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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Chomsky als Linguist, der ideale Sprecher-Hörer


derwalde
2010-01-09, 12:52:10
servus

ich sitze gerade an einer Hausarbeit über chomskys generative Grammatik. Dazu muss ich sagen, dass ich kein Linguist, sondern Erziehungswissenschaftler bin ;)

ein Punkt wird mir einfach nicht klar, egal wieviel ich dazu lese:

seine GG interessiert sich für die Kompetenz und nicht für die Performanz. Durch seine Idealisierung werden die für Grammatik irrelevante Bedigungen der Performanz, wie begrenztes Gedächnis, Fehler, etc. praktisch eliminiert.

Die Sprachverwendung (Performanz) stellt nur unter der obigen Idealisierung eine direkte Wiederspiegelung der Sprach-Kompetenz dar. Real gibt es solche Idealisierung natürlich nicht (wie er selber sagt).

nun zur Frage: versucht nun Chomsky über seine Idealisierung den Forschungsdaten der Performanz doch eine Bedeutung zuzuschreiben, insofern als dass er über diese (eben da in seiner Idealisierung die Performanz die Kompetenz direkt widerspiegelt) Rückschlüsse auf die Kompetenz ziehen kann?

Denn einerseits sagt er doch, die Performanz interessiere ihn nicht, da er einen empirischen Zugang zur Sprache verweigert, und sich mentalistisch verortet. Oder interessiert in die Performanz nur unter der Prämisse seiner eigenen Idealisierung?

Im englischen Original: "Hence, in technical sense, linguistic theory is mentalistic, since it is concerned with discovering a mental reality underlying actual behavior. Observed use of language or hypothesized dispositions to respond, habits, and so on, may provide evidence as to the nature of this mental reality, but surely cannot constitute the actual subject matter of linguisitcs, if this is to be a serious discipline." (hervorhebung von mir)


Sorry, ich raff es einfach nicht. hilfe!

samm
2010-01-09, 15:46:25
Ich bin auch kein Linguist, sondern Literaturwissenschaftsstudent, hatte aber natürlich auch mit Chomsky zu tun in linguistischen Einführungskursen und in der Computerlinguistik. Bin also eher interessierter Laie, hoffe aber doch, dir weiterhelfen zu können :)

Gemäss deinem englischen Zitat können empirische Resultate die theoretischen Überlegungen bestätigen, jedoch darf Empirie nicht der Gegenstand von Linguistik sein. Der Gegenstand muss vielmehr, so würde ich schliessen, eben diese Untersuchung der mentalen Realität, der Kompetenz und deren Entstehung, sein.

Diese Aussage entsteht nicht über den Umweg seiner Idealisierung, die "observed use of language" ist durchaus auf reale Bedingungen bezogen.


Oh, und als trollige, grammatisch/semantische Anmerkungen:

"insofern als dass" ist ein Konstrukt, das wohl auf "insofern, als" (Einschränkung: Präzisierung) kombiniert mit "als dass" (Gegensatz) basiert. Für eine "korrekte" Konstruktion besser nicht kombinieren ;)
Die Formulierung deiner Frage wäre in einer Arbeit wohl nicht ok: "versucht Chomsky" würde bedeuten, dass man über die Beweggründe spekulieren müsste, konkret geht es aber darum: "schreibt Chomsky ... zu"

derwalde
2010-01-09, 15:53:39
danke, ich hatte es mittlerweile auch verstanden. irgendwie ist es am leichtesten zu verstehen wenn man sich nur am englischen original orientiert und nicht noch hunderte von lexika-einträgen, etc. zu hilfe zieht.

deine beiden bemerkungen werde ich mir zu herzen nehmen, wobei ich hier im forum grundsätzlich anders schreibe als in wissenschaftlichen arbeiten. trotzdem auch hier: danke!

samm
2010-01-09, 16:40:36
Bitte sehr :) Ja stimmt schon, bei zu vielen Quellen, oft noch in verschiedenen Sprachen, wird das Verständnis nicht gerade gefördert... Um so blöder, dass gewisse (Anfänger?) Profs eine Mindestzahl Quellen vorschreiben.
Jup, ich schreibe im Netz auch völlig anders - habe mir beim obigen Posting extra Mühe gegeben, möglichst korrekt zu sein, sonst sind die Bemerkungen ja nur self-pwnage :lol:

Abdul Alhazred
2010-01-19, 00:00:36
Im englischen Original: "Hence, in technical sense, linguistic theory is mentalistic, since it is concerned with discovering a mental reality underlying actual behavior. Observed use of language or hypothesized dispositions to respond, habits, and so on, may provide evidence as to the nature of this mental reality, but surely cannot constitute the actual subject matter of linguisitcs, if this is to be a serious discipline." (hervorhebung von mir)

Bei Chomsky muss man extrem auf die Semantik und den Worteinsatz achten. Ich erklär das mal im Englischem:

On terms of a technical sense, Noam refers to theory as mentalistic in the sense that it is not substantiated by absolute empiric experience, allowing at least for a gap of possibility, without being utterly defined. This, because it is "concerned with discovering a mental reality" (emphasis on mental and reality, in conjunction) that underlies the actual behavior of the implementation of the construct (his theory, which superimposes a theory).

Now, emphasis on the word "Observed" (witnessed, but not guaranteed, i.e statistical in nature) "use of language or hypothesized dispositions to respond, habits, and so on, may provide evidence as to the nature of this mental reality". Here, he puts particular emphasis on the contextual work outlining possibility, not fact. Oh, I can hear him in my ear, that's very him indeed.

Im Wort legt Chomsky ne Menge Macht. Für mich fanatisch, aber so isser nu mal.

Ihn zu verstehen hab ich vor langer Zeit aufgegeben.

Der Gegenstand muss vielmehr, so würde ich schliessen, eben diese Untersuchung der mentalen Realität, der Kompetenz und deren Entstehung, sein.

Und deren Auswirkung / Existenz.

Abdul Alhazred
2010-01-19, 21:08:09
Möchte zum letzten Satz was hinzufügen, das ein Prof von mir mal meinte: der Mensch verbringt so viel Zeit damit Hammer und Maisel zu studieren, dass er nie anfängt die Skulptur aus dem Stein frei zu schlagen.