wie das typische Fußballteam, aber auch die Menschen, die per MMORPG miteinander spielen.

Und das ist imho auch einer der zentralen Schwächen von MMORPGs: man ist absolut nichts wert. Keiner interessiert sich für einen aus persönlichem Interesse, sondern nur um als Abziehbildchen der eigenen Idealwelt zu dienen.

Eine Fußballmannschaft verlangt zwar soziale Interaktion, aber nur zum Gewinnen. Das Einzelschicksal ist erstmal völlig egal. Frag mal einen Fußballer, was er von seinen Teamkameraden wirklich weiß.

Wenn ein MMORPG also einen sozialen Anspruch pflegt, dann nur einen der aus der Spiellogik heraus erwächst. Was auch völlig legitim ist, schließlich ist es nur ein Spiel.
Das Problem ist, dass viele Spieler da mehr draus machen. Sie glauben, mit den Mitspielern mehr zu teilen als nur einen Server.

5. Erschließung neuer Räume. Der wichtigste Punkt. Der Mensch ist beeinflusst von seinem Leben. Auch von Menschenbildern. In virtuellen Räumen sind alle Vorurteile nichtig. Es gibt keine Arme und Reiche. Kein Christ und Muslim. Kein Dummen und kein Intellektuellen. Keine „Normalen“ und keine „Behinderten“. Keine Schwarze, keine Weiße. Keine Manager, keine Arbeiter… Alle sind gleich! Wir können uns neu definieren, und das ist unsere Zukunft!
Wo kein Schatten, da auch kein Licht. Nur weil man unter Informationsmangel leidet, wird man ja nicht automatisch zum besseren Menschen.
Das wird immer dann deutlich, wenn man Leute aus dem Web tatsächlich mal live trifft. Oftmals erkennt man die gar nicht wieder, und scheitert dann gleich an den ersten Meinungsverschiedenheiten.

Das ist ja auch der Fluch beim Online-Dating: neue Menschen kennenzulernen, ist so furchtbar simpel. Aber wenn man allzu lange in der Onlinewelt hängen bleibt, geht man im echten Leben mit völlig verklärten Vorstellungen auf den anderen zu.

Soll heißen: in der Onlinewelt ist man keineswegs vorurteilsfrei, ganz im Gegenteil. Nur sucht man sich die Vorurteile raus die einem am besten gefallen.

Quantar
2007-08-05, 00:15:33
Und das ist imho auch einer der zentralen Schwächen von MMORPGs: man ist absolut nichts wert. Keiner interessiert sich für einen aus persönlichem Interesse, sondern nur um als Abziehbildchen der eigenen Idealwelt zu dienen.

Eine Fußballmannschaft verlangt zwar soziale Interaktion, aber nur zum Gewinnen. Das Einzelschicksal ist erstmal völlig egal. Frag mal einen Fußballer, was er von seinen Teamkameraden wirklich weiß.

Wenn ein MMORPG also einen sozialen Anspruch pflegt, dann nur einen der aus der Spiellogik heraus erwächst. Was auch völlig legitim ist, schließlich ist es nur ein Spiel.
Das Problem ist, dass viele Spieler da mehr draus machen. Sie glauben, mit den Mitspielern mehr zu teilen als nur einen Server.


Dass Problem dabei ist allerdings ein anderes. Man müsste da im Bereich graben, inwierfern es überhaupt eine nicht hedonistische Motivationen gibt.
Das Spiel an sich ist eine Plattform zur Kommunikation. Klar, man ist dazu genötigt, mit anderen zu kommunizieren, da man selber auch etwas erreichen will. Mit dem Totschlagargument kannst du dann auch gleich sämtliche soziale Systeme auseinander nehmen.

Soll heißen: in der Onlinewelt ist man keineswegs vorurteilsfrei, ganz im Gegenteil. Nur sucht man sich die Vorurteile raus die einem am besten gefallen.
Das sich mit der Zeit Meinungen über andere Menschen bilden, ist ja an sich nichts schlimmes. Doch jeder steht am Anfang bei Null. Es obliegt einem ganz allein, wie man sich definiert. Die meisten Menschen, die ich als Idiot im RL betiteln würde, sind auch im VL Idioten. Was aber nichts daran ändert, dass jeder die Chance hat, über sich selber zu entscheiden.

Ich sehe bei nahezu allen Onlineformaten den wesentlichen Charakter der Feedback-Effekte. Und genau DAS ist das Interessante an der ganzen Sache. Es ist ein Verstärker seines Charakters. Im Wesentlichen bietet es den sozial orientierten Menschen mehr Optionen zur Sozialisierung, und den weniger sozialen bietet es ein Sprungbrett zur weiteren Desozialisierung.
Daher impliziert meine These auch, dass MMORPGs die sozialen Kompetenzen auch weiter negativ beeinflussen können. Man ist allerdings gezwungen, oftmals sein eigenes Ego ganz weit zurückzuschrauben. Klar, ich kenne die Menschen auch nicht, die sich hinter den Monitoren verbergen. Doch habe ich von einigen eine recht hohe Meinung. Mein Weltbild würde wohl in sich zusammenfallen, wenn ich diesen mal live begegnen würde. Derjenige, dem ich durchweg positive Eigenschaften zuschreiben würde, entpuppt sich möglicherweise als egozentrisches Arschloch. Es sind eben zwei Gesichter, die man mit sich spazieren trägt. Von daher sehe ich bisweilen bei deiner Darstellung keinen wirklichen Widerspruch, sondern höchstens eine dezente Relativierung.

Quantar
2007-08-05, 00:31:11
Genauso wird es aber auch Leute geben, denen Sachen wie "Teamwork" völlig egal sind und in einem solchen Fall eben auch nicht mitziehen.

In den Onlinwelten gibt es dies durchaus. Da wird auch an allen Ecken nach Lug und Betrug geschrieen. Es gibt da Individuen, denen ist alles egal, Hauptsache ihr virtueller Geldbeutel ist gefüllt. Das macht allerdings nur einen Bruchteil aus. Wenn man sich nach dem Erfolg misst, wieviel man vom Content bewältigen kann, dann ist Teamwork das A und O.
Als Gruppe/Gilde/Clan ist man auch immer daran interessiert, sein Image zu pflegen. Die Aufnahmeverfahren neuer Member sind stark reglementiert. Leute mir negativer Vorgeschichte werden da schnell rausgefiltert.
Aber genauso gibt es auch welche, deren Laufbahn ein reines Gilden-Hopping darstellt. Denen fehlt dann jegliches Maß an Selbstreflexion -die anderen sind immer schuld-.

Peleus1
2007-08-05, 02:30:49
Schöner Text. Von Zeile zu Zeile konnte ich Nicken. Besonders erstaunlich finde ich die Freundschaften die in den einzelne Gilden zustande kommen. Die extrem fest und voller vertrauen sein können.
Zu betonen ist das können. Diese Freundschaften sind bei Belastung nicht besonders haltbar, ich habe da diverse eigene Erfahrungen.

Und zum Frauen anmachen, ich kenne auch jmd. der sich dadurch eine geangelt hat, ist jetzt dahin resultiert dass er umgezogen ist, die Schule abgebrochen hat und jetzt mit ihr in einer Hartz 4 Wohnung wohnt.

Zum Text ist imo nur zu sagen: Es kann schon sein dass Onlinespiele die soziale Kompetenz fördern, bloss sollte man es so dosieren können dass man diese Kompetenz auch im "Reallife" anwenden kann.

govou
2007-08-05, 02:50:21
ich bin trotzdem der meinung das wow keine soziale kompetenzen wirklich "fördern" kann.
in wow sind diese sachen zwar, wie im eingangspost erklärt (find ich gut), rudimentär vorhanden allerdings ist das zu gering um von "fördern" zu sprechen.
Das reicht allemal aus um seine bereits vorhandenen kompetenzen nicht zu verlernen.

das was die meisten hier erklären könnte jede beliebige chat/kontaktforen-seite auch zwischen menschen schaffen.Kann ich nur unterschreiben. Wenn das oben von Quantar Prämissen für seine Behauptung sind, kann die Behauptung schon zutreffen. Aber meine Erfahrung ist eher, dass Leute, die sowas spielen, ihre "normalen" sozialen Kontakte stark vernachlässigen, was sicherlich nicht die soziale Kompetenz fördert.
Der Titel ist schon etwas reißerisch und suggeriert, dass ich meine sozialen Kompetenzen mit MMORPGs mehr förder, als durch Teamwork auf der Arbeit, Lerngruppen im Studium oder den allgemeinen sozialen Alltag (Freunde, Familie etc.)