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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zentralbanken in der Finanzkrise - Paper Volkswirtschaftslehre


The Cabal
2011-07-06, 14:36:52
Hallo zusammen,

ich promoviere in VWL und habe gerade ein Paper fertig gestellt, in dem ich den Einfluss von Zentralbankinterventionen auf Volkswirtschaften analysiere. Im Rahmen Finanzkrise sind bei uns immense Risiken aufgetreten. Durch die ausgedehnte Kreditvergabe und den Ankauf von inländischen Anleihen (expansive Geldpolitik) übernehmen die Zentralbanken einen Großteil dieser Risiken. Dadurch verhindert z. B. die Fed (US Zentralbank) letztendlich unter einer Vielzahl von Nebenwirkungen (Preisniveauanstieg, Wechselkursabwertung, Finanzmarktvolatilität, ineffiziente Allokation von Ressourcen), dass Investitionen aus den USA ins Ausland abfließen.

Meine Frage an euch ist, in wie weit ihr mit dem Paper was anfangen könntet. Mich interessiert, ob ich mit dem Paper völlig am Menschen vorbei schreibe (Elfenbeinturmeffekt) oder ob ich zumindest die Idee so rüber bringen kann, dass ihr sagen könntet, dass es intuitiv Sinn macht (vom Bauchgefühl ok, auch wenn der Überblick über die ganzen Details fehlt).

Das Paper könnt ihr euch hier runterladen: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1873482

Großartig wäre es, wenn ihr euch Einleitung und Conclusion anschauen würdet (alles andere wäre extrem anstrengend, wenn man nicht im Thema steckt) und ihr mir von eurem Bauchgefühl berichtet.

:) Grüße!
Stefan

Gouvernator
2011-07-06, 17:07:01
Ich meine schon der Ansatz ist ziemlich falsch.
Durch die ausgedehnte Kreditvergabe und den Ankauf von inländischen Anleihen (expansive Geldpolitik) übernehmen die Zentralbanken einen Großteil dieser Risiken. Dadurch verhindert z. B. die Fed (US Zentralbank) letztendlich unter einer Vielzahl von Nebenwirkungen (Preisniveauanstieg, Wechselkursabwertung, Finanzmarktvolatilität, ineffiziente Allokation von Ressourcen), dass Investitionen aus den USA ins Ausland abfließen.
Es geht doch gar nicht um Investitionen. Sieht doch jeder es geht um das ganze Finanzsystem. Das das Kartenhaus nicht einstürzt. Die drucken Geld(kaufen eigene Anleihen) das die Geschäftsbanken bisschen was an Eigenkapital vorweisen können oder das der Staat selbst nicht sofort als bankrott gilt.
So kannst du auch dein ganzes paper in die Tonne kloppen.
Wenn ich schon lese:

I. Model Structure
A. General Framework
The considered open economy has three dierent actors, those being the central bank,
private households and producers.
Was ist das für ein Modell das keine Geschäftsbanken berücksichtigt? Die Zentralbank hat allein was mit den Geschäftsbanken zu tun. Und du springst gleich von der Zentralbank weg auf die Produzenten. Und blendest die Geschäftsbanken mit ihrem verrückten Casino komplett aus. Du musst erst Beziehung Zentralbank/Geschäftsbank und dann erst Geschäftsbank/Produzent/Zentralbank abhandeln. So wird es wenigstens überhaupt einen Sinn machen.

The Cabal
2011-07-06, 19:34:16
...Geschäftsbanken...

Du sprichst da nen sehr guten Punkt an, gehst aber bereits zu stark ins Detail. Die ganzen Vereinfachungen sind klar und werden im vorletzten Kapitel diskutiert. Das Ding ist, dass sie keinen qualitativen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Selbst wenn ich die Geschäftsbanken explizit berücksichtige (hatte ich in einer früheren Version schon drin, im Modell kannst du die Zentralbank als aggregierten Finanzsektor sehen, siehe Fußnote 3) und weitere Vereinfachungen aufhebe, ändert das nichts an der Story: Zentralbanken können mit expansiver Geldpolitik den Abfluss von realen Investitionen ins Ausland verhindern

Die Frage ist doch nicht, was die Zentralbanken machen, das kann jeder sehen. In dem Paper geht es um das "Warum" und die mit den Interventionen verbundenen Nebenwirkungen (hinter die Fassade schauen!!!). Wenn Geschäftsbanken oder Staaten pleite gehen, gibt es keine Kredite mehr, es wird nicht mehr investiert (Straßen, Schulen, Maschinen,...), keine Instandhaltung mehr, Liquidierungen. Ergo nimmt der Bestand an inländischen Investitionen ab (und damit die inländische Produktion). Unterstützt die Zentralbank durch Kreditvergabe und den Ankauf inländischer Anleihen Geschäftsbanken/Staat/Produzenten, dann nimmt sie den Druck weg und verhindert den Rückgang des inländischen Investitionsbestandes. Das ist aber mit Nebeneffekten verbunden, so dass der Einfluss auf die inländische Wohlfahrt insgesamt nicht eindeutig positiv ist.

:) Grüße!
The Cabal

Gouvernator
2011-07-06, 20:10:37
Unterstützt die Zentralbank durch Kreditvergabe und den Ankauf inländischer Anleihen Geschäftsbanken/Staat/Produzenten, dann nimmt sie den Druck weg und verhindert den Rückgang des inländischen Investitionsbestandes. Das ist aber mit Nebeneffekten verbunden, so dass der Einfluss auf die inländische Wohlfahrt insgesamt nicht eindeutig positiv ist.
Das gilt vielleicht für den Anfang des Ponzi-Spiels aber nicht für das Ende wie jetzt. Wenn jede Geschäftsbank akut von der Pleite bedroht ist kann die Zentralbank noch so viel Geld drucken, die Geschäftsbanken saugen alles auf und investieren wieder in Anleihen. All das Geld von der Zentralbank wird ja nicht an die Wirtschaft weitergereicht sondern in Anleihen reinvestiert von den Geschäftsbanken. Deine Rechnung geht so oder so nicht auf, siehst ja wahrscheinlich in der Realität. Dein Investitionsabfluss geht ja hauptsächlich nicht ins Ausland sondern zum Großteil in Anleihen... Das Geld fließt in die Zockerbude und die ist weltweit die selbe.

Geld von der Zentralbank --->Geschäftsbank--->Anleihe---->wieder zur Zentralbank um noch mehr Geld zu holen. Die Zentralbank kann nur den Druck von der Geschäftsbank nehmen und das tut sie in dem sie alles Schrott akzeptiert was eine Geschäftsbank ihr anbietet. Und die Geschäftsbank nutzt das nur um mehr Anleihen zu kaufen. Die Anleihen die der Staat ausgibt und für die WIR die Zinsen bezahlen... Je mehr Anleihen, desto mehr Zinsen, desto mehr Steuern, desto mehr Kürzungen, desto WENIGER Investitionen. Denn mit dieser wahnsinnigen Abgabenlast kann kein Mensch riskieren in irgendwas zu investieren... das können nur die Banken... deren "Investitionen" sind durch die Geldpresse der Zentralbank immer abgesichert.

x-force
2011-07-06, 22:39:56
afaik wird der finanzmarkt in fast allen modellen nicht richtig modelliert(also simuliert, gibt wohl agent based sachen, aber das ist denke ich mal so neu, daß es noch keine gesamttheorie gibt, die das sinnvoll inkludiert), daher kommt man auch oft zu schlüssen, die mit den fakten der realität nicht übereinstimmen

The Cabal
2011-07-07, 16:48:30
...Ponzi-Spiel....Zockerbude und die ist weltweit die selbe. Solche Aussagen kommen auf nem Bierdeckel immer gut an. Pauschale Empörung bringt da aber leider keine Erkenntnis. Es ist notwendig, sich durch die Oberfläche durchzudenken. Ich poltere auch mal rum, aber das Thema hier finde ich dafür zu wichtig (stecke ich natürlich auch tief drin ;) ). Du magst das vielleicht anders sehen und das ist ja auch ok.

Die Anleihen die der Staat ausgibt und für die WIR die Zinsen bezahlen...
Emittiert ein Staat neue Anleihen, so erhält er im Gegenzug finanzielle Mittel. Diese Mittel setzt er entweder für neue Investitionen ein (neue Straßen, neue Schulen,...), direkt für Instandhaltung (Reparaturen, Stützung von "Schrottgeschäftsbanken",...) oder indirekt, indem er mit den Mitteln Zinszahlungen bedient (eigentlich müsste gespart werden (= weniger Investitionen), um Zinsen zu bezahlen. Durch mehr Anleihen spart man sich das Sparen, so dass Investitionen aufrecht erhalten werden können).

Erhöht der Staat die Steuern, um die angestiegenen Zinszahlungen zu bedienen (anstatt neue Anleihen zu emittieren), so führt das zu einer "intertemporalen" Umschichtung von Investitionen. Staat stabilisiert heute Investitionen --> Steuererhöhung --> zukünftiger Rückgang privater Investitionen. Der heutige Investitionsbestand wird somit auf Kosten des zukünftigen privaten Investitionsbestandes aufrecht erhalten. Aber diese Zusammenhänge stehen bei uns ja gerade eher nicht auf der politischen Agenda (FDP --> Steuersenkungen, anderer Fall: Irland, Portugal, Griechenland - keiner kauft mehr neue Anleihen von denen --> Zinszahlungen/Tilgung müssen aus Steuererhöhungen, Verkauf von Staatseigentum, sparen von Investitionen und Instandhaltung bedient werden!!!).

Im Grunde sind deine Gedankengänge richtig, leider aber nicht in letzter Konsequenz zu Ende gedacht. Das wird sehr oft nicht gemacht, da es natürlich anstrengend ist (ökonomisch nachvollziehbar ;), gleiches gilt für umdenken). Ich hab bisher mit 4 Jahren Lebenszeit bezahlt (inklusive Arbeit am Lehrstuhl)...

afaik wird der finanzmarkt in fast allen modellen nicht richtig modelliert Das ist nen riesen Problem! Bisher spielen Risiko, Wertpapierangebot und die grundlegenden bilanziellen Zusammenhänge der ökonomischen Akteure eine untergeordnete bzw. keine Rolle in makroökonomischen Modellen. Dies zu ändern, finde ich extrem wichtig und dafür stehe ich mit dem Paper ein.

:) Grüße!
Stefan

PS: Wer selbst überlegt, ob er einmal modelltheoretisch forschen möchte, dem lege ich übrigens sehr das Paper „How to Build an Economic Model in Your Spare Time“ http://people.ischool.berkeley.edu/~hal/Papers/how.pdf ans :heart:.

Gouvernator
2011-07-07, 17:13:07
Mich wundert nur wie man so felsenfest davon überzeugt sein kann das nach uns noch irgendjemand kommt der die Schulden noch stemmen kann. Quatsch... welche Schulden... schon die Zinsen für die Schulden übersteigen wenn man Glück hat ein Jahreshaushalt eines Staates. Was müssten die Griechen an Zinsen für ihre Schulden regulär bezahlen? 25%? Was bedeuten diese 25% wenn man 5 bis 15 Trillionen Schulden hat? Das Geldsystem zappelt in seinen letzten Bewegungen und du meinst als Wissenschaftler(!), man könne noch irgendwas von der Zukunft erwarten.

Bei diesen abartigen Summen die der Staat immer zur Refinanzierung braucht gibt es gar keine Gläubiger die Trillionen leihen könnten... Deswegen kauft ja auch die Zentralbank diese Anleihen weil nur so die Schulden der Staaten refinanzierbar sind. Der Staat nimmt nur einen kleinen Umweg über die Geschäftsbank um sich das Geld direkt von der Zentralbank zu leihen. Denn sonst kann kein Mensch derartige Kredite ausstellen.

Dein paper ist aus dieser Sicht völlig nutzlos. Man könnte noch zu Recht fragen was machen denn die in ihren Universitäten? So blind kann man doch nicht sein? Oder doch? :biggrin:

x-force
2011-07-07, 17:51:39
Dein paper ist aus dieser Sicht völlig nutzlos. Man könnte noch zu Recht fragen was machen denn die in ihren Universitäten? So blind kann man doch nicht sein? Oder doch? :biggrin:

bitte?

grade das paper zeigt doch, daß die universitäten an dem problem arbeiten

The Cabal
2011-07-08, 17:21:30
Deswegen kauft ja auch die Zentralbank diese Anleihen weil nur so die Schulden der Staaten refinanzierbar sind. Ganz richtig! Und dadurch verhindert die Zentralbank einen Schritt weiter gedacht, dass im Inland die Menge an Investitionen zurückgeht.

Der Staat nimmt nur einen kleinen Umweg über die Geschäftsbank um sich das Geld direkt von der Zentralbank zu leihen. Deshalb berücksichtige ich im Modell die Geschäftsbanken auch nicht explizit. Es würde die Komplexität erhöhen, ohne entscheidend die Story zu ändern (zu hohe Kosten im Vergleich zum modelltheoretischen Nutzen).

Die Relationen, die du ansprichst, sind also im Modell des Papers bereits enthalten :smile:. Das hast du bisher nur noch nicht richtig gemerkt. Dabei hast du die dargestellten Zusammenhänge im Grunde bereits gecheckt.

:) Grüße!
The Cabal

Gouvernator
2011-07-09, 20:21:06
Deshalb berücksichtige ich im Modell die Geschäftsbanken auch nicht explizit. Es würde die Komplexität erhöhen, ohne entscheidend die Story zu ändern (zu hohe Kosten im Vergleich zum modelltheoretischen Nutzen).
Wie kannst du dann überhaupt ein Modell bauen ohne den wichtigsten Baustein? Der Staat muss zur Zeit hunderte Milliarden bzw. Billionen in das Geschäftsbank System stecken das die nicht pleite gehen... Und die Zinsen kassieren dann auch noch die Geschäftsbanken. Da musst du echt nochmal ran, alles schön kompliziert auseinander nehmen.

The Cabal
2011-07-10, 16:49:17
...Geschäftsbanken. ... Schau dir noch mal den 3. Post des Threads an, da steht alles Wichtige bereits drin. Krass ist, dass du im 7. Post sogar selbst implizierst, dass eine explizite Berücksichtigung der Geschäftsbanken für die Story nicht notwendig ist...

Ich will hier nicht, dass du dir nen Zacken aus deiner Krone brichst. Aber du merkst wahrscheinlich selbst, dass du dich mit deiner Argumentation im Kreis drehst.

:) Grüße!
Stefan

Gouvernator
2011-07-10, 17:37:18
Hier ist eine interessante Ansicht vom FDP-Politiker und Finanzexperte Frank Schäffler

die jüngste Weltfinanzkrise und die Überschuldungskrise von Staaten und Banken maßgeblich auf die Politik der Zentralbanken zurückzuführen sei. Deren falsche Geldpolitik fördere die Entstehung von Scheinwohlstand und Investitionsblasen. Denn im heutigen System des staatlichen Papiergeldmonopols, das Schäffler staatliches Zwangsgeld nennt, könne die Zentralbank das Geld- und Kreditangebot beliebig ausweiten, was Schäffler als eine Form der Falschmünzerei bezeichnet, die noch weit über die Falschmünzerei im 14. Jahrhundert hinausgehe, das als das Jahrhundert der Falschmünzer-Könige bekannt geworden sei. :wink:
http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/8167-schaeffler-staatliches-zwangsgeld-ist-falschmuenzerei-

The Cabal
2011-07-10, 19:19:40
Solche Forderungen sind nicht verwunderlich auf Grund der mit der expansiven Geldpolitik einhergehenden negativen Nebeneffekte. Diese "Trade-Offs" zeige ich im Paper auf. :wink:

The Cabal
2011-11-11, 20:58:10
Hallo zusammen,

Ich habe einige Anmerkungen in mein Paper eingearbeitet und konnte es in einer weiteren Working Paper Serie veröffentlichen. Die neue Version findet ihr hier: http://ssrn.com/abstract=1873482

Ich würde mich sehr über euer Feedback freuen, gerade auch wenn ihr nicht bis zum Hals in der VWL drin steckt. Es wäre super, wenn mir gelingen würde, dass Leser mit den ersten und letzten Seiten die Grundaussage des Papers (intuitiv) nachvollziehen können, ohne dass die ganzen Details notwendig sind.

Die Diskussion mit Gouvernator hat mir gezeigt, dass ich noch stärker darauf eingehen muss, warum Geschäftsbanken im Modell nicht berücksichtigt werden. Darauf wurde ich z.B. auch bei Konferenzen angesprochen. Auf den Seiten 4 und 41 + 42 bin ich da nun näher eingegangen.

:-) Grüße,
Stefan