PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Diplomatie und Ehrlichkeit


hasufell
2011-03-01, 16:50:16
Ich stelle mir gerade die Frage wie ich mich in sozialen Grenzsituationen verhalte. Bin ich diplomatisch oder schonungslos ehrlich?

Was meine ich mit Grenzsituationen? Nun. Zum einen könnte man da solche Situationen anführen, bei denen klar ist, dass die "Wahrheit" den anderen verletzt.
Genauso könnte es eine Situation sein, die man durch etwas diplomatisches Geschick verhindern könnte ohne tatsächlich zu lügen.

Ich habe gemerkt, dass ich meistens nicht diplomatisch bin und es eigentlich genieße Grenzsituationen zu provozieren.

Wie verhaltet ihr euch in solchen Situationen, in denen ihr nicht gleichzeitig ehrlich und diplomatisch sein könnt? Ab wann kippt es vielleicht zum einen der beiden Verhaltensweisen?
Hier kann auch über konkrete Beispiele diskutiert werden. Da ich gerade mehrere im Kopf habe, werde ich vielleicht später eines posten.

Pana
2011-03-01, 17:18:10
Ich bin sehr diplomatisch und gelegentlich verpasse ich den Zeitpunkt, bei dem ich auf direkte Ehrlichkeit hätte umschwenken müssen. Dieser Umstand führt dazu, dass ich oft viel zu spät die Karten aufdecke und dann mit überzogener Härte reagiere ("Nachholbedarf"), was natürlich oft zwar befriedigend, selten jedoch produktiv ist.

hasufell
2011-03-01, 17:19:11
so, hier die Beispiele:

1. Beispiel: Ich werde auf der Arbeit gefragt, ob ich schwul bin. Etwas scherzhaft. Ich antworte: nein, eigentlich nicht, aber ich habe gerne Sex mit shemales.
Die Konsequenzen sind, dass viele nach so einer Aussage etwas Abstand von einem nehmen. Ich hätte auch einfach nur "nein" sagen können. Gelogen wär es so oder so nicht.

2. hypothetisches Beispiel: Ich habe viele religiöse Verwandte. Mit den meisten rede ich nicht besonders oft. Würde mich jetzt mein Onkel fragen "glaubst du an Gott?" würde ich vermutlich sagen "Jo und an Satan auch". Das könnte in der konservativen Verwandschaft auch einige Probleme verursachen. Ein "ich weiss nicht genau" wäre wesentlich diplomatischer.

Ich muss da auch an romantische Grenzsituationen denken, aber ich weiss nicht, ob ich das hier aufrollen will. Das hier soll ja kein mimi-frauen-hoil-thread werden^^

derpinguin
2011-03-01, 17:19:16
Ich habs früher mit Diplomatie versucht, mittlerweile bin ich aber am Punkt absolute Ehrlichkeit angekommen. Wer damit klarkommt hat Glück, den Rest will ich nicht um mich haben.

hasufell
2011-03-01, 17:21:35
Ich bin sehr diplomatisch und gelegentlich verpasse ich den Zeitpunkt, bei dem ich auf direkte Ehrlichkeit hätte umschwenken müssen.
Ab wann ist für dich denn der Zeitpunkt zumindest theoretisch erreicht, wo du dir sagst "ab da hätte ich ehrlich sein müssen"?

Pana
2011-03-01, 17:23:34
Rückblickend der Punkt, an dem man mit der Diplomatie nicht weiter kommt, dafür im eigenen Körper der Adrenalinspiegel ansteigt. Ode rnoch wichtiger: Der Punkt, an dem die eigene Maske Risse bekommt. Ganz fürchterlich.

hasufell
2011-03-01, 17:29:24
Ich merke, dass ich manchmal Menschen grundlos nerve oder verletze, weil ich gerade mal wieder bock habe genau das zu sagen, was ich denke.

derpinguin
2011-03-01, 17:30:19
Ach, das mach ich immer. Wer das nicht abkann ist zu schwach.

Pana
2011-03-01, 17:30:45
Ach, das mach ich immer. Wer das nicht abkann ist zu schwach.
Das glaube ich Dir definitiv nicht :)

derpinguin
2011-03-01, 17:31:35
Was ist daran unglaubwürdig?

hasufell
2011-03-01, 17:33:07
Ach, das mach ich immer. Wer das nicht abkann ist zu schwach.
schon, aber das ist dann oft nicht einfach Ehrlichkeit, sondern obsessive Offenheit ohne dass jemand danach gefragt hätte

derpinguin
2011-03-01, 17:35:31
Nicht in dem Sinne. Aber ich werde nicht hinter dem Berg halten, wenn mir jemand auf den Sack geht nur um ihn nicht zu vergrätzen.

Gouvernator
2011-03-01, 17:40:15
Was ist daran unglaubwürdig?
Machst du das etwa in Situationen die dich direkt benachteiligen werden. Sprich würdest du eventuell dadurch eine Kündigung bei der Arbeit riskieren? Kaum oder? Deswegen ist "immer" so gefährlich. :biggrin:

Bei mir kann ich aber das "immer" so stehen lassen. Denn ich riskiere ständig meine ganze Existenz durch meine Ehrlichkeit. Das bringt der Job als religiöser Fanatiker und Gottes Anbeter so mit sich. Das ist dann meine wahre Existenz. Mit Diplomatie darf ich nicht auffallen...

Weh euch, wenn euch jedermann wohlredet! Desgleichen taten eure Väter den falschen Propheten auch. @Jesus

derpinguin
2011-03-01, 17:41:25
Das war ein Stilmittel immer, kein wörtliches immer.
Aber ich war auch schon hart an der Grenze zum Rausschmiss...

Rincewind
2011-03-01, 17:51:34
naja, man kann Ehrlichkeit auch diplomatisch verpacken.

Mosher
2011-03-01, 18:22:00
Ich merke, dass ich manchmal Menschen grundlos nerve oder verletze, weil ich gerade mal wieder bock habe genau das zu sagen, was ich denke.


eerhg..! Kenn ich.

Und mir tut es meistens auch nicht leid danach. Ich bin stets davon überzeugt, richtig gehandelt zu haben.

Aber leider wollen viele auch gar keine Ehrlichkeit, nur ich wiederrum sehe es dann auch wieder nicht ein, meine Energie dahingehend zu verschwenden, geheuchelte Streicheleinheiten zu verteilen, wenn innerlich schon der Rageguy abgeht

Acid-Beatz
2011-03-01, 18:22:36
Je nachdem, meistens versuch ichs diplomatisch aber manchmal "gehts" hald einfach nicht, da muss es dann einfach raus weil man sich sonst später ärgern würde nix gesagt zu haben :smile:

Thowe
2011-03-01, 21:11:52
naja, man kann Ehrlichkeit auch diplomatisch verpacken.

Eben, die meisten verwechseln Ehrlichkeit mit Direktheit, Provokation oder reines "verbales Schlagen" aus welchen Gründen auch immer. Diplomatie bedeutet einfühlen und das ist nicht immer leicht und man verliert nur zu schnell die Lust oder reagiert gar gereizt.

Diplomatie bedeutet nicht verschweigen oder schönreden, dessen sollte man sich bewusst sein. Diplomatie ist der Spießrutenlaufen zwischen Fettnäpfchen.

Sonni
2011-03-01, 21:22:56
wenn man diplomatisch ist, ist man ja nicht zwangsweise einfühlend.
Diplomatie hat eigentlich nur was mit denken zu tun.
Wer diplomatisch ist, der kalkuliert und wägt Situationen ab.
Wenn man das drauf hat ist das nicht die schlechteste Eigenschaft, finde ich.

Ehrlichkeit kann verletzen. Sehr sogar. Ich finde für richtige Ehrlichkeit muss man jemanden kennen bzw den Umgang von seinem Gegenüber mit der Ehrlichkeit einschätzen können.
Wie in Hasus Beispielen sehr schön sichtbar kann man sich sonst viel kaputt machen.. das Leben unnötig erschweren.
Wofür? Wem hilft es? Einem selbst? Ich denke nicht

hasufell
2011-03-01, 21:50:49
Diplomatie bedeutet nicht verschweigen oder schönreden, dessen sollte man sich bewusst sein. Diplomatie ist der Spießrutenlaufen zwischen Fettnäpfchen.
Wie soll sowas gehn?

Eine "gefährliche" Situation präventiv ersticken ist diplomatisch.
Auf eine Situation deeskalierend wirken ist diplomatisch.
Das ist in vielen Fällen nicht mit einer ehrlichen Antwort vereinbar. Mit "ehrlich" meine ich nicht einfach "nicht lügen", sondern eine Haltung, die dazu führt, dass man seine Worte nicht primär nach ihrer Wirkung wählt, sondern höchstens nach dem Verständnisvermögen des Gegenüber, eigentlich aber weil man sagen will, was man zum Thema/Gegenüber/überhaupt denkt. Also eine sprachliche Anpassung, aber nicht eine Selektion von Informationen oder geschickte rhetorische Tricks.

Ohne Selektion von Informationen, geschickten rhetorischen Tricks und der primären Kalkulation der Wirkung und Konsequenzen von Worten funktioniert ein Diplomat NICHT. Dazu gehört definitiv schönreden und verschweigen.

Lyka
2011-03-01, 21:53:33
interessantes Konzept, wie man Ehrlichkeit auslegt... nach einigen Postings hier heisst ehrlich = ungefilterer Informationsfluss... und Diplomatie als bewusst verarbeitetes "was kann ich dem anderen zutrauen..."

wäre natürlich interessant in der Hotline... "Der Kunde will, dass wir das ... tun..." und ich dann sage: "Und ich will dich flachlegen" -.-

hasufell
2011-03-01, 21:59:43
interessantes Konzept, wie man Ehrlichkeit auslegt... nach einigen Postings hier heisst ehrlich = ungefilterer Informationsfluss...
definitiv nicht. Der Informationsfluss wird durch das Thema und natürlich durch den Gesprächspartner beeinflusst.
und Diplomatie als bewusst verarbeitetes "was kann ich dem anderen zutrauen..."
unter anderem. aber nicht nur das, sondern überhaupt die Tatsache, dass die Wirkung von Worten im Vordergrund steht (also z.b. die Veränderung der Situation) und nicht das Verständnis/die Mitteilung.

ich sehe das eigentlich als Balance. Ich will hier nicht wertend auftreten. Lügen braucht man in beiden Fällen nicht und es ist ja auch nix dabei mal zu sagen "das willich jetzt nicht beantworten". Ist im Endeffekt eine diplomatische Ehrlichkeit, um die Begriffsverwirrung mal voranzutreiben :D
Ich tendiere aber eher zum rausplappern meiner Gedanken. Manchmal aus Prinzip, aber oft auch, weils einfach ist. Zumindest für mich.

Thowe
2011-03-01, 22:11:26
Wie soll sowas gehn?

Eine "gefährliche" Situation präventiv ersticken ist diplomatisch.
Auf eine Situation deeskalierend wirken ist diplomatisch.

...

Ich glaube, das Problem an Diplomatie ist, das niemand weiß was Diplomatie ist. Geht man strickt nach der Wortherkunft? Minimiert man das auf das Treffen von Staatsvertretern wie die Außenministern?

Diplomatie bedeutet in erster Linie wohl kluges auftreten, klar, doch warum sollte man das nicht mit Ehrlichkeit können?

Deine Beschreibung geht dann auch dann daher eher dahin, was ich meinte - Direktheit.

Beispiel?

Frau fragt ihren Freund: Habe ich einen dicken Arsch?

Du würdest sagen (was direkt ist): Ja

Jemand anderes, der nicht verletzen will: Nein

Diplomatisch: Wenn er dir selbst zu dick erscheint, dann ja, aber wenn du willst, gehe ich mit dir joggen. <- so in der Art.

Direktheit ist ja nichts weiteres als das zu äußern, was man selbst stringent denkt. Das hat keinerlei gültige Verbindlichkeit innerhalb der Qualität einer Aussage. Natürlich kann/ist das ehrlich, aber eben nicht unbedingt klug oder weise.

Natürlich kann man auch in der Diplomatie schönreden, verschweigen oder was auch immer. Ein beliebtes Spiel von Politikern, aber auch das halte ich nicht für klug. Klug ist, den anderen zu sagen: Ich find dich scheiße, lass uns einen Trinken gehen. Das ist mehr ein erster Schritt als jemand Honig um den Bart zu schmieren und ab da werden die Grenzen zwischen "diplomatisch" und "ehrlich" sehr fließend.

hasufell
2011-03-01, 22:16:25
Frau fragt ihren Freund: Habe ich einen dicken Arsch?

Du würdest sagen (was direkt ist): Ja

Jemand anderes, der nicht verletzen will: Nein

Diplomatisch: Wenn er dir selbst zu dick erscheint, dann ja, aber wenn du willst, gehe ich mit dir joggen. <- so in der Art.
Die zweite Antwort ist auch DIREKT.
Die 3. Antwort geht garnicht auf die Frage ein, sondern verschweigt die Antwort durch einen rhetorischen Trick.
Ehrlich ist nur die 1.
Direktheit ist ja nichts weiteres als das zu äußern, was man selbst stringent denkt.
nope. s.o.

xiao didi *
2011-03-01, 22:23:30
Wie ich anderen Menschen begegne hängt davon ab, mit welcher Strategie ich meine Ziele erreichen will.
Das kann Ehrlichkeit, Direktheit, Offenheit sein, ohne diplomatische Umwege, aber auch Verschlossenheit oder Oberflächkeit.
Das hängt doch auch von vielen Faktoren ab: In welcher Beziehung stehe ich zu der Person? Arbeitgeber, Verwandter, Bekannter, Freund, Freundin?
In welchem "Stadium" ist man? Kennt man sich schon lange? Habe ich vertrauen zu der Person? Was erwarte ich von der Person?

Ob ich mich zwischen Diplomatie oder Ehrlichkeit, was sich eigentlich häufig auch nicht ausschließt, entscheide, hängt davon ab, inwiefern ich glaube meine Ziele am Besten zu erreichen. Überspitzt ausgedrückt macht es wenig Sinn die Frisur seines Gegenüber beim ersten Date zu kritisieren und sich so Sympathien zu erhoffen.
Wann man aber damit aufhört, jemandem nach dem Mund zu Reden, Dinge einfach nicht zu sagen, sie in diplomatische Phrasen zu drücken oder direkt frei Schnauze rauszuhauen, ist sehr schwierig und quasi in jeder Situation einzeln einzuschätzen. Ich gehe sogar soweit und sage, dass vieles meiner geistigen Kapazitäten für solche Einschätzungen drauf geht.
Ein generelles "Ich sage, was ich denke" kann ich nicht, würde ich manchmal gerne können, würde manchmal Dinge einfacher, vielleicht aber auch komplizierter machen.

hasufell
2011-03-01, 22:28:22
Wie ich anderen Menschen begegne hängt davon ab, mit welcher Strategie ich meine Ziele erreichen will.
Das kann Ehrlichkeit, Direktheit, Offenheit sein, ohne diplomatische Umwege, aber auch Verschlossenheit oder Oberflächkeit.
Das hängt doch auch von vielen Faktoren ab: In welcher Beziehung stehe ich zu der Person? Arbeitgeber, Verwandter, Bekannter, Freund, Freundin?
In welchem "Stadium" ist man? Kennt man sich schon lange? Habe ich vertrauen zu der Person? Was erwarte ich von der Person?

Ob ich mich zwischen Diplomatie oder Ehrlichkeit, was sich eigentlich häufig auch nicht ausschließt, entscheide, hängt davon ab, inwiefern ich glaube meine Ziele am Besten zu erreichen. Überspitzt ausgedrückt macht es wenig Sinn die Frisur seines Gegenüber beim ersten Date zu kritisieren und sich so Sympathien zu erhoffen.
Wann man aber damit aufhört, jemandem nach dem Mund zu Reden, Dinge einfach nicht zu sagen, sie in diplomatische Phrasen zu drücken oder direkt frei Schnauze rauszuhauen, ist sehr schwierig und quasi in jeder Situation einzeln einzuschätzen. Ich gehe sogar soweit und sage, dass vieles meiner geistigen Kapazitäten für solche Einschätzungen drauf geht.
Ein generelles "Ich sage, was ich denke" kann ich nicht, würde ich manchmal gerne können, würde manchmal Dinge einfacher, vielleicht aber auch komplizierter machen.
sehr gut ausgedrückt imo.

gibts Grenzsituationen wo du aber z.b. definitiv ehrlich bist oder definitiv mal lieber schweigst?

Thowe
2011-03-01, 22:40:19
Die zweite Antwort ist auch DIREKT.
Die 3. Antwort geht garnicht auf die Frage ein, sondern verschweigt die Antwort durch einen rhetorischen Trick.
Ehrlich ist nur die 1.

Klar ist sie und nein, die Antwort ist auch bei 3 mit drin.

nope. s.o.

Deine Ansicht. ^^

hasufell
2011-03-01, 22:51:46
Klar ist sie und nein, die Antwort ist auch bei 3 mit drin.
für mich kommt das eher wie ein "es ist nur wichtig, dass du dir selbst gefällst" rüber. Dem Empfänger ist dann möglicherweise garnicht bewusst, was du nun tatsächlich denkst. Und das ist ja auch nicht die diplomatische Intention, sondern das Vermeiden von Fettnäpfchen wie du sagtest.

Wenn mich ne Frau fragt, ob ich ihren Arsch fett finde, sag ich "ich steh auf große Ärsche".
Das ist nicht so direkt wie ein "ja", aber auch nicht wirklich diplomatisch.
Deine Ansicht. ^^
klar. oder jemand hat meinen account gehackt^^

(del)
2011-03-01, 23:11:12
Ich stelle mir gerade die Frage wie ich mich in sozialen Grenzsituationen verhalte. Bin ich diplomatisch oder schonungslos ehrlich?Natürlich subjektiv.
Es gibt ja nicht nur Berechnheit, Manipulation, "Teilsunehrlichkeit" bzw. der Oberbegriff dafür ist "Abgewich...heit".
Das ist damit auch nicht weit Weg von einer politischen Diplomatie.

Es gibt keine schonungslose Ehrlichkeit. Es gibt nur ehrlich oder unehrlich.
Hier kämen wir zu der positiven Diplomatie. Man kann eine Meinung auch in seiner Gesamtheit dem Mitmenschen immer auf mind. 4 Arten verklickern. Das "schonungslose", also absolut direkte, beruht eher weniger auf der eigenen kompromisslosen Aufrichtigkeit, sondern entweder auf Bequemlichkeit oder Unvermögen die erwähnten 4 Arten zu erforschen.
Womit man solche Typen oft als "ehrlich, aber primitiv" beschreibt.

Dieser Typus ist zwar dem abgew... Manipulator klar vorzuziehen, aber imho keineswegs als das höhste Stadium der Ehrklichkeit zu nennen.

xiao didi *
2011-03-01, 23:17:16
gibts Grenzsituationen wo du aber z.b. definitiv ehrlich bist oder definitiv mal lieber schweigst?
Geht es um meine Arbeit, dann bin ich immer ehrlich. Ich sehe es als Stärke an, Fehler zuzugeben und als Chance, Dinge zu verbessern. Klingt schnulzig und naiv, und ist es vielleicht auch, aber sieht mein Arbeitgeber, dass ich offen und ohne Umschweife und Tücke mit Fehlern umgehe, dann sieht er auch, dass ich daran arbeite, mich zu verbessern und keine Angst habe, zuzugeben, dass ich ohne Fehl und Tadel bin. Dinge zu verschweigen, zu verheimlichen, und im worst case erwischt zu werden, führt wahrscheinlich zum gegenteiligen Ergebnis.

Das erschreckende daran: Ehrlichkeit hat hier nichts moralisches. Es ist schlicht Strategie. Und so gehe ich auch damit um: Wenn mir Offenheit nach meiner Einschätzung nicht zielführend erscheint, dann ist sie auch nicht angebracht.

Bei, sagen wir, sozialeren Beziehungen, fällt mir eine generelle Aussage viel schwerer, weil hier die Bewertung von wesentlich mehr Faktoren abhängen kann und damit komplexer ist.

Und das ist für mich eben der wesentlichste Teil: Die Bewertung. Sie hängt von hunderten von Faktoren wie Erziehung, Erfahrung, Beziehung und Situation ab. Sie ist damit höchst subjektiv, tages- und stimmungsabhängig, ob ich gerade auf'm Klo war oder mir einen gefappt habe.

Bei der Bewertung, Einschätzung, und damit der gewählten Strategie kann man auch jahrelang auf dem Holz weg sein, ohne es zu merken. Jemand der glaubt, so wie ich (sind hier ja im Sozi :tongue:), dass er durch Unauffälligkeit, Bescheidenheit und Schüchternheit, also im wesentlichen Unnannehmlichkeiten aus dem Weg geht, Unnannehmlichkeiten vermeiden kann, sieht hoffentlich irgendwann, dass das auf Dauer nicht ziehlführend ist.

Thowe
2011-03-01, 23:43:50
für mich kommt das eher wie ein "es ist nur wichtig, dass du dir selbst gefällst" rüber. Dem Empfänger ist dann möglicherweise garnicht bewusst, was du nun tatsächlich denkst. Und das ist ja auch nicht die diplomatische Intention, sondern das Vermeiden von Fettnäpfchen wie du sagtest. ...

Die Frage ist, ist es mir selbst bewusst? Ich kenne etliche Frauen die einen zu dicken Arsch haben und ich den dennoch sehr geil finde. Aber da denkt der Kopf eh was anderes als der große Zeiger.

Deshalb mag ich die diplomatische Antwort, sie ist ein ehrliches vielleicht. Ich glaube, ich würde die Frau auch mit weniger Kilos mögen, genau wie mit noch ein paar mehr.

Ehrliche Antworten unterliegen eben auch Momenten und Launen, von daher ist es eben sehr schwammig. Ehrlich ist kein Mensch, die meisten sind eh Meister darin sich selbst zu belügen, ansonsten würden wir uns vermutlich selbst nicht mal ertragen können.

Acid-Beatz
2011-03-02, 00:36:38
wenn man diplomatisch ist, ist man ja nicht zwangsweise einfühlend.
Diplomatie hat eigentlich nur was mit denken zu tun.
Wer diplomatisch ist, der kalkuliert und wägt Situationen ab.
Wenn man das drauf hat ist das nicht die schlechteste Eigenschaft, finde ich.

In gewisser Art und Weise find ich, dass ein "diplomatischer Charakterzug" immer was mein Einfühlsamkeit zu tun hat: Wenn ich die Gegenseite nicht versteh, dann kann ich schlecht irgendwas regeln ...

Das andere ist,WIE ich dann noch irgendwas rüber bring: Es gibt Leute, die könnten bei aller Sachlichkeit niemals irgendwas ausrichten ... und es gibt Leute, die können mit paar Worten ne Schlägerei eindämmen/beenden ...

Simon Moon
2011-03-02, 03:17:45
so, hier die Beispiele:
1. Beispiel: Ich werde auf der Arbeit gefragt, ob ich schwul bin. Etwas scherzhaft. Ich antworte: nein, eigentlich nicht, aber ich habe gerne Sex mit shemales.
Die Konsequenzen sind, dass viele nach so einer Aussage etwas Abstand von einem nehmen. Ich hätte auch einfach nur "nein" sagen können. Gelogen wär es so oder so nicht.

Das liegt daran, weil sie nicht wissen, wie das zu interpretieren ist. Meinst du das nun ernst oder ist es nur Spass um der evtl. peinlichen Frage an Spannung zu nehmen? Ist es vielleicht gar eine Ausrede, ala ich will zwar nicht schwul sein, aber eigentlich bin ichs und hab daher gerne Sex mit Shemales?

Da gibts tonnenweise Interpretationen und die meisten Menschen wollen garnicht darüber nachdenken. Die halten dich für einen Sonderling und nehmen eben Abstand. Nicht aus Abneigung, sondern aus "Faulheit" sich damit jetzt auch noch auseinandersetzen zu wollen.


Diplomatisch: Wenn er dir selbst zu dick erscheint, dann ja, aber wenn du willst, gehe ich mit dir joggen. <- so in der Art.

Zusammengefasst: Diplomatisch ist, wenn du dem Gegenüber das vermittelst, was dir am anliegt, ohne ihn dabei zu provozieren.

Wobei das natürlich Kultur sehr unterschiedlich ist und viel Symbolik beinhaltet. Diplomatie funktioniert nicht unidirektional, es braucht auch ein Gegenüber, welches die Grösse besitzt, darauf einzugehen.

Monger
2011-03-02, 11:07:04
Ich glaube nicht, dass es auf die Frage eine pauschale Antwort gibt. Wenn man aus einer Stadt wahllos hundert Leute in einen Raum stopfen würde, finden sich da mindestens vier, fünf völlig verschiedene Ansätze was Offenheit und Direktheit angeht.

Da gibt es kulturelle Unterschiede (Nord- und Süddeutsche), soziale (im Hochadel wird da ganz sicher anders geredet als im Wirtshaus) und natürlich persönliche (extrovertierte, gesellige Menschen haben ein größeres Interesse daran, niemanden zu verprellen als introvertierte).


Ich persönlich halte es so: zu meinen Freunden bin ich schonungslos ehrlich. Einerseits, weil ich mich darauf verlassen kann, dass es sie nicht nur interessiert WAS ich sage, sondern WARUM ich es sage - und andererseits, weil solche Direktheit für mich ein Weg ist, meinen Respekt zu zeigen.
Genau das zu sagen was ich denke, zeigt nunmal auch viel von meiner Privatsphäre - und das erlaube ich nicht jedem Menschen.

Insbesondere auf Arbeit bin ich da doch deutlich zurückhaltender. Ich vermeide es z.B. über private Themen auf Arbeit zu reden, die automatisch Konfliktstoff bieten (Religion, Politik, sexuelle Themen...). Ich schluck auch meine Wut hin und wieder runter, weil es niemandem hilft wenn eine Sachdiskussion ins Persönliche abgleitet.

hasufell
2011-03-02, 13:46:38
Um die konkrete Unterscheidung der Begriffe im einzelnen geht es mir nicht in 1. Linie, auch wenn wir das hier gerne ausdiskutieren können.
Ich hab hier auch keinen prinzipiellen Dualismus aufgestellt. (siehe threadtitel)

Aber mir kann keiner erzählen, dass er keine Grenzsituationen kennt, in denen er sich entscheiden muss, ob er bewusst was verschweigt/schönredet/umlabert, um nicht in ein Fettnäpfchen zu treten oder ob er raushaut, was er gerade dazu denkt ungeachtet der Konsequenzen.

Ich persönlich halte es so: zu meinen Freunden bin ich schonungslos ehrlich. Einerseits, weil ich mich darauf verlassen kann, dass es sie nicht nur interessiert WAS ich sage, sondern WARUM ich es sage - und andererseits, weil solche Direktheit für mich ein Weg ist, meinen Respekt zu zeigen.
Genau das zu sagen was ich denke, zeigt nunmal auch viel von meiner Privatsphäre - und das erlaube ich nicht jedem Menschen.

Insbesondere auf Arbeit bin ich da doch deutlich zurückhaltender. Ich vermeide es z.B. über private Themen auf Arbeit zu reden, die automatisch Konfliktstoff bieten (Religion, Politik, sexuelle Themen...). Ich schluck auch meine Wut hin und wieder runter, weil es niemandem hilft wenn eine Sachdiskussion ins Persönliche abgleitet.
Der Punkt mit der Privatsphäre ist imo ein sehr guter. Das kann ich als Kriterium auch gut nachvollziehen.
Gibts eigentlich Themen mit Konfliktstoff wo dir selbst auf der Arbeit der diplomatische Kragen platzen würde?

Dead Man
2011-03-03, 08:51:11
naja, man kann Ehrlichkeit auch diplomatisch verpacken.

So halte ich das im Allgemeinen. Und dabei gehe ich davon aus, dass die Message trotzdem rüber kommt, aber ohne zu verletzen. Wenn ich merke, dass ich nicht verstanden werde, werde ich auch konkret, ohne Rücksicht auf Verluste, aber das ist die letzte Option.

Monger
2011-03-03, 10:13:26
Gibts eigentlich Themen mit Konfliktstoff wo dir selbst auf der Arbeit der diplomatische Kragen platzen würde?
Haja, natürlich. Entweder wenn private Themen angeschnitten werden die mir eben doch so wichtig sind, dass ich die nicht einfach so für sich stehen lassen kann (rassistische Aussagen z.B.), oder wenn jemand meine Arbeit unsachgemäß kritisiert.
Ich hab halt auch meinen Stolz. Wenn ich das Gefühl habe, dass es mehr um meine Person als um meine Arbeit geht (wenn z.B. jemand meine Glaubwürdigkeit in Frage stellt), dann werde ich auch laut. Ich muss mir nicht alles gefallen lassen.