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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Buchrestaurierung


mofhou
2007-12-27, 11:31:55
Hallo,
wir möchten ein altes Heiligenbuch restaurieren lassen, haben allerdings keinerlei Ahnung, was uns das kosten würde.
Das Buch ist ein Heiligenbuch von 1913 in dem auch unser Familienstammbaum drin ist.
Hat jemand eine Ahnung, was für Kosten ungefähr da auf uns zukommen?

Hier mal ein paar Bilder:
Außen:
http://img175.imageshack.us/img175/6971/dscf1974re1.jpg
Innen1:
http://img296.imageshack.us/img296/7573/dscf1975tt3.jpg
Innen2:
http://img181.imageshack.us/img181/9106/dscf1976ns9.jpg

Um eventuellen Diskussionen vorzubeugen, uns geht es allein um den ideologischen Wert des Buches und nicht um den materiellen Wert (der wird wahrscheinlich sehr gering sein)
mfg
mofhou

RMA
2007-12-27, 14:13:51
Dürfte ein klassischer Kaliko-Einband der Jahrhundertwende sein (sieht toll aus, aber bereits weitestgehend industriell und billig produziert).

Bereits der Deckel ist 'ne harte Nuss, klassische Vorgehensweise ist, den Bezug vom eigentlichen Deckel abzuweichen und auf einen neuen Deckel aufzukleben. Dies dürfte hier geboten sein, eine Papierrestaurierung der ausgebleichten Stellen stände allerdings in keinen Verhältnis zu den Kosten - sprich, würde ich so lassen. Ist halt Patina.

Bezüglich des Buchblocks, der scheint sich völlig aufgelöst zu haben, muss also neu gebunden werden. Auf deinen Bildern ist nicht zu erkennen, ob es sich um eine Fadenheftung, oder, was für die Zeit wohl typischer und bei einem solchen Buch wahrscheinlicher, eine Klammernheftung handelt. Kannst du mal gucken, ob du da am Buchrücken durchgerostete Klammern siehst?

Das eingerissene Vorsatzblatt lässt sich relativ einfach mit Filmoplast (säurefreies, selbstklebendes Papier) reparieren. Aufwändigere und teurere Herangehensweisen wie Hinterlegen oder Anfasern sind anbetrachts des Wertes meiner Meinung nach nicht geboten, also bloß nix teures in der Richtung aufschwatzen lassen.

Die gesamte Restaurierung (Auseinandernehmen, Abweichen, Aufziehen auf neue Einbanddecken, Ausbesserung der kleineren Fehlstellen, neue Fadenheftung) dürfte erfahrungsgemäß zwischen 80 - 100 Euro kosten, keinesfalls aber mehr.

Bei einem seriösen Buchbinder bzw. Restaurator gehst du am besten vorbei, der gibt dann nach Begutachtung einen bindenden Kostenvoranschlag bzw. eine Preisspanne ab. Buchbinder findest du gut über die gelben Seiten, vorzugsweise einen mit Meistertitel und dessen Werkstatt schon lange existiert. Für den Großraum Rhein-Main kann ich einige gute empfehlen.

Thanatos
2007-12-27, 23:23:36
Das ist interessant, da wir auch noch ein Buch, genauer gesagt ein Reisebuch mit Berichten über verschiedene Länder, von 1880 haben, was aber noch in einem sehr guten Zustand ist.

Da du jedoch recht gut mit Büchern bewandert zu sein scheinst hätte ich eine Frage bezüglich der Lagerung von solchen Büchern, da man so ein Buch ja noch gerne länger behalten möchte und es daher optimal lagern will.

RMA
2007-12-28, 01:04:11
Prinzipiell muss ein jedes zwischen etwa 1850 - 1980 gedruckte Buch zunächst hinsichtlich der Papierqualität kritisch beäugt werden. Ab 1850 hat man insbesondere bei hohen Auflagen und eher billigen Werken leider auf, laienhaft ausgedrückt, holzhaltiges Papier gesetzt, welches nicht dauerhaft alterungsbeständig ist. Besonders schlimm sind hier vor allem die späten Jahre des Ersten Weltkriegs, die frühen 20er Jahre und die späten Jahre des Zweiten Weltkriegs betroffen, als die wirtschaftliche Not die Nutzung solch billigen Materials gebot.

Die Verwendung eines solchen Papiers zeigt sich am starken Vergilben, von den Rändern der Seite ausgehend, und endet unweigerlich in einem völligen Zerbröseln des Materials. Die Unsitte der Verwendung dieses billigen Papiers hat bis in die 80er geherrscht, die Hinterlassenschaft wird noch ganze zukünftige Generationen von Restauratoren beschäftigen. Es existieren schon seit Jahrzehnten Methoden wie das Papierspaltverfahren, doch diese sind abartig teuer und werden auch längst nicht von jedem Buchbinder beherrscht, geschweige denn dass dies bei einem industriell hergestellten Buch geboten wäre.

Inwieweit dein Buch vom Säurefraß betroffen ist, kannst du mal anhand der oben beschriebenen Anhaltspunkte überprüfen. Falls ja, viel kann gegen den Zerfall zumindest jetzt nicht mehr getan werden, da die zugrundeliegenden chemischen Prozesse längst im Gange sind.

Am ehesten für dich in Betracht zu ziehende Gegenmaßnahme: bei nicht illustrierten Werken können dir viele Buchbinder mittlerweile mit Hilfe des Digitaldrucks billig und nahezu perfekt Faksimiles herstellen - sprich, das zerfallende Werk bleibt im Schrank, das Faksimile dient zum tatsächlichen Lesen darin.

Zweiter Ansatzpunkt ist eine etwaige Klammernheftung, die ich bereits oben beschrieben habe. Im Gegensatz zur nahezu unkaputtbaren Heftung auf Bünde, die bis etwa 1800 gängig war, oder der Fadenheftung, die einfach zu restaurieren ist, ist die Klammernheftung dummerweise aus Kostengründen immer mit *nicht rostfreien* Klammern ausgeführt. Alles, was Rost befördert, also insbesondere wechselhaftes Klima (typischerweise Keller oder Dachboden) führt somit auch zum Rosten der Klammern, die irgendwann zerbröseln, und damit auch der Buchblock.

Welche Art der Bindung dein Buch aufweist und inwieweit sie unter Umständen geschädigt ist, kannst du leicht überprüfen, indem du das Buch mal vorsichtig 180 - 190° aufklappst: bei einer geschädigten Klammernheftung bröselt einem meist jetzt schon der Rost entgegen.

Fazit: am besten trocken und in einem geschlossenen Schrank lagern (derartige "bessere" Bücherschränke mit Glastüren gibt's z. B. bei IKEA schon für 200 Euro). Bei aufwändig bedruckten oder vergoldeten Einbänden, insbesondere jedoch auf Echtlederbasis sollte der Schrank zudem nicht im direkten Sonnenlicht stehen, da dieses unweigerlich zu Verfärbungen oder zumindest unschönen Verblassen der Einbände führt.

Haarmann
2007-12-28, 10:32:39
Thanatos

Habt ihr nen Staatsarchiv um die Ecke? Frag die dort sonst...

Alternativ... Teile wie Einband neu machen und bei nem Buchbinder neu binden lassen.

RMA

Ja gewisse Papierarten erlegen sich selbst... Säureproblem - kann man für viel Geld verhindern.

Thanatos
2007-12-28, 10:47:54
Nein, nein..., reparieren muss ich glücklicherweise nichts, da das Buch noch in einem Top Zustand ist. Ich wollte mich nur erkundigen, wie man das Buch optimal lagert, was wir aber bereits tun.

Kühles Zimmer mit nur wenig schwankender Temperatur und das Buch selbst ist in einer Schublade eines Schrankes wo es recht unbehelligt von der Außenwelt ist.

Haarmann
2007-12-28, 10:57:16
Thanatos

Warmes Zimmer eher... denn warme Zimmer neigen dazu trocken zu sein, wogegen kalte Zimmer eher feucht sind.

Thanatos
2007-12-28, 11:02:36
Thanatos

Warmes Zimmer eher... denn warme Zimmer neigen dazu trocken zu sein, wogegen kalte Zimmer eher feucht sind.


Direkt kalt ist es nicht (15-17°c, da Schlafzimmer), aber es herrscht halt auch keine Zimmertemperatur.