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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Harte Themen beim lockern Zusammensein


Gast
2009-05-04, 00:13:27
Nun, mir ist heute etwas passiert, das ich noch nicht ganz einordnen kann.

Ich (Mitte zwanzig, männlich) war also auf der Geburtstagsfeier (ein dutzend Personen am Tisch) meiner älteren Großtante (+70) und die Themenwahl war (auch entsprechend der meisten anwesenden Person, +40) recht einfach gehalten. Urlaubsgeschichten, das Wetter und die Lage des Restaurants bestimmten so in etwa den Gesprächsstoff.

Irgendwann wurde seicht das Thema 'Sicherheit' (Im Sinne von versus 'Freiheit') angesprochen, doch manchmal brauchtet man ja einem Menschen nur ein Schlagwort vor die Nase werfen, und er fängt an zu "sprudel". Ich sprach also 1984 an und das Orwell sich wahrscheinlich im Grabe umdreht und argumentierte sachlich nüchtern das gefährliche Potential, dass sich aus moderner IT (ich komm aus dieser Ecke) ergibt: Handy-Triangulation, das Maut-System und die Biometrie. Ich hatte das Gefühl, dass (wenigstens ein bischen) überzeugte. Ich sprach also ebenso das Thema an, weil dieses gerade aktuell ist, was sich aber nachher als Tabu herausstellen sollte, an: Die Kinderpornographie-Sperre.

Sachlich nüchtern wiederrum, sagte ich, dass diese aus drei Gründen 'Schwachflug' ist, die ich auch aus den Kritiken zu diesem Thema aufgeschnappt habe: Das diese Sperrung keinerlei Taten verhindert, sie lediglich nicht sichtbar macht, sie technisch nicht sehr wirkungsvoll ist und das damit das Tor zur Zensur geöffnet wird (Wir waren ja beim Thema 'Sicherheit'). Ja, dort saßen auch Mütter und die gute Großtante hat das auch mitverfolgt.

Wogen auch keiner überhaupt argumentativ gegen gehalten hat. Lediglich die etwas mürrisch Antwort eines Gesprächspartners, das dies ein einfache Feier sei und man sich über sowas hier nicht unterhalten müsste, sondern lieber über die Farbe des neuen Autos. Nachdem ich schon etwas defensiv sagte, dass man darüber ja nur diskutiert, bin ich dann auch nicht weiter drauf eingegangen, da ich ja meinen Standpunkt auch schon verdeutlicht hatte.

Doch juckt es mich nun, ob mein aufbringen dieses Themas unsensibel war. Vielleicht unangebracht, den Müttern gegenüber; Sie damit zu konfrontieren in dieser Runde? Die Großtante damit zu schwer belastet zu haben? Oder war es normal, so ein Thema anzusprechen? Gar mutig, Farbe zu bekennen? Nicht Ja zu sagen? Argumentativen Scharfsinn zu beweißen, der über 'Bild' hinausgeht?

PS, bitte keine Diskussion über das für und wieder der Kipo-Sperre, dafür gibt es ja andere Threads.

Daredevil
2009-05-04, 02:57:41
Ich denke nicht das du dich dort schlecht fühlen musst nur weil du über dieses Thema diskutieren wolltest. Das Ding ist aber das eben viele Menschen dieses Thema sehr heikel nehmen und ihnen unangenehm ist, so das es wahrscheinlich auf der Geburtstagfeier keine gute Stimmung verbreitet wenn man das großflächig breit tritt.
Da will man wie du schon sagtest nur hören wie toll die Welt ist *naiv* und nicht über die dunklen Themen der Welt reden.

doublehead
2009-05-04, 04:32:44
Kommt immer drauf an. Wenn man merkt dass Leute ernsthaft an einer Diskussion interessiert sind, kann man das auch auf einer Feier anschneiden. Manchmal ist es den Leuten sogar ganz recht, wenn es nicht zu seicht wird.
Aber wenn man schon so einen Kommentar kassiert wie Du, dann ist es wohl besser nicht weiter zu argumentieren. Man bewirkt dann eh nichts mehr in den Köpfen, sondern wird schnell in die Schublade "Wichtigtuer" gesteckt.

Ob man dann in Zukunft überhaupt noch mit diesen Leuten ernsthaft diskutieren möchte, muss man dann selber abwägen.

Vanilla
2009-05-04, 07:15:05
Ich bin der Meinung, das solche Themen nicht generell verboten sind, aber du hättest aus der Zusammensetzung der Gäste erkennen können dass das Thema nicht angebracht ist. Und das hast du im nachhinein ja auch. Es hat sich keiner näher mit dem Thema beschäftigt denn es ist nun mal zumindest ein "Pfui-Thema".
Du kannst davon ausgehen, das diese Leute sich auch zu einem anderen Anlass nicht mit dir darüber unterhalten hätten und die Feier nur vorgeschoben haben. Die einzige Meinung die sie dazu haben ist "klar bin ich gegen Kindesmissbrauch" und das ist keine Diskussionsgrundlage. Wenn das Wort nur fällt ist bei den meisten Eltern halt Schluss egal was dahinter steht.

Simon Moon
2009-05-05, 04:47:51
Hatte neulich eine sehr, sehr ähnliche Situation. Ich war meine Eltern und ein mit ihnen befreundeten Pärchen in den Skiferien besuchen. Beim Abendessen fiel das Thema dann auch aufs Internet. Genauer, darum, ob Internetmagazine an die Seriosität von Printmedien herankommen (was ja per se schon eine Frage ist, die man eigentlich nur mit unmündigen, nicht denkenden Individueen diskutieren muss). Ich argumentierte damit, dass Printmedien meist einer Zensur durch den Redaktionschef unterlegen sind und Internetmedien ein wesentlich breiteres Spektrum an Meinungen bieten. Die Gegenargumentation war, dass Internetmedien alles behaupten können ohne dafür zur Haftung gezogen zu werden.
Ich argumentierte dann dagegen, dass man dem Bürger die Mündigkeit zusprechen sollte, über die gelesenen Inhalte selber zu entscheiden wie wahrheitsgemäss und sachlich sie sind. In diesem Moment nun unterbrach mich der Gatte des befreundeten Pärchens meiner Eltern und fragte mich, ob ich, wenn ich gegen Zensur wäre, denn Kinderpornos befürworten würde.
Mehr oder weniger verdutzt von diesem themenfremden, absurden Vorfwurf, der zweifellos dem Konsum von zuviel Blick (ch. Bild) und Alkohol zu verdanken war, antwortete ich eben auch das Argument, dass man mit einer Zensur wohl keine Taten verhindern würd und das scheinheillig sei. Aber es war zu spät, meine Antwort zu energisch (durch die Überraschung) und nach etwa zwei drei weiterer absurder Sätze, die wohl einzig dem polemischen Zweck dienten mich zu denunzieren, meinte der Guteste er verschwinde in sein Hotelzimmer. :ugly:


Den Rest des Abends durfte ich mir dann was über "Erfahrung des Alters", "übermütigen Diskussionstil" und andere absurde Gedanken anhören... naja, wenn das nächste mal das Gespräch aufs Internet kommt, sag ich ihnen gleich dass, sie mich mal können und sich gefälligst selber schlau machen sollen, wenn sie ihn ihrer altererwürdigen Weisheit doch über alles erhaben sind. Leider auch welche von der Sorte "wenn du nichts zu befürchten hast" ... wobei ich über den Gutesten mittlerweile eine Reihe unschöner Geheimnisse erfahren habe - kein Wunder ist der Depp für Zensur :uclap:

Monger
2009-05-05, 10:14:50
Bei unseren Familienfeiern haben wir den Spruch (mein plattdeutsch ist leider nicht ganz zielsicher):

"Bei Religion und Politik, holt di Mul, and freit di dick."
(Bei Religion und Politik, halt dein Maul und fress dich dick)

Hintergrund ist, dass diese beiden Themen fast todsicher irgendjemanden auf die Palme bringen, und meistens ohne Ergebnis bleiben. Größere Gesellschaften sind einfach nicht dazu geeignet, solche Themen zu diskutieren. Politik und Religion sind Privatsache, die gelten z.B. auch bei Geschäftsessen als Tabu.

So gesehen kann ich schon nachvollziehen, dass die Verwandtschaft des TS da wohl empfindlich reagiert hat.

Vanilla
2009-05-05, 11:16:43
Ja, der Großteil der tiefer gehenden Themen ist in solch einem Kreis ungeeignet, das finde ich zwar schade (da ich gerne über solche Themen sachlich diskutiere), ist aber nicht anders möglich da durch die sehr unterschiedliche Zusammensetzung der Personen es schnell unsachlich wird (Zudem gibt es ja auch oft Alkohol). Und da essen nicht zu meinen Hobbys gehört, ist meine Teilnahme an Familienfeiern auch sehr zurück gegangen.

[fu]121ah@work
2009-05-06, 09:37:34
....
Doch juckt es mich nun, ob mein aufbringen dieses Themas unsensibel war. Vielleicht unangebracht, den Müttern gegenüber; Sie damit zu konfrontieren in dieser Runde? Die Großtante damit zu schwer belastet zu haben? Oder war es normal, so ein Thema anzusprechen? Gar mutig, Farbe zu bekennen? Nicht Ja zu sagen? Argumentativen Scharfsinn zu beweißen, der über 'Bild' hinausgeht?

PS, bitte keine Diskussion über das für und wieder der Kipo-Sperre, dafür gibt es ja andere Threads.
gut gemacht. hät ich auch gesagt, man sollte die menschen auf solche tatsachen und gegebenheiten hinweisen, wenn sie selbst den scharfsinn oder das wissen nicht besitzen. egal wo, egal wann.