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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Prokastination: Ursache oder Symptom?


Gast
2009-10-19, 14:47:55
Wieder einmal sitze ich, wie in den schätzungsweise vergangenen 10 Jahren öfters, vor einer für mich eigentlich machbaren Aufgabe, die mangels Termin schon um Monate vor mir hergeschoben wurde. Ebenso wie die ihr vorausgehenden Aktivitäten, die ich zwar abschließen konnte. Aber dies nur unter extremen (zeitlichen) Druck und gerade so termingerecht und teils auch nur durch vorteilhafte Umstände.
Selbst Aufgaben, die unter Freizeitaktivitäten fallen und sich viele freuen würden dazu in der Lage zu sein, werden konsequent geschoben.

Entsprechend der Beschreibung der Prokastination gibt es natürlich auch Aktivitäten, die mir leichter fallen sowohl von Durchführung als auch vom Beginnen dieser. Jedoch versprechen diese leider in unserer Gesellschaft keinen Erfolg und können auch keinen Lebensunterhalt sichern.

Und gerade aus der gesellschaftlichen Perspektive, würde ich meinen Erfolg als immer noch finanziell-abhängiger Mittzwanziger, der sich über die Jahre immer mehr isoliert hat und seine Kontakte mit Mitmenschen auf Zweckkontakte reduziert hat, eher als dürftig einschätzen.
Auf der Habenseite könnte man einzig einen gewissen Bildungserfolg sehen, der auf Grund der restlichen Lebensumstände und seines Erreichens unter der Prokastination nicht besonders positiv von mir selbst bewertet wird.

All dies führt zu einem weit größeren Problem: einer episodenhaften, sich immer weiter aufbauenden Selbstreflektion, die ein Weltbild schafft, welches die Lösung der im Vorherigen genannten Probleme noch viel weiter in die Ferne rücken lässt.
Angefangen von einer Vorstellung im Grundschulalter, die den Tod und das Ende der Existenz als Relativierung von allem sah, baute sich dieses Bild mit dem Zufluss von weiterem Wissen zu dem aktuellen Stand hin auf:
Ich und mein Bewusstsein bin Resultat eines biologischen Systems, auf das ich Einfluss üben kann, aber im größeren Umfang ist es in der Lage Einfluss auf mich zu üben. Zudem ist mein aktueller Zustand ein Ergebnis der auf mich seit meiner Geburt einwirkenden Umwelt, die momentan aus geschätzten 7 Milliarden mir ähnlichen Systemen besteht. Alle mit hoher Wahrscheinlichkeit, dazu bestimmt auf Basis ihrer Umstände ihre Funktion einzustellen, sei es in vielen Jahren oder gerade jetzt.

Und gerade diese objektivierbare Feststellung der Sterblichkeit und des jederzeit eintretbaren Verlustes an Lebensqualität, ist es die in meinen Augen doch jegliches Streben absurdum führt. Geht man noch einen Schritt weiter, so ist doch alles über einen gewissen Standpunkt relativierbar und fragwürdig.
Klar ist natürlich auch, dass ich das Resultat des biologischen Systems, unter anderen Umständen diese Feststellungen gar nicht formulieren würde, jedoch haben die Umstände dazu geführt, dass diese Zeilen entstanden sind.

Dementsprechend kann ich auch nicht werten, welchen Zweck diese Zeilen nun erfüllen sollen. Suche ich nun Tipps gegen Prokastination, wozu mancher hier sicherlich eigene Erfahrungen hat und sind die folgenden Gedanken nur Ausdruck dieses Verhaltensmusters. Oder ist es gar unsere Existenz mit ihrem Merkmalen, die sich bei mir in Prokastination ausdrückt.

noch ein Gast
2009-10-19, 16:30:47
Ich war ebenfalls in einer solchen Lage (Student, ende des Studiums, aufkommende Depression)

1. Geh zum Arzt und lass dir Ritalin verschreiben. Ich hatte vorher den ganzen "psycho Quatsch" gemacht, hat alles nicht richtig geholfen. Ritalin bewirkte bei mir eine gesteigerte Konzentrationsfähigkeit. Wobei, vorher konnte ich mir nicht mal mehr 5 min. auf eine Sache konzentrieren, weiß also nicht wie es bei dir ist.

2. Stelle für alles Pläne und Ablauffristen auf. Steigere dich in die "Planensache" rein. Also erst den Tag in 3 Teile aufteilen, z.B. Arbeit, Schlaf und Freizeit. Dann die Arbeit aufteilen. Dann Zwischenziele usw.. Lege viele ToDo Listen an, und als Geheimtipp ein Stundensignal bei der Uhr, also jede volle Stunde piept die Uhr. So hat man ein besseres Zeitgefühl.

3. Was lenkt dich am meisten ab? Bei mir war es das Internet. Versuche diese Sache zu begrenzen. Also z.B. einen 2. Computer ohne Netzzugang, oder dort arbeiten wo kein Internetzugang möglich ist.


Aber Vorsicht. Bei mir war es am Anfang so, dass ich das Internet begrenzte, aber mir dann andere Ablenkung suchte. Ich schaute wieder mehr Fernsehen, fing an ein riesen Puzzle zu machen. Auch Sport muss keine Lösung sein. Bei mir war es so, ich bin dann lieber 30 km Rad gefahren, als was für die Abschlussarbeit zu machen. Danach war man dann kaputt und hatte erst recht auf nichts Lust.

4. Achte auf dein Umfeld. Meine damalige Freundin und der Freundeskreis waren teilweise, wie soll ich es sagen, nicht "Vorteilhaft". Wenn alles erst um 12 Aufstehen, dann den Nachmittag rumgammeln und bis spät abends Feiern ist das nicht förderlich für deinen eigenen Antrieb. Aber Punkt 4 scheint bei dir ja flach zu fallen.

{655321}-Hades
2009-10-20, 18:26:25
Ich bin auch ein fürchterlicher Prokrastinator. Das hat sich bei mir erst wirklich geändert, als ich endlich ein Selbstmanagementsystem entworfen habe, das meinem Wesen entsprach. So wenig Komplexität und Aufwand wie möglich, die grundlegende Regel (die selbstverständlich Ausnahmen hat) ist allerdings herzlich einfach: Have a clean schedule. Schieb einfach kein einziges Item auf. Nichts. Nada. Alles muss erledigt sein oder innerhalb eines sehr, sehr kurz gesetzten zeitlichen Rahmens bearbeitet werden. Verlangt Disziplin (aber ziemlich wenig, weil sich im Endeffekt alles aus dieser einen Regel herleiten lässt und man sich selbst nur schwierig austricksen kann), streckenweise Ausdauer und empfiehlt sich mit Sicherheit nicht für Leute, die dann sofort neue Arbeit aufgetischt bekommen. Solltest du Interesse daran haben oder glauben, es könnte dir weiterhelfen, könnte ich das System mal schriftlich fixieren.

Da du allerdings nicht einmal mehr Lust auf Dinge hast, die eigentlich zur Freizeit gehören, sollte man sich fragen, woran das liegt. Wer weiß, vielleicht hast du tatsächlich Depressionen. Bei mir lag es daran, dass ich mich immer durch die Items auf meiner ToDo-Liste gestresst gefühlt habe und somit nicht wirklich zu so etwas wie Freizeit fähig war (und stattdessen eben mit F5, dem Erzfeind des Prokrastinators, gekuschelt habe). Jetzt habe ich viel Freizeit und kann sie auch tatsächlich sinnvoll nutzen.

Und was die tiefschürfenden Reflexionen über die conditio humana und die Existenz an sich angeht: Ich habe viel Zeit damit verschwendet, über eben jene Dinge nachzudenken, damit ich ja keine Zeit im Leben verschwende (got it?). Es gibt ein gewisses Set an Fragen, an denen haben sich wesentlich belesenere, schlauere und intelligentere Menschen als ich die Zähne ausgebissen. Und das liegt daran, dass es in diesen Fragen keine Wahrheit als solche gibt. Irgendwann bist du tot. Punkt. Spaß ist, was ihr draus macht.

Vanilla
2009-10-20, 19:36:35
Ich habe mir auch zu den anderen Dingen, die du beschreibst Gedanken gemacht, möchte jetzt aber nur zu den "Startschwierigkeiten" -den Punkt den man überwinden muss um etwas zu beginnen- äußern. Als ich festgestellt habe dass es für mich sehr schwierig ist etwas ohne direkte Notwendigkeit zu beginnen, habe ich die Sache einfach umgekehrt und etwas aktiv unterlassen wie z.B. das essen.
Ich bin also hergegangen und habe diese beiden Sachen verknüpft und mir vorgenommen an dem Tag an dem ich an einer Arbeit schreiben wollte erst dann etwas zu essen, wenn ich bereits einen Erfolg beim schreiben verbuchen konnte. Da Hunger angeblich auch noch die Konzentration fördert hat das für mich immer gut funktioniert :biggrin: