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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Review: "Sebastian im Traum" (CD)


aths
2002-11-15, 22:26:06
Auf Bayern3 läuft nachts gelegentlich eine Sendung namens "Space Night". Hin und wieder wird dazu eine elektronische "Astro-Musik" gespielt. (Der Synthesizer lässt grüßen.) Solche Musik sollte sinnvollerweise am besten von Leuten gemacht werden, deren Hobby tatsächlich Astronomie ist. Musikalisches Können wäre selbstverständlich auch mitzubringen.

Beides vereint Frank Specht, Teil des elektronische Musik machenden Duos "Rainbow Serpent", wobei sich Herr Specht in der Amateur-Astronomie-Szene aber eher durch seine erstaunlichen Saturn-Aufnahmen einen Namen machte. Sein musikalisches Solo-Debut heißt "Sebastian im Traum", welches im Gegensatz zu seiner ersten Saturn-Aufnahme auch heute noch vorzeigbar ist :) Nun aber zur CD.

Das Intro hört sich an, als ob das Laufwerk quietscht, dann wabern Klänge durch den Raum. Nach zwei Minuten erst setzt ein Rhytmus ein, und weitere drei Minuten später gerät das Werk in Fahrt. Der erste Titel, "Traumhaft klingt die Nacht", ist sehr schöne, typische "Astro-Musik". Wenn man die Augen schließt, kann man sogar was sehen - ferne Galaxien ziehen vorbei, und man kann mit der Musik förmlich durch das Universum reisen. Titel 2 und 3 erinnern dann etwas an Mike Oldfields Ausflüge in die Elektro-Musik. Frank Specht wurde offensichtlich durch "Songs of Distant Earth" inspiriert, und er übernimmt stilistische Elemente, ohne allerdings den Meister zu übertreffen. Von Oldfields "Kratzigkeit" ist bei Specht nichts zu hören. Das ist gar nicht mal als Nachteil zu verstehen. Spechts "eigentliches" Vorbild ist zudem offenbar Klaus Schulze, der in den 70-er in der Combo Tangerine Dream die psychedelische Musik entscheidend mit prägte und bis heute auch als Solist erfolgreich ist.

An dieser Stelle eine Anektdote zum CD-Titel. "Sebastian im Traum" hat Specht seinem Sohnemann gewidmet. Den Namen seines Filius wählte er nach einem Titel von Schulze, eben "Sebastian im Traum". Wie Specht auf seiner Homepage schreibt, hat aber auch Schulze das nicht "erfunden", sondern dieser wurde von einem Poem namens "Sebastian im Traum" inspiriert, die ein Georg Trakl schrieb. Zum Glück ist Spechts CD viel fröhlicher als das namensgebende Gedicht.

Titel 5 erinnert dann wieder an Musik-Experimente à la Yello, konkret an das Album You Gotta Say Yes to Another Excess, und in Titel 7 gibt es eine Passage, die erneut Erinnerungen an Mike Oldfield wecken. Würde ich über größere Kenntnisse in Musik verfügen, würden mir sicherlich noch viel mehr "Vorbilder" auffallen. Doch kupfert Frank Specht nicht einfach ab, sondern überzeugt durch seinen persönlichen Stil. Dieser lässt sich teilweise als "Mut zum Minimalismus" beschreiben. Er nutzt nur Instrumente, die er "braucht", um seine Klangteppiche zu weben.

Betrachtet man die Tracklist, so findet man Titelnamen wie "Traumhaft klingt die Nacht", "Schon winkt zur Sternenreise die Nacht" und "Erwachen im kindlichen Garten" - da scheint die behutsame Vaterliebe durch. In der Tat gibt es vor allem im ersten Teil der CD direkt "zärtliche" Musik. Die meisten Titel haben allerdings auch eine Menge Energie. Die zweite Hälfte ist durchweg ernster und dunkler. Man gewinnt fast den Eindruck, als hätte Specht sein Pulver bereits verschossen. Letztlich bewahren die letzten Tracks die CD aber vor dem Vorwurf, Syntho-Kitsch zu sein. Von den über 60 Minuten Musik wird man keine einzige bereuen, im Gegenteil, sie entwickelt sich im Gehör nachträglich noch weiter. Es wurde das richtige Maß zwischen Synthesizer-Stil, Melodie und Abwechslung gefunden, nerviges Bummbumm wird man hier vergeblich suchen. Was natürlich einige rhythmische Passagen keineswegs ausschließt.

Kurz, hier ist ein Profi am Werk. Weder findet man auf Kraft komponierte Ohrwürmer, die nur auf das schnelle Gefallen Wert legen, noch findet sich belangloses Einerlei auf der Scheibe. Durch meine persönliche Prägung fehlt mir zum totalen Glück die Unbeschwingtheit. Track Nummer zwei ("Helle Töne aus dünnen Lüften") kommt mir da noch am ehesten entgegen. Andererseits sticht Spechts Musik aus dem eher für stupide Beats und Sägezahn-Instrumente bekannte Genre heraus - positiv, natürlich. Specht scheint seine Experimentierphase weitgehend verlassen zu haben und präsentiert ein durchdachtes Werk elektronischer Musik.

Dass der letzte Track "Erwachen im kindlichen Garten" heißt, kann ich nicht ganz nachvollziehen: Eigentlich eignet er sich besser zum CD-ausklingen-lassen.

Zum Ausspannen, sich-in-Gedanken-verlieren, kurz, zum Träumen ist die komplette CD in der Tat gerade richtig, auch wenn man nicht Sebastian heißt. Nicht schlecht, Herr Specht!

aths

Thowe
2002-11-15, 22:56:52
Hi aths!

Das wirst du Frank doch als Link senden? Ich für meinen Teil werde mal eben meinen Bruder lesend in diesen Thread schubsen. :)