PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Veränderung - von der Informatik zu Sozialem


BlackArchon
2009-01-05, 18:31:03
In den letzten Monaten habe ich immer stärker den Gedanken, etwas wirklich für die Menschen zu tun. Aktuell studiere ich Informatik, und das würde ich bestimmt auch hinbekommen. Aber ich bemerke immer öfter, wie nutzlos das eigentlich ist, was ich mache. Mir kommt immer stärker der Gedanke, dass ich meinen Mitmenschen helfen sollte. Doch da gelingt mir sicher nicht, wenn ich Programmiersprachen lerne, abstruse elektronische Schaltungen versuche zu verstehen oder mich mit Algorithmen auseinander setze.

Seit über einem Jahr, als ich begann, mich mit dem Buddhismus zu beschäftigen, wird in mir der Wunsch immer klarer, etwas zusammen mit anderen Menschen für Menschen zu tun. Die Entscheidung für das Informatikstudium war einerseits eine bequeme Entscheidung, weil es eben etwas ist, was ich ganz gut kann. Der Hauptgrund war aber, dass ich mich nach Stabilität im Leben sehne. Nun hätte ich jetzt zwar erstmal drei Jahre Stabilität durch das Studium, aber ich bemerke nun, dass sich doch meine persönlichen Prioritäten gewandelt haben.

Nun ist das aber so eine Sache, ich kann ja nicht einfach mit den Fingern schnippen und habe ein neues Leben. Das will schon alles wohl durchdacht sein. Mir fehlt vor allem erstmal ein Ansatzpunkt, eine Stelle oder Menschen, mit denen ich darüber reden kann und was es überhaupt für Möglichkeiten gibt, so etwas zu tun.

Wie siehts denn bei euch aus? Hat vielleicht selber schon jemand solche Gedanken gehabt? Oder sie sogar in die Tat umgesetzt? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

Gast
2009-01-05, 18:56:01
Ich würde erstmal das Studium beenden, da es sonst Schade um die bereits verstudierte Zeit wäre.
Wenn du dein Studium in der Tasche hast, kannst du noch irgendetwas machen, was Leuten hilft.
Ein guter Freund von mir hat Bauingenieurwesen/Siedlungswirtschaft studiert und ist momentan als Entwicklungshelfer in Afrika tätig, weil sein Wissen dort gebraucht wird!!

eXperience
2009-01-05, 18:57:18
Die Situation ist für mich relativ einfach - du musst auf dein Herz hören.

Studierst du weiter und schaffst dein Studium, bist aber später oder sogar schon während dem Studium unzufrieden frisst es dich irgendwann auf.

Noch hast du die Möglichkeit etwas zu verändern, später wird das immer schwerer.

Glücklich sein siegt ganz klar (für mich) über Erfolg, Geld oder Beruf.

Evt. ist ein Studium der Sozialarbeit ja was für dich?!

Acrylsäure
2009-01-05, 19:17:43
Natürlich musst du wie oben schon gesagt auf dein Herz hören, du solltest aber natürlich auch finanzielles im Hinterkopf haben...
Studium abbrechen und als Wohltäter durchs Land ziehen ist also nicht ohne weiteres drin.

Ein "soziales" Studium schon eher möglich, würd mich da aber auf jeden Fall vorher informieren wie da später Berufschancen/Verdienste etc sind. Denn vllt stellst du ja irgendwelche Ansprüche an dein Leben (Auto, Haus, Familie etc.) Und sowas muss ja auch bezahlt werden.

Ich studier Informatik-Ingenieurwesen und stell mir manchmal auch die Frage: Warum tu ich mir das an? Könnte doch auch ne Ausbildung machen und schneller leichter Geld verdienen...
Aber ich will später dann doch mal mehr verdienen und mir auch was leisten können, also bleibe ich am Ball.

BlackArchon
2009-01-05, 19:43:33
Geld ist mir nicht wichtig. Ich habe keine hohen Ansprüche, wenn ich einigermaßen zurecht komme, genügt mir das.

Inzwischen ist mir die Idee zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr gekommen. Allerdings geht das nur bis 27, und ich bin jetzt 28...

[dzp]Viper
2009-01-05, 19:46:11
Arbeite doch in der Informatikbranche aber freiberuflich kannst du ja bei sozialen Projekten mitmachen.

So würdest du beides unter einen Hut bekommen - man muss ja nicht immer alles nur wegen des Geldes machen :)

medi
2009-01-05, 19:52:49
Geld ist mir nicht wichtig. Ich habe keine hohen Ansprüche, wenn ich einigermaßen zurecht komme, genügt mir das.


So hab ich auchmal gedacht. Spätestens aber wenn du ne Wohnung finanzieren musst, vllt. auch ne Familie gründen willst und auf mehr als nur 20qm leben willst wird Geld dann doch plötzlich wichtig. ;)

Mein Tipp: der Selbe wie von [dzp]Viper

drexsack
2009-01-05, 19:53:06
Ich würde das Studium erst einmal beenden, gerade, wenn du schon 28 bist. Man kann seine Freizeit immernoch problemlos über Ehrenämter etc verballern, dafür muss man nicht das Studium wechseln. Und je altruistischer dein Job, umso schlechter wird er in der Regel auch bezahlt. Daher würd ich nicht aus einer Laune heraus alles riskieren. Und je mehr Geld du verdienst, umso mehr kannst du auch spenden oder für soziale Projekte einsetzen ;) Jedenfalls, meine Meinung: Sozial sein muss man nicht erst studieren.

PHuV
2009-01-05, 19:57:41
@BlackArchon

Du wirst es nicht glauben, aber vor einer ähnlichen Entscheidung stand ich auch, als ich meine psychologische Ausbildung gemacht hatte. Ich habe es bleiben lassen, und zwar aus folgenden Gründen:

Menschen kosten sehr viel Kraft. Das fängt bei der Aufmerksamkeit an, und geht bis zum Umgang und täglicher Betreuung weiter. Ich habe gesehen, wie schnell Menschen in sozialen Berufen ausbrennen, oder sogar abschalten bzw. innerlich hart werden. Man trägt eine Menge Last für andere, und unbewußt bekommt man eine Menge von deren Mist ab. Es mag hart klingen, aber es ist so. Es wird sich auf Dich, Deine Psyche und Deine Familie, früher oder später, stark auswirken. Das wollte ich aber nicht, und habe hier wirklich strikt eine Grenze gezogen. Weiterhelfen, gerne, aber nicht zu jedem Preis.

Der Vorteil in der IT ist, daß man hier einigermaßen abschalten kann. Das kannst Du in einem sozialen Beruf nicht. Du hast meistens keine Atempause, Gedanken für Dich zu verbringen, weil die Menschen Dir quasi alles rauben. Entweder, Du schaltest auf Kosten Deiner Empathie und Wahrnehmung ab, oder Du gehst zugrunde. Meistens passiert ersteres. Ich kenne einige, die mit fliegenden Fahnen von sozialen Berufen in die IT gewechselt sind.

Versuche einen Kompromiss zu finden, mache Dein Studium fertig, damit Du erst mal was hast. Dann kannst Du dazu immer noch weiter erweitern, oder weiterlernen. Ziehe erst mal das eine durch, bevor Du Dich dem nächsten hinwendest. Laße Dir Zeit mit der Überlegung, und wäge gut ab. Ansonsten sprich mit einer kompetenten Person mal ausführlich über das Thema, ich würde das nicht über das Forum machen. Die Person sollte gut zuhören können, und Dir kritische Fragen stellen können, quasi als Spiegelbild. Laß es erst mal wachsen, bevor Du Dich entscheidest. Sprich mit Leuten in diesen Berufen, suche Kontakt mit Leuten, die darin arbeiten und ihre täglichen Erfahrungen schildern können.

Ich für meinen Teil habe entschieden, daß ich zwar gelegentlich Menschen weiterhelfe, dann aber richtig und voll, mit allen Sinnen. Dadurch, das ich es selektiv machen kann, und durch meinen Hauptberuf im IT-Bereich unabhängig bin, muß ich dafür nicht mal Geld nehmen. Man muß halt auch sehen, daß man in den sozialen Berufen deutlich weniger verdient, und mit Familie sieht die Sache dann nicht so rosig aus. Ich kann selektiv einen Fall annehmen, muß aber nicht, oder bin darauf angewiesen, und ich habe dann genug Zeit, mich wieder davon zu erholen. Man glaubt gar nicht, wie so Gespräche und Arbeiten mit Menschen schlauchen können. Jeder, der Kinder hat, kann dies sicherlich gut nachfühlen. Dadurch, daß ich eine Freundin hatte, die Krankenschwester und dann Sozialpädagogin geworden ist, und als ich teilweise ehrenamtlich mitgeholfen habe, hatte ich einen gewissen Einblick, und der hat mir gar nicht gefallen.

Du kannst doch auch später ehrenamtlich um Menschen kümmern, sie betreuen. Gerade im Jugendbereich ist eine Menge möglich. Auch in Altersheimen sind ehrenamtliche Helfer gerne gesehen. Es gibt viele Vereine und Institutionen, die Sport und Betreuung verbinden. Es gibt viele Möglichkeiten, und Du kannst mir glauben, Du wirst froh sein, wenn Du es machen kannst, aber nicht mußt. Freiheit in diesen Dingen gibt einem ganz andere Möglichkeiten, in einem sozialen Beruf hingegen mußt Du immer präsent sein, und ein schlechter Tag kann sich hier auch fataler auswirken.

Ich wünsche Dir viel Kraft bei Deiner Entscheidung, egal, wie sie auch ausfallen darf. Wäge die Dinge gut für Dich hab, und ich finde, daß man als junger Mensch erst mal sich selbst finden sollte. Wenn Du im sozialen Bereich tätig bist, wirst Du nie den Kopf so freihaben, wie im IT-Bereich, glaube mir. Deshalb gönne Dir die Zeit, und man kann alles miteinander irgendwie verbinden, und man muß keine faulen Kompromisse machen, wenn man sich Zeit dafür läßt.

BlackArchon
2009-01-05, 20:44:12
PHuV,

du scheinst dir ja um dieses Thema wirklich auch schon einen Kopf gemacht zu haben. Über diese Nachteile habe ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht. Ich werde auf jeden Fall darüber genauer nachdenken, einfach so aus dem Bauch heraus werde ich nicht eine Entscheidung fällen, dazu habe ich auch schon zu viele Dinge in meinem Leben abgebrochen und nicht vollendet. Aber ich finde es sehr interessant, auch mal von den negativen Seiten zu hören.

pest
2009-01-06, 00:13:11
ich bin von Informatik auf Lehramt gewechselt und habe es damals bereut, danach wieder zurück....aus ähnliche Gründen wie PHuV...

seltsamerweise suchen sich oft Menschen diese Jobs aus, die selbst genug Probleme haben...werd ich nie verstehen. Überleg es dir gut, sich mit etwas "Totem" zu beschäftigen hat unbestreitbar viele Vorteile.

Wenn du magst kann ich morgen nochmal ausführlicher schreiben...

Gast
2009-01-06, 00:17:12
ich bin von Informatik auf Lehramt gewechselt und habe es damals bereut, danach wieder zurück....aus ähnliche Gründen wie PHuV...

seltsamerweise suchen sich oft Menschen diese Jobs aus, die selbst genug Probleme haben...werd ich nie verstehen. Überleg es dir gut, sich mit etwas "Totem" zu beschäftigen hat unbestreitbar viele Vorteile.

Wenn du magst kann ich morgen nochmal ausführlicher schreiben...

Sag mal Pest, was hast du eigentlich schon alles studiert? ^^

Aquaschaf
2009-01-06, 00:30:14
Auch mit Informatik kann man Menschen helfen. Wenn auch in aller Regel indirekter und auf eine abstraktere Art und Weise. Eine Frage die ich mir auch stellen würde: liegt dir die Arbeit direkt mit Menschen? Liegt sie dir mehr oder weniger als Informatik bzw. IT generell? Wenn sie dir weniger liegt, hilfst du nicht letzten Endes anderen Menschen mehr dadurch wenn du in einem Bereich arbeitest in dem du gut bist? Wenn sich etwas für einen sinnlos anfühlt steht man natürlich immer vor einem ernsten Problem.

Ich stand vor 3,5 Jahren vor der Frage ob es etwas natur- bzw. strukturwissenschaftliches werden sollte oder etwas soziales. Die Erfahrungen von Menschen aus meinem Verwandten- und Bekanntenkreis haben dann den Ausschlag gegeben und bis dato bereue ich Informatik absolut nicht. Was natürlich meine sehr eingeschränkte persönliche Sichtweise ist da ich mit dem Studium auch noch nicht ganz fertig bin.

Gast
2009-01-06, 01:53:24
Geld ist mir nicht wichtig. Ich habe keine hohen Ansprüche, wenn ich einigermaßen zurecht komme, genügt mir das.

Inzwischen ist mir die Idee zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr gekommen. Allerdings geht das nur bis 27, und ich bin jetzt 28...


Öhm, darf ich fragen was du die ganze Zeit davor gemacht hast, wenn du jetzt erst seit einem Jahr Informatik studierst?

PHuV
2009-01-06, 02:16:11
Wie bereits erwähnt gibt es viele Möglichkeiten privat sein soziales Engagement auszuleben. Ich habe damals u.U. Obdachlosen geholfen, mußte aber schnell einsehen, daß es schlichtweg nichts bringt. Die meisten wollen so leben. Die weigern sich, fest zu Wohnen, oder in geordnete Strukturen zu kommen. Nachdem ich noch so ein paar Erlebnisse hatte, beschloß ich für mich, meine Fähigkeiten lieber dort einzusetzen, wo es etwas bringt. Perlen vor die Säue zu werfen bringt nichts. Es reibt einen auf, und es gibt einen nichts zurück. Wenn Du dagegen Jugendlichen beistehst, und ihnen hilfst, etwas vom Leben zu begreifen, und durch Gespräche es schaffst, daß sie mehr aus ihrem Leben machen wollen, als ihre Eltern, die nur von Alkohol und Harz VI (oder damals Sozialhilfe) leben, dann ist in meinen Augen mehr bewegt und getan. Ich mag falsch liegen oder sehr selektiv sein, aber ich mag lieber, wenn ich es sehen kann, daß meine Hilfe nicht verpufft.

Wenn Du dagegen so einen Beruf ergreifst, hast Du diese Chance nicht, Du mußt jeden Tag dem Elend beistehen, ob Du willst oder nicht, oder ob es was bringt oder nicht. Und das ist es, was einen sehr aufzehren kann, für mich ist das nichts. Da können manche sicherlich ihr Helfersyndrom und ihre christliche Nächstenliebe ausleben, aber das ändert nichts am Karma der Leute. Es soll jetzt nicht abwertend klingen, aber bei manchen Menschen wundert es mich nicht, warum sie abgleiten. Sie haben oft ihr Schicksal selbst gewählt. Es gibt Menschen, die beharrlich und mit Fleiß und Mühe sich aus dem Elend rausarbeiten können, die trotz Krankheit, schlimmer Schicksalsschläge sich behaupten, und weitermachen, nicht aufgeben. Die schaffen es dann oft seltsamerweise, mit ein wenig Unterstützung natürlich, dann von selbst. Aber bei vielen versackt es schlichtweg. Es ist traurig, es ist schlimm, aber daran wirst Du oder ich nichts ändern. Man kann nur bei Menschen etwas ändern, die auch mitarbeiten, die sich bemühen.

Diese Arbeit und Tätigkeiten haben mich doch sehr ernüchtert. Natürlich ist es wichtig und wertvoll, Menschen zu helfen, die in Not sind. Aber es bringt nichts, sie überall rumzuschleppen und ihre Probleme zu lösen, wenn sie einfach sitzen bleiben. Bei meiner psychologischen Ausbildung sagte der Dozent mal etwas, was mich sehr nachdenklich machte.

Es stellt sich nicht die Frage, warum jemand hingefallen oder abgestürzt ist, und einfach sitzen bleibt. Es stellt sich auch nicht die Frage, ob man der Person aufhelfen soll. Es ist nicht unsere Aufgabe, den Menschen aufzuhelfen, wenn sie gar nicht aufstehen wollen. Wir sind nicht dafür da, deren Lasten zu tragen. Wir sind auch nicht dafür da, daß sie ihren Scheiß auf uns abzuladen, den sollen sie gefällst selbst behalten, den gebe ich (der Dozent) gleich wieder zurück (auf die Frage einer Teilnehmerin, wie wir mit deren Scheiß umgehen sollen, den sie auf uns abladen).

Es ist vielmehr unsere Aufgabe, den Menschen unten zu fragen: Warum willst Du sitzen bleiben? Warum willst Du nicht wieder aufstehen?". Wenn er von selbst begreifen lernt, daß er nicht fortkommt, solange er sitzen bleibt, wird er schon von alleine sich aufrichten. Wir können ihn stützen und Hilfestellung geben, aber aufstehen bzw. den Willen haben, überhaupt aufstehen zu wollen, den muß er schon selbst haben.

Ich arbeite am liebsten mit jungen Menschen. Hier kann man noch am meisten drehen. Bei älteren wird es immer schwieriger, und mühsamer.


seltsamerweise suchen sich oft Menschen diese Jobs aus, die selbst genug Probleme haben...werd ich nie verstehen. Überleg es dir gut, sich mit etwas "Totem" zu beschäftigen hat unbestreitbar viele Vorteile.

Da sagst Du wirklich etwas wahres. Es wäre ja an sich nicht schlimmes daran, wenn sie die Lehren auch mal bei sich selbst anwenden würden. Mich hat das auch immer gewundert, daß die Leute mit großen eigenen Problemen anderen helfen wollen. Vielleicht hoffen sie so unbewußt, daß etwas ihnen dann hilft, wenn sie anderen helfen. Das dies aber so nicht funktioniert, können sie nicht begreifen. Ich sehe das mittlerweile eher als Verdrängungsmechanismus. Wenn es einem selbst Scheiße geht, umgibt man sich mit Menschen, denen es noch viel schlechter geht. Durch die Hilfe lenkt man von seinem eigenen Drama sehr gut ab, und muß sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Man tut ja "Gutes", und dann wird das Himmelreich schon kommen (überspitzt formuliert).

doublehead
2009-01-06, 08:56:05
Da sagst Du wirklich etwas wahres. Es wäre ja an sich nicht schlimmes daran, wenn sie die Lehren auch mal bei sich selbst anwenden würden. Mich hat das auch immer gewundert, daß die Leute mit großen eigenen Problemen anderen helfen wollen. Vielleicht hoffen sie so unbewußt, daß etwas ihnen dann hilft, wenn sie anderen helfen. Das dies aber so nicht funktioniert, können sie nicht begreifen. Ich sehe das mittlerweile eher als Verdrängungsmechanismus. Wenn es einem selbst Scheiße geht, umgibt man sich mit Menschen, denen es noch viel schlechter geht. Durch die Hilfe lenkt man von seinem eigenen Drama sehr gut ab, und muß sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Man tut ja "Gutes", und dann wird das Himmelreich schon kommen (überspitzt formuliert).
Zum Teil sicherlich richtig. Aber wenn man selber Probleme hat und sich damit beschäftigt (grübelt) hat man eben auch automatisch eine gewisse Affinität zum Thema. Und es gibt ja diesen schönen Spruch "Gleich und gleich gesellt sich gern". Dass sich das dann auch in der Berufswahl niederschlagen kann, finde ich nicht ungewöhnlich. Ich bin früher auch mal dem Irrglauben verfallen, ich könne mich selbst therapieren, wenn ich selber Psychologie studieren würde. Das ist auch typisch Mann. Anstatt sich Hilfe bei einem Profi zu holen, will man die Dinge lieber alleine regeln, und hinterher anderen helfen, weil man ja so ein toller Hecht ist. Und mit Selbstschutzmechanismen hat das natürlich auch jede Menge zu tun.

PHuV
2009-01-06, 13:13:48
Zum Teil sicherlich richtig.

Es ist immer ein Versuch, etwas zu erklären, natürlich gibt es hier immer, wie überall mehrere Möglichkeiten und Erklärungsmodelle. Ich lege überhaupt keinen Wert auf eine Wahrheit, die es hier nicht geben kan. ;)

Rest Zustimmung.

BlackArchon
2009-01-06, 19:10:16
...
Da sagst Du wirklich etwas wahres. Es wäre ja an sich nicht schlimmes daran, wenn sie die Lehren auch mal bei sich selbst anwenden würden. Mich hat das auch immer gewundert, daß die Leute mit großen eigenen Problemen anderen helfen wollen. Vielleicht hoffen sie so unbewußt, daß etwas ihnen dann hilft, wenn sie anderen helfen. Das dies aber so nicht funktioniert, können sie nicht begreifen. Ich sehe das mittlerweile eher als Verdrängungsmechanismus. Wenn es einem selbst Scheiße geht, umgibt man sich mit Menschen, denen es noch viel schlechter geht. Durch die Hilfe lenkt man von seinem eigenen Drama sehr gut ab, und muß sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Man tut ja "Gutes", und dann wird das Himmelreich schon kommen (überspitzt formuliert).
Ich muss gestehen, dass das wirklich nicht weit hergeholt ist und sicher auch die Gefahr besteht, dass dies auch auf mich zutrifft. Mir ist erst heute bewusst geworden, dass ich seit ein paar Wochen wieder einmal in einer... schlechteren Phase hänge. Natürlich passiert mir das jetzt kurz vor der Prüfungszeit.
Nun ja, wie es auch ausgeht, ich werde nicht auf dem Boden sitzen bleiben. Ich denke, dass ich das im Laufe der letzten Jahre gelernt habe.

PHuV
2009-01-06, 23:34:35
Ich muss gestehen, dass das wirklich nicht weit hergeholt ist und sicher auch die Gefahr besteht, dass dies auch auf mich zutrifft. Mir ist erst heute bewusst geworden, dass ich seit ein paar Wochen wieder einmal in einer... schlechteren Phase hänge. Natürlich passiert mir das jetzt kurz vor der Prüfungszeit.


Deshalb gib Dir Zeit, laß Dir Zeit, laß alles sich entwickeln, und gehe hier erst mal auf die sichere Seite, ziehe ein Ding durch. Wenn Du das durchstehst, kannst Du alles weitere durchstehen. Wenn Du das schaffst, wirst Du auch das andere schaffen. Brichst Du jedoch ohne tiefen Grund ab, wirst Du später Dich immer fragen: "Was wäre wenn...". Abbruch kann auch ein Ausweichverhalten darstellen. Deshalb, übe Dich bitte in Geduld, und Deine soziale Seele läuft Dir ja nicht weg. Diesen Beruf kannst Du jederzeit ergreifen, in der einen oder anderen Form. Aber ein Informatiker kann das eben nicht. Hier ist die Zeit irgendwann abgelaufen, weil die technische Entwicklung zu schnell voranschreitet.

Alles zu seiner Zeit, beende erst das eine, bevor Du etwas Neues beginnst.

raschomon
2009-01-06, 23:57:27
Bei solchen Weichenstellungen können Außenstehende sowieso keine handfesten Ratschläge erteilen, sie können allenfalls auf bestimmte Aspekte hinweisen, die bei der Entscheidungsfindung miteinbezogen werden sollten. Also gebe ich auch mal meinen Senf dazu.

Wer bezahlt, wer finanziert eigentlich "soziale Arbeit", welche Institutionen oder Personen sind das?

a.) Der Staat bzw. Institutionen der öffentlichen Hand - Bund, Länder, Kommunen.
b.) Große nicht-staatliche Institutionen mit eigener Finanzierungsbasis. In Dtld. sind das im wesentlichen die beiden christlichen Kirchen, teilweise - auf wesentlich geringerem Niveau - auch noch die Gewerkschaften.
c.) sonstige nicht-staatliche Finanziers, wie z.B. gemeinnützige Stiftungen und weltanschaulich unabhängige Non-profit-Organisationen, die sich wiederum aus dem Spendenaufkommen, dem Stiftungskapital und staatlichen Zuschüssen finanzieren.

Alle drei für den sozialen Bereich bedeutsamen Finanzquellen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahrzehnten nicht üppig sprudeln, sondern sie werden im Gegenteil ständig mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen haben - wohlgemerkt: das gilt für die kommenden Jahrzehnte. Das heißt, man verdient in diesem Bereich nicht nur nicht viel, es besteht sogar die Gefahr, daß der gesamte Sektor chronisch unterfinanziert bleibt.

Seit einigen Monaten wird in der Öffentlichkeit - im Gefolge der Finanzkrise - über eine "Rückkehr des Staates" schwadroniert. Davon sollte man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Der abgrundtiefe Haß der Eliten auf den Staat, seine gesellschaftlichen Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten und seine Rolle als Garant für die Sicherung oder gar Verbesserung der Lebensbedingungen in der Gesellschaft ist noch lange nicht gestillt. Er ist im Moment nur nicht so virulent wie insbesondere in der Zeit zwischen den 90ern und der Gegenwart. Sobald sich die Privatwirtschaft auch nur ein wenig von den Turbulenzen des vergangenen Jahres erholt haben wird, wird diese Abneigung gegen eine größere Rolle des Staates auch wieder deutlicher werden.

Die Kirchen, Gewerkschaften und andere Großinstitutionen kämpfen seit Jahren und Jahrzehnten mit Mitgliederschwund. Weniger Mitglieder heißt weniger Einnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten. Dieser Trend wird sich nicht umkehren. Es ist durchaus möglich, daß gemeinnützige Stiftungen in Zukunft einen Teil dieses traditionellen Engagements auffangen werden, allerdings wird das wohl nie in dem Rahmen erfolgen, wie wir es aus den zurückliegenden Jahrzehnten kennen.

In Zukunft wird das berufliche Engagement im sozialen Bereich eher noch mehr Enthusiasmus, Bescheidenheit und Bereitschaft zur Selbstausbeutung erfordern, als daß heute schon bedauerlicherweise der Fall ist. Die Einkommen in diesem Sektor des Arbeitsmarktes werden wahrscheinlich über viele Jahre stagnieren, wenn sie sich nicht gar rückläufig entwickeln werden.

Die Aussichten sind schon bescheiden, man kann es nicht anders sagen. Und ja, das alles ist sehr schade.

PHuV
2009-01-07, 00:43:33
In Zukunft wird das berufliche Engagement im sozialen Bereich eher noch mehr Enthusiasmus, Bescheidenheit und Bereitschaft zur Selbstausbeutung erfordern, als daß heute schon bedauerlicherweise der Fall ist. Die Einkommen in diesem Sektor des Arbeitsmarktes werden wahrscheinlich über viele Jahre stagnieren, wenn sie sich nicht gar rückläufig entwickeln werden.

Die Aussichten sind schon bescheiden, man kann es nicht anders sagen. Und ja, das alles ist sehr schade.

Damit hast Du leider recht. :frown: Man braucht sich heute nur den desolaten Zustand in vielen Krankenhäusern anschauen. Es ist traurig, aber der soziale Beruf bekommt finanziell beileibe nicht das, was er verdient. Während manchen IT-Consultants, obwohl sie nur Schrott und Mist abliefern, das Geld schon zu den Ohren rauskommt, oder die betrügerischen Banker, welche die Kunden haufenweise abzocken, wird hier immer mehr auf Kosten der Mitarbeiter gekürzt. Das kann es nicht sein.

daflow
2009-01-07, 14:18:59
Ich stand nach meinem Zivijahr auch vor der Entscheidung: Sozialer Beruf oder eher IT/Wirtschaft. Das Arbeiten mit Körperlich- und/oder geistig behinderten Kindern hat mir seinerzeit eine Menge Spass gemacht und ja sicher hat man irgendwo das Gefühl etwas gutes getan zu haben... naja allerdings scheint dass auch nachzulassen, wenn man mal 10, 20, 30... Jahre in diesem beruf arbeitet. Dann gabs da noch ein anderes Entscheidungskriterium: Geld... klingt vielleicht blöd und ich glaube nicht ein allzu materialistischer Mensch zu sein, allerdings stellte ich mir seinerzeit schon auch mal vor später Frau & Familie zu haben und diese idealerweise auch mit einem Gehalt gut über die Runden bringen zu können... Und dann hab ich mir mal so angesehen, was die Leute die ich damals kennenlernte so verdienen. Ausbildungsberufe wie Kinderpfelger werden mies bezahlt... die besser bezahlten Ausbildungs(BA o.ä.)-berufe werden /Stunde vielleicht halbwegs pasabel bezahlt, allerdings gibts nur Stellen ~20h, wo Netto dann weniger über ist als beim schlecht bezahlten Vollzeitjob. Tja und studieren... Da gibts a) einfach nicht viele Stellen b) die Positionen haben oft mehr mit Verwaltung zu tun, als mit "sozialer Arbeit" im Sinne von mit Menschen arbeiten, die Hilfe benötigen... Ausnahme mag vielleicht Sonderschullehramt sein, gabs aber als FH Studium nicht (wodruch es für mich als direkt Einstieg nach Fachabi nicht in Frage kam).
Hab mich dann seinerzeit für die Informatikerlaufbahn entschieden und der finanzielle Part hat sich in etwas so entwickelt wie ich mir vorgestellt habe, die Arbeit macht Spass, aber in letzter Zeit kommt mir schon auch immer wieder der Gedanke, nach dem "Sinn". Bzw. das Bedürfnis einfach mehr in meinem Leben zu tun, als einfach nur dafür bezahlt zu werden, um anderen Leuten zu ermöglichen noch mehr Geld zu erwirtschaften...
Ich bin derzeit aber noch nicht zu einer befriedigenden "Lösung" gekommen.
Gedankensammlung: Spenden, soziales Engagement in der Freizeit (wär die nur nich so knapp bemessen :redface:), raus aus der freien Wirtschaft rein in die Forschung,... :confused:

Gast
2009-01-07, 14:58:48
Wenn dir schon das Studium keinen Spaß macht, glaubst du dann, dass die Arbeit für dich der Bringer werden wird? Wie sinnvoll ist es, Zeit in ein Studium zu investieren, um später einen Beruf ausüben zu können, der zwar Geld bringt, aber einen nicht erfüllt?
Man übt mindestens 38,5 Stunden in der Woche seinen Beruf aus. Das frisst viel Zeit und Kraft — in der Freizeit kann man oft weniger realisieren, als man sich erhofft.
Sitzt man dann einen Großteil der Zeit vor dem Rechner und verschiebt bunte Kästchen auf dem Bildschirm, befüllt Tabellen in Datenbanken oder doktort an Produkten herum, die einem nicht interessieren, kann es nur eine Frage der Zeit sein, bis man mit seiner Arbeit und somit auch einen großem Teil des Lebens unzufrieden ist.

Viel virtuelles ist letztlich leer. Der Computer frisst schon genug Zeit in unserem Leben, da braucht man nicht noch extra damit 38,5 Stunden arbeiten.

No.3
2009-01-07, 17:51:55
Wenn dir schon das Studium keinen Spaß macht, glaubst du dann, dass die Arbeit für dich der Bringer werden wird?

Studium <> Beruf


BlackArchon, ich weiss net was für ein Typ Mensch Du bist. IMHO wäre es aber am vernünftigsten ersteinmal die Ausbildung zu beenden und dann nochmal zu überlegen. Dann ggf "in der Freitzeit" sozial tätig zu werden wurde ja schon vorgeschlagen. Sollte Dich das dann wirklich so stark zu "begeistern" könnte man dann ggf immer noch wechseln?!

Quantar
2009-01-09, 16:06:32
Ich hatte nicht die gleichen Gedanken, aber irgendwie doch ähnliche, weswegen ich jetzt doch ein paar Zeilen schreibe.
Ich vertrete die Meinung, dass es nicht nur den einen oder anderen braucht, sondern das "Mittelding". Ich studiere auch was ziemlich "kaltes"(Logik und Wissenschaftstheorie), bin da ziemlich gut drin und würde wahrscheinlich auch locker ein Stipendium für die Promotion bekommen. Aber irgendwie hab ich auch das intrinsische Bedürfniss, etwas zu "tun". Ein Proff von mir hat mal gesagt "Wissenschaft ist ein Mittel zur Lebensbewältigung". Und genau das haben wir zT einfach inzwischen vergessen.
Ich habe mich inzwischen ein wenig auf didaktische Aspekte eingeschossen. Und das is der Punkt, den ich dir empfehlen würde, ihn mal näher zu betrachten. Es gibt reichlich Informatiker, aber irgendwie doch wenige, die den Sinn und Zweck ihrer Arbeit hinterfragen. Es gibt mehr als nur einen Code schreiben. Man kann mehr machen als nur Code schreiben. Leider wird sowas an den Unis fast immer vergessen. Dabei tuen sich grade in neuester Zeit zahlreiche Optionen auf. Medienpädagogik ist davon nur ein Punkt. Und hier braucht man eben die Leute, die einerseits technischen "Skill" haben und auf der anderen Seite auch das Bedürfnis, etwas vermitteln zu wollen oder etwas "gutes" zu tun.
An deiner Stelle würde ich nicht unbedingt fragen, ob man was ganz anderes machen sollte, sondern eher, ob man nicht einfach auch Brücken bauen kann.

Stauberle
2009-01-11, 16:01:34
Hey Blacky ;)

wie du ja weiß musst ich mein Studium zwangsweise aufgeben und dann steht man da, was macht man, Berufsausbildung, arbeiten, arbeitlos/ H4 ...

Hab mich für ein weiteres Studium entschieden, ob es das richtige ist weiß ich noch nicht, ich kann nur sagen das die Interesse größer ist als die im alten Studium.
Man hat aber den Zwang endlich mal fertig zu werden und Geld zu verdienen, d.h. man übt Druck auf sich selber aus was zum Ende eines Studiums führen kann.

Bist du der Meinung das du mit Informatik nichts mehr anfangen kannst, also komplette Desinteresse?

Hättest du, wenn du mit deinem Studium aufhörst, ein klare Vorstellung was du machen würdest im Bereich Soziales?