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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Trauer in Deutschland: Was ist üblich?


nggalai
2009-04-02, 17:07:42
Moin,

wie hier schon einige mitbekommen haben, ist vor etwas über einem Monat meine Frau verstorben. Und als Schweizer in Niedersachsen fühle ich mich gerade wie im falschen Film.

Sache ist die. Eine Hinterbliebene regt sich super-tierisch darüber auf, daß es doch tatsächlich Menschen gibt, die nicht auf die ihnen zugeschickte Traueranzeige geantwortet haben. Sondern sich „erdreisten,“ doch lieber anzurufen. Wie es nur kommen kann, daß unser Handwerker nicht eine Karte schrieb. Sondern dann am Telephon sagte, er wollte uns nicht in der Trauer stören, deshalb hätte er sich bisher nicht gemeldet.

Wie es kommen kann, daß entfernte Verwandte, mit denen wir drei Jahre lang keinen (keinen!) persönlichen Kontakt hatten, es wagen können, sich DREI WOCHEN LANG nicht zu melden. Jo, sie waren zwar an der Beerdigung, aber DREI WOCHEN und KEINE KARTE!

:|

Ist es in Deutschland tatsächlich Sitte, daß man a) NICHT anruft und b) IMMER Karten und Briefe schreibt? Hatten wir also nur „Pech“ mit den Bekannten und Verwandten?

Das, was besagte Person ganz selbstverständlich fordert, habe ich in 30 Jahren Schweiz und x Todesfällen nie erlebt. Sind denn nun meine Bekannten und Verwandten komisch?

Daher dieser Thread.




Wie seht Ihr das mit dem Kontakt zu Trauernden? Eher zurückhaltend, oder viel Kontakt? Was ist bei Euch üblich? Karten über alles, oder lieber Anrufe? Oder stille Zurkenntnisnahme und dann vielleicht zwei Monate später mal nachfragen, wie es denn jetzt geht?

Best,
-Sascha

PHuV
2009-04-02, 17:31:10
Hallo Sascha,

hab ich nicht mitbekommen, erst mal mein Beileid und meine herzliche Anteilnahme, ich wünsche Dir viel Kraft.

Aber das mit der Kontaktaufnahme ist doch Quatsch. Wenn man in Trauer ist, ist man doch nicht von der Welt abgeschnitten. Man fragt freundlich an, und dann wird derjenige schon zu verstehen geben, ob der Kontakt aktuell gewünscht ist oder nicht. Wo liegt also das Problem, man sanft und höflich nachzufragen? :| In meinen Augen eine Ausrede von den Leuten.

Daredevil
2009-04-02, 17:53:13
Meist ist es so das man eine Beileidskarte schreibt und Geld beilegt weil so eine Beerdigung halt kostet, vllt. meint die Dame ja das manche sich zu geizig dafür sind und lieber anrufen?!

Ich denke jeder sollte das tun was er für richtig hält, in meinen Augen gibt es kein "Was ist üblich", entweder will man es so oder nicht, man muss sich nicht an irgendwelche Regeln halten aber trotzdem dem verstorbenen Respekt zollen ( Also z.B. Schwarze Kleidung auf der Beerdigung usw. )

Ansonsten wünsch ich dir auch viel Kraft.

nggalai
2009-04-02, 17:56:22
Danke Euch. Vielleicht noch zur Klarstellung:

Es geht hier nicht mehr um die Beileidsbezeugungen. Sondern darum, daß man sich nochmals meldet, in regelmäßigen Abständen – und zwar schriftlich. All die Leute, auf die meine Verwandte gerade Haß schiebt, haben sich sehr wohl gemeldet. Nur halt leider ein Teil davon nur telephonisch, und die wenigsten dann nach der Beerdigung in einem für sie annehmbaren Zeitrahmen.

Das erscheint mir etwas extrem.

Best,
-Sascha

Cyphermaster
2009-04-02, 17:57:38
Edit: Wenn es um den Zeitraum nach den Beileidsbekundungen geht - IST das extrem. Sofern nicht betreffende Verwandte selber besonders dicke mit den Personen war, wüßte ich nicht, warum diese regelmäßigen Kontakt mit ihr haben sollten. Schließlich waren das vorher auch nicht ihre Busenfreunde, warum sollten sie das jetzt ändern?

Monger
2009-04-02, 18:00:47
Wenn es dafür eine Regel geben sollte, habe ich noch keine gefunden. Wenn du das Bedürfnis hast anzurufen, rufst du an. Wenn du schreiben willst, schreib. Wenn du nichts sagen willst, sag nichts.
Schließlich hat nicht nur die Familie ein Recht zu trauern, sondern auch alle Bekannten. Und wie man das konkret ausdrücken will, ist nunmal von Person zu Person verschieden.

Ganz ehrlich: insbesondere im Todesfall hätte ich ehrlich gesagt ganz andere Sorgen, als darauf zu achten dass sich alle Bekannten der Etikette (was immer das hier genau heißen mag) nach verhalten. Und bei den Todesfällen die ich in den letzten Jahren miterlebt habe, wurde das auch sehr individuell gehalten.

Controller Khan
2009-04-02, 18:02:02
Moin,

wie hier schon einige mitbekommen haben, ist vor etwas über einem Monat meine Frau verstorben. Und als Schweizer in Niedersachsen fühle ich mich gerade wie im falschen Film.


Ich kenn Dich nicht persönlich, trotzdem mein Beileid.

Trauern ist etwas sehr persönliches. Nimm Dir soviel Zeit wie Du brauchst und auf deine Art und Weise.



Sache ist die. Eine Hinterbliebene regt sich super-tierisch darüber auf, daß es doch tatsächlich Menschen gibt, die nicht auf die ihnen zugeschickte Traueranzeige geantwortet haben. Sondern sich „erdreisten,“ doch lieber anzurufen. Wie es nur kommen kann, daß unser Handwerker nicht eine Karte schrieb. Sondern dann am Telephon sagte, er wollte uns nicht in der Trauer stören, deshalb hätte er sich bisher nicht gemeldet.

Wie es kommen kann, daß entfernte Verwandte, mit denen wir drei Jahre lang keinen (keinen!) persönlichen Kontakt hatten, es wagen können, sich DREI WOCHEN LANG nicht zu melden. Jo, sie waren zwar an der Beerdigung, aber DREI WOCHEN und KEINE KARTE!

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Ist es in Deutschland tatsächlich Sitte, daß man a) NICHT anruft und b) IMMER Karten und Briefe schreibt? Hatten wir also nur „Pech“ mit den Bekannten und Verwandten?

Das, was besagte Person ganz selbstverständlich fordert, habe ich in 30 Jahren Schweiz und x Todesfällen nie erlebt. Sind denn nun meine Bekannten und Verwandten komisch?

Daher dieser Thread.

Das Verhalten der besagten Person ist nicht normal. Ganz einfach.


Wie seht Ihr das mit dem Kontakt zu Trauernden? Eher zurückhaltend, oder viel Kontakt? Was ist bei Euch üblich? Karten über alles, oder lieber Anrufe? Oder stille Zurkenntnisnahme und dann vielleicht zwei Monate später mal nachfragen, wie es denn jetzt geht?

Best,
-Sascha

Trauerarbeit ist sehr individuell. Haengt von der trauerenden Person, der Beziehung zu ihr ab.

V2.0
2009-04-02, 18:15:07
Mein ganz aufrichtiges und herzliches Beileid, Ich hatte es nicht mitbekommen, möchte Dir aber unbedingt mein Beileid aussprechen.

elfi ömmel
2009-04-02, 18:15:19
Wie es nur kommen kann, daß unser Handwerker nicht eine Karte schrieb. Sind denn in der Schweiz sämtliche Dienstleister zur Beleids/Feiertagskarten-Pflicht verdonnert? Also bitte, er arbeitet auf Bestellung - da hält man sich gefälligst diskret abseits!

Wie es kommen kann, daß entfernte Verwandte, mit denen wir drei Jahre lang keinen (keinen!) persönlichen Kontakt hatten, es wagen können, sich DREI WOCHEN LANG nicht zu melden. Jo, sie waren zwar an der Beerdigung, aber DREI WOCHEN und KEINE KARTE! Verwandte sind auch nur Menschen, Verwandschaft alleine bedeutet rein garnichts ohne eine gewisse Verbundenheit. Menschen, auch Verwandte, von denen ich drei(!) Jahren nichts zu tun habe sind mir auch egal - warum sollte man plötzlich im Todesfall anfangen zu heucheln?

Weder der Handwerker, noch die ungeliebten Verwandten haben sich (in meinen Augen) falsch verhalten.

JohnMcClane
2009-04-02, 18:18:20
naja, also bei uns ist das auch eher zurückhaltend! Das Verhalten der besagten Person is echt nicht normal!

drexsack
2009-04-02, 18:29:45
Ich finde, jeder trauert anders. Jeder hat auch schon eigene Erfahrungen machen müssen und dementsprechend ein anderes Verhältnis zum Tod. Manche suchen halt den Kontakt bzw. das Gespräch, andere schreiben lieber einen Brief. Manche belastet es evtl sogar auch so, das sie erst beim nächsten Treffen das Thema beiläufig anschneiden. Evtl trauern sie auch garnicht, wer weiss. Ich finde es jedenfalls vollkommen daneben, irgendeine Trauer-Etikette einzufordern.

Symptom
2009-04-02, 19:02:12
Lieber Sascha, zunächst erstmal mein Beileid zu dem Verlust, den Du erlitten hast bzw. noch erleidest.

Ich hab aus beruflichen Gründen sehr oft mit Anghörigen Verstorbener zu tun (arbeite in der Onkologie, nebenbei ehrenamtlich im Hospiz und mache dort auch Trauerbegleitung).
Über die Zeit hab ich gelernt, dass es sowas wie eine richtige verankerte Trauerkultur hier in Deutschlang nicht gibt. Muss es auch nicht, denn jeder Mensch trauert auf seine ganz persönliche Art, dass lässt sich nicht in gesellschaftliche Normen pressen.
Immer noch sehr verbreitet ist der Glaube, dass man die/den Trauernden alleine lassen soll, damit er den Verlust verarbeiten kann. Ich bin der Meinung, gerade dann braucht man Halt, jemanden zum reden.
Woher soll man den bekommen, wenn sich alle aus gut gemeinter Pietät abwenden?
Viele Menschen wollen sich dann aber auch zurückziehen, andere wiederum die Umwelt nicht mit ihrem Verlust "belästigen".
Steht aber keinem auf die Stirn geschrieben.

nggalai
2009-04-02, 19:57:04
Dank Euch. Interessant, Eure Ansichten und Erfahrungen zu lesen.

Ich persönlich bin gegen einen „Trauer-Knigge“, einfach weil jeder Mensch anders trauert. Ich z. B. möchte möglichst nicht gestört werden, die andere Hinterbliebene jedoch braucht Kontakt. Insbesondere halt Karten; Telephonate blockt sie ab, weil es auf sie so wie „Berichterstattung“ wirkt. Kann ich verstehen, ich hatte auch einen Berg solcher Anrufe. „Was ist denn passiert?????“ und „Sind die Ärzte denn alles Idioten????“ war oft vertreten. Klar, daß die andere kein Interesse daran hat. Und den AB an hat und nicht rückruft.

Aber dann trotzdem von den Leuten – die ja auch trauern – zu erwarten, daß sie „richtig“ reagieren … das widerspricht irgendwie meinem libertanischen Gemüt. Und irgendwie auch der Logik. Woher sollen die Leute denn wissen, was sie braucht, wenn sie nicht einmal immer antwortet?

„Aber die kennen mich doch! Sind doch Freunde!“ hat sie auf meine Frage geantwortet. Nun ja. Aber a) warst Du immer eine extreme Telephonpersönlichkeit und b) bist Du in einer Extremsituation. Da können Außenstehende nicht wirklich abschätzen, was Du genau brauchst. Also gehen sie davon aus, daß es das Telephon ist.

Ich sehe da ein grundsätzliches Problem, das mir in allen Bereichen meines aktuellen Lebens über den Weg läuft: (Fremdbestimmte) Struktur, und das Verlassen darauf, daß die Mitmenschen derselben Struktur folgen. Und dann eine Wertung machen, wenn’s halt nicht so ist. Dazu mache ich vielleicht auch mal einen Thread auf, das beschäftigt mich seit Wochen doch sehr …

Anyway. Danke für die bisherigen Beiträge!

Best,
-Sascha

P. S. Symptom – finde ich toll, daß Du Hospizarbeit leistest. Meine Frau starb auch im Hospiz, und als ich dann die Rechnung bekommen habe (privatversichert), mußte ich doch den Kopf schütteln. Ich weiß nicht, wie die ohne Spenden und freiwillige Mitarbeiter über die Runden kommen würden. Entsprechend werde ich spenden, sobald ich ans Geld komme. Und wohl auch die (grauenhaften) Website-Texte überarbeiten, ehrenamtlich … -.rb

Black-Scorpion
2009-04-02, 20:33:46
Hallo Sascha,

mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Entschuldige das ich es nicht früher getan habe. War die letzten Wochen durch den Wind und habe nicht realisiert was passiert ist.

Zum Thema

Ich kenne keine Regel wie und wann man mit Trauernden Kontakt aufnimmt. Zumal jeder anders trauert und versucht damit umzugehen. Es gibt schon zuviele Regeln für alles mögliche, da braucht es gerade in diesen Situationen mit Sicherheit keine. Es gibt Sachen die sich eingebürgert haben, wie z.B. eine Karte mit Geld oder Blumen zu schicken. Ich wüsste auch keinen Grund warum man nicht auch anrufen sollte.

Nochmal mein herzliches Beileid und die Ruhe und Kraft die du brauchst.

Wolfram
2009-04-02, 21:12:16
Ist es in Deutschland tatsächlich Sitte, daß man a) NICHT anruft und b) IMMER Karten und Briefe schreibt? Hatten wir also nur „Pech“ mit den Bekannten und Verwandten?
Ich habe noch nie auf eine Traueranzeige schriftlich geantwortet. Und angerufen nur bei Leuten, mit denen ich sowieso regelmäßig in Kontakt stehe. Und bin dann zur Beerdigung gegangen. Und das dürften zumindest die meisten Leute, die ich kenne, genauso machen.

Immer noch sehr verbreitet ist der Glaube, dass man die/den Trauernden alleine lassen soll, damit er den Verlust verarbeiten kann. Ich bin der Meinung, gerade dann braucht man Halt, jemanden zum reden.
Woher soll man den bekommen, wenn sich alle aus gut gemeinter Pietät abwenden?
Oder weil ihnen die Situation unangenehm ist, was ich auch normal finde. Wenngleich auch schwach.

Panasonic
2009-04-02, 21:30:23
In meiner Familie ist es üblich, dass jede Form der Teilnahme anerkannt wird, da wir uns alle mit unseren Verschiedenheiten akzeptieren. Die von Dir beschriebenen Eskapaden sind mir absolut unverständlich und nicht nachvollziehbar.

Symptom
2009-04-02, 22:04:37
Oder weil ihnen die Situation unangenehm ist, was ich auch normal finde. Wenngleich auch schwach.

Ich würde es nicht als schwach bezeichnen, da dieses unangenehme Gefühl meistens aus der Unsicherheit entsteht, wie man damit umgehen soll, weil man vielleicht das erste Mal in so einer Situation steht.
Hat imho nichts mit Schwäche zu tun. Jeder erlebt Situationen, in denen er nicht weiß, wie er sich verhalten soll und nicht jeder kann daraus offensiv agieren.

Armaq
2009-04-02, 23:36:43
Ich würde sagen, du legst den Maßstab fest. Was du für gut und richtig hälst ist es auch.

Hamster
2009-04-03, 00:31:54
Mein aufrichtiges Beileid.

Loci
2009-04-03, 01:28:53
Hallo nggalai


Erstmal auch von mir mein Herzlichstes Beileid.
Nun ich muss zugeben ich kenne die Mentalität von Schweizern nicht, hatte bisher nie mit einem zu tun, noch kenne ich die Bräuche und Sitten in der Schweiz.
Was ich allerdings sagen kann ist, das die Mentalität von Deutschland Extrem unterschdlich zu dingen sein kann, die man von sich oder seinen Landsleuten her kennt.

Am Ende musst du bzw. deine Verwanten darüber entscheiden was angemessen ist oder nicht. Aus meiner sicht als Österreicher, kann ich nur sagen, das mir persönlich weder eine Karte noch ein Telefon anruf aufstoßen würde, denn am Ende zählt eigentlich nur, DAS man sich gemeldet hat. Allerdings in einem Zeitraum wo es auch logisch ist.
Wenn wie du schreibst manche sich erst Wochen später melden, sie aber garantiert vom Todesfall informiert waren, dann empfinde ich das als sehr Traurig und wenig Verwandschaftlich, je nachdem welchen Grades.

Gast
2009-04-03, 04:20:20
Ist es in Deutschland tatsächlich Sitte, daß man a) NICHT anruft und b) IMMER Karten und Briefe schreibt? Hatten wir also nur „Pech“ mit den Bekannten und Verwandten?
Da stellst du eine schwierige Frage. Wenn du eine korrekte Antwort haben willst, mußt du auch schreiben, WER genau sich jetzt über WEN aufregt. Ich nehme mal an, daß es eine Deutsche ist, die sich über andere Deutsche aufregt. - Also keine Blutsverwandten von dir im eigentlichen Sinne.

Antwort zu a):
Ja - es ist tatsächlich üblich, daß man NICHT anruft, es sei denn, man ist mit der Verstorbenen oder dir verwandt oder unglaublich gut befreundet. Und wenn, dann sicher nicht erst nach Wochen. Wir sind hier in Deutschland und nicht in den USA, wo jeder tun und lassen kann was er will. Es hängt natürlich aber immer auch von der Situation ab. Es gibt Leute, die sind im wahrsten Sinne des Wortes 'einfach gestrickt' bzw. stammen aus sehr einfachen Verhältnissen oder dem Ausland und haben daher den Verhaltenskodex, der zwar regional unterschiedlich sein kann, aber überall in Deutschland besteht, nie erfahren. Eine zornige Reaktion deiner Bekannten ist aus meiner Sicht jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn man aufgrund der familiären/gesellschaftlichen Stellung des Anrufers davon ausgehen muß, daß er (als Deutscher) den Kodex kannte und er ihn entweder absichtlich oder aus Nachlässigkeit/Bequemlichkeit verletzte. Man muß allerdings auch zugeben, daß es Menschen gibt, die in gewissen Situationen schlicht überfordert sind und weil sie nicht wissen, WIE sie sich verhalten sollen, sich wie eine Schildkröte in ihr Häuschen zurückziehen und darauf hoffen, daß sie wenn sie nichts tun auch nichts verkehrt machen. Ich glaub nicht, daß dich die Leute kränken wollten, indem sie dich erst nach Wochen angerufen haben. Ich glaube, die waren vielleicht wirklich so entsetzt, daß sie nichts falsch machen wollten. War der Tod deiner Frau denn überraschend?

Ich habe für dich (als Nichtdeutschen) beim MDR eine Zusammenfassung gefunden, die jedoch das absolute Minimum an Regeln darstellen dürfte, die von Deutschen in Deutschland im Trauerfall zu befolgen sind:

Schriftlich kondolieren

· Wenn Sie die Nachricht vom Tod eines Bekannten erhalten, können Sie sich umgehend schriftlich äußern, ob Sie persönlich angeschrieben wurden oder nicht.
· Verwenden Sie keinesfalls Papier mit schwarzem Rand, das ist den Hinterbliebenen vorbehalten.
Schreiben Sie persönlich. Ein vorgedrucktes "Aufrichtige Anteilnahme" mit einer Unterschrift bringt keinen Trost. Ein Fax ist undenkbar. Ein Anruf ist nur zur Ankündigung eines Besuchs, zum Anbieten von Hilfe oder bei sehr nahestehenden Personen sinnvoll.
· Stellen sie einen Bezug zwischen Ihnen und dem/der Verstorbenen her, wünschen Sie Kraft und Hoffnung.

http://www.mdr.de/hier-ab-vier/rat_und_tat/3592.html

Antwort zu b):
Nein, es ist nicht üblich Karten und Briefe zu schreiben. Wenn man allerdings den 'schwarzen Brief' erhält, MUSS (meine Meinung) UMGEHEND (1 Woche) SCHRIFTLICH geantwortet werden. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.

Auch wenn hier vielleicht viele (du selbst vielleicht auch) mit dem Kopf schütteln. Je nachdem aus welcher Familie man stammt, hat ein Brief in einer solchen Situation eine Bedeutung, die weit über seinen informellen Inhalt hinausgeht. Genauso wie zB. der Ring am Finger eines Menschen nicht immer nur hübsch anzusehen ist. Die Verletzung solcher ungeschriebenen Regeln kann schwerwiegende gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. - Natürlich nur, wenn man selbst Teil der deutschen Gesellschaft ist.

Falls ich deinen Post richtig deute, haben sich einige Leute aus deiner Verwandtschaft/Bekanntschaft dir und der Verstorbenen gegenüber UNMÖGLICH benommen. Damit wurde nicht nur die Ehre der Verstorbenen verletzt, sondern die Ehre der gesammten Familie. Du kannst das vielleicht nicht nachvollziehen, da du kein richtiger Deutscher bist. Wenn sich allerdings eine Person (die du nicht nennen willst) über das Verhalten aufregt, solltest du in Erwägung ziehen, dass diese Person möglicherweise (vom Standpunkt eines Deutschen aus betrachtet) im Recht ist. Auf alle Fälle kann ich dir nur empfehlen diese Person nicht durch unbedachte Äußerungen noch weiter zu kränken, als dies durch andere -sicher ungewollt aber in großer Gedankenlosigkeit/Hilflosigkeit- offenbar bereits geschehen ist.

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Ich halte es nicht für angemessen, dir an dieser Stelle und in diesem Rahmen zu kondulieren. Ich kenne weder dich, noch die Verstorbene. Dennoch macht mich die Nachricht vom Tod deiner Frau sehr betroffen. Hierdurch werden Erinnerungen in mir aus meinem eigenen Leben wieder wach, die ich weit weit wegschieben möchte. Es tut mir sehr Leid für dich und deine ganze Familie. Daß einige aus deiner Sicht vielleicht überreagieren, zeigt mir, wie groß der Schmerz wirklich ist. Du bist keineswegs 'im falschen Film' - du bist hier in Deutschland. Jeder trauert auf seine Weise. Manche trauern still und ziehen sich in sich selbst zurück - andere 'schlagen um sich'. Es hängt ein bischen davon ab, wie der Mensch 'emotional gebaut' ist.

Naja - manche eurer Freunde/Bekannte haben es NICHT richtig gemacht. Bestimmt nicht aus böser Absicht. Du, und alle die hier lesen, wissen jetzt, wie man es besser machen kann, wenn man in Deutschland ist.

Kinman
2009-04-03, 10:29:43
Auch von mir mein Beileid.

Ich persönlich finde einen Anruf oder persönliches Vorbeikommen sehr viel persönlicher als eine Karte.

Dimon
2009-04-03, 10:47:06
Obwohl ich dich nicht kenne möchte ich trotzdem mein Herzliches Beileid aussprechen, habe es leider nicht mitbekommen..

Das Verhalten dieser Person ist nicht ganz normal....

Ich persönlich finde einen Anruf oder persönliches Vorbeikommen sehr viel persönlicher als eine Karte.


Ich auch !!!

Nimm dir soviel Zeit die du brauchst...


Ich wünsch dir noch sehr viel kraft um diese schwere Zeit gut zu überstehen...

mfg Dimon

nggalai
2009-04-03, 20:51:34
Dank Euch, besonders auch Danke an den Gast.

Eventuell also wirklich ein Kulturproblem? Wobei, die besagte Person verhält sich momentan so für mich unverständlich, daß ich da nicht sicher sein kann. Ich versuche, es nachzuvollziehen, aber es fällt mir schwer. Vielleicht doch ein Generationsproblem? Ich weiß es nicht. Ich versuche einfach, sie etwas zu stützen. Und kein Gesicht zu verziehen, wenn die Nachricht kommt: „Jo, er hat auf den Brief reagiert, aber seit drei Wochen keine anderen Briefe geschrieben, sondern nur angerufen!!“

Aber jeder trauert anders. Ich habe trotzdem ein Problem damit, wenn jemand gemäß der Regeln von Gast gehandelt hat, aber dann runtergemacht wird, weil er sich ein paar Tage bis Wochen nicht nochmals gemeldet hat. Als wäre es selbstverständlich, daß sich jetzt 80 Leute um Dich kümmern würden. Ja, 80. Die Briefe gingen unter anderem auch an den Augenarzt, Nachhilfeschüler und Handwerker raus. Wären es alles enge Verwandte gewesen, nun gut. Dann könnte ich den ire verstehen. Aber so?

Vielleicht bin ich wirklich zu schweizerisch, aber ich kann nicht von allem und jedem erwarten, daß er sich voll auf mich einstellt, weil ich trauere. Vielleicht bin ich nicht zu physikalisch dafür. Besagte Person möchte z. B. den Grabschmuck nach einem Monat in den Garten legen, bis er komplett verrottet ist …

Vielleicht bin ich doch zu jung dafür. Ich weiß es nicht.

Best,
-Sascha

Davion
2009-04-03, 21:14:50
Dank Euch, besonders auch Danke an den Gast.

Eventuell also wirklich ein Kulturproblem? Wobei, die besagte Person verhält sich momentan so für mich unverständlich, daß ich da nicht sicher sein kann. Ich versuche, es nachzuvollziehen, aber es fällt mir schwer. Vielleicht doch ein Generationsproblem? Ich weiß es nicht. Ich versuche einfach, sie etwas zu stützen. Und kein Gesicht zu verziehen, wenn die Nachricht kommt: „Jo, er hat auf den Brief reagiert, aber seit drei Wochen keine anderen Briefe geschrieben, sondern nur angerufen!!“

Aber jeder trauert anders. Ich habe trotzdem ein Problem damit, wenn jemand gemäß der Regeln von Gast gehandelt hat, aber dann runtergemacht wird, weil er sich ein paar Tage bis Wochen nicht nochmals gemeldet hat. Als wäre es selbstverständlich, daß sich jetzt 80 Leute um Dich kümmern würden. Ja, 80. Die Briefe gingen unter anderem auch an den Augenarzt, Nachhilfeschüler und Handwerker raus. Wären es alles enge Verwandte gewesen, nun gut. Dann könnte ich den ire verstehen. Aber so?

Vielleicht bin ich wirklich zu schweizerisch, aber ich kann nicht von allem und jedem erwarten, daß er sich voll auf mich einstellt, weil ich trauere. Vielleicht bin ich nicht zu physikalisch dafür. Besagte Person möchte z. B. den Grabschmuck nach einem Monat in den Garten legen, bis er komplett verrottet ist …

Vielleicht bin ich doch zu jung dafür. Ich weiß es nicht.

Best,
-Sascha

Es gibt auch unzählige Regionalkulturen, in denen solche Dinge "traditioneller" gehandhabt werden. Niedersachsen ist recht groß und teilweise gibt es von Landkreis zu Landkreis schon erhebliche Unterschiede. Ich selbst wohne in Oldenburg, also einer größeren protestantisch linksbürgerlichen Stadt. Schon 20 km weiter ist man im tiefsten Cloppenburg, dem "schwärzesten" Landkreis Deutschlands und tief katholisch. Hier geht man noch jeden Sonntag in die Kirche und wenn jemand stirbt, nimmt das halbe Dorf an der Beerdigung teil. Für einen Oldenburger ist der Kulturschock hier schon riesig.

Das Auge
2009-04-04, 10:19:27
Ja, das stimmt. Gerade in erzkatholischen Gemeinden meint oft das ganze Dorf mehr oder weniger aufrichtige Anteilnahme bezeugen zu müssen. In Bayern kann das dann soweit gehen, daß für einen Verstorbenen das ganze Dorf über den Friedhof marschiert.
Ich finde das bescheuert, weil diese Beileidsbezeugungen eher heuchlerischer Natur sind und nur aus Tradition heraus gemacht werden, weil es eben jeder macht und man schief angeschaut wird, wenn man nicht dabei ist.

Ich persönlich denke, das ein Trauerkodex nicht unbedingt nötig ist. Ich finde mit nahen Verwandten und sehr, sehr guten Freunden kann und soll man ruhig per Telefon oder persönlich in ständigem Kontakt stehen, vorrausgesetzt natürlich man will das. Für alle anderen reicht auch eine Karte mit dem Hinweis auf den Tod, wenn dann eine Karte zurückkommt (meistens der Fall) gut, wenn nicht mir auch egal. Auf Beileidsbezeugungen von flüchtigen Bekannten oder entfernten Verwandten, die eben nur aus einem Kodex heraus überhaupt antworten, kann man denke ich auch gut verzichten.

Letztlich muß jeder selber sehen, wie er/sie mit so einer Situation fertig wird. Von meinem persönlichen Standpunkt aus finde ich daher, daß die Hinterbliebene übertreibt, ob da jetzt eine Karte kommt oder nicht, davon kommt der verstorbene Mensch auch nicht zurück. Rede doch einfach mit ihr und frag sie, wie sie das sieht.

Daredevil
2009-04-04, 10:28:48
Auch von mir mein Beileid.

Ich persönlich finde einen Anruf oder persönliches Vorbeikommen sehr viel persönlicher als eine Karte.

Persönlichen auf jeden Fall, aber man sollte auch nicht zu egoistisch denken.
Wenn ich mir nun vorstelle das ich eine nah stehende Person verliere und im laufe der Woche 20-30 Verwandte telefonisch ihre Anteilnahme bekündigen, also für mich persönlich wär das nichts, ich müsste wohl erstmal selbst verarbeiten statt zich Millionen Verwandten zu beschreiben wie es einen geht, das können sich diejenigen wohl selber denken.
Ein Brief zeigt Anteilnahme ohne denjenigen Gefühlmäßig ein bewegendes unangenehmes Gespräch zu verwickeln, kommt halt auch drauf wie gut man die Person gekannt hat, was will man schon groß am Telefon sagen.
Ist aber irgendwie trotzdem ein zweischneidiges Schwert.

No.3
2009-04-04, 23:33:08
Eine Hinterbliebene regt sich super-tierisch darüber auf, daß es doch tatsächlich Menschen gibt, die nicht auf die ihnen zugeschickte Traueranzeige geantwortet haben.

Hallo Sascha,

ist die eine Hinterbliebene die eine von der Du schon desöfteren berichtet hast? Wenn ja, dann mach Dir darüber keinen Kopf.


Wie seht Ihr das mit dem Kontakt zu Trauernden? Eher zurückhaltend, oder viel Kontakt? Was ist bei Euch üblich? Karten über alles, oder lieber Anrufe? Oder stille Zurkenntnisnahme und dann vielleicht zwei Monate später mal nachfragen, wie es denn jetzt geht?

IMHO variiert das sehr stark. Eher grossstädtisch vs. ländlich, mehr/weniger religiös (katholisch) geprägt, usw etc pp.

Wie eng ist bzw. war die Beziehung zum Verstorbenen (zu dem/die Hinterbliebenen). Welcher Art war die Beziehung d.h. real-life Kontakt, hauptsächlich Telefon, Briefkontakt, oder heutzutage modern über Internet etc usw pp. wohnte/lebte man weit weg voneinander.
Oder aber z.B. wie gratulierte man sich gegenseitig zum Geburtstag?!

"Klassisch", "Historisch", schreibt man wohl einen Brief (Karte). IMHO aber je mehr der Kontakt zwischen dem Verstorbenen und den Leuten die sich nun "melden" möchten sich der modernen Möglichkeiten bedienten, desto eher kann man diese Möglichkeiten auch in so einer Situation nutzen. Wie gesagt, IMHO.

IMHO sollte man ggf aber auch die Persönlichkeit des Verstorbenen "berücksichtigen", gut, das gilt für bzw das können nur nahe Verwandte/Bekannte weil man den Verstorbenen hierfür gut kennen muss.
Ich formuliere es mal so, jemand kann viel "online leben" aber ein dennoch "Gentleman alter Schule" sein. Hier wäre es dann online hin, online her, IMHO passend einen "oldschool" Brief zu schreiben.



uff, um es nochmal kurz zusammenzufassen, IMHO ist es sehr individuell. Auf der einen Seite davon abhängig wie das Verhältnis des Betreffenden zum Verstorbenen war, auf der anderen Seiten wie das Verhältnis zu den Hinterbliebenen war.