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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum weinen traurige Menschen bei Berührung sofort los?


Daredevil
2012-06-25, 16:20:52
Hey,

ich hab bei Google dazu absolut nichts gefunden oder bin einfach zu blöd, die passende Wörter zu finden.
Ich interessiere mich sehr für die Gefühlsebene der Menschen und deren Empfindungen und in letzter Zeit ist mir eben die oben genannte Situation ins Auge gefallen.

Einem Menschen geht es schlecht und er sucht trost, wir reden miteinander, wir erwägen hin und her, besprechen Sachen... ich nehme ihn liebevoll in den Arm und sofort fängt er an zu Weinen.

Ein Mädchen fällt hin, tut sich nichts großartig, aber es hat schmerzen.
Man legt seine Hand auf ihr Knie, streichelt drüber und möchte nur Mut machen indem man sagt "Ach kleine, das geht schon vorbei", aber man erzielt genau das Gegenteil in diesem Fall, weil sofort mehrere Tränen das Gesicht runterkullern. ( Auch wenn es selbst das Verarbeitungsstadium ist )

Wieso gibt es diese Reaktion in Verbindung mit körperlicher Berührung?
Geht es darum, das man nicht nur hören möchte, das man sich an wen klammern kann, wenn man "weinen" möchte, sondern auch durch eine Berührung das praktische "Haste gespürt? Ich bin wirklich da!" dem Gehirn signalisiert?

Ich will Infos, ich will verstehen!

Mfg DD

BoneDaddy
2012-06-28, 14:16:47
Pack halt nicht so feste zu, dann weinen die Mädels auch nicht immer gleich. ;-)

Kampf-Sushi
2012-06-28, 14:26:40
Da gibt es nicht viel zu verstehen, es verstärkt die persönliche Bindung zwischen Menschen. Wohl einfach eine soziale Reaktion.
Damit das soziale miteinander funktioniert gibts halt bestimmte "Regeln". Auf eine Aktion folgt eine Reaktion.
Weinen ansich ist ja schon dort angesiedelt, es hat ja keinen "praktischen" Nutzen.

Gast
2012-06-28, 14:51:11
Die Berührung gibt das Gefühl von Geborgenheit; es ist jemand da, der mir hilft, der es gut mit mir meint. --> Die verletzte Person (in welcher Form auch immer) kann sich gehen lassen.
Ein größeres Kompliment kann man eigentlich gar nicht erhalten.

Spirou
2012-06-28, 15:03:05
Spannungslösung. Normalzustand ist aufrechterhaltene Kontrolle, evolutionär als Schutz in weniger vertrautem Umfeld sinnvoll, als kaum merkbarer Grundzustand im Erwachsenenleben in Form unbewusster Willensanstrengung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle präsent. Nähe hebt die Grundwahrnehmung in unvertrautem Umfeld zu sein auf. D. h. die soziale Gefährdung ist reduziert, daher setzt die Aufhebung der Grundspannung als Reflex ein.

sei laut
2012-06-28, 15:04:56
Man darf nicht nur die Tränen sehen, wenn jemand weint, laufen im Gehirn bestimmte Vorgänge ab. Die Tränen sind aber wohl wirklich die soziale Komponennte.

Vikingr
2012-06-28, 15:10:29
Wieso gibt es diese Reaktion in Verbindung mit körperlicher Berührung?
Geht es darum, das man nicht nur hören möchte, das man sich an wen klammern kann, wenn man "weinen" möchte, sondern auch durch eine Berührung das praktische "Haste gespürt? Ich bin wirklich da!" dem Gehirn signalisiert?

Ich will Infos, ich will verstehen!

Mfg DD
hmmm..ich würd' mal sagen, genau DAS, was ich von dir oben zitiert habe...
Frauen denken persönlich, sprich eher mit Gefühlen verbunden, Männer sachlich, eher auf Verstandesebene...

Zumindest kenne ich es von mehreren Fällen idR. so, dass wenn man jemanden umarmt, dass diejenigen Personen erst mal sehr verunsichert sind, weil sie es nicht kennen & somit nicht einordnen können(-->siehe @Beitrag Spirou: Kontrolle aufrecht erhalten). Für mich zB. aber ist eine Umarmung* aber was ganz alltägliches, normales & tue das oftmals auch bei fremderen Leuten einfach aus'm Gewohnheits Reflex heraus..
Was ich sagen will ist; Man kann viele (tröstende) Worte vom Verstand her aufnehmen & doch trotzdem steril bleiben im Herzen, aber es ist ne völlig andere Sache es auch vom Herzen her zu begreifen (bestes Beispiel: Joh. 3,16 (http://is.gd/WvoYuX)), wenn man die persönliche Nähe wirklich selbst spürt & weiß, da ist jemand für mich da...weil Worte dann nicht mehr nötig sind! Sozusagen eine stille Einheit, direkt von Herz zu Herz. Die Bibel zB. nennt sowas "..und erkannte seine Frau.." (beim Geschlechtsverkehr, man wird "ein Fleisch"..)
Hat aber mEn oftmals auch viel mit Selbstannahme/-ablehnung im Hintergrund zu tun...
Ansonsten denke ich, hat's Spirou, bis auf den evolutionären Teil.. schon ganz gut erklärt. :)

*in christlich charismatischen Kreisen normal


lieben Gruß,
Vikingr :)

seaFs
2012-06-28, 15:11:02
Wenn man dem Wikipediaartikel (http://de.wikipedia.org/wiki/Weinen) glauben schenkt, so erhöht das Weinen des Opfers die Konzentrationsfähigkeit des Helfers. Kommt nun jemand dem Kind nach einer Verletzung zu Hilfe, so fängt es an zu weinen, wodurch der Helfer sorgfältiger handelt und weniger Fehler macht.

Auch kann ich mir vorstellen, dass die Berührung beim Trösten Geborgenheit und Schutz symbolisiert. Der Weinende fühlt sich sicherer und kann seinen Gefühlen Ausdruck verleihen, ohne sich zu schämen. Das Opfer kann sich somit voll auf seine innere Situation konzentrieren, ohne dabei an das Schutzbedürfnis zu denken. Die Schutzfunktion wird auf den Helfer übertragen.

FeuerHoden
2012-06-28, 16:14:20
Oh man Terminatorentreff ... 'Warum weint ihr?'.

Wenn du einen traurigen Menschen berührst bist du der stabilisierende Faktor und derjenige kann sich 'fallen lassen'. Du schaffst einen geschützten Bereich des Vertrauens in der sich dein Gegenüber entsprechend seinen Empfindungen Verhalten und seine Maske ablegen kann. Wenn sich jemand in deine Arme wirft und losheult kannst du das als ein sehr tiefes und ehrliches 'Danke' werten und du kannst dir sicher sein dass deine Nähe dem Menschen sehr wichtig ist.

Gleiches Phänomen in tragisch: Es kommt immer wieder vor das Schwerverletzte nach einem Unfall das Bewusstsein verlieren wenn sie hören dass die Rettung kommt ala 'Ah da sind sie ja, jetzt kann mir nichts mehr passieren.'. Leider erwischt es dabei manche so dass sie womöglich überlebt hätten wenn sie nicht gemerkt hätten dass die Rettung kommt um sie ins Krankenhaus zu bringen.

Anderes Phänomen, andere Ecke im Gehirn: Der/die Alte hat 'ja' gesagt, jetzt kann ich fett und impotent/frigide werden und brauche mich nicht mehr zu waschen ...

DerEineHades
2012-06-28, 17:52:31
Spannungslösung. Normalzustand ist aufrechterhaltene Kontrolle, evolutionär als Schutz in weniger vertrautem Umfeld sinnvoll, als kaum merkbarer Grundzustand im Erwachsenenleben in Form unbewusster Willensanstrengung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle präsent. Nähe hebt die Grundwahrnehmung in unvertrautem Umfeld zu sein auf. D. h. die soziale Gefährdung ist reduziert, daher setzt die Aufhebung der Grundspannung als Reflex ein.

Jo, das denke ich auch. Es kostet unheimlich viel Kraft, bei so enormer psychischer Belastung (und sich das Knie aufschlagen reicht bei Kindern schon, dafür ist nach ein paar Minuten Weinen die Geschichte dann aber auch erledigt) die normale soziale Interaktion aufrecht zu erhalten. Merkt man dann auf einmal, dass man den Rahmen dafür bekommt, für einen Moment schwach sein zu können, fällt dann eben die gesamte Deckung.

01001001
2012-06-28, 18:08:52
Die meisten fangen an zu weinen,weil sie sich schwach fühlen,und gekränkt sind.
Wenn dann eine tröstende Berührung zustande kommt,merken/denken sie bzw haben sie die Bestätigung,dass sie im Moment schwach sind,und fangen an zu weinen...

RLZ
2012-06-28, 18:50:36
http://blog.lib.umn.edu/chamb169/myblog/personal%20space.jpg
Die Mauer wird umso dünner je näher man kommt. Lässt man jemanden nah genug ran, erlaubt man sich ihm gegenüber auch eine Schwäche zu zeigen.

Diese Abstände sind interessanterweise auch nicht überall gleich. So haben Amerikaner in der Regel eine größere "personal bubble" als Europäer.

Dead Man
2012-06-28, 18:55:31
Die meisten fangen an zu weinen,weil sie sich schwach fühlen,und gekränkt sind.
Wenn dann eine tröstende Berührung zustande kommt,merken/denken sie bzw haben sie die Bestätigung,dass sie im Moment schwach sind,und fangen an zu weinen...

Falsch.

Spannungslösung. Normalzustand ist aufrechterhaltene Kontrolle, evolutionär als Schutz in weniger vertrautem Umfeld sinnvoll, als kaum merkbarer Grundzustand im Erwachsenenleben in Form unbewusster Willensanstrengung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle präsent. Nähe hebt die Grundwahrnehmung in unvertrautem Umfeld zu sein auf. D. h. die soziale Gefährdung ist reduziert, daher setzt die Aufhebung der Grundspannung als Reflex ein.

Richtig.



Man weint in unseren Breiten nicht vor fremden Menschen.

Man wird in unseren Breiten nicht von Fremden in den Arm genommen.

Wenn man in den Arm genommen wird, fühlt man sich nicht mehr unter fremden Menschen.

Berühren ist eine abgeschwächte Form von "in den Arm nehmen".

(R)evolutionconcept
2012-07-01, 13:34:07
Oh man Terminatorentreff ... 'Warum weint ihr?'.

Wenn du einen traurigen Menschen berührst bist du der stabilisierende Faktor und derjenige kann sich 'fallen lassen'. Du schaffst einen geschützten Bereich des Vertrauens in der sich dein Gegenüber entsprechend seinen Empfindungen Verhalten und seine Maske ablegen kann. Wenn sich jemand in deine Arme wirft und losheult kannst du das als ein sehr tiefes und ehrliches 'Danke' werten und du kannst dir sicher sein dass deine Nähe dem Menschen sehr wichtig ist.
o.

Aus eigenen emotionalen Erfahrungen heraus, kann ich nur zustimmen.

01001001
2012-07-01, 14:23:50
http://blog.lib.umn.edu/chamb169/myblog/personal%20space.jpg
Die Mauer wird umso dünner je näher man kommt. Lässt man jemanden nah genug ran, erlaubt man sich ihm gegenüber auch eine Schwäche zu zeigen.

Diese Abstände sind interessanterweise auch nicht überall gleich. So haben Amerikaner in der Regel eine größere "personal bubble" als Europäer.

Das meinte ich ansich damit.

Wenn man unsere beiden Beiträge zusammenlegt,zwischen den Zeilen liest,und die persönliche Situation mit einbringt,hat man die Antwort. :wink:

01001001
2012-07-01, 14:27:32
Oh man Terminatorentreff ... 'Warum weint ihr?'.

Wenn du einen traurigen Menschen berührst bist du der stabilisierende Faktor und derjenige kann sich 'fallen lassen'. Du schaffst einen geschützten Bereich des Vertrauens in der sich dein Gegenüber entsprechend seinen Empfindungen Verhalten und seine Maske ablegen kann. Wenn sich jemand in deine Arme wirft und losheult kannst du das als ein sehr tiefes und ehrliches 'Danke' werten und du kannst dir sicher sein dass deine Nähe dem Menschen sehr wichtig ist.

Gleiches Phänomen in tragisch: Es kommt immer wieder vor das Schwerverletzte nach einem Unfall das Bewusstsein verlieren wenn sie hören dass die Rettung kommt ala 'Ah da sind sie ja, jetzt kann mir nichts mehr passieren.'. Leider erwischt es dabei manche so dass sie womöglich überlebt hätten wenn sie nicht gemerkt hätten dass die Rettung kommt um sie ins Krankenhaus zu bringen.

Anderes Phänomen, andere Ecke im Gehirn: Der/die Alte hat 'ja' gesagt, jetzt kann ich fett und impotent/frigide werden und brauche mich nicht mehr zu waschen ...

Das ist die Ursache,aber nicht der Grund.

Gast
2012-07-18, 19:42:11
Gleiches Phänomen in tragisch: Es kommt immer wieder vor das Schwerverletzte nach einem Unfall das Bewusstsein verlieren wenn sie hören dass die Rettung kommt ala 'Ah da sind sie ja, jetzt kann mir nichts mehr passieren.'. Leider erwischt es dabei manche so dass sie womöglich überlebt hätten wenn sie nicht gemerkt hätten dass die Rettung kommt um sie ins Krankenhaus zu bringen.

Das ist meiner Meinung nach ein sehr interessanter Kommentar.
Eine Freundin guckt immer Navy Cis und co. wo es nur um Mord und totschlag geht.
Sie weinte, als wir es guckten, darauf fragte ich, wieso guckst du denn so etwas, wenn du dauernd weinst.
Sie meinte das befreit und dannach geht es einen wesentlich besser.
Daher vermute ich mal, haben die meisten hier verdammt recht, wenn sie sagen, das sich die Personen dann sicher fühlen und erst recht heulen.
Ich habe im Alter nur einmal richtig geheult und da wollte mich ein Freund trösten, ich wusste aber das er mich nicht verstehen würde und sagte er solle mich in ruhe lassen.
Einige Jahre später, hat sich dieser Verdacht auf "heuchelei" bestätigt.
Was ich damit sagen will, auch wie schon von jemand hier erwähnt, ein größeres Kompliment als das jemand stärker weint wenn du ihn tröstest, gibt es sicher nicht.
Allerdings vermute ich auch, dass einige Mitleid wollen.
Manche Menschen fühlen sich sogar wohler, wenn sie sehen dass es anderen schlecht geht...