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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum wird man heutzutage wegen jedem ****** zum Seelenklempner geschickt?


Ole99
2011-02-19, 03:23:25
Ich kriege es dauernd mit, sei es im RL oder im Internet.
Ich meine es spricht nix dagegen das man bei mittleren oder großen psychischen beschwerden zum Arzt geht, aber bitte doch nicht wegen jeder scheiß Kleinigkeiten.
Ich sag z.b. an einem Tag mir geht heute net so gut, bisschen schlechte Stimmung und so, kommt da gleich du hast ne depresion mach gleich ein Termin und am besten noch ne Therapie hinterher.
Oder bei anderen Leuten wird echt wegen einer noch so kleinen Sache von irgendwelchen Klugscheißern gesagt, du hast das und das blabla.
Die Leute blockieren dann nämlich die Plätze, die für wichtigere Fälle gebraucht werden. Es ist eh schon traurig genug das man teilweise 1 Jahr auf einen Termin warten muss. Genauso schlimm ist es übrigens Medikamente wie ein Müllschlucker zu nehmen. Wann wird abhänig davon, und von den Nebenwirkungen ganz zu schweigen.

Ich meine, wo ist die nötige Selbstdisziplin hin. Ich behaupte das jeder sich zusammenreißen kann und erstmal selbst etwas dagegen unternehmen kann.
Sich selber kennt man sich am besten und das sollte man auch nutzen. Eine Fremde person kann sich ein scheiß in einen hineinversetzen wie man denkt oder was man fühlt auch nicht mit der besten Ausbildung.
Vielleicht habe ich so eine harte Meinung weil ich eh ein bisschen der Einzelkämpfer bin, aber ich kenne viele Leute die das ähnlich sehen.

tombman
2011-02-19, 07:25:37
Ich behaupte das jeder sich zusammenreißen kann und erstmal selbst etwas dagegen unternehmen kann.
[...]
Vielleicht habe ich so eine harte Meinung weil ich eh ein bisschen der Einzelkämpfer bin,
[ ] Du checkst irgendwas

Reiß dich mal zusammen, wenn deine Hirnchemie im Eimer ist :rolleyes: (nur als Beispiel)

p.s.: i have been trolled ...

Oid
2011-02-19, 08:06:36
Weil die Grenze zwischen "Ich hätte gerne eine psychische Krankeit, um eine Entschuldigung für das zu haben was in meinem Leben schief läuft" und einer echten psychischen Erkrankung nicht immer eindeutig ist.

ux-3
2011-02-19, 08:58:51
Weil die Grenze zwischen "Ich hätte gerne eine psychische Krankeit, um eine Entschuldigung für das zu haben was in meinem Leben schief läuft" und einer echten psychischen Erkrankung nicht immer eindeutig ist.


Da gibt es keine Grenze. Das kann nebeneinander existieren.

i have been trolled ...

Lass uns ne Selbsthilfegruppe gründen...

Gouvernator
2011-02-19, 09:31:14
Andererseits gibt es aber auch viel zu viele eindeutig Irre die kurz vorm Suizid stehen und denken sie bräuchten keine Hilfe...

Thanatos
2011-02-19, 09:47:11
Das ist eine falsche Beobachtung, dass heutzutage immer mehr Menschen wegen den kleinsten Verstimmungen eine psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung erhalten, da nämlich genau das Gegenteil der Fall ist: Anstatt das man früh und ambulant behandelt, wird spät und stationär behandelt. Gleichzeitig steigen aber die psychischen Krankheiten in den industrialisierten Ländern, also auch bei uns stark an, weshalb nach Prognosen der WHO die Depression auf Platz zwei der kostenintensivsten Krankheiten aufrücken wird, wobei sie jetzt schon unter den kostenintensivsten zehn ist.

Wenn Deine Beobachtung also stimmen würde, so könnte man sich darüber freuen und nicht darüber aufregen, dass immer mehr Personen in einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlung sind. Insbesondere da eine psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung immer noch stigmatisierend wirkt, im Gegensatz zu einer rein somatischen.

Die Behandlung mit Psychopharmaka ist allerdings ein Problem, vor allem da da die ausschließliche Behandlung mit dieser immer noch sehr weit verbreitet ist. Dies ist sehr bedauerlich, da Psychotherapien meist die bessere Wahl sind, da sie im allgemeinen ebenso Wirksam oder wirksamer sind, der Gewinn an Lebensqualität jedoch deutlich länger anhält bzw. sogar permanent ist, da die Rückfallquote bei der rein medikamentösen Behandlung sehr hoch ist.
Persönlich führe ich dies auf noch alte Strukturen, die Lobbyarbeit der Pharmakonzerne, eine zu ungenaue Betrachtung der Kostenstrukturen der Psychotherapie und der Bequemlichkeit der Tablette zurück.


Zum Thema zusammenreißen: Psychische Probleme kompensiert schon jeder Mensch automatisch, wenn es allerdings schon so weit kommt, dass er sich in Behandlung begibt, dann haben die eigenen Kompensationstechniken und Selbstschutzmechanismen weitestgehend versagt und die Person - würde sie dies dennoch irgendwie weiterbetreiben - irgendwan dann komplett "aussteigen". Dieses "reiß Dich doch einmal zusammen" ist ähnlich wie wenn man einem Querschnittsgelähmten zuruft, er solle doch endlich aufstehen, da er doch Beine hat.

hasufell
2011-02-19, 13:43:47
Ich sag z.b. an einem Tag mir geht heute net so gut, bisschen schlechte Stimmung und so, kommt da gleich du hast ne depresion mach gleich ein Termin und am besten noch ne Therapie hinterher.[...]Genauso schlimm ist es übrigens Medikamente wie ein Müllschlucker zu nehmen. Wann wird abhänig davon, und von den Nebenwirkungen ganz zu schweigen.

das ist eigentlich der Punkt. Was ist schlimm daran jemandem zu schnell eine Therapie zu empfehlen? Im schlimmsten Fall warn das paar vergeudete Therapie-stunden, sonst nix.

Das eigentliche Problem ist, dass Medikamente und Psychopharmaka zu schnell gegeben werden... manchmal nur mit dem HINWEIS, dass man sich in Therapie begeben soll.
Wenn letzteres nicht passiert, können die Pillen dann erst recht eine Psychose auslösen, weil sie eine Behandlung nicht ersetzen oder sogar völlig unnötig sind.

Filp
2011-02-19, 15:00:31
95% der Menschen könnten ne Therapie vertragen und den restlichen 5% ist eh nicht mehr zu helfen.

Desti
2011-02-19, 19:45:47
Fängt mit G and und hört mit d auf.

bleipumpe
2011-02-19, 20:33:59
Andererseits gibt es aber auch viel zu viele eindeutig Irre die kurz vorm Suizid stehen und denken sie bräuchten keine Hilfe...
Viel Schlimmer ist die riesen Masse dazwischen. Zigtausend Untersuchungen, alle ohne echtes Ergebnis aber psychosomatische Ursachen werden nicht akzeptiert.
Ich habe einige Hartz IVer, die seelisch hart angeschlagen sind, weil sie mit Mitte 50 und guter Ausbildung nicht mehr gebraucht werden. Und die andere Hälfte wird zu Tode gearbeitet. Natürlich gibt es auch die Leute mit einem Rentenbegehren. Ich frage dann immer, was sie sich von der Rente versprechen. Viele glauben, dass da richtig was bei rauskommt.

mfg b.

Vikingr
2011-02-19, 21:40:18
Re: Warum wird man heutzutage wegen jedem ****** zum Seelenklempner geschickt?

Weil die Menschen keine anderen Antworten haben, oder jemanden der Ihre Lasten trägt und sie deshalb auch daran seelisch immer mehr zugrunde gehen. --> Abwehrmechanismus --> "Mauerbau"/"dickes Fell"
________________
Edit:
Haupthintergrundproblem: --> Fehlende Liebe & Vergebung --> Haupthintergrundproblem: Fehlende Annahme --> Haupthintergrundproblem --> "unbekannte" "Identität" --> Haupthintergrundproblem/-ergebnis davon: Selbstablehnung !

Wie oft schauen wir Menschen uns um & gucken was andere Menschen machen??? Oder dieses: "Ich muss dieses & jenes machen, sonst verpass ich was.." Warum? Weil das Grundproblem Selbstablehnung ist !
Oder zB: Wenn Eltern ihren Kindern Dinge verbieten, weil sie sie nicht mögen (weinen, whatever.).. Man macht es zu einem Grund sein Kind abzulehnen/nicht zu lieben. Genauso an sich selbst.. Anderseits schauen wir uns um, wie andere Menschen sind & wollen wie sie sein.. Was ist das Problem? Selbstablehnung!

http://bit.ly/dYWSC2
@01:07:10
____________

Matthäus 11,28
"Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben" (Mt 11,28)

1.Petrus 5,7
Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.

Schiller
2011-02-19, 21:51:22
Damit mehr Psychopharmaka verkauft werden kann.

PHuV
2011-02-20, 02:47:58
Ich meine, wo ist die nötige Selbstdisziplin hin. Ich behaupte das jeder sich zusammenreißen kann und erstmal selbst etwas dagegen unternehmen kann.
Sich selber kennt man sich am besten und das sollte man auch nutzen. Eine Fremde person kann sich ein scheiß in einen hineinversetzen wie man denkt oder was man fühlt auch nicht mit der besten Ausbildung.
Vielleicht habe ich so eine harte Meinung weil ich eh ein bisschen der Einzelkämpfer bin, aber ich kenne viele Leute die das ähnlich sehen.
Wenn ein Mensch wirklich leidet, dann ist das mit dem Zusammenreisen von Menschen, die weder das Problem verstehen, noch die Sensibilität haben, das nachzuvollziehen, eben nicht so einfach, wie Du es behauptest. Wenn man sich nicht auskennt, weder die Techniken noch die Mittel oder Methoden hat, um da raus zu kommen, sieht es schlecht aus. Und es ist eine Tatsache, daß die meisten Menschen sich damit nicht auskennen, weil es in unserer Kultur einfach nicht drin ist.

Depression ist eine Krankheit, und da muß man in den meisten Fällen erst mal mit Medikamenten ran.

Desweitern sollte man immer bedenken, daß wir Menschen immer alle für uns selbst betriebsblind sind. Was wir bei anderen Menschen sofort an Problemen und Schwierigkeiten sofort sehen können, versagt bei uns selbst trotz intensiver Selbstanalyse total. Schon der Begriff Seelenklemptner ist ein sehr dummer und einfältiger Begriff. Ein Berater oder Therapeut klemptnert nicht, noch repariert er irgend etwas. Das verstehen die meisten an einer Therapie oder Beratung total falsch. Ein Therapeut stabilisiert erst mal, gibt Informationen, und er berät. Zudem beleuchtet er die betriebsblinden Probleme des Klienten, führt sie ihm vor und macht ihn darauf aufmerksam. Das Problem lösen muß dann die Person immer selbst, nicht der Berater oder Therapeut.

Ich frage mich sowieso, warum die meisten hier so eine Phobie davor haben, sich einem Berater anzuvertrauen? :confused: :rolleyes: So ein Berater tut einem nichts. Glaubt mir, es gibt nichts, was solche erfahrenen Berater schon gehört oder erlebt hätten. Meistens ist es die große Angst, daß man manipuliert wird, oder die einen in die tiefsten Gedanken kennenlernt, oder die Angst davor, daß angeblich die Seele gestohlen wird. Die meisten glauben, so etwas besonderes zu sein, daß keiner an den eigenen Gedanken teilhaben darf, weil sie soo schlimm seinen. Oder andere meinen, sich mit aller Gewalt ihr krudes Gedankenmodell und Verständnis von der Welt aufrecht erhalten zu müssen. Klar, das diese Menschen alle vernünftigen Ratschläge als Gefahr sehen.

Man kann es doch einfach so sehen: Man braucht für manche Dinge einfach einen Fachmann oder Spezialisten. Sicherlich kann man einiges auch selbst lösen, wenn man viel Geld, Zeit, Aufwand, Schweiß und Mühe reinsteckt. Man kann sich auch lange plagen und quälen, und verzweifelt selbst die Antworten mühsam suchen, ohne zu merken, daß man sich selbst ständig im Kreis dreht, oder nicht vorankommt, weil man immer wieder auf die selbe falsche Weise an das Problem rangeht.

Und genau hier greift der Spezialist, die kompetente Person. Genau wie der Handwerker, der viele Dinge viel öfters macht als der Laie, schafft er es, Probleme in viel kürzerer Zeit, effizienter und billiger zu lösen. Es ist doch ein großer Unterschied, wenn man sich selbst mit Problemen monatelang oder jahrelang herumplagt, oder ein Berater oder Therapeut die Anworten in 1-5 Sitzungen liefert.

Ich für meinen Teil gebe lieber Geld aus, und laße diverse Dinge von Profis und Experten machen. Und sollte es jeder vernünftige Mensch sehen. Die äußere kompetente Sicht außerhalb unseres normalen Denkens und Wahrnehmens kann vielen sehr hilfreich sein, und sie kann ein System und Werkzeug liefern, damit man seine Probleme und Schwierigkeiten lösen kann. Nicht alle Fragen und Probleme erfordern gleich eine mehrmonatige oder mehrjährige Therapie. Es reicht vielleicht 1-5 Gespräche, um wieder für sich selbst weiter zu kommen. Was soll dran schlecht oder falsch sein?

Gast
2011-02-20, 02:53:30
Weil die Welt wie du sie kennst ganz einfach krank ist?

Thanatos
2011-02-20, 06:19:57
Nicht alle Fragen und Probleme erfordern gleich eine mehrmonatige oder mehrjährige Therapie. Es reicht vielleicht 1-5 Gespräche, um wieder für sich selbst weiter zu kommen.

Ich denke dass dies den Langzeit psychodynamischen Psychotherapien geschuldet ist, welche ja durchaus mehrere Jahre gehen können und wohl zu der Verzerrten Wahrnehmung führen, dass nun Psychotherapie gleich psychodynamische Langzeittherapie ist. Aber dies ist natürlich irgendwie auch verständlich, da kaum ein Laie ja wirklich weiß, dass es auch psychoanalytische Kurzzeittherapien gibt oder einen ganzen Strauß an verschiedenen anderen Psychotherapien, wie etwa die sehr allgemein sehr wirksame kognitive Verhaltenstherapie, Gesprächstherapie, Hypnotherapie, Interpersonelle Kurzzeittherapie, dialektische Verhaltenstherapie usw.

{655321}-Hades
2011-02-20, 07:13:06
Ein weiterer Grund neben den hier genannten ist jener, dass wir schlicht keine Leidenskultur mehr haben. Wir leiden nicht wirklich. Unsere Großeltern haben gelitten. Die sind lustigerweise weder zum Psychiater gegangen, noch haben sie eine Dauerkur mit Happy-Happy-Joy-Joy-Tabletten bekommen. Es scheint kaum einer mehr einsehen zu wollen, dass Leiden schlicht Bestandteil des Lebens ist und man nicht verkehrt funktioniert, nur weil man es tut.

Thanatos
2011-02-20, 14:58:08
Ein weiterer Grund neben den hier genannten ist jener, dass wir schlicht keine Leidenskultur mehr haben. Wir leiden nicht wirklich. Unsere Großeltern haben gelitten. Die sind lustigerweise weder zum Psychiater gegangen, noch haben sie eine Dauerkur mit Happy-Happy-Joy-Joy-Tabletten bekommen. Es scheint kaum einer mehr einsehen zu wollen, dass Leiden schlicht Bestandteil des Lebens ist und man nicht verkehrt funktioniert, nur weil man es tut.

Leiden ist Bestandteil des Lebens und gehört momentan leider noch dazu, ich wüsste aber nicht, was daran erstrebenswert sein sollte, ein leidvolles Leben zu führen. Etwa nur um sich irgendwann auf die Schulter klopfen zu können, dass das eigene Leben zwar eine Qual war, aber man hart genug war, nicht völlig daran zu verzweifeln und vorzeitig aus diesem getreten zu sein? Was soll dies bezwecken? Natürliche Selektion, so dass nur die härtesten und leidensfähigsten Menschen durchkommen - Lebenssinn durch Lebensleid?

Ziel sollte es sein, das Leiden von allen Lebewesen auf das Mindeste zu reduzieren, da alles andere letztendlich nur in die Barbarei führt.


Aber weil Du die vorletzte Generation ansprachst. Mein Großvater hatte Jahrzehnte nach dem Krieg noch schreckliche Alpträume von Kriegserlebnissen und hat diese Träume - wenn auch nicht mehr so häufig wie früher - immer noch und war auch schon nicht all zu weit vom Suizid, weshalb er auch schon damals Stationär behandelt wurde. Weiter gibt es sicherlich imme rnoch Dinge, welche ihn beschäftigen und belasten, von denen er uns aber noch nichts erzählt hat. Ich glaube er hätte sich gerne in die Reihen der "Weicheier" eingereiht un deine behandlung genossen, hätte es damals eine Behandlung gegeben bzw. hätte man überhaupt so etwas wie PTBS gekannt.

Lawmachine79
2011-02-20, 15:11:50
Ein weiterer Grund neben den hier genannten ist jener, dass wir schlicht keine Leidenskultur mehr haben. Wir leiden nicht wirklich. Unsere Großeltern haben gelitten. Die sind lustigerweise weder zum Psychiater gegangen, noch haben sie eine Dauerkur mit Happy-Happy-Joy-Joy-Tabletten bekommen. Es scheint kaum einer mehr einsehen zu wollen, dass Leiden schlicht Bestandteil des Lebens ist und man nicht verkehrt funktioniert, nur weil man es tut.
Und genau deshalb muss man Kindern frühzeitig in "künstliche" Druckszenarien bringen. Damit die im Studium oder im Beruf zum ersten Mal mit Erwartungen und Verantwortung konfrontiert sind und dann scheitern. Umgang mit Druck ist kein Talent, sondern erlernbar. Und darüber sollte man dankbar sein und jedem die Gelegenheit gegen zu lernen. Denn es gibt Dinge, die kann man nicht lernen und daher sollte man sich glücklich schätzen über erlernbare Dinge anstatt dämliche Dokus wie "Deutschland unter Druck" zu drehen.
Wenn man so will, ist es eben die moderne Form natürlicher Auslese. Die, die früher verhungert wären, jammern heute über Druck.

ich wüsste aber nicht, was daran erstrebenswert sein sollte, ein leidvolles Leben zu führen.
Da ist nichts erstrebenswert dran. Wenn Kinder zu behütet aufwachsen, werden sie jedoch nicht langsam an das Gefühl von "Leid" (in seinem weitesten Sinne) herangeführt. Sie werden erst dann damit konfrontiert, wenn es unausweislich und heftig ist. Und dann trifft es sie mit voller Wucht und dann haben sie bleibende Schäden. Leidensfähigkeit ist trainierbar. Wenn Du einen Untrainierten einen Marathonlauf aufzwingst ohne die theoretische und praktische Möglichkeit abzubrechen, wird er bei dem Versuch sterben (wenn er wirklich laufen muss). Wenn man vorher 5, 10, 20, 30km gelaufen ist, wird es zwar wehtun - aber man wird es meistern. Und genauso ist es mit "Leid" (finde das Wort etwas heftig für das worüber wir hier reden, daher die Anführungszeichen).

Mylene
2011-02-20, 15:37:10
Es ist aber ein Unterschied, ob man einem Kind "Druck" als (existenzielle) Bedrohung oder als (meisterbare) Herausforderung beibringt.

PHuV
2011-02-20, 22:54:20
Ein weiterer Grund neben den hier genannten ist jener, dass wir schlicht keine Leidenskultur mehr haben. Wir leiden nicht wirklich. Unsere Großeltern haben gelitten. Die sind lustigerweise weder zum Psychiater gegangen, noch haben sie eine Dauerkur mit Happy-Happy-Joy-Joy-Tabletten bekommen. Es scheint kaum einer mehr einsehen zu wollen, dass Leiden schlicht Bestandteil des Lebens ist und man nicht verkehrt funktioniert, nur weil man es tut.

Tja, aber hast Du da auch mal genauer hingeschaut, wie dieses Leid kompensiert wurde? Da wurden die Kinder als Filter genommen, die Ehefrauen, die Ehemänner, alle haben sich mit einer Krankheit angesteckt und an weitere gegeben, so daß die nächste Generation schon bereits ohne Grund traumatisert war. Gewalt und Übergriffe sind bei solchen Menschen teilweise Tagesordnung gewesen. Wenn sie das Leid, so wie Du behauptest, für sich getragen hätten, wäre das wirklich ehrenhaft und würdigungswürdig gewesen. Tatsache ist aber, das diese eben nicht so passiert ist.

pest
2011-02-20, 23:10:47
das was Hades geschrieben hat ist doch nur Unfug...gibt genug Bücher und Forschungen drüber was die Tramatisierungen früherer Generationen für die nachfolgenden Bedeuten kann.

hasufell
2011-02-21, 20:02:54
Ein weiterer Grund neben den hier genannten ist jener, dass wir schlicht keine Leidenskultur mehr haben. Wir leiden nicht wirklich. Unsere Großeltern haben gelitten. Die sind lustigerweise weder zum Psychiater gegangen, noch haben sie eine Dauerkur mit Happy-Happy-Joy-Joy-Tabletten bekommen. Es scheint kaum einer mehr einsehen zu wollen, dass Leiden schlicht Bestandteil des Lebens ist und man nicht verkehrt funktioniert, nur weil man es tut.
exakt. der Mensch leidet, wenn er nicht leidet.
Wenn sie das Leid, so wie Du behauptest, für sich getragen hätten, wäre das wirklich ehrenhaft und würdigungswürdig gewesen.
Diese Behauptung lese ich irgendwie nicht raus.

Es geht um die Relation des Leids. Es sagt ja keiner, dass die Leute während nem WK prima mit sich selbst klarkamen oder pädagogische Gurus waren.
Da war die Dosis des Leids aber härter und deswegen auch der Spalt größer zwischen denen, die schlichtweg zerbrachen und denen, die Krieg, Tod und Verlust akzeptieren konnten und trotzdem ihre Welt wieder aufgebaut haben.
Ergo war auch die "Seelenlandschaft" anders als heute.

Ob da irgendwer einen "Seelenklempner" gebrauchen konnte, bezweifle ich. Der würde ja überhaupt keinen Zugang zu den Erfahrungen haben, aber das ist ein anderes Thema eigentlich.

Um besser oder schlechter geht es hier imo auch nicht. Leid ist neutral. Glück ist neutral. Man kann es so oder so nutzen, aber je stärker die Dosis, desto stärker die Grenzsituation, desto eindeutiger die Konsequenzen.

Mylene
2011-02-21, 20:21:30
Unsere Gesellschaft ist doch inzwischen viel zu anonymisiert. Wer traut sich denn, sich an Freunde oder Familie zu wenden, wenn er ein Problem hat? Da wird eher versucht, das meiste mit sich selbst auszumachen, um dann festzustellen, dass man kläglich scheitert. Und wenn man das Scheitern bemerkt, ist es meist zu spät. Ich sehe die Schwierigkeit nicht darin, dass sofort an den Arzt verwiesen wird, sondern dass nur wenige noch bereit sind, sich mit Problemen anderer auseinander zu setzen. Auf gewisse Art ist das ein Verdrängungsmechanismus. Und ich erdreiste mich, zu behaupten, die Leute, die den Krieg miterlebt haben, haben zumeist nicht die besseren Fähigkeiten im Umgang mit ihren Problemen an den Tag gelegt, sondern ihren Verdrängungsmechanismus perfektioniert. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Großeltern, deren Bekannte oder Verwandte bereit gewesen wären, nochmals über ihre Vergangenheit zu sprechen. Es wurde totgeschwiegen. Und genauso werden heute Probleme totgeschwiegen, und man wundert sich, warum sich die Depression zur Volkskrankheit mausern konnte.

{655321}-Hades
2011-02-21, 20:41:14
Tja, aber hast Du da auch mal genauer hingeschaut, wie dieses Leid kompensiert wurde? Da wurden die Kinder als Filter genommen, die Ehefrauen, die Ehemänner, alle haben sich mit einer Krankheit angesteckt und an weitere gegeben, so daß die nächste Generation schon bereits ohne Grund traumatisert war. Gewalt und Übergriffe sind bei solchen Menschen teilweise Tagesordnung gewesen. Wenn sie das Leid, so wie Du behauptest, für sich getragen hätten, wäre das wirklich ehrenhaft und würdigungswürdig gewesen. Tatsache ist aber, das diese eben nicht so passiert ist.


Ach, bla. You missed the point. Ebenso Thanatos und pest eh.

Es ist natürlich nicht erstrebenswert, ein Leben voller Leid zu führen. Und ganz sicher sprach ich nicht von unseren Großeltern im Sinne der Kriegstraumatisierten. Ich sprach schlicht von einer Generation, die noch so etwas wie Mangel kannte. Die tatsächlich noch existentieller Bedrohung ausgesetzt war. Wo eben noch alle Reste aufgebraucht werden mussten, weil es sonst eben nichts zum Essen gab. Wo Armut noch Hunger war.

Das sind keine Zeiten, die man sich wieder herbei wünscht, aber es täte der Gesellschaft sicher nicht schlecht, wenn sie ihren Kult ums Glück aufgeben würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Mensch (ja, Anthropologisierung ist immer schwierig) als Lebewesen funktionieren kann, ohne ein Gegenstück zu Zufriedenheit zu kennen. Es ist auch vollends unerträglich, immer rundum glücklich zu sein. Aus unerfindlichen Gründen wird das aber permanent von jedem gefordert - und DAS kann einen tatsächlich deprimieren. Dann muss ja offensichtlich wirklich etwas nicht mit einem stimmen, wenn man nicht ständig grinst wie das Brandt-Bengelchen oder so einen glücklichen und zufriedenen Eindruck macht wie die fesche Ǜ30-erin aus der Actimel-Werbung.

Bist du "deprimiert", rennst du zum Psychiater, bist du nicht "erfolgreich", brauchst du einen Coach, haste nix zum Ficken, meldest du dich ins Pickup-Artist-Bootcamp. Jedes Wehwehchen hat bereits eine Industrie die nur darauf wartet, die fehlgestellten "Patienten" wieder gerade zu rücken.

Kein Zweifel, Psychiatrie hat ihren Sinn und Zweck, aber mittlerweile ist auch wirklich jeder Scheiß eine Persönlichkeitsstörung und für wen es noch keine Diagnose gibt, für den wird eben etwas Diffuses erfunden. Ist auch prima für die Patienten, die können sich dann immer auf ihre Insel zurückziehen, die ihnen von ein paar Tausend Willigen auch gerne gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt wird.

Nochmal: Psychiatrie hat definitiv in vielen Fällen Sinn. Aber dieses inflationäre Herum(selbst)diagnostizieren und Therapieren löst in mir nur noch Kopfschütteln aus. Vielen Leuten, die sich für krank, gespalten, depressiv, narzisstisch, schizoid oder - ganz modern - gleich autistisch halten, mag ich einfach nur "man the fuck up" entgegenschreien.

Na Mensch, hat man eben ein beschissenes Jahr verbracht. War vielleicht nicht das erste und wird auch ganz bestimmt nicht das letzte sein. Ist eben der Köter gestorben, die Freundin weggelaufen, die Eltern haben sich scheiden lassen oder der Stuhl war zu hart. Bestimmt, für jeden ist irgendwann der Punkt erreicht, wo er einfach nicht mehr kann. Und dann wird Therapie wichtig und unersetzbar, besser auch in Form von Tabletten, denn bei manchen Menschen mag man nicht einmal mehr kurzfristig zusehen, wie sie sich quälen. Aber diese generelle Unfähigkeit, Leiden als schlichten und notwendigen Bestandteil des Lebens zu begreifen und wegen jedem Scheiß ein "Hilfsangebot" oder Tabletten annehmen zu wollen, ist einfach nur bekloppt.

PHuV
2011-02-21, 21:55:55
Gut, so gesehen hast Du auch recht.

Jeder will heute mit aller Gewalt und zum niedrigsten Preis Erfolg haben. Jeder fühlt sich unter Druck gesetzt, weil die einen erfolgreich sind (was auch immer das sein mag), und die anderen nicht. Durch Fernsehen, Zeitschriften, Internet und Co. bekommt das halt jeder mit. Damals gab es diese Informationsflut und diese Vergleiche eben nicht. Da wußte man gerade, was im Nachbardorf ablief, und das war es. Was man nicht kennt vermißt man auch nicht. Aber heute kennt jeder viel mehr, als das was damals ablief. Und man weiß heute eher, was normal und gesund ist, und was nicht, da es nun mal Vergleiche gibt, das ist die andere Seite der Medallie. Wo damals der Dorfdepp kaum Beachtung fand, und so vor sich hinvegitierte, wird heute Förderung betrieben, so daß diese Menschen auch ein würdiges Leben möglich ist.

Ich weiß nicht, ob damals die Menschen besser Leid ertragen konnten. Wie Mylene auch sagte, man hat den Verdrängungsmechanismus perfektioniert. Man wußte früher auch vieles schlichtweg nicht besser. Die große Schwierigkeit ist doch in unserer Gesellschaft, daß eine gewisse Kultur der Reflexion und Streßresistenz nicht kultiviert wurde. Wo klären den die Eltern heute auch richtig auf, was mit Liebe und Beziehung zu tun hat? Den Kindern das Ficken erklären fällt heute jedem leicht, aber wo wird erklärt, wie man/n ein Mädel rumkriegt, wie Mädels mit Jungs umgehen müssen, wie man sich gegenseitig behandelt etc. Die hohen Scheidungs- und Trennungsraten zeigen doch, daß wir zwar in gewisser Weise aufgeklärter sind, aber wesentliche Fähigkkeiten nicht entwickelt sind. Man braucht doch bloß mal hier im Sozi-Forum nachlesen, wieviel Mangel herrscht.

Konkrete Frage, durch was kann oder sollte Deiner Meinung nach der Mangel beseitigt werden? Wenn ein Mensch nicht gelernt hat, mit der Trauer, mit dem Schmerz und mit temporärem Leid umzugehen, wo soll er es lernen?

Ich sehe es so, daß heute ein großer Bedarf danach ist. Und wenn man es vernünftig macht, dann sollten die Menschen es durch andere lernen und lernen können, vor allen Dingen so, so daß sie künftig mit umgehen können, und keine externe Hilfe mehr benötigen, wenn sie in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen kommen. Der Therapeut und Berater sollte nicht heilen oder helfen, er sollte das Handwerkszeug für die Menschen liefern, damit sie eben stress- und leidensresistenter werden.

Du hast die damalige Armut und Hunger an. Wenn man ums Überleben kämpft, hat das eben eine andere Priorität als jedes psychische Problem, daß ist doch normal. An der Stelle interessiert es auch nicht, ob ein Ipad ein Micro-USB-Anschluß hat oder nicht. Aber wir leben eben heute in einer solchen Gesellschaft, wo wir uns den Luxus darüber erlauben können, daß ein Minster seine Doktorarbeit zusammenkopiert hat, oder wo man das nächste Jahr in den Urlaub fährt. Da verwundert es doch nicht, daß die Menschen dann mehr den Fokus auf die Psyche legen, und ob sie überhaupt in der Lage sind, glücklich zu leben. Wer hungert, fragt nicht nach Glück, er fragt nach einem satten Magen. Und wer einen satten Magen hat, fragt nach einem Bett zum Schlafen, und dann fragt er nach Unterkunft, nach medizinscher Versorgung.... und wenn alles da ist, dann kann er sich anderen Dingen widmen.

Ich seh das nicht so tragisch wie Du, ganz im Gegenteil. Es zeigt, daß es als Gesellschaft uns gut geht, und wir uns theoretisch auf eine neue Stufe entwickeln könnten, wie auch immer sie aussieht. Ob wir diese Chance nutzen, ist eine andere Frage. Ich für meinen Teil schlage mich lieber mit psychischen Problemen rum, als mich mit arabischen Sicherheitskräften ein Feuergefecht zu liefern, weil der Staat mir Freiheit und Gerechtigkeit vorenthält.

pest
2011-02-21, 23:21:09
Ach, bla. You missed the point. Ebenso Thanatos und pest eh.


Nein so einfach wie du es darstellst ist es nicht.

Weil du es extra erwähnt hast...Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung leiden nicht per se an ihrem Zustand, es ist oftmals eher das Umfeld.
Was zu einem abstrakterem Begriff von "Leid" führt, der mehr als das Leid derjenigen umfasst die zu einem gewissen Maß an Introspektion verfügen.

Du wirfst außerdem Begriffe durcheinander, deren Existenz als klinische Persönlichkeitsmerkmale ihre Berechtigung besitzen.
Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass so ziemlich jeder Mensch in der westlichen Welt gewisse Defizite in seiner Beziehungsgestaltung besitzt,
was verschiedene auch generationsübergreifende Ursachen haben kann.

Und als aufgeklärte Wesen sind wir ja darin bestrebt uns, unsere Umwelt und deren Kausalitäten zu verstehen was zwangsläufig zu einer Art "Therapie" führt.
Wenn alle das machen würden, wäre die Welt ein besserer Ort :D

Die "life is pain"-Attitüde darf man deswegen nie so einseitig betrachten.

{655321}-Hades
2011-02-22, 01:02:24
Nein so einfach wie du es darstellst ist es nicht.

Große Eröffner sollten in der Regel dickes Gefolge haben.

Weil du es extra erwähnt hast...Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung leiden nicht per se an ihrem Zustand, es ist oftmals eher das Umfeld.

Oh, bitte belehr mich noch ein bisschen. Weißt, ich hab meine Scheinchen in klinischer Psychologie auch abgerissen. Was den Therapiebedarf angeht, gilt aber _gerade_ bei den Persönlichkeits"störungen" und den "Charakterneurosen" nach wie vor, dass ohne _subjektiven_ und damit rein individuellen Leidensdruck kein Behandlungsbedarf besteht.

Kaum einer mag klinische Narzissten, Histrioniker sprengen jede Party, aber nur weil das Umfeld sie nicht mag, sind sie noch lange nicht behandlungsbedürftig.

Was zu einem abstrakterem Begriff von "Leid" führt, der mehr als das Leid derjenigen umfasst die zu einem gewissen Maß an Introspektion verfügen.

Du bist doch Mathematiker. Gib mir einen abstrakteren Begriff von "Leid". Der das Umfeld mit einbezieht und klare diagnostische Richtlinien vorgibt und am besten noch mit angibt, ab wann jemand behandelt werden muss. Ich finde eine ganze Menge Menschen um mich herum scheiße (und bin mir todsicher, dass das auf Gegenseitigkeit beruht). Ich bin aber gottfroh, dass weder die eine, noch die andere Richtung zu Psychiatrisierung berechtigt ist.

Du wirfst außerdem Begriffe durcheinander, deren Existenz als klinische Persönlichkeitsmerkmale ihre Berechtigung besitzen.

Das klingt so schön, wenn man das sagt, oder? Hast du dir irgendwann mal psychologische Testtheorie angetan (bei der einem schon die Nackenhaare zu Berge stehen)? Nicht, dass man die überhaupt bräuchte, um diagnostische Kataloge zu bedienen. Semantische Unschärfe ist schließlich auch recht bequem. Aber ich bin hoch gespannt, wie du mir vorführst, dass gewisse Persönlichkeitsmerkmale in klinischer Existenzformbegrifflichkeit (oder was auch immer du sagen wolltest) von empirischer Relevanz sind oder sonst andersartig "Berechtigung" finden.

Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass so ziemlich jeder Mensch in der westlichen Welt gewisse Defizite in seiner Beziehungsgestaltung besitzt,
was verschiedene auch generationsübergreifende Ursachen haben kann.

Na, das ja 'n dolles Ding. Ich verstehe nur überhaupt nicht, was du damit sagen möchtest und war mir totsicher, irgendwo da oben etwas darüber geschrieben zu haben, dass ich nie von einer Generation der "Kriegstraumatisierten" sprach.

Und als aufgeklärte Wesen sind wir ja darin bestrebt uns, unsere Umwelt und deren Kausalitäten zu verstehen was zwangsläufig zu einer Art "Therapie" führt.
Wenn alle das machen würden, wäre die Welt ein besserer Ort :D

Nein. Ich glaube da liegt der tatsächliche Hund begraben. Tun wir nicht (und wo zur Hölle hast du eigentlich auf einmal die Aufklärung ausgegraben?). Meiner bescheidenen Meinung nach. Ich kann das individualpsychologisch höchstens anekdotisch belegen, aber "irgendwas ist ja immer". Es geht nicht ohne Probleme. Nicht ohne Leid. Nicht ohne Feind. Nicht ohne Ziel. Nicht ohne Herausforderung. Kein Leben frei von jeder Beschwerde. Ich finde als ausgesprochener Melancholiker jeden Tag irgendetwas, das mich stört und vermutlich sogar vollends deprimiert. Fragt man mich, wie es mir geht, kann ich aber in der Regel antworten: "Großartig" oder zumindest "Soweit." Hölle, es geht mir eben mehr als die Hälfte der Zeit unterdurchschnittlich gut. Aber das gehört für mich immer und ständig dazu und lässt mich überhaupt nicht an der Qualität meines Lebens zweifeln. Die Umwelt ist in der Regel ohnehin wenig beeinflussbar, und ich habe auch die Hoffnung aufgegeben, dass Menschen sich selbst großartig ändern.

Ich lege auf drei Dinge im Leben wert: Gutes Essen, guter Schlaf, guter Sex. Wenn ich da einen unerträglichen, längerfristigen Mangel entwickeln sollte, dann fange ich an, mich ernsthaft zu beschweren. Alles davor ist dekadent. Und lustigerweise haben die drei Dinge die Eigenschaft von selbst immer besser zu werden, wenn man einen Mangel an ihnen entwickelt.

Die "life is pain"-Attitüde darf man deswegen nie so einseitig betrachten.

Na gut, dann ist das Leben eben Happy-Happy-Joy-Joy. Boah. Du tust gerade so, als hätte ich behauptet, das Leben müsste nur aus Leid bestehen. Mit Sicherheit nicht. Und verabschiede dich bitte mal von den Hohlphrasen, Tautologien müssten dir doch wirklich nicht liegen.


.edit: Sorry PhuV, ich antworte morgen. Jetzt muss ich schlafen. Da lege ich wert drauf. ;)

Prof. Dr. Dr. T. Rollolol
2011-02-22, 01:28:57
Kaum einer mag klinische Narzissten, Histrioniker sprengen jede Party, aber nur weil das Umfeld sie nicht mag, sind sie noch lange nicht behandlungsbedürftig.


Ach komm Hades, mit dieser Verharmlosung beschönigst du wiedermal unsere asoziale Gesellschaft. Natürlich sind Narzissten im Privaten nicht schlimm, aber wenn sie aus persönlicher Eitelkeit eine Firma gegen die Wand fahren, leiden darunter die Angestellten.

Es ist nicht so, dass wir heute immer schneller zum Psychiater gehen, nein, es ist tatsächlich so, dass hier immer mehr Menschen leben, die eine Behandlung auch wirklich notwendig haben. Die Welt ist in den vergangenen 50 - 100 Jahren unendlich viel komplexer geworden, unsere Genetik ist aber immernoch auf demselben Stand wie zu Zeiten der Pharaonen. Unser Gehirn ist garnicht geschaffen für diese abstrakte Welt in die Auswirkungen von Entscheiden garnicht mehr direkt sichtbar ist.

Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, nach dem essen satt zu werden, nach dem ficken einen Orgasmus zu bekommen und nach dem schlafen ausgeruht zu sein. Diese Bedürfnisse können wir direkt befriedigen und bekommen die Belohnung dafür auch subito.

Das menschliche Gehirn ist aber nicht darauf ausgelegt, am 1. des Monats für den Lohn, den es erst am 25. mit Abzügen bekommt, zu arbeiten. Die Belohnung ist hier viel zu weit entfernt von der Tätigkeit.

Wenn also heute mehr Leute sich psyatrisch behandeln lassen, dann weil sie mit der Kausalität der Welt nichtmehr klarkommen. Weil sie nichtmehr verstehen, woher das Leid eigentlich kommt. Denn die Kausalität für das Leid ebenso komplexer geworden. Es geht uns nichtmehr schlecht, weil wir nichts zu Essen haben. Dieses Problem ist einfach und fassbar, ist der Kühlschrank wieder voll, ist das Problem gelöst.

Heute lassen sich die Probleme nicht mehr so leicht lösen. Eigentlich lassen sie sich häufig garnicht lösen, da man die Kausalität der Probleme nicht am richtigen Ort ändern kann und mit dem eigenen Handeln die Situation nur weiter zu spitzen würde. In diesem Fall muss man sich mit der Situation arrangieren und da liegt es näher, dass man sich selbst therapiert, als unzufrieden mit der Situation bleibt.

Denn die Möglichkeit bietet unsere Gesellschaft glücklicherweise. Wir gehen heute aufgeschlossener mit Depressiven und psychisch Gestörten um und stigmatisieren sie nicht mehr. Damals wurde Menschen welche weniger fassbare Probleme hatten, als schlechten Sex, einen leeren Bauch oder ein hartes Bett von der Gesellschaft noch weitere Steine in den Weg gelegt - und du willst das allen Ernstes zurück? Nur damit du dich besser fühlen kannst, wenn andere auch leiden?

{655321}-Hades
2011-02-22, 11:16:10
Gut, so gesehen hast Du auch recht.

Jeder will heute mit aller Gewalt und zum niedrigsten Preis Erfolg haben. Jeder fühlt sich unter Druck gesetzt, weil die einen erfolgreich sind (was auch immer das sein mag), und die anderen nicht. Durch Fernsehen, Zeitschriften, Internet und Co. bekommt das halt jeder mit. Damals gab es diese Informationsflut und diese Vergleiche eben nicht. Da wußte man gerade, was im Nachbardorf ablief, und das war es. Was man nicht kennt vermißt man auch nicht. Aber heute kennt jeder viel mehr, als das was damals ablief. Und man weiß heute eher, was normal und gesund ist, und was nicht, da es nun mal Vergleiche gibt, das ist die andere Seite der Medallie. Wo damals der Dorfdepp kaum Beachtung fand, und so vor sich hinvegitierte, wird heute Förderung betrieben, so daß diese Menschen auch ein würdiges Leben möglich ist.

Um zu wissen, was "normal und gesund" ist, muss man definieren, was man für eine entsprechende Abweichung hält. Dass wir inzwischen für alle Mögliche solche Definitionen haben, bedeutet, dass immer mehr Menschen als krank definiert werden können. Geisteskrankheiten, bestimmte Symptombündel tauchen manchmal tatsächlich aus dem Nichts auf, sind aber meist kulturgebundene Syndrome. Magersucht und Bulimie zum Beispiel gibt es lediglich im Westen. Die klassische Hysterie ist nahezu ausgestorben. Oder guck mal in die "Geistesepidemien der Menschheit" von Carus. Nichts von dem, was er dort beschreibt, ist heute noch existent.

Dass diese Dinge auftauchen, bedeutet aber nicht, dass sie automatisch ein genuines Ding an sich sind. Die Störungen müssen auch seitens der Medizin und Psychologie konstruiert werden (wie z.B. Homosexualität). Sind wir also tatsächlich kränker oder sieht man uns nur auf einmal häufiger so? Kein Zweifel, Morbus Bleuler hat schon immer existiert. Hat aber auch eindeutige hirnorganische Ursachen. Aber ney, das Fass mit den Geisteskrankheiten und den Gehirnkrankheiten lassen wir besser erstmal zu.

Früher waren das aufgeweckte Kinder, heute haben sie ADHS. Was dereinst ein Melancholiker war, hat heute Depressionen, himmelhoch jauchzend und zu tode betrübt ist natürlich auch direkt ein Verdacht auf bipolare Störung. Eitle Pfauen und zu stolz geratene Menschen sind Narzissten. Jede Bekannte, die mal zum Psychotherapeuten ist, kam mit Borderline wieder.

Niemand will den Fortschritt der Medizin kleinreden. Dass Menschen mit Downsyndrom heute weit älter als 10 Jahre werden ist eine prima Sache. Aber gerade die Psychiatrie ist ein Ding, dem man mit Vorsicht begegnen muss. Ich sage Vorsicht, nicht Ablehnung.

Ich weiß nicht, ob damals die Menschen besser Leid ertragen konnten. Wie Mylene auch sagte, man hat den Verdrängungsmechanismus perfektioniert. Man wußte früher auch vieles schlichtweg nicht besser. Die große Schwierigkeit ist doch in unserer Gesellschaft, daß eine gewisse Kultur der Reflexion und Streßresistenz nicht kultiviert wurde. Wo klären den die Eltern heute auch richtig auf, was mit Liebe und Beziehung zu tun hat? Den Kindern das Ficken erklären fällt heute jedem leicht, aber wo wird erklärt, wie man/n ein Mädel rumkriegt, wie Mädels mit Jungs umgehen müssen, wie man sich gegenseitig behandelt etc. Die hohen Scheidungs- und Trennungsraten zeigen doch, daß wir zwar in gewisser Weise aufgeklärter sind, aber wesentliche Fähigkkeiten nicht entwickelt sind. Man braucht doch bloß mal hier im Sozi-Forum nachlesen, wieviel Mangel herrscht.

Ich stimme dir zu. Ich weiß nur nicht, wie ein Seelenklempner da helfen soll oder warum gerade die die Kernkompetenz inne haben sollten, Menschen ihr Leben zu erklären. Dafür reichen in den meisten Fällen wohl auch Freunde und Verwandte. Obwohl es gerade für die wohl auch bequemer ist, wenn so etwas in Arbeitsteilung geschieht und man sich nicht mit dem Leben des Anderen beschäftigen muss. Wenn Therapie jemandem tatsächlich hilft, werde ich ihn nicht abhalten, hinzugehen.

Das mit den Scheidungsraten würde ich aber eher auf eine geänderte Tradition zurückführen. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich kenne eine Menge Menschen in ungesunden Beziehungen, die gut daran täten, sich zu trennen oder scheiden zu lassen.

Konkrete Frage, durch was kann oder sollte Deiner Meinung nach der Mangel beseitigt werden? Wenn ein Mensch nicht gelernt hat, mit der Trauer, mit dem Schmerz und mit temporärem Leid umzugehen, wo soll er es lernen?

Siehe oben. Ich weiß wirklich nicht, warum Psychotherapeuten und gerade Psychopharmaka dabei behilflicher sein könnten, als ein gutes Maß an sozialer Integration. Natürlich ist die nicht bei jedem gegeben und es ist auch wichtig, dass solche Menschen aufgefangen werden. Räume ich sofort ein. Aber gerade der Trend zur Chemie (der statistisch nun auch leicht zu belegen ist, und gucke ich in die USA, schwant mir Übles) hilft ganz, ganz, ganz sicher nicht weiter. Wenn ich nur Tabletten schmeißen muss, damit mein Leben wieder in Ordnung ist, dann lerne ich es wohl nie.

Ich sehe es so, daß heute ein großer Bedarf danach ist. Und wenn man es vernünftig macht, dann sollten die Menschen es durch andere lernen und lernen können, vor allen Dingen so, so daß sie künftig mit umgehen können, und keine externe Hilfe mehr benötigen, wenn sie in ähnlichen oder vergleichbaren Situationen kommen. Der Therapeut und Berater sollte nicht heilen oder helfen, er sollte das Handwerkszeug für die Menschen liefern, damit sie eben stress- und leidensresistenter werden.

Dann hast du ein Selbstverständnis, gegen das ich überhaupt nichts einzuwenden haben und wir sind uns wohl einiger, als wir glauben.

Du hast die damalige Armut und Hunger an. Wenn man ums Überleben kämpft, hat das eben eine andere Priorität als jedes psychische Problem, daß ist doch normal. An der Stelle interessiert es auch nicht, ob ein Ipad ein Micro-USB-Anschluß hat oder nicht. Aber wir leben eben heute in einer solchen Gesellschaft, wo wir uns den Luxus darüber erlauben können, daß ein Minster seine Doktorarbeit zusammenkopiert hat, oder wo man das nächste Jahr in den Urlaub fährt. Da verwundert es doch nicht, daß die Menschen dann mehr den Fokus auf die Psyche legen, und ob sie überhaupt in der Lage sind, glücklich zu leben. Wer hungert, fragt nicht nach Glück, er fragt nach einem satten Magen. Und wer einen satten Magen hat, fragt nach einem Bett zum Schlafen, und dann fragt er nach Unterkunft, nach medizinscher Versorgung.... und wenn alles da ist, dann kann er sich anderen Dingen widmen.

Nein. Das war mein Punkt. Es gibt immer Probleme. Menschen sind nicht dazu gemacht, ohne Mangel und Probleme zu leben. Schon einmal jemanden getroffen, der kein Päckchen zu tragen hatte? Dich dann schon einmal gewundert, wie man über solche Kleinigkeiten so arg rumjammern kann? Ich wundere mich da überhaupt nicht. Ich kann mir sogar glatt vorstellen, dass Leute, denen es "zu gut" geht, unter ihren Kleinigkeiten ebenso leiden wie existenzbedrohte Menschen. Woher kommt es wohl, dass Menschen manchmal erst verlieren müssen, was sie haben, um zu merken, was sie daran hatten? Weil wir uns an alle Umstände gewöhnen.

Ich seh das nicht so tragisch wie Du, ganz im Gegenteil. Es zeigt, daß es als Gesellschaft uns gut geht, und wir uns theoretisch auf eine neue Stufe entwickeln könnten, wie auch immer sie aussieht. Ob wir diese Chance nutzen, ist eine andere Frage. Ich für meinen Teil schlage mich lieber mit psychischen Problemen rum, als mich mit arabischen Sicherheitskräften ein Feuergefecht zu liefern, weil der Staat mir Freiheit und Gerechtigkeit vorenthält.

Na, der Gast nach mir hat schon richtig festgehalten, dass wir eben immer noch die selben Lebewesen wie vor 5000 Jahren sind. Kulturelle und technologische Evolution verläuft eben weit schneller als die biologische. Und ich wüsste wirklich nicht, welches Lebewesen nicht durch irreduziblen Mangel angetrieben würde. Es wird uns immer wegen irgendetwas schlecht gehen.

{655321}-Hades
2011-02-22, 11:38:05
Ach komm Hades, mit dieser Verharmlosung beschönigst du wiedermal unsere asoziale Gesellschaft. Natürlich sind Narzissten im Privaten nicht schlimm, aber wenn sie aus persönlicher Eitelkeit eine Firma gegen die Wand fahren, leiden darunter die Angestellten.

Wusste gar nicht, dass ich da eine Gewohnheit draus mache. :wink: Dass Menschen durch ihre Störungen Leid an anderen Menschen verursachen, bestreite ich nicht. Aber ich mag sie auch nicht zwangstherapiert sehen. Dazu ist zum Glück auch noch keine Möglichkeit gegeben.

Es ist nicht so, dass wir heute immer schneller zum Psychiater gehen, nein, es ist tatsächlich so, dass hier immer mehr Menschen leben, die eine Behandlung auch wirklich notwendig haben. Die Welt ist in den vergangenen 50 - 100 Jahren unendlich viel komplexer geworden, unsere Genetik ist aber immernoch auf demselben Stand wie zu Zeiten der Pharaonen. Unser Gehirn ist garnicht geschaffen für diese abstrakte Welt in die Auswirkungen von Entscheiden garnicht mehr direkt sichtbar ist.

Das wiederum wage ich bezweifeln. Aus oben genannten Gründen. Dass die Welt komplexer geworden ist, steht außer Frage. Ich glaube aber nicht recht, dass mein Leben heute deswegen für mich komplizierter ist als das von jemand, der sich vor 100 Jahren in einer ähnlichen Situation befand. Komplexität lässt sich eigentlich auch effektiv reduzieren.

Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, nach dem essen satt zu werden, nach dem ficken einen Orgasmus zu bekommen und nach dem schlafen ausgeruht zu sein. Diese Bedürfnisse können wir direkt befriedigen und bekommen die Belohnung dafür auch subito.

Siehe oben, stimme zu.

Das menschliche Gehirn ist aber nicht darauf ausgelegt, am 1. des Monats für den Lohn, den es erst am 25. mit Abzügen bekommt, zu arbeiten. Die Belohnung ist hier viel zu weit entfernt von der Tätigkeit.

Das nennt man den Aufschub der Bedürfnisbefriedigung und es ist integraler Bestandteil der menschlichen Entwicklung, die Fähigkeit hierzu zu entwickeln. Dass _exakt_ in dem Punkt heutzutage etwas schief läuft, glaube ich auch. Es würde ellenlang dauern, jetzt genau zu erklären, warum hier etwas meiner Meinung nach verkehrt läuft, es hat aber meines Erachtens nach etwas mit der gegenwärtigen Konsumgesellschaft zu tun.

Wenn also heute mehr Leute sich psyatrisch behandeln lassen, dann weil sie mit der Kausalität der Welt nichtmehr klarkommen. Weil sie nichtmehr verstehen, woher das Leid eigentlich kommt. Denn die Kausalität für das Leid ebenso komplexer geworden. Es geht uns nichtmehr schlecht, weil wir nichts zu Essen haben. Dieses Problem ist einfach und fassbar, ist der Kühlschrank wieder voll, ist das Problem gelöst.

Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst. Glaubst du, unsere Probleme heutzutage sind komplizierter?

Heute lassen sich die Probleme nicht mehr so leicht lösen. Eigentlich lassen sie sich häufig garnicht lösen, da man die Kausalität der Probleme nicht am richtigen Ort ändern kann und mit dem eigenen Handeln die Situation nur weiter zu spitzen würde. In diesem Fall muss man sich mit der Situation arrangieren und da liegt es näher, dass man sich selbst therapiert, als unzufrieden mit der Situation bleibt.

Du brauchst jetzt aber auch nicht so zu tun, als hätten die etlichen Generationen vor uns nie mit den sie umgebenden gesellschaftlichen Strukturen gerungen.

Denn die Möglichkeit bietet unsere Gesellschaft glücklicherweise. Wir gehen heute aufgeschlossener mit Depressiven und psychisch Gestörten um und stigmatisieren sie nicht mehr. Damals wurde Menschen welche weniger fassbare Probleme hatten, als schlechten Sex, einen leeren Bauch oder ein hartes Bett von der Gesellschaft noch weitere Steine in den Weg gelegt - und du willst das allen Ernstes zurück? Nur damit du dich besser fühlen kannst, wenn andere auch leiden?

Was denn. Ich habe nie behauptet, dass du denen einen gelben Stern umbinden sollst. Ich finde es gut, dass aufgeschlossener mit solchen Leuten umgegangen wird. Sofern sie denn tatsächlich solche Leute sind und keine eingebildeten (Geistes)Kranken. Ich will auch nicht dorthin zurück. Ich hätte es nur gerne, wenn nicht jeder gleich gestört, behindert, autistisch, krank oder entartet ist, wenn er sich mal eben eine Quittung darüber beim Psychiater oder aus der Brigitte holen kann.

Und ich fühle mich auch nicht besser, wenn es anderen Leuten schlecht geht. Bei den meisten Menschen kann ich nicht einmal hinsehen, wenn es ihnen tatsächlich schlecht geht. Gab da jüngst einen Fall in der Verwandtschaft, da habe ich tatsächlich über ein Jahr betteln müssen, _damit_ die Person in Therapie geht.

IVN
2011-02-22, 12:34:14
Ich kenne zu viele verrückte Menschen. Manchmal habe ich das Gefühl, das der Nicht-Verrückte in der Minderheit und somit "abnormal" ist. Die Quelle der Verrücktheit scheint in den meisten Fällen Unzufriedenheit zu sien. Der eine hat länger als gesund nichts gefickt, der andere "verdient" nicht so viel, wie er denkt, das er verdient, der 3. macht sich selber wegen seiner Größe/Länge/Aussehens kaputt, usw. Ultimativ denke ich nicht, das es genug Seelenklempner für so viele Kaputte und Verrückte gibt. Und viele Seelenklempner sind selbst verrückt. Ein Teufelskreis.

Deathcrush
2011-02-22, 16:59:30
Zur Persönlichkeitsstörung:

Ich habe bisher eigentlich keine Person angetroffen, die nicht unter ihrem Zustand gelitten hat. (BPS) Vor allem weil doch die Symptome so vielfälltig sind und sich nicht nur auf ein Symptom beschränken. Würde sich z.B. die Borderlinestörung nur auf die "Wutausbrüche" beschränken, wäre eine Behandlung natürlich seltener angebracht. Aber es ist doch häufig so, das dies Personen auch ein selbstzerstörendes Verhalten an den Tag legen. (Drogen, Schnibbeln....) Ich bin jedenfalls froh, das meine Frau mich zu einer Therapie quasi gezwungen hat ;) Damals habe ich es natürlich ganz anders gesehen.

IchoTolot
2011-02-22, 19:15:34
Seelenklempner klingt so negativ. Wer mal bei einem "Seelenklempner" war, der weiß, dass es einfach nur darum geht, Druck von dem Betroffenen zu nehmen, zumindest habe ich das bei einem guten Psychologen empfunden und es als eine sehr gute Erfahrung empfunden. Das kann durch Tipps im Umgang mit Situationen gehen oder man hört andere Sichtweisen und gewinnt dadurch neue Sichtweisen. Im Grunde ist es eine Hilfe zur Selbsthilfe.

Simon Moon
2011-02-23, 00:31:08
Früher waren das aufgeweckte Kinder, heute haben sie ADHS. Was dereinst ein Melancholiker war, hat heute Depressionen, himmelhoch jauchzend und zu tode betrübt ist natürlich auch direkt ein Verdacht auf bipolare Störung. Eitle Pfauen und zu stolz geratene Menschen sind Narzissten. Jede Bekannte, die mal zum Psychotherapeuten ist, kam mit Borderline wieder.
Schwieriges Feld. Etwa ADHS. Mag sein, dass es dieses Syndrom früher auch schon gab und es einfach gesellschaftlich akzeptierter war. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass dies eine Krankheit ist, welche auf unsere Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen ist.

Ich weiß nur nicht, wie ein Seelenklempner da helfen soll oder warum gerade die die Kernkompetenz inne haben sollten, Menschen ihr Leben zu erklären. Dafür reichen in den meisten Fällen wohl auch Freunde und Verwandte. Obwohl es gerade für die wohl auch bequemer ist, wenn so etwas in Arbeitsteilung geschieht und man sich nicht mit dem Leben des Anderen beschäftigen muss. Wenn Therapie jemandem tatsächlich hilft, werde ich ihn nicht abhalten, hinzugehen.


Für Freunde und Verwandte setzt das aber Mitleid (im Sinne des Wortes) vorraus. Die Bekannten müssen zu einem Teil mit leiden um sich in die Lage hineinzuversetzen und das Problem aufzufädeln, ansonsten gibts nur Ratschläge. Nur, in einer Kultur die nur das Glück sucht, will man doch nicht mitleiden...


Siehe oben. Ich weiß wirklich nicht, warum Psychotherapeuten und gerade Psychopharmaka dabei behilflicher sein könnten, als ein gutes Maß an sozialer Integration. Natürlich ist die nicht bei jedem gegeben und es ist auch wichtig, dass solche Menschen aufgefangen werden. Räume ich sofort ein. Aber gerade der Trend zur Chemie (der statistisch nun auch leicht zu belegen ist, und gucke ich in die USA, schwant mir Übles) hilft ganz, ganz, ganz sicher nicht weiter. Wenn ich nur Tabletten schmeißen muss, damit mein Leben wieder in Ordnung ist, dann lerne ich es wohl nie.
Das kommt auf das Problem an. Wenn du eine Blutanämie hast und dich deswegen depressiv fühlst, hilft dir auch der beste Therapeut nichts. Selbiges denke ich ist der Fall bei Stoffwechselstörungen.

Gerade bei Leuten mit schizophrenen Anzeichen fiel mir etwa in der Vergangenheit auf, dass sie zwar durchaus vernünftig über ihre Probleme reden können und es eigentlich auch verstehen, aber sobald das Gespräch wieder vorbei ist, fallen sie in die alten Denkmuster mit absurder Logik.
Nein. Das war mein Punkt. Es gibt immer Probleme. Menschen sind nicht dazu gemacht, ohne Mangel und Probleme zu leben. Schon einmal jemanden getroffen, der kein Päckchen zu tragen hatte? Dich dann schon einmal gewundert, wie man über solche Kleinigkeiten so arg rumjammern kann? Ich wundere mich da überhaupt nicht. Ich kann mir sogar glatt vorstellen, dass Leute, denen es "zu gut" geht, unter ihren Kleinigkeiten ebenso leiden wie existenzbedrohte Menschen. Woher kommt es wohl, dass Menschen manchmal erst verlieren müssen, was sie haben, um zu merken, was sie daran hatten? Weil wir uns an alle Umstände gewöhnen.
Das stimmt allerdings, seit ich mal mit nem Kumpel in einer 1-Zimmer Wohnung gelebt habe und mit knapp 300€ im Monat auskommen musste, mach ich mir solang ich hier lebe keine existenziellen Sorgen mehr.

Andererseits plagen einem dann andere Sorgen und ein bisschen trauere ich sogar dieser Einfachheit nach. Ich musste schauen dass die 300€ den Monat über reichen - dass war zwar eine existienzielle Sorge, aber eben die einzige und eine, auf die ich bewusst Einfluss nehmen konnte.

Surrogat
2011-02-23, 04:35:57
Schwieriges Feld. Etwa ADHS. Mag sein, dass es dieses Syndrom früher auch schon gab und es einfach gesellschaftlich akzeptierter war. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass dies eine Krankheit ist, welche auf unsere Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen ist.

Mit der Ernährung hast du zwar recht, grundsätzlich war aber früher die Gesellschaft an sich nachsichtiger mit Menschen die aus der Reihe tanzten, weil einfach weniger Druck da war.
Wenn du heute nicht 100% im vorgegebenen Schema funktionierst, wirst du gleich sanktioniert.
Daher fallen die ungewöhnlichen Typen eher auf als früher.

Ein Klaus Kinski war wegen seiner Exaltiertheit ein Star, wäre er heute geboren, dann wäre er ein Fall für gewisse Medikamente, obwohl ja im Schauspielermetier schon eher "Typen" gesucht werden, zumindest im Ausland

Hades gehts ja nur wieder darum jegliche Art von tatsächlicher oder eingebildeter Störung ins lächerliche zu ziehen, ich empfehle ihm eine Woche Aufenthalt in einem Soziopädiatrischen zentrum, da werden ihm die Augen aufgehen, ganz sicher.

Simon Moon
2011-02-23, 06:05:37
Mit der Ernährung hast du zwar recht, grundsätzlich war aber früher die Gesellschaft an sich nachsichtiger mit Menschen die aus der Reihe tanzten, weil einfach weniger Druck da war.
Wenn du heute nicht 100% im vorgegebenen Schema funktionierst, wirst du gleich sanktioniert.
Daher fallen die ungewöhnlichen Typen eher auf als früher.


Das ist doch ziemliche Verklärung der Vergangenheit. Wenn du früher aus der Reihe getanzt bist, hats Eine gesetzt. Scheissegal ob du Downsyndrom oder ADHS hattest...

Wenn also bspw. ADHS aufgrund kultureller Eigenheiten heute häufiger diagnostiziert wird, dann weil die Betroffenen keine Angst mehr haben müssen, deswegen diskriminiert und schikaniert zu werden. Statt Prügel gibts heute Hilfsangebote, da versteckt man die Konzentrationsschwäche auch weniger.

Aber so genau wird sich das eben nicht ermitteln lassen, da sich sowohl Kultur als auch Ernährung änderten. Da jedoch Allergien nachweislich zunehmen, kann man durchaus die Vermutung äussern, dass dies auch für andere Stoffwechselstörungen gelten könnte.

Baalzamon
2011-02-23, 10:18:30
[...]Das kommt auf das Problem an. Wenn du eine Blutanämie hast und dich deswegen depressiv fühlst, hilft dir auch der beste Therapeut nichts. Selbiges denke ich ist der Fall bei Stoffwechselstörungen.[...]

Zumindest in diesem Punkt ist es ja auch so, das jeder Arzt (zumindest im Idealfall, die Realität mag anders aussehen, Ärzte sind auch nur Menschen) bevor er dir Depressionen attestiert und dir Psychopharmaka verschreibt einen kompletten Check-Up macht um eine körperliche Ursache auszuschließen.

Simon Moon
2011-02-24, 01:05:29
Zumindest in diesem Punkt ist es ja auch so, das jeder Arzt (zumindest im Idealfall, die Realität mag anders aussehen, Ärzte sind auch nur Menschen) bevor er dir Depressionen attestiert und dir Psychopharmaka verschreibt einen kompletten Check-Up macht um eine körperliche Ursache auszuschließen.

Deine Betrachtung suggeriert, man würde schon alle Krankheiten kennen und mit der richtigen Vorgehensweise, würde man sie auch ziemlich sicher erkennen. Das darf aber generell bezweifelt werden. Wir haben lediglich Erklärungsansätze, wie sich Lebensgewohnheiten und Ernährung auf unsere Psyche beeinflussen.

ADHS bspw. steht ja im Verdacht, eine Stoffwechselstörung zu sein, das kompensiert man dann häufig mit Ritalin oder eben Therapien. Der Ansatz, dass diese Symptome von einer Nahrungsmittelallergie herrühren könnten, wird eher selten verfolgt und ist (noch) ein Gebiet der Alternativmediziner.

So habe ich etwa letzte Woche meine Ernährung umgestellt und achte nun darauf, keine Gluten mehr zu essen. Der Effekt ist äusserst erstaunlich, ich fühlte mich kurz darauf vital, konzentriert, aber auch sehr aggressiv und leicht "verkatert". Vorallem aber hab ich keine Verdauungsprobleme mehr. Bis dahin fühlte sich mein Bauch nach dem Essen häufig gebläht an und ich wurde extrem müde. Ich dachte dabei eben, ich hätte mich jeweils überfressen - nun ess ich jedoch grössere Portionen und hab danach keine Bauchschmerzen und nur moderate Müdigkeit.

Die Bestätigung kam dann, als ich ein kleines Ben & Cherrys Eis ass - kurz danach knurrte und rumorte mein Magen, ich wurde müde und angespannt, verwirrt. Am nächsten Tag hatte ich eine Mischung aus Durchfall und Verstopfung.

Nun war ich aber schon seit Ewigkeiten immer wieder bei Ärzten wegen Untergewicht und Müdigkeit. Die Check-Ups brachten immer Werte vor, die noch im Rahmen lagen. Der Rat beschränkte sich dann darauf, doch mehr Sport zu machen, es wurde also Ursache und Wirkung einfach verkehrt. Zweifel meinerseits wurden dabei dann immer als Verweigerung ausgelegt und so hatte ich eben selber Schuld, dass ich mich nicht fit fühlte.

Nun will ich dabei aber den Ärzten keinen Vorwurf machen, denn soweit ich weiss, gibt es noch nicht all zu lange brauchbare Allergietests und noch weniger lang, wird dass auch standardmässig untersucht. Da ich vor über einem Jahrzehnt allerdings mal einen Allergietest bei einer dubiosen Alternativmedizinerin machte, ging ich davon aus allergiefrei zu sein.

Dieses Beispiel soll nur mal zeigen, wie schwierig es ist, die richtige Behandlung zu finden. Wäre ich mit der Vorgeschichte evtl. mal zu einem Psychiater gegangen, hätte ich vielleicht noch Medikamente gegen die Symptome bekommen, aber die Ursache wäre weitere Jahre bestehen geblieben.

duty
2011-02-24, 02:47:46
.
nicht jeder kann das richtig einschätzten was los ist
und eine Kleinigkeit kann sich sehr schnell zu einer großen Sache entwickeln,
wenn man nicht sicher ist was los ist , ist es besser zum Arzt als das eigene Leben zu riskieren.

natürlich ist es überflüssig bei einer Erkältung gleich zum Arzt zu rennen .
aber wen diese zu lange anhält oder man sich nicht schont, kann sich daraus schnell eine Lungenentzündung entwickeln .

GastMediziner
2011-02-24, 07:23:57
Zumindest in diesem Punkt ist es ja auch so, das jeder Arzt (zumindest im Idealfall, die Realität mag anders aussehen, Ärzte sind auch nur Menschen) bevor er dir Depressionen attestiert und dir Psychopharmaka verschreibt einen kompletten Check-Up macht um eine körperliche Ursache auszuschließen.

Na, da muss ich dich aber leider enttäuschen.....das ist sowas von überhaupt nicht der 'Normalfall'...

Baalzamon
2011-02-24, 09:10:29
Deine Betrachtung suggeriert, man würde schon alle Krankheiten kennen und mit der richtigen Vorgehensweise, würde man sie auch ziemlich sicher erkennen. Das darf aber generell bezweifelt werden. Wir haben lediglich Erklärungsansätze, wie sich Lebensgewohnheiten und Ernährung auf unsere Psyche beeinflussen. [...]
Ja, da habe ich mich vielleicht missverständlich ausgedrückt, denn das wollte ich nicht implizieren. Ich stimme dir im Großen und Ganzen eigentlich zu.

Was ich sagen wollte ist, das man einige Depressionserkrankungen auf eine körperliche Ursache zurückführen kann, welche auch genau bestimmbar sind. Das es da immer noch wahnsinnig viel gibt, was nicht konkret erklärbar ist, wollt eich damit nicht ausschließen.

Na, da muss ich dich aber leider enttäuschen.....das ist sowas von überhaupt nicht der 'Normalfall'...
Das ist traurig und erschreckend. Wenn sogar ich als Laie das weiß, dann denkt man doch wissen die Ärzte das erst recht. Warum also handeln sie nicht entsprechend? Monetäre Gründe?

Gast
2011-02-25, 12:43:11
Das ist traurig und erschreckend. Wenn sogar ich als Laie das weiß, dann denkt man doch wissen die Ärzte das erst recht. Warum also handeln sie nicht entsprechend? Monetäre Gründe?

Nein. Weil eine psychische Erkrankung, anders als der Threadstarter offenbar denkt, nicht mal eben in 7 Minuten zu diagnostizieren ist.