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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : An die (auch ehemaligen) Mitglieder der Bundeswehr


Thanatos
2009-06-15, 00:59:39
Grüßt euch,


erst vor kurzem habe ich Ralf Gehlers kleines Buch „EK, EK, EK - bald bist du nicht mehr da!: Soldatenkultur in der Nationalen Volksarmee“ gelesen, welches sich mit der Soldatenkultur der Wehrdienstleistenden innerhalb der „totalen Institution“ (Begriff definiert durch Erving Goffman) beschäftigt.

Hierbei ist der Gegenstand des Artikels die verschiedenen Bräuche der Wehrdienstleistenden und insbesondere die Analyse des Kults um die Zeit, welche das alles bestimmende Maß — auch des inoffiziellen Rangs der Soldaten untereinander — war.

So wurde die 18 monatige Dienstzeit in jeweils drei Zeitabschnitte eingeteilt, wodurch die Ränge „Glatte“ (Die Neulinge), „Bellos“ / „Vizes“ und letztendlich „EKs“ (offiziell „Erfahrener Kämpfer„, Soldatenjargon: „Entlassungskandidat“), entstanden, wobei sich die Ranghöhe nach der abgeleisteten Zeit richtete. Glatte waren daher unter den Soldaten immer ganz unten in der Hierarchie und „durften“ daher meist niedere Aufgaben wie das Sauberhalten der Stube besorgen, während die EKs sich einen faulen Lenz machten. Diese Strukturen waren schon so traditionell, dass es erwartet wurde, dass EKs befehlen und Glatte ausführen und EKs schnell in ihrem Ansehen sinken konnten, wenn sie Aufgaben für Glatte erledigten oder sich beteiligten.

Das Interessante an dieser sogenannten „EK-Bewegung“, wie sie auch den Befehlshabern bekannt war und durch diese toleriert bzw. sogar gefördert wurde, sind die vielfältigen und überlieferten Rituale, welche in vielen Kasernen sehr ähnlich abliefen, und oftmals einen sehr sakralen Charakter hatten.

So gab es bei dem Übergang zum Vize und zum Glatten verschiedene Zeremonien, wie z.B. den „Vizeschlag“ wo der Glatte mit einer ausgehängten Spindtür auf das Hinterteil zum Vize geschlagen wurde und oftmals sich mit einigen Fragen als des Vizes würdig erweisen musste und er bei jeder falschen Antwort einen Schlag mit dem Gürtel oder der Spindtür, begleitet mit den Worten „Glatter warst Du, Vize bist Du, EK wirst Du“ bekam. Am deutlichsten wurde jedoch der Sakrale Charakter beim Anschneiden des Bandmaßes, wozu die Glatten in Unterwäsche samt Stahlhelm, auf dem eine Kerze brannte, Spalier standen und ein Vize, welcher meist in Paradeuniform angekleidet war, den EKs der Reihe nach das Maßband anschnitt, wodurch der an diesne befestigte Stahlhelm zu Boden fiel. Die Schere hierzu wurde meist auf einem reichlich verzierten Kissen dargereicht. So sieht man z.B. auch ein Bild mit einem EK, welcher Stolz sein Maßband präsentiert und eine Weitwurfkugel als Reichsapfel in der Hand hält, während im Vordergrund ein Glatter in Unterwäsche, Stahlhelm und Kerze auf dem Kopf kniet und auf der linken Seite ein Vize eine Topfpflanze hält, „damit sich der EK wohlfühlt“.

Abseits dieser wenigen, nur zur Illustration beschriebenen Rituale, hatten dann die verschiedenen Gruppen noch besondere Attribute, wie z.B. die Vizes den Vizering oder die Vizequitsche und die EKs ihr heiliges Maßband und das EK Glöckchen sowie in den letzten zehn Tagen die EK Kelle, welche ein flaschgeschlagener und bemalter Aluminiumlöffel war, welcher bei jeder Gelegenheit präsentiert wurde und oftmals Aufschriften wie „Ich gehe“ (grüner Hintergrund) auf der einen und „Komm doch mit!“ (roter Hintergrund mit einem im im Stacheldraht hängenden Totenkopf) auf der anderen Seite der Kelle.

Diese ganzen Dinge der Soldatenkultur innerhalb der NVA habe ich zur Illustration aufgezählt, damit man sich ein Bild davon machen kann worauf ich hinaus will. Der Autor erwähnte, dass in der Bundeswehr ebenfalls verschiedene Rituale gepflegt wurden und auch noch immer gepflegt werden, jedoch in einem deutlich abgeschwächteren Maße als in der NVA, da die Dienstzeit innerhalb der Bundeswehr doch etwas weniger restriktiv war und die Soldaten nicht so gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten waren, wie die Soldaten der NVA, was ein wichtiges Kriterium der totalen Institution ist, welche wiederum zur Bildung und Förderung dieser Rituale beitrug.

Daher wäre meine Frage an die (ehemaligen) Mitglieder der Bundeswehr, ob es ähnliche Rituale und Gepflogenheiten unter den Wehrpflichtigen gab und und vielleicht noch immer gibt.

ShadowXX
2009-06-15, 01:06:49
.....
Daher wäre meine Frage an die (ehemaligen) Mitglieder der Bundeswehr, ob es ähnliche Rituale und Gepflogenheiten unter den Wehrpflichtigen gab und und vielleicht noch immer gibt.
Zumindest unter Wehrpflichtigen (Bundeswehr) ist mir sowas nicht bekannt.....ich war allerdings bei der Luftwaffe (wonach riechen die beim Heer? Nach Dreckwasser, wonach riechen die bei der Marine? Salzwasser, wonach riechen die bei der Luftwaffe? Rasierwasser!....no offense;)) und kann deshalb nicht sagen ob beim Heer oder Marine andere Sitten herrschen/herrschten.

Ich weiß allerdings das bei der Feier zur Ernennung zum Unteroffizier (und wohl auch zum Feldwebel/Offizier) ziemlich "harte" (im sinne von Saufen bis zu Besinnungslosigkeit und ähnlichem) Dinger ablaufen, die aber wohl regional sehr unterschiedlich sind.

Genauer kann ich da nur bei einem Ritual bei der Ernennung von Soldaten in den Rang Unteroffizier in HH sein: Es gibt da dann ein Getränk was die andren aus allen möglichen zusammengestellt haben, was man trinken muss und danach muss man in den Uffz-See springen......wobei dies heutzutage wohl nicht mehr so ausgeführt wird (da das springen in den Uffz-See, da Höltigbaum inzwischen eine Naturschutz-Gebiet ist und kein Truppenübungsplatz mehr, nicht mehr möglich ist....was aus dem Sprengwald geworden ist würde mich trotzdem interessieren).
(Quelle: damaliger guter Freund....ich selbst war nur Unteroffizier der Reserve und das nicht mal richtig freiwillig...das wurde per "to volunteer somebody" gemacht. Ich musste trotzdem nur 15 Monate dableiben).

Lyka
2009-06-15, 01:16:12
als Heeresdienstleiter(-leider^^) kannte ich zwar die Geschichte des Maßbandes, habs aber selbst nie angewandt, kenne auch keinen. Es gab die Legende, daß ein EK, der erwischt würde, die auf dem Maßband übrigen Tage nachdienen müsse^^. Der Unterschied zwischen Grundi-Überlebenden und EK war bei uns auch nichtwährend des Dienstes vorhanden, lediglich der reine Dienstgrad war da entscheidend.
(zumindest in meiner Einheit (insgesamt 6 Leute^^))

Sven77
2009-06-15, 01:17:51
Zu meiner Zeit gabs solche Rituale schon, ich bekam aber nicht viel davon mit, weil ich kaum noch Kontakt zu Wehrpflichtigen nach der Grundausbildung hatte.

Aber bestätigen kann ich die knallharte Hierarchie, was Dienstzeit betrifft, auch über Dienstgrade hinweg. Ein Unteroffizier, der weniger Dienstzeit als einige Mannschaftsdienstgrade hatte, hütete sich diesen allzu sehr Vorschriften zu machen.

Annator
2009-06-15, 08:03:11
2003 habe ich nichts von solchen Ritualen mitbekommen. Auch nicht von gehört.

sun-man
2009-06-15, 08:24:51
Kanaltaufen, sowas kennt/kannte wohl fast jeder. Wobei sich im Nord-Ostsee-Kanal sowas zu meiner Zeit schon abschwächte da Anwohner sich beschwerten das da Leute im Pranger an der Kanone knieten :D
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ch meine man bekam als Ungetaufter ein "U" auf die stirn und durfte nicht mehr in den Mittelgang (Schnellboot). Alles aber irgendwie auf die "freundliche". Zum Tauftag hin musste einer der Getauften erstmal ein zwei Tage in Plastiktüten laufen, von denen wurde dann (nicht auf allen Einheiten) schonmal Käse gefuttert :D bevor man am Ende Neptuns Klöße schlucken musste. Aber auch da wurde etwas mehr darauf geachtet das z.B. kein Bilgenwasser genommen werden durfte. Alles Weicheier :D

Wer von einer Einheit ging, der ging auch von einer Einheit. Oft nur nicht über den Steg sondern über die Bordkante. Bei den Schnellbooten war das egal, die sind nur 2-3 Meter hoch bis zum Wasser. Bei den großen Einheiten natürlich verboten und wurde da auch nicht praktiziert. Im Winter wars blöd....so ne offenen Rehling mit Eis unten macht ein unschönes Geräusch wenn jemand über Bord geht. :D - Ist aber vermutlich ne Urban Legend das da mal jemand aufs Eis geschubst wurde. Im Herst hat es keinen Spaß gemacht ins kalte Naß zu gehen :D

Das erste mal 76mm geschossen? Kein Thema, geht alles. Allerdings hat man einen Tag Zeit um die Hülse glänzend und möglichst entbeult beim "Alten" vorzuzeigen. Strafe? Eigentlich keine....Potaken drehen oder dem Smut helfen :D

Eigentlich alles das übliche. Zumindest bei uns gab keine so groben Rituale.Im letzten Jahr als Ausbilder haben sowas eher die Rekruten gemacht, fanden die wohl toll. Allerdings ist und war nicht alles erlaubt und das ist wohl auch einer der Gründe weswegen es immer und immer mehr zurückgefahren wurde. Eine Beschwerde und Du hattest ein Problem. Selbst das Anfassen der Rekruten (Kragen richten oder so) musste vorher beim Mann erfragt werden.

iDiot
2009-06-15, 09:35:10
Hier in Österreich habe ich in meiner Grundwehrdienstzeit keinerlei solche Rituale festgestellt. Gab es irgendwas zu feiern (Ende der Grundausbildung, Beförderung zum gefreiten) wurde immer nur extremst gesoffen :D

Exxtreme
2009-06-15, 09:42:24
Ich war im Jahre 2000 auch bei der BW, bei der Luftwaffe. Rituale an sich gab es nicht. Neulinge wurden "Füxe" genannt aber ansonsten gab es wirklich nichts.

captainsangria
2009-06-15, 09:44:39
Hier in Ö gab es früher den äußerst beliebten und sogenannten “Maskenball”. Hier wird den Rekruten eine bestimmte Adjustierung befohlen, die sie dann innerhalb kürzester Zeit herstellen müssen. Und das öfters hintereinander. Es kann also vorkommen, dass man einen ganzen Abend (oder auch in der Nacht mittels Alarm) mit Raus- und Reinlaufen und Umziehen verbringt. Verschiedenen Möglichkeiten gibt es genug (Feldpullover, Plüschkappe,… und das mitten im Sommer). Der Maskenball und der oben erwähnte Vollzähligkeitsapell sind beliebte Mittel um Rekruten, bei denen nicht alles in Ordnung ist zu bestrafen, oder wie die offizielle Erklärung lautet: um versäumtes nachzuholen.

{655321}-Hades
2009-06-15, 10:00:39
Ich habe unter anderem genau darüber meine Abschlussarbeit geschrieben, Initiationsrituale beim Militär. Aus meiner Recherche kann ich blöderweise nur bestätigen, was du sagst. Wir haben auch so unsere Rituale gehabt auf der Militärakademie. Das Schlimme ist, dass man in der Rückschau immer denkt: "Ach, was waren wir eine fantastische Truppe, so eine bedeutende Zeit in meinem Leben." Dabei weiß man ganz genau, dass es mit die schlimmste Zeit überhaupt war. Aber naja, ich war ja in den USA, da ist der Ritualismus eh wesentlich stärker ausgeprägt. Die Bundeswehr hat eine sehr schwache soldatische Kultur.

"Hazing" ist in so ziemlich allen Armeen verboten, betrieben wird es trotzdem ohne Unterlass. Bei den Marines gibt es u.a. das Blood-Winging, da werden den frischgebackenen Fallschirmspringern die Flügel auf die nackte Brust geheftet. Gab blöderweise Videos davon (und ja, die waren hart), die Beteiligten sind vor's Militärgericht gestellt worden. Was hilft's, praktiziert wird's immer noch. Und es wird auch nicht aufhören.

iDiot
2009-06-15, 10:08:46
Hier in Ö gab es früher den äußerst beliebten und sogenannten “Maskenball”. Hier wird den Rekruten eine bestimmte Adjustierung befohlen, die sie dann innerhalb kürzester Zeit herstellen müssen. Und das öfters hintereinander. Es kann also vorkommen, dass man einen ganzen Abend (oder auch in der Nacht mittels Alarm) mit Raus- und Reinlaufen und Umziehen verbringt. Verschiedenen Möglichkeiten gibt es genug (Feldpullover, Plüschkappe,… und das mitten im Sommer). Der Maskenball und der oben erwähnte Vollzähligkeitsapell sind beliebte Mittel um Rekruten, bei denen nicht alles in Ordnung ist zu bestrafen, oder wie die offizielle Erklärung lautet: um versäumtes nachzuholen.

Glaub mir, den gab es nicht, den GIBT es :D

Nächste Adjustierung: Kampfanzug 3

DO SCHAUMA NED, DO LAFFMA SCHO!

captainsangria
2009-06-15, 10:09:39
offiziell nicht mehr :ulol:

bei uns haben die ausbildner dazu gesungen: steirerbluad is koa himbeersoft

(y)

EureDudeheit
2009-06-15, 10:47:39
War 2001 Wehrdienstleistender, da gabs es sowas nicht, außer ab und zu Besäufnisse. Da wurde den Nichtalkoholtrinkern dann schon öfters mal gesagt, sie sollten doch mal ein Bier trinken, aber richtig gezwungen wurde keiner.

_DrillSarge]I[
2009-06-15, 11:04:00
Ein Unteroffizier, der weniger Dienstzeit als einige Mannschaftsdienstgrade hatte, hütete sich diesen allzu sehr Vorschriften zu machen.
das ist heute auch nicht großartig anders. auf die neckermann-stuffze hört so richtig auch niemand und die werden von den DG auch manchmal "zurückgepfiffen". :D

Rooter
2009-06-15, 14:21:54
Initiationsriten gab es bei uns nicht wirklich, nein. Nur so ein paar Traditionen das z.B. die Abgänger (also die den Grundwehrdienst fast beendet hatten) den Vorgesetzten schon mal die Schulterklappen klauten oder einer vorbei marschierenden Gruppe laut "AAAAABGÄNGER!" zuriefen.

Was die Sauferei angeht war es da recht angenehm... die Bw ist ja quasi der einzige Arbeitgeber bei dem man mit Restalkohol durchkommt. Wenn man beim morgentlichen Antreten noch so gerade stehen kann das man nicht auffällig wird gab es nie Probleme! :ugly:

Ein Unteroffizier, der weniger Dienstzeit als einige Mannschaftsdienstgrade hatte, hütete sich diesen allzu sehr Vorschriften zu machen.War bei mir leider auch nicht so. Die 18-jährigen Unteroffiziere die, weil sie sonst wohl nix konnten, zum Bund gingen X-D, behandelten auch Gefreite die Jahre älter und nicht mehr wie sie selbst grün hinter den Ohren waren alle gleich.

MfG
Rooter

PHuV
2009-06-15, 15:41:02
Ich kenne (Jahrgang 1988/89) nichts davon. Mir sind nur die ganze Vize/Visten-Schreier unangenehm in Erinnerung!

JaDz
2009-06-15, 21:28:07
Wird heutzutage das Maßbandsaufen schon bei der Musterung durchgeführt? Oder wie lang ist der Wehrdienst jetzt?;D

Bei der aufklärenden Artillerie gabs damals Füchse, Rotfüchse, Vize, Ausscheider, …

Hucke
2009-06-15, 21:29:47
War 1995 beim Bund als Fernmelder und hab eigentlich auch keine Rituale erlebt. Gesoffen wurd gern mal und manche Leute haben auch gern mal einen übern Durst getrunken. Der gemeine Soldat musste da durch 'Wer saufen kann, der kann auch arbeiten ...' der Hauptmann und der Spieß haben bei nem Mörder Kater Freitags einfach früher den Laden dicht gemacht. Da hat dann auch keiner von uns einfachen Soldaten gejammert. :D

Vielleicht hab ich auch nicht viel mitbekommen weil ich gegen Ende der Grundausbildung erstmal zwei Monate die LKW Fahrschule besucht hab. Das war lustig, aber auch ohne Rituale.

Speznaz
2009-06-15, 23:46:19
ich selbst hab davon in meiner FWDL zeit nichts mitbekommen, allerdings gibt es durchaus uffz-taufen und auch äquatortaufen.
ich habe auch zwei mannschafter kennen gelernt die ihre fallschirmschwingen noch "blutig" bekommen haben. war aber wohl der letzte jahrgang wo das so praktiziert wurde. kann mir aber durchaus vorstellen das es in kampfverbänden, z.B. der infanterie, solche rituale durchaus ausgeprägter gibt. (was in meinen augen überhaupt nichts schlimmes ist)

Thanatos
2009-06-16, 16:22:17
Ich habe unter anderem genau darüber meine Abschlussarbeit geschrieben, Initiationsrituale beim Militär. Aus meiner Recherche kann ich blöderweise nur bestätigen, was du sagst. Wir haben auch so unsere Rituale gehabt auf der Militärakademie. Das Schlimme ist, dass man in der Rückschau immer denkt: "Ach, was waren wir eine fantastische Truppe, so eine bedeutende Zeit in meinem Leben." Dabei weiß man ganz genau, dass es mit die schlimmste Zeit überhaupt war. Aber naja, ich war ja in den USA, da ist der Ritualismus eh wesentlich stärker ausgeprägt. Die Bundeswehr hat eine sehr schwache soldatische Kultur.

"Hazing" ist in so ziemlich allen Armeen verboten, betrieben wird es trotzdem ohne Unterlass. Bei den Marines gibt es u.a. das Blood-Winging, da werden den frischgebackenen Fallschirmspringern die Flügel auf die nackte Brust geheftet. Gab blöderweise Videos davon (und ja, die waren hart), die Beteiligten sind vor's Militärgericht gestellt worden. Was hilft's, praktiziert wird's immer noch. Und es wird auch nicht aufhören.

Interessant. Wie ist hierbei die Struktur der Streitkräfte der U.S.A., also, ist die Institution der Armee sehr streng organisiert und den Soldaten dadurch relativ wenig Individualität und Privatsphäre gegönnt? Denn Herr Gehler postulierte, dass der Drang, sich eine art eigene Subkultur innerhalb des Militärs zu schaffen, würde in der stärke beeinflusst werden, wie sehr diese Institution die darin anwesenden Personen beherrscht und ihnen die Persönlichkeit nimmt.

JasonX
2009-06-17, 11:30:19
Grüßt euch,


erst vor kurzem habe ich Ralf Gehlers kleines Buch „EK, EK, EK - bald bist du nicht mehr da!: Soldatenkultur in der Nationalen Volksarmee“ gelesen, welches sich mit der Soldatenkultur der Wehrdienstleistenden innerhalb der „totalen Institution“ (Begriff definiert durch Erving Goffman) beschäftigt.

Hierbei ist der Gegenstand des Artikels die verschiedenen Bräuche der Wehrdienstleistenden und insbesondere die Analyse des Kults um die Zeit, welche das alles bestimmende Maß — auch des inoffiziellen Rangs der Soldaten untereinander — war.

So wurde die 18 monatige Dienstzeit in jeweils drei Zeitabschnitte eingeteilt, wodurch die Ränge „Glatte“ (Die Neulinge), „Bellos“ / „Vizes“ und letztendlich „EKs“ (offiziell „Erfahrener Kämpfer„, Soldatenjargon: „Entlassungskandidat“), entstanden, wobei sich die Ranghöhe nach der abgeleisteten Zeit richtete. Glatte waren daher unter den Soldaten immer ganz unten in der Hierarchie und „durften“ daher meist niedere Aufgaben wie das Sauberhalten der Stube besorgen, während die EKs sich einen faulen Lenz machten. Diese Strukturen waren schon so traditionell, dass es erwartet wurde, dass EKs befehlen und Glatte ausführen und EKs schnell in ihrem Ansehen sinken konnten, wenn sie Aufgaben für Glatte erledigten oder sich beteiligten.

Das Interessante an dieser sogenannten „EK-Bewegung“, wie sie auch den Befehlshabern bekannt war und durch diese toleriert bzw. sogar gefördert wurde, sind die vielfältigen und überlieferten Rituale, welche in vielen Kasernen sehr ähnlich abliefen, und oftmals einen sehr sakralen Charakter hatten.

So gab es bei dem Übergang zum Vize und zum Glatten verschiedene Zeremonien, wie z.B. den „Vizeschlag“ wo der Glatte mit einer ausgehängten Spindtür auf das Hinterteil zum Vize geschlagen wurde und oftmals sich mit einigen Fragen als des Vizes würdig erweisen musste und er bei jeder falschen Antwort einen Schlag mit dem Gürtel oder der Spindtür, begleitet mit den Worten „Glatter warst Du, Vize bist Du, EK wirst Du“ bekam. Am deutlichsten wurde jedoch der Sakrale Charakter beim Anschneiden des Bandmaßes, wozu die Glatten in Unterwäsche samt Stahlhelm, auf dem eine Kerze brannte, Spalier standen und ein Vize, welcher meist in Paradeuniform angekleidet war, den EKs der Reihe nach das Maßband anschnitt, wodurch der an diesne befestigte Stahlhelm zu Boden fiel. Die Schere hierzu wurde meist auf einem reichlich verzierten Kissen dargereicht. So sieht man z.B. auch ein Bild mit einem EK, welcher Stolz sein Maßband präsentiert und eine Weitwurfkugel als Reichsapfel in der Hand hält, während im Vordergrund ein Glatter in Unterwäsche, Stahlhelm und Kerze auf dem Kopf kniet und auf der linken Seite ein Vize eine Topfpflanze hält, „damit sich der EK wohlfühlt“.

Abseits dieser wenigen, nur zur Illustration beschriebenen Rituale, hatten dann die verschiedenen Gruppen noch besondere Attribute, wie z.B. die Vizes den Vizering oder die Vizequitsche und die EKs ihr heiliges Maßband und das EK Glöckchen sowie in den letzten zehn Tagen die EK Kelle, welche ein flaschgeschlagener und bemalter Aluminiumlöffel war, welcher bei jeder Gelegenheit präsentiert wurde und oftmals Aufschriften wie „Ich gehe“ (grüner Hintergrund) auf der einen und „Komm doch mit!“ (roter Hintergrund mit einem im im Stacheldraht hängenden Totenkopf) auf der anderen Seite der Kelle.

Diese ganzen Dinge der Soldatenkultur innerhalb der NVA habe ich zur Illustration aufgezählt, damit man sich ein Bild davon machen kann worauf ich hinaus will. Der Autor erwähnte, dass in der Bundeswehr ebenfalls verschiedene Rituale gepflegt wurden und auch noch immer gepflegt werden, jedoch in einem deutlich abgeschwächteren Maße als in der NVA, da die Dienstzeit innerhalb der Bundeswehr doch etwas weniger restriktiv war und die Soldaten nicht so gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten waren, wie die Soldaten der NVA, was ein wichtiges Kriterium der totalen Institution ist, welche wiederum zur Bildung und Förderung dieser Rituale beitrug.

Daher wäre meine Frage an die (ehemaligen) Mitglieder der Bundeswehr, ob es ähnliche Rituale und Gepflogenheiten unter den Wehrpflichtigen gab und und vielleicht noch immer gibt.

Also, ich bin jetzt schon 2,3 Jahre von 4 dabei und kann sagen. NÖ.

Bei Stubenbezug einen Einstandskasten oder (Bayern: Weißwurstfrühstück)
Bei Geburtstag einen Geburtstagskasten oder (Bayern: Weiwurstfrühstück)
Bei Beförderungen einen Beförderungskasten oder (Bayern:...)
Bei Ausscheiden/Versetzungen einen Ausstandskasten oder (...)

Ich würde das jetzt nicht einen Brauch nennen. Eher eine nette Geste.
Wobei sich auch immer weniger daran halten.
Eigentlich auch egal.

Mfg
Jason

Gummikuh
2009-06-17, 14:36:36
Hmm...Maskenball sagt mir was, kenne ich von der Grundausbildung.gegenüber den Erzählungen meines Vaters wurde es aber (zum Glück) nicht so sehr auf die Spitze getrieben.

In meiner Stammeinheit (ich war in einem Instandsetzungzug der Heeresflugabwehr) gab es dann kein Begrüßungsritual, eigentlich nur eine formelle Begrüßung der "Neulinge" im Flur.

Einige Kameraden kamen aber zur leichten Raketenflugabwehr und da mussten die "Rotärsche" ein Gasmaskensaufen über sich ergehen lassen.

Gut, die von der "Leichten" waren eh bissel anders, nach Dienstschluß gab es in der Kaserne ab und an Gebrüll bzw. Gesänge nach Ami-Art, wer wars...die "Leichte".

Eine Hierarchie unter Mannschaften gab es aber bei uns schon.Und in den letzten Monaten war es dann üblich mal laut "Abgääääänger" über den Flur zu brüllen (und dann schnell ins Zimmer und Tür zu).Das wurde von den Vorgesetzten nämlich nicht gefördert.:biggrin:

Achso hatte meinen Wehrdienst in '98-'99, weiß nicht ob damals die Rituale noch anders waren im Vergleich zum "kümmerlichen" Rest von heute. :rolleyes:

PS:Ich will damit den jetzigen Soldaten nicht vor den Kopf stoßen, nur die BW hat sich seitdem schon ganz schön derbe verkleinert.

Dautzen
2009-06-17, 15:47:16
Zählt Äquatortaufe?