PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 20/80 Gesellschaft...


Quantar
2010-02-14, 02:11:16
Hiphip Hurra....
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29286/1.html

Das Ganze Ding finde ich höchst spannend.
Wenn ich ne Theorie raushauen muss, dann wähle ich entweder
das Glasperlenpiel (http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Glasperlenspiel)
oder noch besser:
Bernard Suits Utopia
http://nigelwarburton.typepad.com/virtualphilosopher/2007/11/book-review-ber.html

Philipus II
2010-02-14, 13:25:48
Nach dem, was wir in Makro lernen, stimmt das so nicht.
Durch den techn. Fortschritt wird die Arbeitsproduktivität weiter steigen. Diese Steigerung wird jedoch zum größten Teil in ein Wachstum des BIPs umgesetzt und nur etwa zu einem Prozent zu Reduzierung der geleisteten Arbeitsstunden.

Allerdings hat der Artikel auch einen anderen Aspekt mit drin:
Vom techn. Fortschritt und dem steigenden Wohlstand profitieren nicht immer alle.
Durch den Fortschritt dieser Zeit scheint alles eher komplexer zu werden, nur gut ausgebildetete und leistungsbereite Menschen scheinen weiterhin als Arbeitskräfte nachgefragt zu werden. Einfache Tätigkeiten werden nur im Preis steigen können, wenn dort das Angebot an Arbeitskräften abnimmt.

Feuerrad
2010-02-14, 16:06:40
Nach dem, was wir in Makro lernen, stimmt das so nicht.


Dann sollte das Makrobuch vielleicht umgeschrieben werden!? :confused:

Philipus II
2010-02-14, 17:15:45
Die empirischen Ergebnisse der letzten 150 Jahre passen aber sehr gut zu den theoretischen Grundlagen.
Die Arbeitslosigkeit scheint eben nicht langsam gegen 100% zu konvergieren.

Strukturelle Arbeitslosigkeit hat in den einfachen Modellen zudem genau eine Ursache: Zu hohe Löhne.
Ob diese nun als Effizienzlöhne von den Unternehmen zur Gewinnmaximierung gezahlt werden oder vom Staat direkt oder indirekt als Mindestlohn festgelegt sind, ist nicht relevant.
Die Reallohnentwicklung wird irgendwann dann nicht mehr nach oben tendieren, dann sinkt auch die Arbeitslosigkeit.
Nach dieser Ansicht ist genug Arbeit für alle da- aber halt nicht zu den aktuell geforderten Löhnen.

Ich bin aber kein VWLer, nur ein BWL Student, der halt auch ein bisl Makroökonomie lernt.

basti333
2010-02-14, 17:39:43
Eine Theorie, mehr nicht. Vielleicht wird sie sich in 20 jahren bewahrheiten, vielleicht in 200, vielleicht aber auch nie.

hmx
2010-02-14, 18:03:00
Die empirischen Ergebnisse der letzten 150 Jahre passen aber sehr gut zu den theoretischen Grundlagen.
Die Arbeitslosigkeit scheint eben nicht langsam gegen 100% zu konvergieren.

Strukturelle Arbeitslosigkeit hat in den einfachen Modellen zudem genau eine Ursache: Zu hohe Löhne.
Ob diese nun als Effizienzlöhne von den Unternehmen zur Gewinnmaximierung gezahlt werden oder vom Staat direkt oder indirekt als Mindestlohn festgelegt sind, ist nicht relevant.
Die Reallohnentwicklung wird irgendwann dann nicht mehr nach oben tendieren, dann sinkt auch die Arbeitslosigkeit.
Nach dieser Ansicht ist genug Arbeit für alle da- aber halt nicht zu den aktuell geforderten Löhnen.

Ich bin aber kein VWLer, nur ein BWL Student, der halt auch ein bisl Makroökonomie lernt.

Nein. Die Realität ist komplexer als die einfachen Modelle, welche du im erstem Semester lernst. Die sind nicht dazu geeignet irgendwelcher Dinge zu erklären, sondern pädagogischer Natur.

Dicker Igel
2010-02-14, 18:18:04
Eine Theorie, mehr nicht.

Hmm, ich halte es für die logische Realität.
Das System hat sich noch nie wirklich um den "einfachen Mann" gekümmert, sondern ihn nur "bei der Stange gehalten".
Passiert es nun, das dieser "Mann" nicht mehr benötigt wird, wird er fallen gelassen. Eine sinnvolle/menschliche Lösung käme für das System gar nicht in Frage, denn es wäre "unwirtschaftlich".

Hardwaretoaster
2010-02-14, 18:45:38
Hat jemand "The big switch" gelesen? Kommt aus der IT-Ecke, aber die Idee, dass es diesmal so zu sein scheint, dass der Fortschritt nicht an einer Stelle Arbeitsplätze kostet aber anderswo wieder welche schafft kam da auch auf. Ich fand die Ideen da auch recht eingängig.

Nur was schließt man für sich daraus, wenn man sieht, dass diese Gefahr existieren könnte. Eigentlich bleibt nur möglichst gut qualifiziert zu sein und dann gucken, dass es reicht, oder? (im Zweifel kommt der gesellschaftliche Wandel ja in einer Big-Bang-Integration... )

Monger
2010-02-14, 19:05:33
Nach dem, was wir in Makro lernen, stimmt das so nicht.
Durch den techn. Fortschritt wird die Arbeitsproduktivität weiter steigen.

Schon alleine das ist wohl eine Annahme, die heute nicht mehr stimmt. Was Informationssysteme und Produktionstechnik angeht, hat man natürlich in vielen Bereichen schon dramatische Fortschritte gemacht. Aber das sind ja auch nicht die einzigen Produktionsfaktoren - es sind heute wohl nichtmal die wichtigsten.

Viele Resourcen werden immer teurer, das betrifft vorallem die Schwerindustrie: Stahl, Kupfer, Kohle, Öl - also das was eigentlich der zentrale Baustein der Industrialisierung zu Ende des 19. Jahrhunderts war. Das trifft aber indirekt auch jede andere verarbeitende Industrie, wie z.B. Lebensmittelindustrie. Dazu kommen heute höhere Anforderungen an die Produktion, z.B. durch Umweltauflagen.

Die Produktionskosten sinken derzeit eben nicht, und damit stagniert auch die Produktivität. Auf der anderen Seite steigen die Lebenserhaltungskosten, vom Lohn bleibt also immer weniger übrig.

Jetzt von dem Problem der sozialen Gerechtigkeit völlig abgesehen: ich bezweifle, ob die reale Produktivität pro Kopf derzeit wirklich am wachsen, oder nicht sogar rückläufig ist.

Philipus II
2010-02-14, 19:07:15
@hmx
Uns wird das aber immerhin als Wahrheit verkauft. Auch ein paar dazu passende Zahlen wurden uns vorgelegt. Dass diese Modelle eine zu starke Vereinfachung beinhalten, wird bei uns zumindest gar nicht erwähnt.
Zudem wird Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum bei uns damit abgeschlossen...

Andererseits ist die Wahrheit für einen BWLer natürlich auch sehr komfortabel...:wink:

@Monger:
Die Produktivität pro Kopf wächst alleine durch die zunehmende Arbeitslosigkeit.
Die nichts leistenden Arbeitslosen werden nun nämlich nicht mehr eingerechnet, waren vorher allerdings die unproduktivsten Arbeitnehmer.
Übrigens:
Ressourcenpreise, Umwelt, Arbeitseinsatz und Kapital sind auf lange Sicht vollkommen unabhängig vom Wachstum der Arbeitsproduktivität.
Denn langfristig wächst die Arbeitsproduktivität mit der Rate des techn. Fortschritts (Solow Modell).
Solange es techn. Fortschritt gibt, gibt es nach diesem Modell auch Wachstum.

Monger
2010-02-14, 19:30:59
Die nichts leistenden Arbeitslosen werden nun nämlich nicht mehr eingerechnet, waren vorher allerdings die unproduktivsten Arbeitnehmer.

Wer hat das denn plötzlich umdefiniert?? :confused:


Übrigens:
Ressourcenpreise, Umwelt, Arbeitseinsatz und Kapital sind auf lange Sicht vollkommen unabhängig vom Wachstum der Arbeitsproduktivität.
Denn langfristig wächst die Arbeitsproduktivität mit der Rate des techn. Fortschritts (Solow Modell).
Solange es techn. Fortschritt gibt, gibt es nach diesem Modell auch Wachstum.
Das ist doch Quark. Das würde voraussetzen, dass sich keiner der genannten Punkte - bis auf den technischen Fortschritt - langfristig verändert. Gerade aber natürliche Resourcen sind durch ihre Begrenztheit ganz massiven Schwankungen unterworfen. Stahl wurde im 18ten, 19ten Jahrhundert auch erstmal wieder knapper, bis man mit tieferen Bergwerken wieder neue Erzadern erschließen konnte. Das Spielchen lässt sich aber logischerweise selbst mit ausreichend Fortschritt nicht beliebig fortsetzen.

Wären die technischen Produktionsmittel tatsächlich von so zentraler Bedeutung, würden wir wohl kaum Rohstoffe nach China verkaufen, um dort unsere Produkte fertigen zu lassen. Die Arbeitsproduktivität dort ist viel schlechter als bei uns (d.h. sie müssen für das selbe Produkt und die selbe Qualität weit mehr Produktionsmittel verbrauchen), aber es lohnt sich halt, weil sie an anderer Stelle sparen.

Dicker Igel
2010-02-14, 19:38:51
Eigentlich bleibt nur möglichst gut qualifiziert zu sein und dann gucken, dass es reicht, oder?

Damit hilfst du aber nur dir :)

___

In der heutigen Gesellschaft finde ich es sehr sehr wichtig, den Wert eines Individuums immer wieder aufzuzeichnen, denn die Fraktion der "Maskenträger" nimmt imo langsam überhand.
Dadurch werden viele Dinge unbewußt hingenommen und gelten dann öffentlich als legitim, das kann's nicht sein.

Die "Klassen" müssen sozusagen ins Gleichgewicht kommen, innerhalb und miteinander.

Alexander
2010-02-14, 19:50:28
Es steht für mich außer Frage, dass die 20:80 Gesellschaft kommen wird. Die Frage ist nur wann.

Vor ein paar Jahren gab es eine interessante Studie, die besagte, dass wenn man bereits vorhandene Rationalisierungspotentiale ausnutzen würde, in Deutschland in der Industrie 2 Mio. Stellen wegfallen.

Wenn man neue Entwicklungen berücksichtigt, wie RFID......

Philipus II
2010-02-14, 19:51:08
Die Arbeitsproduktivität berechnet sich BIP/geleistete Arbeitsstunden
Alternativ auch mit BIP/Beschäftigte.
Dabei fallen alle Arbeitslose nach der Definition unter den Tisch.
Schön, oder?

Wikipediaeintrag zum Solow Modell (http://de.wikipedia.org/wiki/Solow-Modell).
Nicht perfekt, aber für den Anfang mal eine Grundlage.

hmx
2010-02-14, 20:18:16
@hmx
Uns wird das aber immerhin als Wahrheit verkauft. Auch ein paar dazu passende Zahlen wurden uns vorgelegt. Dass diese Modelle eine zu starke Vereinfachung beinhalten, wird bei uns zumindest gar nicht erwähnt.
Zudem wird Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum bei uns damit abgeschlossen...

Andererseits ist die Wahrheit für einen BWLer natürlich auch sehr komfortabel...:wink:



Ein Schelm... ;) Passende Zahlen, hört sich nicht sehr Vertrauenserweckend an. Erst recht nicht wenn man Zhalen aus den letzten 100 Jahren oder noch früher nimmt. Man kann sich denken, dass Daten von vor 50 Jahren nicht wirklich vergleichbar sind mit der heutigen Lage. Um zu vergleichen braucht es mehr als sich einfach Daten anzuschauen, man muss komplexe Modelle schätzen um für andere Faktoren zu kontrollieren. Für mich bestätigt das ein Vorurteil, was für viele Deutsche Unis hinsichtlich WiWi gilt, zu altmodisch, und noch in der 80ern lebend.

Dass Wachstum nicht Arbeitsplätze kostet ist an bestimmte Annahmen geknüpft. Angenommen die Produktivität wächst um 1,5%, dann muss auch 1,5% mehr produziert und damit auch abgesetzt werden, damit der technische Fortschritt kicht zur Arbeitslosigkeit führt. Gründe, weswegen dem nicht so ist, gibt es haufenweise. Einer davon ist folgender:
Wenn eine Firma nun in der Lage ist 1,5% mehr zu produzieren, heisst dies, dass sie günstiger sind. Das kann a) entweder zu niedrigeren Preisen führen oder b) zu etwas höheren Löhnen die gezahlt werden können.
a) Ist nur langfristig realistsich, kurzfristig sind die Preise relativ "sticky", d.h. sie reagieren nicht sofort. Gründe für Price-Stickyness gibt es so viele, dass ich sie hier nicht alle aufzählen kann. Das hat dann schon mal Folgen für den Arbeitsmarkt.
b) Ist auch fraglich. Es herrscht in vielen Situationen eher Nachfragemacht auf dem Arbeitsmarkt, es hängt also davon ab, inwiefern Gewerkschaften in der Lage sind vernünftigen Lohnforderungen durchzusetzen. Ist dies nicht der Fall, und der Reallohn stagniert, wohingegen die Produktivität weiter wächst, kann man sich vorstellen, dass es Absatzschwierigkeiten geben kann.
Nun gibt es zu genüge Zahlen, die zeigen, dass in D tatsächliche der Reallohn einige Zeit stagniert hat. Zudem haben wir um die Jahrtausendwende einige Jahre gehabt, bei denen das tatsächliche Wachstum das Produktivitätswachstum unterschritten hat. Dass heisst nichts anderes, dass es zwar technischen Fortschritt gab, aber eben nicht die Absatzmöglichkeiten. Zudem muss man bedenken, dass Arbeitsmärkte eben sehr träge sind, das ist ein weiterer Faktor, der dazu führt dass Theorie nach der die steigende Produktivität über Preise und Löhne keine Bedrohung für die Beschäftigung ist nicht hält. Zumindest nicht unter userer seit Jahren zu angebotslastigen Wirtschaftspolitik.
Dieses Argument der Trägheit lässt sich ohne Probleme auf weitere Gründe übertragen, welche dann eher die strukturelle AL und Ausbildung betreffen.
Dass technischer Fortschritt keine Arbeitsplätze vernichtet ist möglich, allerdings hier in Deutschland unwahrscheinlich, der Markt sorgt nicht von allein dafür.


Die Arbeitsproduktivität berechnet sich BIP/geleistete Arbeitsstunden
Alternativ auch mit BIP/Beschäftigte.
Dabei fallen alle Arbeitslose nach der Definition unter den Tisch.
Schön, oder?

Wikipediaeintrag zum Solow Modell (http://de.wikipedia.org/wiki/Solow-Modell).
Nicht perfekt, aber für den Anfang mal eine Grundlage.

Solow ist veraltet. Warum steht sogar bei Wikipedia. Und meinst, DAS wird bei euch gelehrt. Ist ja gruselig.

Philipus II
2010-02-14, 20:54:26
Dass der tech. Fortschritt ja endogen ist, wurde bei uns erwähnt, ja.
Mehr haben wir in diese Richtung eigentlich nicht gehört.