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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zur deutschen Sprache


Thanatos
2008-12-20, 01:12:13
Grüßt euch,


vor kurzem hatte ich ein so kurzes, wie interessantes Gespräch, bzw. es waren eher ein paar beiläufig erwähnte Sätze, die ich allerdings sehr interessant fand.

Ich unterhielt mich mit einer Freundin über ihren gerade gehaltenen Vortrag über E. Fromms "Die Kunst des Liebens" und darüber, dass einige kleine Dinge gefehlt haben, die ich dann während des Vortrages kurz ergänzt habe, da ich die in diesem Buch behandelte Thematik auch kenne, da ich es erst kürzlich gelesen hatte.

Sie meinte daraufhin, dass dies ja dann klar ist, dass ich das alles noch so gut weiß und es im Kopf hätte, worauf sie sich sofort entschuldigte und sich dahingehend korrigierte, dass ich das Werk E. Fromms nicht im Kopf, sondern im Geiste hätte. Sie fügte dann noch entschuldigend hinzu, dass spanisch oftmals so eine beschränkte Sprache sei, mit der man sich oftmals nicht so gut ausdrücken könnte wie man wollte und sie daher deutsch viel besser finde, da man mit dieser Sprache Dinge, Gefühle und alles andere viel schöner und präziser beschreiben könne als im spanischen. Da mir die spanische Sprache nur in einem sehr geringen Umfang geläufig ist, kann ich nur mutmaßen, dass es keine genauere Differenzierung zwischen dem physischen Kopf und dem feinstofflichen Geiste im Spanischen gibt. Sie war natürlich spanische Muttersprachlerin.


Dies fand ich nun sehr interessant, da es einmal eine völlig andere Betrachtung der deutschen Sprache war und auch dem heutigen Trend der stetigen Substitution deutscher Wörter mit englischen diametral gegenübersteht. Wie eigentlich bekannt ist bin ich ja selbst jemand der darum bemüht ist relativ wenig englische Wörter und Begrifflichkeiten zu benutzen und dies nur zu tun, wenn kein entsprechendes deutsches Äquivalent vorliegt, da ich diesem regen Gebrauch von englischen Wörtern und dem dadurch entstehendem "Denglisch" nichts abgewinnen kann.

Jedoch würde ich einmal behaupten, dass ein beträchtlicher Teil der deutschen Gesellschaft der eigenen Sprache nicht all zu viel abgewinnen kann, sei es nun aus Gründen der "Coolness", der besseren Internationalitätstauglichkeit und der Kürze der englischen Sprache und daher selbst manche Begriffe, die im deutschen mindestens genau so logisch und kurz beschrieben werden können, dennoch zwanghaft gegen einen englischen getauscht werden müssen.

Um abschließend zu einer Diskussionsgrundlage Grundlage zu kommen würde mich interessieren wie ihr es mit der deutschen Sprache haltet und welchen Stellenwert sie für euch in der heutigen Zeit hat.

darph
2008-12-20, 01:35:19
Zum Denglisch: Mit der Sache kommen die Worte. Das ist daktari und basi in Kiswahili oder kate und rukosakko im Japanischen oder angst und blitzkrieg im Englischen. Insofern haben auswärtige Begriffe durchaus ihre Daseinsberechtigung. Ich find das auch ganz famos so.

Lyka
2008-12-20, 01:37:49
allein die Unterscheidung im Englischen von Ghost und Spirit, von Sky und Heaven, von large und big etc. ist die dt. Sprache sehr "vereinfachend" von Ausdrücken. Wobei wir halt die gar lustigen Artikel haben^^

ich muss allerdings gestehen, daß ich eine solche Diskussion ausgehend von jener Dame sehr befremdlich halte... es ist eindeutig, daß man metaphysische Dinge nicht im physikalischen Kopf hat^^

Madman123456
2008-12-20, 01:43:37
"denglisch" kommt unter anderem auch daher das Leute versuchen Wörter ins deutsche zu bringen für die es im deutschen nunmal keine Übersetzung gibt. Einige Wörter kommen im deutschen Sprachgebrauch vor weil sie zuerst von einer bestimmten Gruppe im orginal benutzt wurde und nun mit dieser Gruppe assoziiert ist. "Meeting" bezeichnet hierzulande nicht nur ein Treffen, sondern eine Zusammenkunft unausstehlicher jungdynamiker mit Gel in den Schädeln.


Weiterhin wird die deutsche Sprache durch Worte "ergänzt" die dort aus dussligkeit reingerieten und nun nicht mehr rauszubekommen sind weil sie teilweise doch recht praktisch sind. Beim "Handy" sind überdies auch die Alternativen dämlich. "Mobile Phone" geht ja noch, aber "Cell Phone"?. Blieben wir im deutschen hätten wir ein "Mobil-Telefon"...


"Handy" ist mittlerweile weit weg vom urpsrünglichen Zweck, im deutschen Sprachgebrauch und bezeichnet mit einem kurzen Wort eben das Mobile Telefon.

looking glass
2008-12-20, 02:30:20
allein die Unterscheidung im Englischen von Ghost und Spirit, von Sky und Heaven, von large und big etc. ist die dt. Sprache sehr "vereinfachend" von Ausdrücken. Wobei wir halt die gar lustigen Artikel haben^^

ich muss allerdings gestehen, daß ich eine solche Diskussion ausgehend von jener Dame sehr befremdlich halte... es ist eindeutig, daß man metaphysische Dinge nicht im physikalischen Kopf hat^^

Da muss ich widersprechen, deutsch ist die Sprache im westlichen Raum, die die meisten beschreibenden und definierten Wörter hat. Es war nicht ohne Grund eines der Privilegien der deutschen Sprache, das sie noch bis weit in die 40iger des letzten Jahrhunderts als die Veröffentlichungssprache für wissenschaftliche Texte hergenommen wurde - ob Russen oder Engländer, gerade Physik, Mathematik, Chemie usw., es wurde auf deutsch veröffentlicht (und zwar als Erstes).


Deutsch mag nicht unbedingt die gefühlsmäßig intensivste Sprache sein, die leicht und melodisch agiert, aber bestimmt ist sie nicht "vereinfachend" (na gut, für Franzosen ohne zusammen gesetzte Substantive vielleicht :) ).

jorge42
2008-12-20, 07:51:48
ich würde gerne wissen, wie sie auf den Vergleich zwischen Spanisch und Deutsch kommt. Zu der deutschen Sprache fällt mir eine Menge ein, aber im Vergleich zu Spanisch kann ich sie nicht wirklich als "Emotional" oder "Romatisch" bezeichnen. Zumindest im direkten Vergleich. Sicherlich ist hier die persönliche Erfahrung oder Hintergrund ausschlaggebend. Meine Muttersprache ist zwar spanisch, Deutch habe ich erst mit ca. 6 Jahren gelernt, dennoch würde ich behaupten, dass mein Deutsch deutlich besser ist, allein durch den ständigen Gebrauch. Dennoch beherrsche ich spanisch fließend und empfinde diese als wesentlich emotionaler und geeigneter um Gefühle auszudrücken.

Auf der anderen Seite hat gerade die Komplexität der deutschen Sprache den Vorteil, sich extrem präzise Ausdrücken zu können, wenn man sie denn auch wirklich beherrscht :D

Diese "Sprachvergleiche" sind extrem gefühlsbetont und sehr subjektiv, die Sprachkentnisse tragen um so mehr dazu bei.

Monger
2008-12-20, 10:49:54
Sprache ist nunmal etwas organisches, etwas gewachsenes.

Jede Sprache kennt Wendungen und Konstrukte die es in keiner anderen Sprache gibt. Im englischen z.B. kann für fast alles ein Verb gebildet werden, was im deutschen schlicht nicht möglich ist. "to defenestrate" fand ich z.B. sehr schön - heißt im deutschen äußerst schwerfällig: "etwas aus dem Fenster werfen" :D

Dafür kennt das Deutsche diese Substantivbandwurmsätze: "Schifffahrtskapitänsanstecknadelstahlpressenhandbuchschreibermütze"

Dann gibt es noch die kulturellen Unterschiede, die dafür sorgen dass es sprachliche Nuancen hier gibt und dort nicht.
"Love" zum Beispiel umfasst im englischen schon seit jeher nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern jede Form von Liebe - auch zu den Kindern, zur Familie, zu Freunden etc.
Die Theologie hat jahrzehntelang verzweifelt versucht, für diesen Teil der unsexuellen Liebe das alte griechische Wort "Agape" in den deutschen Sprachgebrauch einzuführen - vergeblich.

Wenn sich ein Begriff dann doch als nützlich erweist, wird er gerne adaptiert. "Sexy" z.B. ist ganz locker und ohne Kritik in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen, weil es dafür schlicht keine deutsche Entsprechung gibt.


Und dann kommt da natürlich noch das Internet dazu, wo nicht nur Begriffe adaptiert, sondern ständig neu erfunden werden. "All your base are belong to us" ist im amerikanischen mittlerweile als stehende Redensart akzeptiert, und ich bin mir relativ sicher, dass "lol" es irgendwann als "lollen", "lollig" bzw. "lollend" tatsächlich in den deutschen Sprachgebrauch schaffen wird! ;)


Sprache ist in Bewegung. Und wie Dialekte zeigen, neigt Sprache naturgemäß ohnehin eher zur Diversifizierung als zur Standardisierung.
Solange es noch irgendwo eine gemeinsame Basis gibt die jeder sprechen und jeder verstehen kann, sehe ich keinen Sinn darin, diese Lebendigkeit einzuschränken. Letzendlich reden die Leute ja ohnehin so wie sie wollen.

Pennywise
2008-12-20, 11:04:39
Sprache darf nicht still stehen, daher sehe ich "denglisch" nicht kritisch. Einige Dinge sind sicherlich ein NoGo :D , aber wenn sich Sprachen annähern, so kann ich das nur begrüßen.

Wo wären wir wenn man vor 10.000 Jahren beschlossen hätte, das sich Sprache nicht mehr entwickeln darf, wie viele "deutsche" Worte sind aus einem anderen Sprachraum?

Anadur
2008-12-20, 11:04:54
allein die Unterscheidung im Englischen von Ghost und Spirit, von Sky und Heaven, von large und big etc. ist die dt. Sprache sehr "vereinfachend" von Ausdrücken. Wobei wir halt die gar lustigen Artikel haben^^



Gespenst und Geist, Firnament und Himmel, groß und mächtig, und das ist mir gerade so auf die schnelle eingefallen. Da gibts sicherlich für jeden Begriff noch jede Menge andere Ausdrucksformen. Im Vergleich zum englischen ist die deutsche Spreache gar vielfälltig an Ausdrucksweisen und Möglichkeiten für einzelne Dinge. Also eigentlich genau gegenteilig zu deiner Behauptung.

Lyka
2008-12-20, 11:07:07
aber niemand benutzt mehr diese Worte. Man vereinfacht. Niemand meinte je zu mir: Schau mal zum Firnament.

Wir sagen standardmäßig: Ich habe einen Geist gesehen, Ich schaue zum Himmel, du kommst in den Himmel...

blackbox
2008-12-20, 11:13:42
Sprache besteht nicht nur aus Worten, sonders auch aus Gestiken.
Die deutsche Sprache mag präzise und formal sein, dafür ist sie arm an Gestiken. Erst mit der Gestik verleihen wir dem gesprochenen Wort Nachdruck und vermitteln ein Bild und/oder Emotion.

Monger
2008-12-20, 11:23:24
Gespenst und Geist, Firnament und Himmel, groß und mächtig, und das ist mir gerade so auf die schnelle eingefallen. Da gibts sicherlich für jeden Begriff noch jede Menge andere Ausdrucksformen. Im Vergleich zum englischen ist die deutsche Spreache gar vielfälltig an Ausdrucksweisen und Möglichkeiten für einzelne Dinge. Also eigentlich genau gegenteilig zu deiner Behauptung.

Die englische Sprache kennt WEIT mehr Vokabeln als die deutsche! Dass davon aktiv nur sehr wenig gesprochen wird, ist eine andere Sache. Aber um mal auf dein Beispiel einzugehen: was heißt "himmlisch" eigentlich auf englisch?
Ich zitiere mal Leo:

- angelic
- celestial
- elysian
- empyreal
- ethereal
- heavenly
- superlunary

Zu einigen dazu wirst du halbwegs gute deutsche Entsprechungen finden, aber nicht zu allen. Im englischen hat man wesentlich früher und viel hemmungsloser andere Sprachen adaptiert, und da das Commonwealth nun einmal gut dreiviertel der Welt umfasst hat, ist da aus nahezu jeder Sprache dieser Erde auch irgendwas hängen geblieben.
Ausgerechnet mit dem Vokabelschatz im Deutschen zu argumentieren, ist jetzt keine gute Idee. Allerdings könntest du sagen, dass die deutsche Grammatik wesentlich feinere Nuancen zulässt - das ist zweifellos wahr.

Lyka
2008-12-20, 11:27:19
ah, man benutzt die Elysischen Felder im Englischen :| ich bin nun doch noch beeindruckter von dieser Sprache...

Pompos
2008-12-20, 11:28:55
@TS
Vielleicht kann deine Freundin Gefuehle im Deutschen viel schoener und praeziser beschreiben, da das Deusche als Zweitsprache bei ihr groesstenteils in einer anderen Region (nahe dem Teil der fuer Emotionen zustaendig ist) im Gehirn angesiedelt ist. Hab da mal vor langer Zeit was zu gelesen.
Mir gehts aehnlich. Gefuehle kann ich auf Englisch viel einfacher und besser rueberbringen als im Deutschen :(


Dann gibt es noch die kulturellen Unterschiede, die dafür sorgen dass es sprachliche Nuancen hier gibt und dort nicht.
"Love" zum Beispiel umfasst im englischen schon seit jeher nicht nur die Liebe zwischen Mann und Frau, sondern jede Form von Liebe - auch zu den Kindern, zur Familie, zu Freunden etc.
Die Theologie hat jahrzehntelang verzweifelt versucht, für diesen Teil der unsexuellen Liebe das alte griechische Wort "Agape" in den deutschen Sprachgebrauch einzuführen - vergeblich.

Das check ich jetzt nicht. Umfasst "Liebe" nicht auch schon seit jeher jede Form von Liebe?
Ich finde nur im Englischen ist "love" weniger stark wie "Liebe", da es schon haeufig genutzt wird, waehrend wir noch moegen sagen.

Monger
2008-12-20, 11:40:00
Das check ich jetzt nicht. Umfasst "Liebe" nicht auch schon seit jeher jede Form von Liebe?
Ich finde nur im Englischen ist "love" weniger stark wie "Liebe", da es schon haeufig genutzt wird, waehrend wir noch moegen sagen.
"mögen" ist nicht "lieben"!

Im englischen kannst du selbstverständlich auch sagen: "I like you!"
Aber dass im englischen (aus unserer Sicht) so inflationär mit dem Liebesbegriff umgegangen wird, hängt nunmal damit zusammen dass die darunter etwas anderes verstehen als wir.

Bereits im griechischen gab es die Unterscheidung zwischen Eros und Agape. Im englischen ist beides gebräuchlich, im deutschen nicht so sehr. Oder stellst du dich vor deinen besten Freund hin, und sagst: "Ey, ich liebe dich, Mann!"
Im englischen ist das absolut üblich.

sei laut
2008-12-20, 11:50:20
Die deutsche Sprache mag präzise und formal sein, dafür ist sie arm an Gestiken.
Das würde ich nicht unserer Sprache, sondern unseren Schulen vorwerfen.
Gestik wird viel zu wenig, im Normalfall sogar überhaupt nicht, in Schulen beachtet. Ich hatte dazu vielleicht 5 Schulstunden.
Im Grunde fehlt das antike Fach Rethorik, denn die Fähigkeit, sich gut auszudrücken, ist extrem wichtig. Und ja, auch mir mangelts manchmal daran. :D

Wer sich für unsere Sprache interessiert, dem empfehle ich Zwiebelfisch im Auge zu behalten:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,332092,00.html

Bastian Sick ist einfach großartig. ;D

Lyka
2008-12-20, 11:53:34
hat man in anderen Ländern die komplette Schulzeit die eigene Sprache als Pflichtfach?

Die Sprache verwandelt sich... auch wenn ich eine Art "Neusprech" in den nächsten Jahren erwarte...

raschomon
2008-12-20, 12:26:14
"denglisch" kommt unter anderem auch daher das Leute versuchen Wörter ins deutsche zu bringen für die es im deutschen nunmal keine Übersetzung gibt. Einige Wörter kommen im deutschen Sprachgebrauch vor weil sie zuerst von einer bestimmten Gruppe im orginal benutzt wurde und nun mit dieser Gruppe assoziiert ist. "Meeting" bezeichnet hierzulande nicht nur ein Treffen, sondern eine Zusammenkunft unausstehlicher jungdynamiker mit Gel in den Schädeln.


Weiterhin wird die deutsche Sprache durch Worte "ergänzt" die dort aus dussligkeit reingerieten und nun nicht mehr rauszubekommen sind weil sie teilweise doch recht praktisch sind. Beim "Handy" sind überdies auch die Alternativen dämlich. "Mobile Phone" geht ja noch, aber "Cell Phone"?. Blieben wir im deutschen hätten wir ein "Mobil-Telefon"...


Das klingt jetzt ein wenig so als seien Millionen sprachbegabter Deutscher händeringend auf der (aktiven!) Suche nach sinnvollen Ergänzungen des vorhandenen Wortschatzes, nur um sich und ihre Mitmenschen mit einer noch differenzierteren Ausdrucksweise beglücken zu können. Leider ist es aber so, daß die Denglisch-Elemente von "oben", von den viel zu einflußreichen Werbern, Marketing-Drohnen und Management-Fatzkes - von den chronischen Tschakka-Brüllaffen nicht zu reden - in den Sprachgebrauch eingespeist werden, in der Regel um "Dynamik", Modernität, "Sexy-" und "Coolness" von Menschen, Waren oder Diensten zu vermitteln. Mithin sind die meisten dieser Anleihen aus dem Englischen, das in diesem Zusammenhang ja auch immer mißbraucht wird, weil man sich bei ihm wie in einen Steinbruch ungefragt bedient, ungefähr so überflüssig wie ein Kropf. Man kann eine Sprache auch autark weiterentwickeln, einfach indem man sich hinsetzt und sich Gedanken in Bezug auf Neuschöpfungen macht. Allerdings sehe ich weit und breit keine Institution oder auch nur eine lose Gruppe von Interessierten und Engagierten, die dazu bereit wäre. In der Lage dazu sein müßten an sich die Heere unserer Germanisten.

Zu den Komplimenten der jungen Spanierin an die Romantik im Deutschen und die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nur soviel: Seit 1945 sind wir alle durch die Bank gottverdammte Nazis - schon klar, aber es gibt, ob man es nun glauben mag oder nicht, tatsächlich so etwas wie deutsche Geschichte und Kultur vor 1933! Ja, ich weiß, schwer zu glauben, aber es ist tatsächlich so. Und dieser Teil unserer Kulturgeschichte ist bei den Nachbarn in vielerlei Hinsicht noch wesentlich präsenter als bei uns hier im Inland.

Für den Holokaust und den Eroberungskrieg kann man Deutschland und die Deutschen eigentlich nur hassen, wie kommt es aber dann zu dem interessanten Phänomen, daß viele unserer europäischen Nachbarn uns einen ganzen Strauß unterschiedlicher Emotionen entgegenbringen - positiver wie negativer Natur -; es ist eher eine Art Haßliebe, gepaart mit Irritation bezüglich unserer Mentalität und des Alltagsverhaltens vieler Deutscher bzw. klammheimlicher Bewunderung. Für viele nationale Kulturleistungen wird Dtld. aber auch einfach bewundert. Und zu den Epochen, die den größten Einfluß des Deutschen und seiner Sprachkultur auf die anderen europäischen Völker sah, gehört die Romantik, also die ersten Jahrzehnte des 19. Jhs.

Und das Deutsch der Romantik, die Sprache seiner Prosadichter und Lyriker ist in der Tat wesentlich reicher an Metaphern, Bezügen und Dramatik als unsere heute genutzte Sprache, die manchmal recht kühl und technokratisch anmutet. Kein Wunder, denn dazwischen fällt auch der industrielle Take-Off Deutschlands und seine Wandlung von einem relativ bevölkerungsarmen, agrarisch geprägten Landstrich mit nur wenigen - allerdings sehr regen (Weimar, Berlin, Frankfurt, Leipzig) - kulturellen Zentren zu einem hochverdichteten und bevölkerungsreichen industriellen Raum.

raschomon
2008-12-20, 12:34:14
Das würde ich nicht unserer Sprache, sondern unseren Schulen vorwerfen.
Gestik wird viel zu wenig, im Normalfall sogar überhaupt nicht, in Schulen beachtet. Ich hatte dazu vielleicht 5 Schulstunden.
Im Grunde fehlt das antike Fach Rethorik, denn die Fähigkeit, sich gut auszudrücken, ist extrem wichtig. Und ja, auch mir mangelts manchmal daran. :D

Wer sich für unsere Sprache interessiert, dem empfehle ich Zwiebelfisch im Auge zu behalten:
http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,332092,00.html

Bastian Sick ist einfach großartig. ;D

Wir drücken uns nicht nur relativ gestenarm aus, unsere Sprache ist auch kein bißchen blumig, im Gegensatz zu z.B. im Mittelmeerraum gesprochen Sprachen. Darauf wollte box eigentlich hinaus. Aber, es entspricht auch nicht unserer Mentalität. Mentalität ist der Dreh- und Angelpunkt im sozialen Leben einer Großgruppe, die aufgrund eben dieser Größe weit über interpersonelle Kontakte hinausgeht. In oder mit dem Deutschen kannst du ja auch nicht Palavern - das geht gar nicht! Italiener oder Türken haben damit nicht das geringste Problem. Das liegt an der Struktur von Sprache, dem Wortschatz und der zugrundeliegenden Mentalität. Und es ist vom einen zum anderen Kulturraum nicht ohneweiteres übertragbar.

Monger
2008-12-20, 12:41:49
Leider ist es aber so, daß die Denglisch-Elemente von "oben", von den viel zu einflußreichen Werbern, Marketing-Drohnen und Management-Fatzkes - von den chronischen Tschakka-Brüllaffen nicht zu reden - in den Sprachgebrauch eingespeist werden, in der Regel um "Dynamik", Modernität, "Sexy-" und "Coolness" von Menschen, Waren oder Diensten zu vermitteln.

Das wird aber von JEDER Bevölkerungsgruppe gemacht!
Bereits auf dem Schulhof entwickeln sich jede Menge Wortschöpfungen, und das hört nicht mehr auf. Jeder Koch, jeder Bäcker braucht Begrifflichkeiten die über den normalen Sprachstamm hinausgehen. Dementsprechend ist die Kochkunst von französischen, die Biologie von lateinischen und die Informatik von englischen Begriffen durchtränkt. Und all diese Sprachnischen beeinflussen natürlich den Sprachstamm - manche mehr, manche weniger. Das jetzt nur auf die Werbewirtschaft zu reduzieren finde ich ein bißchen blauäugig - vorallem weil selbst nach zehn Jahren Dauerbeschallung immer noch niemand ernsthaft "Cerealien" sagt! ;)



Zu den Komplimenten der jungen Spanierin an die Romantik im Deutschen und die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nur soviel: Seit 1945 sind wir alle durch die Bank gottverdammte Nazis - schon klar, aber es gibt, ob man es nun glauben mag oder nicht, tatsächlich so etwas wie deutsche Geschichte und Kultur vor 1933!

Wie zur Hölle schaffst du es, bei so einem Thema Godwin's Gesetz zu erfüllen? :D
Wie kommen wir denn jetzt auf die Nazis?



Und das Deutsch der Romantik, die Sprache seiner Prosadichter und Lyriker ist in der Tat wesentlich reicher an Metaphern, Bezügen und Dramatik als unsere heute genutzte Sprache, die manchmal recht kühl und technokratisch anmutet.

Gilt übrigens für fast jede Sprache der westlichen Welt. Das Französische war früher auch viel verschnörkelter, das englische auch wesentlich verspielter. Was Shakespeare da geschrieben hat, war für seine damalige Zeit eigentlich nichtmal allzu blumig, sondern ziemlich normal.
Ähnliches habe ich auch schon übers chinesische und japanische gehört, aber ich muss zugeben da kenne ich mich nicht aus.

Hängt vielleicht auch ein bißchen damit zusammen, dass das geschriebene Wort heute ein Alltagsgegenstand ist, und nicht wie in früheren Zeiten ein Hobby der Oberschicht, die sich ganz bewusst von der einfachen Sprache der Bauern und Arbeiter abgehoben hat.
Es wurde immerhin in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so viel gelesen und geschrieben wie heute.

sei laut
2008-12-20, 12:42:06
@raschomon: Richtig, aber ich behaupte weiterhin, das es nicht an unserer Sprache liegt, sondern weil wir es so gelernt haben. (oder im Falle der Gestiken eben nicht gelernt haben)
Vielleicht ist es nicht unsere Art, aber heißt das desshalb, dass wir es nicht lernen können? Ich meine, es muss ja nicht übertrieben stark sein, aber zum Unterstreichen der gesagten Worte ist es immer gut.
Ähm, ich hab zuwenig gelesen und zu schnell geantwortet. :D

Lyka
2008-12-20, 12:45:50
Dann müsste man mal meine Gestiken beim Kundentelefonieren sehen...^^

"Klicken sie links auf... nein links... und dann nach unten... stop... was lesen Sie da?"
und jeder Satzteil mit einer passenden Geste versehen X-D

Sir Silence
2008-12-20, 14:08:51
ich red auch viel denglisch. das kommt aber daher, dass es einfacher ist und die zeiten der großen reden und umschreibungen höchstens noch in der kunst existieren. die welt dreht sich immer schneller und die wenigsten finden einfach die zeit, um den großen wortschatz (so sie diesen denn haben) auszupacken und einen "blinker" nicht blinker, sondern "fahrtrichtungsleuchtanlage" (oder so ähnlich :D ) zu nennen. gerade beim zocken internationaler mmogs wird man quasi zum denglisch gezwungen, wenn man sich auf englisch mit anderen spielern unterhalten will und dann zurück in die deutsche spielerschaft kehrt. für mich ist bei meinem raumschiff ein rig eben ein rig und nicht eine erweiterungsbucht. meine turrets haben tracking und keine nachführgeschwindigkeit. allerdings wehre ich mich gegen sowas wie "gedowngeloadet" oder ähnliches gelaber.

um das ganze nicht überhand gewinnen zu lassen, zock ich nebenbei ultima online auf nem rollenspiel server, da wird das deutsch wieder gefördert :D

das lustige ist aber, dass die sprachapostel überwiegend im internet kursieren, aber nicht demonstrierend über die straßen laufen, weil es eben sächsisch, hessisch, platt usw. gibt. wenn ich mir das gerade richtig zusammenbastel, sprechen die wenigsten in deutschland auch hochdeutsch ;) und das war auch vor der gefürchteten "englischsprachigen übernahme" schon so.

No.3
2008-12-20, 14:22:49
Zum Denglisch: Mit der Sache kommen die Worte. Das ist daktari und basi in Kiswahili oder kate und rukosakko im Japanischen oder angst und blitzkrieg im Englischen. Insofern haben auswärtige Begriffe durchaus ihre Daseinsberechtigung. Ich find das auch ganz famos so.

ja, schon, aber, es ist ein Ding wenn es für etwas in der deutschen Sprache (noch) keinen Begriff gibt und man dann sich des Englischen bedient oder ob es sehr wohl schon einen deutschen Begriff gibt und man aus welchen Gründen auch immer man dann den englischen Begriff verwendet (z.B. diese üble Business Language *buah*)

Sk_Antilles
2008-12-20, 15:28:18
ich würde gerne wissen, wie sie auf den Vergleich zwischen Spanisch und Deutsch kommt. Zu der deutschen Sprache fällt mir eine Menge ein, aber im Vergleich zu Spanisch kann ich sie nicht wirklich als "Emotional" oder "Romatisch" bezeichnen. Zumindest im direkten Vergleich. Sicherlich ist hier die persönliche Erfahrung oder Hintergrund ausschlaggebend. Meine Muttersprache ist zwar spanisch, Deutch habe ich erst mit ca. 6 Jahren gelernt, dennoch würde ich behaupten, dass mein Deutsch deutlich besser ist, allein durch den ständigen Gebrauch. Dennoch beherrsche ich spanisch fließend und empfinde diese als wesentlich emotionaler und geeigneter um Gefühle auszudrücken.

Auf der anderen Seite hat gerade die Komplexität der deutschen Sprache den Vorteil, sich extrem präzise Ausdrücken zu können, wenn man sie denn auch wirklich beherrscht :D

Diese "Sprachvergleiche" sind extrem gefühlsbetont und sehr subjektiv, die Sprachkentnisse tragen um so mehr dazu bei.

Sehe ich etwa gleich. "Eigentlich" ist meine Muttersprache auch Spanisch, da ich die ersten 7 Jahre meines Lebens in Nicaragua gelebt habe. Aber ich bin in Deutschland aufgewachsen und mein Deutsch absolut Akzentfrei und man würde nie denken, dass ich dort drüben geboren bin. Ich war jetzt wieder 6 1/2 im Ausland (Bolivien) und was ich gemerkt habe ist, dass deutsch präziser ist, wenn es um technische Ausdrücke geht. Ich hatte viel mit Maschinen, Werkzeugen usw. zu tun und habe oft gemerkt, dass ich mich im Spanischen nicht so gut ausdrücken konnte wie im Deutschen. Kann aber auch daran liegen, dass mein Wortschatz im Deutschen größer ist als im Spanischen. ;)

Aber ich behaupte mal frech aus dem Bauch heraus, dass Deutsch doch eine sehr präzise Sprache ist.
Wobei ich bei "emotionalen" Ausdrücken Spanisch bevorzuge - es hört sich besser und des öfteren nicht so abgedroschen und lächerlich wie deutsch an (Hola preciosa! UUyyy que guapa eres y que lindos ojos tienes...). Sag mal das auf deutsch und du wirst für bekloppt erklärt. ;D

Lyka
2008-12-20, 15:29:51
Emotional stimmt es eindeutig... Flüche, mordlüsternde Gedanken, Überraschungen... das mach ich eher im Englischen^^

Thanatos
2008-12-22, 16:27:23
Zu den Komplimenten der jungen Spanierin an die Romantik im Deutschen und die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten nur soviel: Seit 1945 sind wir alle durch die Bank gottverdammte Nazis - schon klar, aber es gibt, ob man es nun glauben mag oder nicht, tatsächlich so etwas wie deutsche Geschichte und Kultur vor 1933! Ja, ich weiß, schwer zu glauben, aber es ist tatsächlich so. Und dieser Teil unserer Kulturgeschichte ist bei den Nachbarn in vielerlei Hinsicht noch wesentlich präsenter als bei uns hier im Inland.

Für den Holokaust und den Eroberungskrieg kann man Deutschland und die Deutschen eigentlich nur hassen, wie kommt es aber dann zu dem interessanten Phänomen, daß viele unserer europäischen Nachbarn uns einen ganzen Strauß unterschiedlicher Emotionen entgegenbringen - positiver wie negativer Natur -; es ist eher eine Art Haßliebe, gepaart mit Irritation bezüglich unserer Mentalität und des Alltagsverhaltens vieler Deutscher bzw. klammheimlicher Bewunderung. Für viele nationale Kulturleistungen wird Dtld. aber auch einfach bewundert. Und zu den Epochen, die den größten Einfluß des Deutschen und seiner Sprachkultur auf die anderen europäischen Völker sah, gehört die Romantik, also die ersten Jahrzehnte des 19. Jhs.

Und das Deutsch der Romantik, die Sprache seiner Prosadichter und Lyriker ist in der Tat wesentlich reicher an Metaphern, Bezügen und Dramatik als unsere heute genutzte Sprache, die manchmal recht kühl und technokratisch anmutet. Kein Wunder, denn dazwischen fällt auch der industrielle Take-Off Deutschlands und seine Wandlung von einem relativ bevölkerungsarmen, agrarisch geprägten Landstrich mit nur wenigen - allerdings sehr regen (Weimar, Berlin, Frankfurt, Leipzig) - kulturellen Zentren zu einem hochverdichteten und bevölkerungsreichen industriellen Raum.

Wobei man bei allem Werte der deutschen Prosatexte der Romantik nicht auch die philosophischen Werke vergessen darf, welche ja wirklich grundlegende Werke waren, wie die von K. Marx, I. Kant, G. W. F. Hegel und die gesamte Frankfurter Schule der Philosophie die teilweise bis in unsere Zeit noch aktuell sind.

Vielleicht rührt von dort auch ihre Begeisterung für die deutsche Sprache, da sie Studentin der Philosophie ist, wo die deutsche Sprache ja praktisch eine art Amtssprache ist. Ich habe erst kürzlich gehört, dass ein Student nach seinem Diplom in Philosophie nach Amerika ging, nun an einer Universität arbeitet, aber für Fachgespräche und Facharbeiten dort nur die deutsche Sprache verwendet.

Mit dem Ruf der deutschen kommt es auch jeweils sehr auf das Land selbst an. In Spanien und Portugal sind sie eher den Deutschen reserviert gegenüber eingestellt, weshalb man es dort auch nicht unbedingt an die große Glocke hängen sollte, dass man Deutscher ist, während es in Amerika durchaus vorteilhaft ist.

nggalai
2008-12-22, 17:08:43
Hängt vielleicht auch ein bißchen damit zusammen, dass das geschriebene Wort heute ein Alltagsgegenstand ist, und nicht wie in früheren Zeiten ein Hobby der Oberschicht, die sich ganz bewusst von der einfachen Sprache der Bauern und Arbeiter abgehoben hat.
Was auch ein Problem sein kann. Mir ist immer wieder von Lektoren und Wettbewerbs-Juroren gesagt worden: „So redet doch heute keiner mehr!“ Und das schon bei den wenigen Dialogen, die (eigentlich korrekt) Präteritum verwenden. Statt das allgegenwärtige Perfekt.

Da gibt man sich als Schweizer extra noch Mühe, korrekt zu schreiben (das Schweizerdeutsche kennt kein Präteritum), und dann heißt es: „So redet doch heute keiner mehr.“ ;(

Oder Dialoglänge. Auch so ein Thema. Agatha Christie konnte Hercules Poirot noch zwei, drei Seiten am Stück sabbeln lassen, ohne daß er unterbrochen wurde. Kein Problem. Und stellenweise war das sprachkünstlerisch wirklich interessant. Verlag und Leser schluck(t)en es jedenfalls. Heute markiert Dir der Lektor Aussagen einzelner Protagonisten, die länger als drei Sätze sind, „zur Überarbeitung“. Also, die Länge der Aussagen. Nicht die der Protagonisten. :ugly:

Und die ganzen Schreibschulen und Uni-Kurse (vorwiegend in den USA) prügeln das regelrecht in die Köpfe der kommenden Autoren. Und vergessen dabei, daß (Unterhaltungs-)Literatur nicht nur Hörspiele und Drehbücher beinhaltet. In der Linguistik würde man das „Register“ nennen.

So gesehen hat Raschomon mit dem Einhauen auf die Marketing-Leute nicht einmal sooo unrecht. Verlage sind auch nicht (viel) anderes als Marketing-Agenturen, heutzutage … Und die wollen halt vorwiegend Geschichten, die – aus Sicht des Marketings – von möglichst vielen Menschen gekauft verstanden werden. Und beeinflussen damit den Sprachgebrauch von Millionen deutscher Leser.

Die deutschsprachigen Lyriker haben’s in der Hinsicht jedoch recht gut … Die dürfen schreiben, was sie wollen. Kauft eh kaum jemand. :ulol:

Cheers,
-Sascha