PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sanktionsmechanismus bei Fahrzeugführung trotz Epilepsie?


Gast815
2012-03-22, 23:31:27
Hallo Forum,

habe heute eine Hiobsbotschaft erhalten, nämlich dass mir schon vor Wochen nach meinem ersten epileptischen Anfall nach vielen Jahren (und meinem "erst" dritten überhaupt) sofort hätte gesagt werden müssen, dass ich fortan für mindestens 3 Monate nach Anfall keine Fahrerlaubnis besitzen würde.

Da eine gewisse Zeit schon vergangen ist, würde ich damit durchaus klar kommen, wenn nicht sowohl mein Partner als auch meine Familie hunderte km von meinem Wohn- und Arbeitsort entfernt wohnen würden und auf einen autofahrenden Gast815 angewiesen wären.

Nun die konkrete Frage: ich habe in diesem kurzen, schockenden Telefonat mit meinem Arzt noch nicht heraus finden können (und auch das Netz schweigt sich mehrheitlich über den konkreten Ablauf in einer solchen Situation aus), was genau wie jetzt abläuft. In welcher Situation forscht welche Instanz auf welche Art und Weise nach, ob in meiner wohl doch nicht öffentlichen Krankenakte etwas von einem epileptischen Anfall steht?

Acid-Beatz
2012-03-24, 11:33:02
Die Frage ist ja, wo du den epileptischen Anfall hattest: Hat dich der Notarzt aus dem Graben rausgezogen (mal übertrieben gesagt). Bei Personenschäden bzw ungeklärter Unfallursache dürfte dann wohl auch die Polizei ihre Finger mit im Spiel gehabt haben.

Ansonsten könnte es eine Meldepflicht seitens der Ärzte mit der Begründung zum Schutz der Allgemeinheit geben. Muss ja nicht drinnen stehen, was genau du hast, nur eben, dass du in Zukunft wohl ein Risiko sein könntest.

Oder frag mal unseren Pinguin, der kennt sich da sicher mehr aus wie ich.


Greez

derpinguin
2012-03-24, 12:32:10
Hier bin ich.

Grundsätzliches zu Epilepsien und Führen von KFZ:
Es gibt eine Regelung dazu (wer hätts gedacht?) die folgendermaßen aussieht:
Zunächst unterscheidet man in zwei Gruppen von Führerscheinen.
Gruppe 1 umfasst die "Privatfahrzeuge" in den Klassen A, B, M, L, T; Gruppe 2 sind die "Berufsführerscheine", also C, D.
Wie man sich sicher vorstellen kann sind die Regeln für LKW und Bus strenger.
Für beide Gruppen gelten aber regelmäßige Kontrolluntersuchungen in Hinsicht auf die Anfälle, die Wirksamkeit der Medikation und so weiter.

Man geht prinzipiell davon aus, dass jemand, der Epileptiker ist erstmal nicht in der Lage ist ein Fahrzeug zu führen.
Ausnahmen werden gemacht bei:
Patienten mit einfach fokalen Anfällen (also ohne Bewusstseinsstörungen, ohne motorische, sensorische bzw. kognitive Ausfälle) nach einem Jahr Beobachtung ohne Progredienz der Anfälle und ohne Übergang zu komplex fokalen Anfällen

Patienten mit einem einmaligen Krampfanfall ohne wiederauftreten innerhalb von 6 Monaten

Anfälle, die an Umweltbedignungen geknüpft sind, wie Alk-Entzug, Drogen, Fieber, OP am Hirn etc. und der Patient diese Faktoren nicht mehr aufweist

Anfällen, die nur im Schlaf auftreten (da gelten dann IIRC mehrere Jahre Beobachtungszeit)

und bei einem Jahr Anfallsfreiheit ohne weitere Risikofaktoren bzw. bei therapieresistenten Epilepsien nach 2 Jahren



Bei Absetzen der Medikamente sollte man einige Monate kein Auto fahren, da das Risiko erhöht ist.



Jetzt zu deinem speziellen Fall:
Es guckt natürlich keiner von der Führerscheinstelle in deine Krankenakte. Aber: dein Arzt muss ein Gutachten erstellen in dem er dich für fahrtüchtig oder eben nicht einstuft.
Du kannst aber damit rechnen, dass es einige Monate dauern wird, bis du wieder fahren darfst. Normalerweise auch mehr als die genannten 3. Dazu fehlt aber die genaue Angabe welche Art Anfallsleiden du hast.

Letztlich musst du das mit deinem Arzt besprechen, solltest aber zu deiner und unserer Sicherheit erstmal aufs Fahren verzichten. Deine Familie hat ja auch nichts davon wenn du krampfend in der Botanik verschwindest.

Es gibt keine Meldepflicht seitens des Arztes, daher wird dir keiner den Lappen wegnehmen.

DerEineHades
2012-03-24, 19:06:54
Darf ich direkt noch eine Anschlussfrage an die Experten stellen? Ich bekomme Carbamazepin, bin aber kein Epileptiker. In der Packungsbeilage steht, dass ich nicht Auto fahren sollte und keine schweren Maschinen zu führen habe. Ist das verbindlich? Bekomme ich rechtlich ein Problem, wenn ich es doch tue?

derpinguin
2012-03-24, 19:56:52
Darf ich direkt noch eine Anschlussfrage an die Experten stellen? Ich bekomme Carbamazepin, bin aber kein Epileptiker. In der Packungsbeilage steht, dass ich nicht Auto fahren sollte und keine schweren Maschinen zu führen habe. Ist das verbindlich? Bekomme ich rechtlich ein Problem, wenn ich es doch tue?

Prinzipiell etwas, was du mit deinem Psychiater klären solltest ;)
Im Grunde steht das im Waschzettel, damit der Hersteller abgesichert ist. Grund ist die psychomotorische Verlangsamung und Müdigkeit, die von dieser Wirkstoffgruppe ausgelöst wird. Relevant ist es im Prinzip aber nur bei Neueinstellung und Dosisanpassung. Wenn der Körper dran gewöhnt ist, sollte es kein Problem mehr sein.
Solltest du allerdings einen Unfall haben wird man möglicherweise versuchen das auf die Medikamente zurückzuführen. Das könnte dann Probleme machen.

DerEineHades
2012-03-24, 20:40:30
Solltest du allerdings einen Unfall haben wird man möglicherweise versuchen das auf die Medikamente zurückzuführen. Das könnte dann Probleme machen.

Das heißt im Klartext? Bin ich automatisch Unfallverursacher oder wie?

derpinguin
2012-03-24, 20:43:54
Ich bin kein Jurist. Wie letztlich entschieden würde und mit welcher Begründung kann ich dir nicht sagen. Ich gehe aber davon aus, dass du zumindest eine Teilschuld erhälst.

Dicker Igel
2012-03-24, 23:03:49
StVG

§ 24a StVG

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

(5) Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem Bundesministerium der Justiz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.

DerEineHades
2012-03-25, 09:13:04
Danke dir.

Crazy_Bon
2012-03-25, 09:43:23
Man soll Epilepsie beim Führen eines Fahrzeugs oder Maschine nicht unterschätzen, da fiel mir der schwere Unfall in Hamburg vom letzten Jahr ein, 4 Tote und 8 Verletzte.
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,796151,00.html
Der Fahrer verursachte schon mehrere Unfälle, überschätzte seine Fahrtauglichkeit völlig und unabhängig von seiner Erkrankung stand er auch unter Drogen.
Es sollte nicht der Eindruck entstehen, daß ich brandmarken wollte, ich wollte nur drauf hinweisen, daß man eine temporäre Fahruntauglichkeit nicht unterschätzen sollte. Es ist schon schlimm genug wie einige auf der Strasse schlingern wenn sie nur das Handy in der Hand halten bzw. wie leicht man sich im Strassenverkehr ablenken lässt und zur Gefahr sich selbst und anderer mutiert.

Hayab
2012-03-26, 00:28:04
Ich meine auch, bei dieser Erkrankung sollte man auf ein Fahrzeug verzichten.

Wodde
2012-03-26, 03:49:18
Dies ist nicht weit genug gedacht.

Es gibt eine Menge Menschen die nur alle paar Jahre mal einen Anfall haben.
Oder aber welche die die Epilepsie durch Medikamente im Griff haben, und ein Anfall zwar nicht ausgeschlossen ist (ist er bei dieser Krankheit nie), aber unwahrscheinlich.

Denen kannst du das fahren nicht einfach verbieten, nur weil eine minimale Chance besteht das sie einen Anfall am Steuer haben KÖNNTEN.
Ansonsten müsste man nämlich fast alle Menschen vom Steuer fernhalten (Herzinfarkt, Sekundenschlaf, Hirnschlag usw)

YeOldeFerret
2012-03-26, 17:27:15
Denen kannst du das fahren nicht einfach verbieten, nur weil eine minimale Chance besteht das sie einen Anfall am Steuer haben KÖNNTEN.
Ansonsten müsste man nämlich fast alle Menschen vom Steuer fernhalten (Herzinfarkt, Sekundenschlaf, Hirnschlag usw)

Hat auch niemand bisher gefordert. Es war die Rede von einem Verzicht. Ein Verzicht wird freiwillig von einer Person getätigt, da wird niemand gezwungen.

No.3
2012-03-26, 19:55:47
Hat auch niemand bisher gefordert. Es war die Rede von einem Verzicht. Ein Verzicht wird freiwillig von einer Person getätigt, da wird niemand gezwungen.

auch sonst hinkt der Vergleich z.B. ohne Risikofaktor ist es bei normalen Menschen ziemlich unwahrscheinlich, dass er einfach so einen Herzinfarkt bekommt (sieht anders aus wenn man schonmal einen hatte).