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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Steht eine Umwälzung des deutschen TK-Marktes bevor?


G A S T
2012-06-06, 16:00:07
Die Zeichen stehen zur Zeit jedenfalls auf Sturm:

http://www.teltarif.de/e-plus-will-mobilfunkmasten-verkaufen/news/46621.html
http://www.teltarif.de/telefonica-o2-deutschland-boersengang-ipo-geplant/news/46902.html
http://www.teltarif.de/kpn-optionen-e-plus-strategie/news/46915.html

Kurze Zusammenfassung/Marktüberblick:
E-Plus - nach Kundenzahl die Nr. 3 im deutschen Mobilfunkgeschäft - braucht für den Netzausbau und wegen seiner starken Preisaggression dringend €uronen und beabsichtigt daher, seine verkrüppelte Seele (sein eigenes Netz) an einen Finanzinvestor zu verhökern. Wie diese kongeniale Taktik aufgehen soll, erschließt sich mir persönlich zwar nicht (Netz ausbauen, welches man nicht besitzt - dafuq???), aber gut...

Vor ein paar Tagen wurde nun bekannt, dass es um die niederländischen Konzernmutter KPN auch nicht sonderlich rosig bestellt ist. Auf Grund der eigenen Schwäche droht ein großer Einsteig des Konzerns América-Móvil. Um einen Schutzwall aus €uronen zu errichten und eine feindliche Übernahme durch die Amis zu verhindern, will man nun den deutschen Ableger E-Plus komplett abstoßen.

Ebenfalls interessant in diesem Zusammenhang ist die jünste Meldung der spanischen Telefonica, dass sie Ihre Deutsche Tochter Telefonica O² - nach Kundenzahl sowohl die Nummer 4 im deutschen Mobilfunk- als auch im Festnetzgeschäft - schnellstmöglich an die Börse bringen will und diese damit ihr "Tafelsilber" zumindest einem Teilverkauf preisgibt. Grund hier: Hohe Schuldenlast des Mutterkonzerns und die zunehmend beschissene Ertragslage auf dem spanischen Heimatmarkt.

Wer 1 + 1 + 1 zusammenzählen kann, der hört bereits die Nachtigall trapsen...


Szenarien:
a) Die Gerüchteküche brodelt stark in Richtung einer Übernahme von E-Plus durch Telefonica Deutschland.
Angesichts der eigenen Probleme und der akuten Finanznot der Konzernmutter ist diese Variante die unwarscheinlichste von allen.
Wenn Telefonica kein finanzstarker, riskiobereiter Investor für diese Option zur Verfügung steht, ist das für Telefonica Deutschland schlicht nicht leistbar.

b) Denkbar hingegen wäre eine gütliche Einigung eine Ebene höher - und zwar zwischen den beiden Konzernmüttern KPN und Telefonica. Durch diverse mögliche Überkreuzbeteiligungen untereinander und der Zusammenführung der beiden Deutschen Konzerntöchter unter einem gemeinsamen Dach würde man gleich mehere Fliegen mit einer Klappe schlagen;
1. Im deutschen Mobilfunktmarkt würde man sich zur unangefochtenen Nr. 1 im Mobilfunk hochkatapultieren und damit Telekom und Vodafone hinter sich lassen. (Kartellrechtliche Auflagen mal außen vor gelassen...)
2. Selbst unter gewissen Auflagen durch die BNetzA würde die Zusammenführung der beiden E-Netze eine enorme Qualitäts- und Kapazitätssteigerung im konventionellen Mobilfunk via GSM und bei der mobilen Datenübertragung via EDGE bedeuten.
3. KPN wäre vorerst vor einer feindlichen Übernahme durch América-Móvil geschützt.
4. América-Móvil muss draußen bleiben und den europäischen Mobilfunkmarkt weiterhin nur als Zuschauer betrachten. Dieses große Ziel eint beide TK-Konzerne.
5. Die Transaktion kann für beide erfolgen, ohne dass ein einziger Euro fließen muss.
Nachteil auf den ersten Blick: Telefonica kommt nicht von den Schulden runter.
Leicht behebbar wäre dieses Defizit allerdings, wenn auch hier ein Investor (in weit milderem Maße als in Szenario 1) hinzugezogen wird oder man einen großen Anteil des neuen deutschen Großkonzerns an den Aktienmarkt begibt.

c) Ein größeres Investorenkonsortium kauft sowohl E-Plus als auch Telefonica Deutschland unmittelbar von den beiden Müttern ab. Diese beziehen dafür direkt Cash in die Tasche und verabschieden sich damit komplett vom deutschen Markt. Kurzfristig finanziell möglicherweise eine sehr attraktive Option, mittelfristig hingegen fatal, da man einen starken Markt einfach so aufgibt.
Eine abgewandelte Variante, dass beide Töchter getrennt einen Käufer finden, halte ich für höchst unwarscheinlich, da E-Plus kein wirtschaftlich attraktives Investment ist, außer dem eigenen Netz keine nennenswerten Assets hat und Telefonica noch mitten im Konsolidierungs-und Integrationsprozess von Hansenet steckt.

d) Nicht vergessen sollte man bei alldem zwei weitere Player auf dem deutschen Markt;
Zum einen wäre da "Mr. United Internet" Ralph Dommermuth, der sich bis in die jüngste Vergangenheit sehr umtriebig und relativ risikofreudigt zeigte, was die Umgestaltung des deutschen DSL- und Telekommunikationsmarktes anbelangt. Allerdings war zuletzt zu vernehmen, dass sich UI davor scheut, selbst zu einem Netzbetreiber aufzusteigen. Die eigenen Stärken sieht man im Resale und Vertrieb.
Zum anderen gibt es noch den Investor KKR, dem der deutsche TK-Konzern und - je nach Lesart - zweitgrößte deutsche Festnetzbetreiber Versatel gehört. KKR suchen derzeit händeringend nach einem Unternehmen, dass sie mit Versatel zusammenklatschen und synergieren können. Hier war zwar zuletzt QSC im Gespräch, aber QSC bzw. dessen Eigener wollen nicht. Was läge hier näher als der Erwerb bzw. wenigstens der Einstieg bei der deutschen Telefonica? Im Netzbetrieb unter einem Dach bestünde großes Potential und im DSL-Markt würde man sich dann Platz 3 mit United Internet teilen oder sogar daran vorbeiziehen. Besonders erwähnenswert ist hierbei: Sowohl zu E-Plus als auch zu Telefonica O² unterhält Versatel bereits seit Jahren beste Geschäftbeziehungen und persönliche Kontakte. Private Versatel Mobilfunkunden telefonieren im E-Plus-Netz, Geschäftskunden im Netz von O² (http://www.teltarif.de/versatel-mobilfunk-o2-geschaeftskunden-tarife/news/44662.html). Versatel bindet seit 2011 die Mobilfunkmasten bzw. Sammlerstationen von E-Plus per Glasfaser an (http://www.teltarif.de/versatel-e-plus-glasfaser-sendemasten-basisstation/news/45021.html), um den Richtfunk zu ersetzen. Zum ersten Juli 2012 übernimmt der ehemalige Leiter des O²-Geschäftskundebereichs Johannes Pruchnow den Posten als Versatel-CEO (http://www.teltarif.de/johannes-pruchnow-versatel-ceo-telefonica-wechsel/news/46491.html).

Fazit:
Es bleibt spanndend in der deutschen TK-Branche.
Nach der jüngsten Konsoldierungswelle bei den Kabelnetzbetreibern (Unitymedia & Kabel BW, Kabel Deutschland & Tele Columbus) dreht sich das Rad schon sehr bald im klassischen DSL- und Festnetzgeschäft sowie im Mobilfunk ein ordentliches Stück weiter.

Ich persönlich tippe ja auf eine größere Lösung in der Spannbreite zwischen Szenariob b) und d).
Der ganz große Coup wäre natürlich Telefonica O² + E-Plus + Versatel unter Beteiligung der beiden ausländischen Konzernmütter und KKR.
Das würde den TK-Markt in seiner gesamten Breite komplett umpflügen.
Im Mobilfunk die Nr. 1 und bei DSL die Nr. 3 - die Telekom würde lauthals weinen und Vodafone würde die Zornesröte ins Gesicht steigen. Die entscheidenden Fragen wäre hier nach dem Wettbewerbsrecht und den Auswirkungen auf die Kunden. Während die Sparten DSL- und Festnetz hierbei völlig problemlos wären, ist der Mobilfunk hingegen ein wenig problematisch. Einerseits wegen der UMTS-Lizenzen, anderseits wegen der Netzkonzentration und der Kundenzahl.
Vermutlich müssten Lizenzen zurückgegeben und ein paar Masten verkauft werden. Mit einer kummulierten Kundenzahl von ca. 41 Mio. Mobilfunkkunden läge man allerdings nur knapp über Vodafone (35,6 Mio. Kunden) und der Telekom (35,4 Mio. Kunden). Der Vorsprung wäre vermutlich zu marginal als dass er einer besonderen Regulierung bedürfte.
Bleibt die Frage nach dem Verbrauchermarkt. Angesichts der Stellung der drei Konzerne innerhalb des Marktes dürfte es im Festnetz- und DSL-Bereich keine besondere Auswirkung haben. Hier ist man nur ein Spieler unter vielen. Im Mobilfunkmarkt ist auf Grund der Reputation und Stellung der Konzerne keine negative Auswirkung zu befürchten. Die Kundschaft von E-Plus, O² und anhängigen Marken ist äußerst preissensibel. Jedwede Preisänderung nach Oben würde mit hunderttausenden Kündigungen und Providerwechseln goutiert. Selbst nach einer Netzusammenschaltung könnte der neue Großekonzern kein Preisniveau an den Tag legen, dass auf Vodafone- oder gar Telekomlevel rangiert. Es käme zu einem Massenwechsel in die D-Netze bzw. zu Preisknackerprovidern wie Freenet oder Drillisch mit ihren Töchtern.

Was denkt ihr?

Edit:Sorry für die vielen Teltarif-Links. Aber die Seite ist einfach die Nr. 1 was derartige Infos und deren Archivierung anbelangt. :uup:
Und nein, ich bin nicht für Teltarif tätig..... sondern für T-Offline. ;-)

G A S T
2012-06-12, 22:23:52
Es juckt offensichtlich keinen...

Dann mach ich halt zur reinen Selbstbeweihräucherung mal hier weiter.

http://www.teltarif.de/kpn-telefonica-e-plus-o2-joint-venture-america-movil/news/47059.html

Wuge
2012-06-13, 19:57:00
Es juckt schon aber was will man dazu sagen ;)

G A S T
2013-07-24, 09:55:10
Es juckt schon aber was will man dazu sagen ;)

Dass ich recht habe bzw. hatte und meine Vorhersage(n) binnen 12 Monaten eingetreten ist. Nennt mich Nostrajesus! :tongue:

- UI hat seine rund 25 %-Beteiligung an der Dachgesellschaft von Versatel zurückerworben
(ich wette da wird sich bald auch noch etwas tun - die Frage ist nur, in welche Richtung, denn Optionen gibt's jetzt nicht mehr viele...)

- Vodafone schluckt Kabel Deutschland um sein Festnetzgeschäft auszubauen und von den hohen TAL-Mieten an die DTAG runterzukommen.

- o2 und E+ fusionieren endlich um ihre Netze zu konsolidieren und und v. a. zu qualifizieren und zum nach Kundenzahlen größten Mobilfunkprovider des Landes aufzusteigen


Aus Wettbewerbssicht kann es sich dadurch nicht wirklich verschlechtern, denn zum ersten mal ist die Deutsche Telekom in ihrer bisherigen Vormachtstellung schwer gefordert. Im Festnetz- und TV-Geschäft will Vodafone den Kampf aufnehmen (und wird übrigens auch im Mobilfunk nicht nachlassen) und im Mobilfunkgeschäft ist die Telekom damit konfrontiert, in einem gesättigten Markt mit nicht unerheblichem Abstand mit Blick auf die Kundenzahl die zweite, unsichere (-> Vodafone) Geige zu spielen. Allein der Titel "Zweitgrößter Mobilfunkbetreiber Deutschlands" wird den Herren mit magenta Schlips ziemlich sauer aufstoßen. Wenn Telefonica mit der Fusion auch noch die Qulaität und vor allem die Verfügbarkeit in der Fläche verbessern kann, dann wird es richtig lustig... Die Wettbwerber werden weniger, der Wettbewerb jedoch wird intensiver. Preisdumping werden künftig eben nur noch durch die MVNO erleben. Das ist aber nicht weiter tragisch. Die MVNO werden bei dem ganzen aktuellen Angstgeschrei völlig außer Acht gelassen. Die neue EU-Regulierung, die ab 2014 in Kraft treten soll ebenso. U. u. wird man nämlich künftig gar nicht mehr Kunde bei einem nationalen Player werden, sondern bei einem Konzern im benachbarten EU-Ausland. Wobei man zugeben muss, dass man dann dort auch recht stark auf Telekom, Vodafone und Telefonica treffen wird...

YfOrU
2013-07-24, 12:14:18
Aus Wettbewerbssicht kann es sich dadurch nicht wirklich verschlechtern, denn zum ersten mal ist die Deutsche Telekom in ihrer bisherigen Vormachtstellung schwer gefordert.

Meiner Ansicht nach übersiehst du hier elementare Mechaniken der Marktwirtschaft.

Sowohl Vodafone als auch o2/E-Plus werden konkurrenzfähiger. Vodafone als Anbieter kompletter Lösungen aus eigener Hand und o2/E-Plus im Bereich mobiler Kommunikation. Gleichzeitig reduziert sich die Anzahl der Marktteilnehmer.

Konkurrenzfähiger bedeutet hier in erster Linie Produkte auf Augenhöhe und genau das war bisher nicht der Fall. Wer weniger bietet muss in einem gewissen Rahmen immer über den Preis gehen. Die Preise (Mobilfunk) wurden genau deshalb durch o2 und E-Plus gedrückt. Ob davor noch ein Reseller steht oder nicht spielt keine Rolle denn der ist von den Einkaufspreisen der Kontingente (Netzbetreiber) abhängig.

Bezogen auf LTE gibt es bisher keinen ernsthaften Wettbewerb und eine Entwicklung wie in der Vergangenheit ist bei drei ähnlich großen Anbietern nicht zu erwarten. Es gibt unter diesen Voraussetzungen für die Netzbetreiber wenig zu gewinnen (Marktsättigung, Verträge) und viel zu verlieren. Zusätzliche Marktanteile in relevanten Umfang gibt es nur über massive Einschnitte bei der Marge und das ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht bei einer jeweiligen 1/3 Aufteilung nicht sinnvoll. Oben drauf kommt noch das Übernahmen sowie nötiger Ausbau ordentlich Kapital schlucken und das lässt sich nicht alleine mit Synergieeffekten auffangen. Motivation für eine neue Runde in der Preisfindung sehe ich hier nicht und das wird sich zwangsläufig negativ auf die LTE Tarifentwicklung auswirken. Hier sehe ich bei deiner Argumentation einen großen Schwachpunkt denn die Sensibilität der Kunden (Preis, o2, E-Plus) bezieht sich auf die alten Netztechnologien in Kombination mit niedrigerer Produktqualität als bei der Konkurrenz. Diese Wahlmöglichkeit (deutlich günstiger, dafür schlechter) fällt für den Kunden langfristig gesehen weg.

Bleibt noch Vodafone welche überhaupt kein Interessen an Preisreduktionen haben und dementsprechend bis vor kurzen Tarife im Sortiment hatten mit Kosten um Faktor 2 in Relation zu o2. Das sich dieses Unternehmen mit der Telekom über den Preis anlegt ist utopisch. Über die letzten zwei Jahre hatte Firma A welche von mir betreut wird pro MA die doppelten Ausgaben für mobile Kommunikation von Firma B (o2). Aufgrund der Qualität des Netzes war o2 für A aber keine Option. Genau deshalb konnte Vodafone die erheblichst höheren Preise lange ohne ernsthafte Verluste an Kunden halten - gleiches gilt für die Telekom. Mitgespielt in der Preisspirale wurde von beiden nur halbherzig über eigene und externe Reseller. Warum es bei denen im Regelfall aber eben kein LTE gibt sollte einleuchten ;)

Anzumerken wäre noch das die stationären LTE Tarife aktuell derart miserabel sind das über die Technik einer der wichtigsten angedachten Services (-> letzte Meile, Breitband) in der Praxis häufig nicht realisierbar ist. Allerdings ist der weiße Fleck damit auf der Karte verschwunden (Verfügbarkeit, Breitband) womit in vielen Fällen kein anderer Anbieter an gleicher Stelle investiert. Kabelnetzausbau in Randgebieten mit neu aufgestellten LTE Masten wird Vodafone kaum oben auf der Liste haben - genauso wenig wie die Telekom. Am Ende bekommen wir mittelfristig vor allen eins: Regionale Monopole (auch Ortsteile) denn das bringt die höchsten Renditen (wenig direkte Konkurrenz, Preise leichter stabil zu halten).

Iruwen
2013-07-25, 12:42:20
Als Endkunde interessiert mich eigentlich nur ob die miese Netzabdeckung und -qualität von O2 dadurch besser wird. Das wäre nämlich für mich der Grund demnächst mal byebye O2 zu sagen.