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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Klärungsbedarf: Sperrdifferential: Kraftschluss<->Sperrwirkung


Henry
2009-02-24, 20:42:46
Servus!

Leider wird man ja selbst beim simplen Computerspielen mit solchen Dingen belastet und anstatt entspannt Kreise zu drehen muss man zahllose Guides und wissenschaftliche Abhandlungen studieren.:biggrin:

Und da kommen wir schon auf den Punkt. Viele Quellen=Viele Meinungen. Auch in vielen Foren wird darüber diskutiert und ich finde keine klare Linie.

Worum geht es:

Kraftschluss(10-100%)
Beim Beschleunigen.

Sperrwirkung(10-100%)
Beim Bremsen.

Theoretisch ist es ja so: 100% ist Differentialsperre.

Die Frage ist nun, wann neigt der Wagen zu übersteuern und wann zu untersteuern.

Hab noch ein paar Quellen mit unterschiedlichen Informationen:
Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Differentialsperre)
GTR4u (http://www.gtr4u.de/jgs_db.php?action=show&eintrags_id=83&katid=3)
Setup in 21-Schritten (http://www.gtr4u.de/attachment.php?attachmentid=53494&sid=b5ebf1407e7d530d94ef9cf7c6f60301)
Altbierbude (http://www.altbierbude.de/component/option,com_remository/Itemid,0/func,select/id,61/lang,de/)
Collier-Racing(englisch) (http://collier-racing.com/ILMS/Setup_Guide.htm#CAMBER)
GTR4u-Thread (http://www.gtr4u.de/thread.php?threadid=24703&sid=f7fa8d066e84dc507309b9660d21a44a)

Brimborium
2009-02-25, 13:00:40
Keine einfache Frage, da Differentialeinstellungen stets in Wechselwirkung mit Art des Antriebes, Gewichtsverteilung, Radsturz, Bremskraftverteilung et cetera steht. Mein Verständis basiert überwiegend auf englischsprachigen Guides und Herumprobieren in Rennsimulationen, aber trotzdem werde ich versuchen, keinen Müll zu erzählen. :wink:

Wahrscheinlich weißt du aus deinen Quellen bereits, dass während einer Kurvenfahrt das innere Rad eine leicht kürzere Wegstrecke zurücklegt als das äußere und daher zumindest irgendeine Art von Drehzahlausgleich zwischen beiden Achsenenden nötig ist, um massives Untersteuern zu vermeiden. Vermutlich könnte man dazu einen ganzen Roman schreiben...ich reduziere die Voraussetzungen vereinfacht auf straßenähnliche Fahrzeuge mit Serien- oder Sportbereifung und Frontmotor/Frontantrieb (FF layout) bzw. Frontmotor/Heckantrieb (FR layout). Wie es sich in Verbindung mit Monopostos, Slicks oder Abtrieb verhält - ehrlich keine Ahnung, da ich so etwas kaum fahre.

Erstmal zu den Extremfällen:

100% Sperrung (keinerlei Drehzahl-/Drehmomentausgleich, auch direct drive genannt)
power: massives Untersteuern in Kurvenfahrten, speziell bei Fronttrieblern
coast: ebenfalls massives Untersteuern, Wagen läßt sich ohne Gas kaum einlenken
-> Meines Wissens quasi nur sinnvoll für Geländewagen und Dragster, außerdem werden die Bauteile der Kraftübertragung in Kurven bei höheren Geschwindigkeiten erheblich belastet.

0% Sperrung (nur Drehzahlausgleich, auch offenes Differential genannt)
power: im Alltagsbetrieb problemlos, aber bedingt durch den Lastwechsel kann das kurveninnere Rad bei viel Gas durchdrehen, da weiterhin das gleiche Drehmoment auf beide Reifen übertragen wird. Dadurch kommt es abhängig von der Motorleistung ebenfalls zu Untersteuern und Traktionsverlust.
coast: beim Anbremsen bis zum Kurvenscheitelpunkt (trail braking) ohne Zwischengas und Gaswegnehmen kann es zu plötzlichem Übersteuern kommen (trailing throttle oversteer), das Fahrzeug verhält sich also ziemlich nervös
-> Eigentlich nur gut, wenn der Motor so wenig Drehmoment bietet, dass ein Durchdrehen des kurveninneren Rades selten ist.

Um nun die Motorleistung effizienter auf die Straße bringen zu können, möchte man auch irgendeine Art von Drehmomentausgleich erreichen: und hier kommt das Sperrdifferential ins Spiel, von denen es verschiedene Typen gibt. Ich kenne mich bei der jeweiligen Funktionsweise nicht wirklich aus, aber viele Rennsimulationen und -spiele sollten u.a. eine Art von clutch-based oder clutch-pack (deutsche Übersetzung?) beinhalten, bei denen man die Sperrwirkung wie in deinem Beispiel getrennt für power und coast einstellen kann.

Meiner Erfahrung nach verhält es sich auf der power-Seite so, dass mit zunehmender Sperrung der Schwellenwert für plötzlichen Haftungsverlust (entsprechendes Drehmoment vorausgesetzt) auf beiden angetriebenen Rädern; snap oversteer bei FR bzw. power understeer bei FF ist die Folge; angehoben wird, sich gleichzeitig jedoch auch die Wahrscheinlichkeit fürs Durchdrehen des kurveninneren Reifens reduziert - kurzum lässt sich die Motorleistung effizienter auf den Asphalt übertragen. Bis zu 50% Sperrwirkung ist das relativ unproblematisch, aber darüber hinaus kann das Fahrzeug im schmaler werdenden Grenzbereich nervöser und das Abfangen bei Haftungsverlust schwieriger werden. Im Vergleich zu Hecktrieblern verwendet man bei FF-Fahrzeugen meist leicht höhere Werte, da mehr Drehmoment zum kurvenäußeren Rad (mit mehr Haftung aufgrund des Lastwechsels) transferiert wird und damit das Untersteuern besonders in Kurvenmitte und -ausgang etwas reduziert werden kann. Mit zunehmenden Fahrzeuggewicht oder sehr weicher Federung kann man die Sperrung ebenfalls leicht erhöhen (im ungekehrten Fall weniger), da in beiden Fällen stärkere (bzw. umgekehrt schwächere) Lastwechselreaktionen auftreten.

Wie ich beim offenen Differential bereits anmerkte, kann sich das Fahrzeug beim Anbremsen bzw. coast und 0% Sperrung nervös und übersteuernd verhalten, wenn kein oder zu wenig Zwischengas verwendet wird. Um das Ganze zu stabilisieren, verwende ich abhängig von Antrieb und Gewichtsverteilung (etwas mehr bei RMR (http://en.wikipedia.org/wiki/RMR_layout), RR (http://en.wikipedia.org/wiki/Rear-engine,_rear-wheel_drive_layout)) meist Sperrwerte um die 20-30% - ausreichend, um den Wagen in der Spur zu halten. Höhere Werte wären theoretisch möglich, allerdings kann das Untersteuern u.U. so zunehmen, dass besonders Fronttriebler ohne Gas kaum noch einlenken wollen. Falls das Differential zusätzlich noch variablen preload (also Vorspannung) erlaubt, hat dies ebenfalls Einfluss auf das Kurvenverhalten: der Wert gibt an, wie stark die Sperrwirkung ist, wenn weder Gas noch Bremse betätigt werden....vereinfacht verhält es sich damit ähnlich wie coast, d.h. geringere Werte reduzieren trailing throttle oversteer, zuviel führt zu unerwünschtem Untersteuern.

Um es nochmal zu erwähnen, beziehe sich die Erläuterungen von mir als Laien nur auf seriennahe Fahrzeuge mit Serien- oder Sportbereifung - über den Einfluss von Slicks und Abtrieb kann ich nichts sagen (Ergänzungen/Fehlerkorrekturen erwünscht!). Ich kenne die Begriffe nur aus dem Englischen und habe sie daher auch verwendet, um fehlerhafte Übersetzungen ins Deutsche zu vermeiden...sorry for that, but I hope you'll get the idea. :wink:

InsaneDruid
2009-02-25, 15:39:26
Das ist unabhängig der Bereifung so. Würde obigem Text fast durchgehend zustimmen. Bis auf:

0% Sperrung (nur Drehzahlausgleich, auch offenes Differential genannt)
power: im Alltagsbetrieb problemlos, aber bedingt durch den Lastwechsel kann das kurveninnere Rad bei viel Gas durchdrehen, da weiterhin das gleiche Drehmoment auf beide Reifen übertragen wird. Dadurch kommt es abhängig von der Motorleistung ebenfalls zu Untersteuern und Traktionsverlust.

Das müsste meiner Meinung nach lauten "Dadurch kommt es zum übersteuern." Ein durchdrehendes Rad, über das das Drehmoment abfließ0t und verpufft ist Übersteuern, aber, da noch ein Rad Traktion hat, ein gutmütiges, abfangbares.

100% Sperrung (keinerlei Drehzahl-/Drehmomentausgleich, auch direct drive genannt)
power: massives Untersteuern in Kurvenfahrten, speziell bei Fronttrieblern

Meiner Erfahrung nach profitieren Fronttriebler durchaus von 100%Power lock. Da man dadurch mit einen Tritt aufs Gas das Auto durch die Kurve ziehen kann, ohne das Drehmoment über ein evtl unbelastetes Rad abfließen kann. Die Richtung kann über die Lenkung vorgegeben werden, im Gegensatz zu einer gesperrten Hinterachse.

Zusammenfassend könnte man es vereinfacht so ausdrücken:

je mehr Sperrwirkung, desto Untersteuernder (weil die Räder gleichschnell drehen wollen) mit der wachsender Tendenz zum Snap Oversteer.

je weniger Sperrwirkung desto übersteuernder, aber weniger Snap Oversteer.

Beobachte dein kurveninneres Rad beim Rausbeschleunigen aus der Kurve. Dreht es leicht durch (entweder sichtbar in einer externen Cam oder spürbares Übersteuern erhöhe den Power lock. Wenn das Untersteuern zu stark wird, oder du merkst das das Auto immer mal zum Snap oversteer neigt (plötzliches, nicht abzufangendes Übersteuern) reduzierte es wieder etwas.

Die Coast side spielt wie oben js schon beschrieben beim Schubbetrieb des Motors eine Rolle, also idR beim Abbremsen und Einlenken in die Kurve. Natürlich nur wenn man dabei nicht Gas gibt. Ist das Auto beim anbremsen unruhig, mehr Coast side lock. Wenn das Einlenkverhalten zu stark unter Untersteuern leidet, dann gib weniger coast side lock.

Brimborium
2009-02-25, 16:04:41
Das müsste meiner Meinung nach lauten "Dadurch kommt es zum übersteuern." Ein durchdrehendes Rad, über das das Drehmoment abfließ0t und verpufft ist Übersteuern, aber, da noch ein Rad Traktion hat, ein gutmütiges, abfangbares.
Stimmt, hier hätte ich differenzieren sollen. Dito für Hecktriebler, aber bei Frontantrieb habe ich die Erfahrung gemacht, dass offene Differentiale in Verbindung mit weicherer Federung nach dem Kurvenscheitelpunkt ziemlich stark untersteuern.
Meiner Erfahrung nach profitieren Fronttriebler durchaus von 100%Power lock. Da man dadurch mit einen Tritt aufs Gas das Auto durch die Kurve ziehen kann, ohne das Drehmoment über ein evtl unbelastetes Rad abfließen kann. Die Richtung kann über die Lenkung vorgegeben werden, im Gegensatz zu einer gesperrten Hinterachse.
Setzt das nicht u.a. steife Stabilisatoren voraus? Soweit ich weiß ist es für FWD-Rennwagen nicht ungewöhnlich, sehr hohe power-Sperrwerte zu nutzen, aber seriennahe Fahrzeuge fand ich dagegen ebenfalls stark untersteuernd.

InsaneDruid
2009-02-25, 23:00:09
Voraussetzen würde ich nicht sagen. Grade da (viel Roll, und damit große Entlastung des kurveninneren Rades) kommt es ja drauf an hohe Sperrung zu haben, damit das kurveninnere Rad nicht durchdrehen kann.

Serienah wird ja idr eh immer auf Untersteuern getrimmt und ein Frontkratzer wird auch mit 100% Lock kein Power on Oversteer haben.

Henry
2009-02-26, 08:12:21
:massa::massa::massa:
so hab ich mir das schon gedacht, dass beide seiten nicht komplett falsch liegen, aber mit übersteuern jeweils was anderes meinen.

ich fasse mal die für mich wichtigen dinge zusammen für Hecktriebler:

- offeneres Differential = Neigung zu gutmütigem Übersteuern, schlechte Traktion, gutes Einlenkverhalten

- geschlosseneres Differential = Neigung zu Untersteuern, gute Traktion, zunehmende Gefahr von snap oversteer, schlechtes Einlenkverhalten

snap oversteer=lift-off oversteer=beide Reifen verlieren die Haftung=schwer kontrollierbar
könnte man mit "reißendes/bissiges Übersteuern" übersetzen
und tritt dann auf, wenn man ein zu geschlossenes Differential hat oder bei plötzlichen Lastwechseln(hochschalten mit Zwischengas, Bodenwellen, zu frühes Runterschalten, Schikanen)

korrekt?

und noch ne Frage zur Vorbelastung/Vorspann:

was genau sagt die Zahl da aus?

Brimborium
2009-02-26, 15:26:58
für Hecktriebler:

- offeneres Differential = Neigung zu gutmütigem Übersteuern, schlechte Traktion, gutes Einlenkverhalten

- geschlosseneres Differential = Neigung zu Untersteuern, gute Traktion, zunehmende Gefahr von snap oversteer, schlechtes Einlenkverhalten
Ich denke, das könnte man so lassen.
snap oversteer=lift-off oversteer=beide Reifen verlieren die Haftung=schwer kontrollierbar
könnte man mit "reißendes/bissiges Übersteuern" übersetzen
und tritt dann auf, wenn man ein zu geschlossenes Differential hat oder bei plötzlichen Lastwechseln(hochschalten mit Zwischengas, Bodenwellen, zu frühes Runterschalten, Schikanen)
Dito, auch wenn snap und lift-off oversteer nur vom Resultat her das Gleiche sind. Außerdem kann ersteres auch auftreten, wenn die Federung zu hart eingestellt ist und das Fahrzeug dadurch entweder über Bodenwellen hüpft oder die bump stops (Anschlagpuffer) erreicht werden.
was genau sagt die Zahl da aus?
Ich bin mir nicht 100% sicher, aber nach meinem Verständis gibt der Wert die Drehmomentdifferenz zwischen beiden Rädern einer angetriebenden Achse an, bis zu welcher sich das Differential sperrend verhält, wenn weder Gas noch Bremse betätigt werden. Die Auswirkungen hatte ich ja oben schon beschrieben.

InsaneDruid
2009-02-27, 11:28:19
Snap Oversteer bedeutet prinzipiell nur plötzlicches, extrem starkes Übersteuern. BIldlich kann man es sich so vor Augen führen. Bei einem offenen Differential wird immer das weniger belastete (kurveninnere) Rad zuerst durchdrehen. Das Kurvenäußere hat dann aber noch Grip und trägt zur Spurstabilität bei. Außerdem, fließt nun das Drehmoment über das freidrehende Rad ab. Alles in allem eine relativ stabile Geschichte.


Sperrt man nun das Diff weiter und weiter, so verhindert dies ja das eigenständige Durchdrehen eines Rades. Irgendwann ist das der Punkt erreicht an dem beide Räder durchdrehen. (Zuviel Gas, zuviel Lock, zunwenig Grip) Und dann kommt das Heck sehr plötzlich und giftig. Eben Snap-Oversteer.

Vorspannung/Preload:

dazu muss man wissen das alles was wir bislang beschrieben haben für torgue sensitive LDS (limited slip differential) gilt. Die Sperrwerte geben die dynamische Sperrung an, abhängig vom Drehmoment, welches die Kardanwelle liefert. Ein 100%/100% LSD mit 0% Preload ist dann, wenn kein Drehmoment übertragen wird (Motor weder im Zug noch um Schubbetrieb, man gibt soviel Gas das die Kardanwelle genau die RPM hat welche die Räder nur durch das Rollen generieren würde) nicht gelockt, sondern freilaufend.

Preload ist nun einfach der statische, immer vorhandene "lock".

Henry
2009-02-27, 18:47:26
Vorspannung/Preload:

dazu muss man wissen das alles was wir bislang beschrieben haben für torgue sensitive LDS (limited slip differential) gilt. Die Sperrwerte geben die dynamische Sperrung an, abhängig vom Drehmoment, welches die Kardanwelle liefert. Ein 100%/100% LSD mit 0% Preload ist dann, wenn kein Drehmoment übertragen wird (Motor weder im Zug noch um Schubbetrieb, man gibt soviel Gas das die Kardanwelle genau die RPM hat welche die Räder nur durch das Rollen generieren würde) nicht gelockt, sondern freilaufend.

Preload ist nun einfach der statische, immer vorhandene "lock".

kannst du mir dann sagen, was bei P&G die Zahl bedeutet? Ich habe die bis jetzt nur beim Healey gesehen und da konnte man 1 oder 2 wählen.

InsaneDruid
2009-02-27, 19:48:52
Ganz Simpel. Stufe 1 oder 2. Weniger oder mehr Preload. Ich müsste nachschauen wie groß in Newtonmeter der Unterschied ist. Ist ja auch unerheblich, da man so oder so durch Probieren zum ziel kommt.

Im Übrigen bei jedem Auto/Mod verschieden welche genauen Werte die einzelnen Stufen haben. Auch beim Original GTR2 Content.

Henry
2009-02-28, 08:39:21
ok, besten dank euch beiden:massa: