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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nebenjob als Übersetzer - wieviel verlangen?


Gast
2010-09-15, 23:14:13
Ich mache seit einem halben Jahr ein Praktikum als Übersetzer, d.h. ich übersetzte Texte für eine Webseite vom Deutschen ins Englische. Das ganze läuft über das Internet.

Das Praktikum läuft jetzt aus, und ich habe ein Angebot bekommen weiter für die Firma zu übersetzen und würde dafür sogar Geld bekommen. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, will mich aber auch nicht beschweren. :D Sie haben mir aber nicht gesagt wieviel sie bezahlen würden, sondern haben mich gefragt wieviel ich verlangen würde.

Der normale Lohn als Übersetzer liegt soweit ich weiß zwischen 45 und 55 Cent pro Zeile (55 Zeichen). Ich bin allerdings noch Student und kann deshalb nicht den üblichen Lohn verlangen. Selbst wenn ich die Hälfte verlangen würde, wäre das für einen Studenten ein verdammt guter Stundenlohn.

Die Hälfte klingt für mich ziemlich fair, aber ich weiß nicht was für Vorstellungen mein Arbeitgeber hat. Wieviel würdet ihr an meiner Stelle verlangen?

nggalai
2010-09-16, 06:56:46
Moin,

es kommt ein bisserl drauf an, ob Du Fachtexte (nicht Sachtexte) oder Belletristik/Sachtexte übersetzen musst. Ersteres ist in der Regel deutlich besser bezahlt, was auch daran liegt, dass man sich für einen Fachartikel oder gleich ein Fachbuch doch tierisch Spezialvokabular reinhauen darf. ;)

Üblich sind in Deutschland rund € 1 pro Zeile (55 Anschläge) bei „mittelschweren Texten“ oder 20-30 Cents pro Wort. Bei umfangreichen Texten wird gerne ein Tageshonorar vereinbart, seltener Seitenhonorare. Tageshonorar liegt je nach Schwierigkeitsgrad, Ruf und Können etc. bei zwischen 200 und 400 Euro.

Die Zahlen basieren auf ver.di-Erhebungen unter Selbständigen und blieben die letzten zehn Jahre recht stabil. Bei Agentur-Übersetzern ist klar, dass sie selbst deutlich weniger verdienen als dem Kunden verrechnet wird. Dafür gibt’s ja die Sicherheit „Arbeitsplatz“ respektive „muss mich ned um Akquise kümmern“. Kann ein Argument sein; laut KSK verdienen selbständige Übersetzer im Schnitt rund 12 000 Euro (vor Steuern) im Jahr. Reich wird man also nicht wirklich von, aber liegt immer noch über dem Gesamtschnitt der in der KSK registrierten Freischaffenden (rund 10 000 Euro/Jahr).

Du als Studi hast natürlich viel weniger Abgaben als ein Selbständiger. Kannst Dir also überlegen, was für Dich ein angemessenes Honorar für die Nebenbeschäftigung wäre. :)

Allerdings gibt es in diesem Bereich immer wieder – nett gesagt – Spezialisten, die gerne über Internet-Portale „qualifizierte Übersetzer“ vermitteln und dann Dumpingpreise ansetzen. Geht, da sie als „Agentur“ nur das Portal führen und keine Sozialabgaben anfallen. Und viele der registrierten Übersetzer sind Studenten oder Nebenjobber, die das Ganze oft auch noch schwarz durchziehen. Macht leider auch in anderen Textbereichen immer häufiger das Leben von Selbständigen schwer, respektive potentielle Kunden zeigen Dir den Vogel, wenn Du einen vernünftigen Preis ins Angebot schreibst. Extremfall hatte ich mal als Texter: „Profi-Text kostet maximal 4 Euro die Seite, das habe ich im Internet recherchiert!“ :D

Gast
2010-09-17, 19:45:44
Nabend ...

Danke erstmal für die Infos. Ich kann erst jetzt antworten, weil mein Internet mal wieder wegen Überschreitung des Download-Limits gesperrt war. :ugly:

Die Zahlen kommen mir etwas seltsam vor. Wenn ein übliches Tageshonorar bei 200-400 € liegt, und das Jahreseinkommen vor Steuern bei 12000 €, dann kommt man auf gerade einmal 40 Arbeitstage pro Jahr. Das heißt also, die meisten selbstständigen Übersetzer machen das mehr oder weniger nebenher und haben noch eine andere Verdienstquelle? Außerden heißt das, man kann damit "reich werden", wenn man nur genug Aufträge hat?

Ich habe gerade einen Text mit ca. 1800 Wörtern vor mir. Den könnte ich an einem Tag schaffen. Selbst, wenn ich nur 10 cent pro Wort verlangen würde, wären das schon 180 € / Tag. Es geht übrigens um Texte aus dem Bereich Tourismus - also Sachtexte.

Mit den Dumping-Preisen, zu denen teilweise vermittelt wird, will ich nicht mithalten. Ich kann nur hoffen, dass mein Arbeitgeber nicht auf die Idee kommt, zu recherchieren was die niedrigsten Preise sind. Aber anscheinend war er bis jetzt ganz zufrieden. Ansonsten wäre er nicht auf die Idee gekommen, mir ungefragt auf einmal Geld zu bieten. Jetzt will ihn aber auch nicht mit einem zu hohen Angebot schocken, so dass er sich nach etwas günstigerem umschaut. Ich gehe mal davon aus, dass er keine Ahnung hat, was ein guter Übersetzer verlangt.

Nachdem ich mir das ganze ein bisschen hab durch den Kopf gehen lassen, würde ich sagen, 5 cent pro Wort ist ein faires Angebot ...