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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie entschlüsselt man tote Sprachen?


{655321}-Hades
2009-04-11, 16:34:42
Hallo,

vielleicht ist ja irgendein Linguistiker in Forum. Ich frage mich gerade, wie man tote Sprachen entschlüsseln und übersetzbar machen kann. Latein war in dem Sinne ja nicht tot, sondern wurde permanent verwendet. Aber wie hat man ägyptische Hieroglyphen entziffert oder Maya-Schriften?

.edit: Doch, Latein ist per Definition tot, weil es keine Muttersprachler mehr gibt. Aber ich meine jetzt tatsächlich Sprachen, die keinerlei Anwendung mehr fanden.

Maki
2009-04-11, 16:46:07
Die Hieroglyphen wurden doch anhand des Steins von Rosette entschlüsselt. Da stand der gleiche Text in drei Sprachen. Und das griechische war so gut zu lesen, dass damit gearbeitet werden konnte. http://de.wikipedia.org/wiki/Stein_von_Rosetta
Latein ist ja noch nicht so lange tot, außerdem lebt's in anderen Sprachen weiter. Dann war es ja lange die Sprache der Gelehrten.

Monger
2009-04-11, 16:57:08
Zu ägyptisch kann ich was sagen. Das war nämlich tatsächlich ein riesengroßer Glücksfall.

Bereits damals wurde ja im gesamten Mittelmeerraum internationaler Handel betrieben. Da die meisten Sprachen zumindest Anleihen aus dem griechischen oder Latein haben, und die Schriftwechsel ziemlich lückenlos waren, konnte man sich da schon ein sehr genaues Bild machen wo und wie sich die Sprachen auseinander entwickelt haben, und welche Wörter jetzt zusammengehören.

Ägyptisch war da eine Ausnahme. Aufgrund irgendwelcher Reformen ging sowohl die Schrift als auch die Sprache praktisch über Nacht unter. Aber man hat dann eben doch noch eine Steintafel gefunden, auf der irgendeine Rechnung in drei Sprachen niedergeschrieben wurde: in griechisch, aramäisch (afaik) und ägyptisch. Aramäisch und griechisch kannte man bereits, und konnte daraus auch schließen dass alle drei Sprachen das selbe bedeuten sollte. Das war dann der zentrale Schlüssel dafür um die Hieroglyphen zu entziffern. und sobald man erstmal ein paar Worte kennt, kann man sich den Rest aus dem Zusammenhang langsam erschließen. An Texten hat es ja auch da nicht gemangelt.

Latein war sehr simpel, weil es a) ja nie wirklich ausgestorben ist. Für einen Gelehrten oder Geistlichen gehörte es seit Untergang des römischen Reiches dazu auch Latein lesen zu können. und b) ist nach wie vor der lateinische Wortstamm in allen westeuropäischen Sprachen dermaßen stark, dass es nicht schwer ist da den passenden Wortstamm zu ermitteln.

Edit: Argh, zu spät! :D

Maki
2009-04-11, 16:58:58
@ Monger: Du meinst eben den Stein von Rosette.

Monger
2009-04-11, 17:02:36
Jo, meinte ich. Kam nur nicht auf den Namen. Hab auch allerdings das mit dem Text durcheinander gebracht. Es gibt noch andere Steintafeln und Texte - von Rechnungen bis Kochrezepten war da alles vertreten! ;)

sw0rdfish
2009-04-11, 17:12:05
Naja, wie schon gesagt, man muss halt irgendeinen Anhalt haben, oder eine Sprache verstehen die verwandt ist. Wenn man gar keine Ahnung hat und nur seltsame Zeichen vor Augen, wie soll man die dann schon deuten? Das mit Ägyptisch war in der Tat Glück.

lg

darph
2009-04-11, 17:36:39
von Rechnungen bis Kochrezepten war da alles vertreten! ;)
Linear B! (y)

Der einzige Grund, warum man die Schrift halbwegs entziffern konnte, war, weil die Tontafeln beim Hausbrand gebacken wurden.

Trap
2009-04-11, 17:36:55
Man kann auch ganz ohne irgendwelche geschriebenen Hinweise arbeiten, ist aber viel mehr Arbeit und man bekommt nur eine mögliche Übersetzung, nicht unbedingt die richtige.

Einfach irgendwelche Regeln aufstellen und gucken ob sich die Texte damit sinnvoll übersetzen lassen.

Bei der Maya-Schrift hat man allerdings auch ein paar winzige Hinweise gehabt: http://en.wikipedia.org/wiki/Maya_script#History

daflow
2009-04-13, 10:58:17
Hab dir da jetz keine wissenschftlichen Quellen, aber das ist, was mein Hirn dazu aus Dokus, Vorlesungen, Reisen etc. ausspuckt:

Schrift wurde ja nich immer so inflationär genutzt wie heute, will heißen es waren tendentiell "bedeutendere" Dinge für die jeweilige Kultur, die schriftlich festgehalten wurden. Oft war auch nur ein Bruchteil (z.B. Gelehrte, geistliche Führer) des jeweiligen Volkes des Lesens und Schreibens mächtig. Anhaltspunkte wovon der Text handelt können also z.B. liefern:
- Was weiß man über die Kultur (oft ist ja aus Texten/Überlieferungen anderer Kulturen etwas bekannt über deren Kriege, Götterwelt, Ausbreitung...)?
-> Was hat diese Kultur zur Zeit des Schriftstückes beschäftigt?
- Gibt es Bilder, Statuen oder sonstiges, was Hinweise zum Fundort ermöglicht?
- Wo wurde das Schriftstück gefunden (Tempel, Palast, Lehmhütte, Waffenkammer, Grab ...?)
- Mit welchem Material festghalten (was sagt das über das Schriftstück/die Kultur aus)?
- Gibt es weitere Schriftfunde, wenn ja, selbe Fragen wie oben + wo kommen gleiche Symbole/Wörter vor?
- Gibt es evtl. bekannte verwandte Sprachen oder zumindest Alphabete mit gleichen/ähnlichen Buchstaben/Symbolen?

So kann man sich Schritt für Schritt an den Text/dessen Übersetzung herantasten...

Hier noch ein Beispiel inklusive indoeuropäischem Sprachbaum: http://www.g-heinrichs.de/hethitisch/Kapitel_8.pdf