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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Antibiotikaresistenzen


Tobalt
2013-03-25, 19:27:01
Hallo,

hier im Forum gibt es ja scheinbar ein gewisses Maß an Soft matter und Biologie/Medizin experten bzw. solche die es mal werden wollen.

Ich verfolge derzeit mit besorgnis die Meldungen über vollständig immune Keime und habe dazu ein paar Fragen:

1) Für gesunde Menschen sind diese idr nicht gefährlich weil sie zu 99% vom Immunsystem getötet werden? Es betrifft also in erster Linie alte und schwerverwundete etc. in Krankehäusern. Von Epidemie kann keine Rede sein, oder?

2) Wie ernst ist ein Zustand auf der Welt mit großen Beständen an völlig immunisierten Bakterien. Kann man dagegen zb impfen oder ähnliches? Ich stehe dem Impfen intuitiv skeptisch gegenüber.

Vielleicht können ja mal ein paar fundierte Meinung gepostet werden. Mein Kenntnisstand ist erschreckend gering, da bei uns eher die härtere Schiene (solid state) bedient wird und ich hobbymäßig zur Biologie keinen Draht habe.

Und los! ;)

Kladderadatsch
2013-03-25, 22:16:41
1) Es betrifft also in erster Linie alte und schwerverwundete etc. in Krankehäusern.
ja. nicht nur alte, sondern schlicht kranke mit supprimiertem immunsystem. antibiotika werden erst dann relevant, wenn dein immunsystem versagt.

2) Wie ernst ist ein Zustand auf der Welt mit großen Beständen an völlig immunisierten Bakterien. Kann man dagegen zb impfen oder ähnliches? Ich stehe dem Impfen intuitiv skeptisch gegenüber.
den letzten punkt solltest du noch einmal überdenken;)
impfen macht hier imo keinen sinn, dazu ist die vielfalt der potentiellen pathogenen keime schlicht zu groß.
was ich zu den folgenden bemerkungen wie "da sind die ärzte schuld, die verschreiben zu viele antibiotika" gleich sagen will: sofern das richtige antibiotikum verschrieben wurde, ist sicherlich nicht der arzt, sondern der patient schuld, der sein mittel (eigenmächtig) zu früh absetzt, weil er sich ja wieder gesund fühlt. genau dadurch entstehen resistenzen. außerdem ist antibiotikum nicht gleich antibiotikum. oft werden uralte derivate verschrieben, die im notfall ohnehin nicht mehr einzusetzten sind. im studium haben wir mal einen screen auf antibiotika-resistenzen der kursteilnehmer gemacht. am eindrücklichsten war da tetracyclin, gegen das ausnahmslos alle resistente keime in nase, mund und stuhl hatten;)
aber sicherlich gibt es regelrecht geisteskranke anwendungen. dazu zählte (seit 2012 verboten) z.b. die schweinezucht in den niederlanden, in der vancomycin (das "notfall-antibiotikum" der menschheit) prophylaktisch verfüttert wurde..

dr_AllCOM3
2013-03-25, 23:26:48
Ist nur ein Problem, weil seit 1980 nicht mehr ernsthaft neue Antibiotika entwickelt werden. Die sind nicht profitabel...

DELIUS
2013-03-25, 23:49:13
Erstellt überhaupt noch ein Arzt (oder Tierarzt) ein brauchbares Antibiogramm (Wikipedia) (http://de.wikipedia.org/wiki/Antibiogramm)? So ein Antibiogramm kostet nicht viel.
Nein! Lieber das Mittel der Wahl (sponsored by Pharmahersteller) und drauf damit, inkl. aller Resistenzen.

kiX
2013-03-26, 00:16:04
Ist nur ein Problem, weil seit 1980 nicht mehr ernsthaft neue Antibiotika entwickelt werden. Die sind nicht profitabel...
Das stimmt so nicht. Es werden durchaus (ernsthaft) neue Antibiotika/Anti-mikrobielle Peptide entwickelt. Nur sind eben die Resistenzen üblicher Stämme stark angestiegen, was ein "hups, hab ich mal ein Wattwurm ausgegraben und ein neues wirksames AMP gefunden" (http://en.wikipedia.org/wiki/Arenicin) nicht zur Regel werden lässt.
Dazu brauchen Grundlagenforschungen mal schnell viele (bis >10) Jahre, bis alle Faktoren untersucht und abgeklärt sind und das Medikament überhaupt in die erste klinische Phase kommen kann. Selbst dann sinds noch ein paar Jahre bis zur Markteinführung.

Kladderadatsch
2013-03-26, 06:41:54
Das stimmt so nicht. Es werden durchaus (ernsthaft) neue Antibiotika/Anti-mikrobielle Peptide entwickelt. Nur sind eben die Resistenzen üblicher Stämme stark angestiegen, was ein "hups, hab ich mal ein Wattwurm ausgegraben und ein neues wirksames AMP gefunden" (http://en.wikipedia.org/wiki/Arenicin) nicht zur Regel werden lässt.
Dazu brauchen Grundlagenforschungen mal schnell viele (bis >10) Jahre, bis alle Faktoren untersucht und abgeklärt sind und das Medikament überhaupt in die erste klinische Phase kommen kann. Selbst dann sinds noch ein paar Jahre bis zur Markteinführung.
ganz sicher, ein besseres verständnis der bakteriellen zellteilung und physiologie wird über kurz oder lang zu neuen und sehr spezifischen wirkstoffen führen. das problem ist nur, wo kommen die her? suchen und nachmachen nach dem schema "oh, um den pilz wächst ja gar nichts mehr" ist dann doch etwas einfacher bzw. weniger zeitintensiv, aber scheinbar relativ ausgereizt:confused: ganz neue wirkstoffgruppen hat man ja schon ewig nicht mehr gefunden.

edit: da fällt mir gerade noch das hier ein: http://pharmakologie.wordpress.com/2009/03/20/antibiotika-ohne-resistenzen/
läuft unter dem punkt "besseres verständnis der physiologie", stichwort quorum sensing. viele pathogene werden dichte-abhängig gefährlich (d.h., das bakterium sekretiert einen membrangängigen stoff, der ab einer bestimmten konzentration (die erst ab einer bestimmten zelldichte erreicht wird) die genexpression moduliert- also z.b. zur synthese eines toxins führt). das geniale an der sache: ein "antibiotikum" (der begriff ist hier eigentlich irreführend), das quorum sensing verhindert, führt wahrscheinlich zu keinem selektionsdruck hin zur resistenzbildung. die zellen werden schließlich nicht abgetötet.

ezzemm
2013-03-26, 07:12:24
Wenn man als Pharmafirma heute beschließt ein Medikament zu entwickeln, dauert es idR. 10-15 Jahre bis es die Zulassung für den Markt bekommt, und hat bis dahin Entwicklungskosten von rund 1.000.000.000$ gehabt.
Bei Antibiotika ist es kommt es noch hinzu, daß die Gefahr groß ist, daß es als letzte Reserve nicht frei in den Markt gebracht werden darf, und man so kaum Umsatz generieren kann.

drdope
2013-03-26, 09:03:59
ja. nicht nur alte, sondern schlicht kranke mit supprimiertem immunsystem. antibiotika werden erst dann relevant, wenn dein immunsystem versagt.

Nur setzt der durchschnittliche Bürger leider nicht auf sein Immunsytem, sondern rennt für "jeden Scheiß", den das Immunsystem mit ein bissl Zeit regeln würde zum Arzt... der Anteil der vollständig bekloppten (imho 5-10% der Bevölkerung, kontinuierlichseit gefühlt 15 Jahren steigend) ruft auch gerne Nachts einen KTW/RTW inkl. Notarzt und läßt sich ins Krankenhaus karren).

Erstellt überhaupt noch ein Arzt (oder Tierarzt) ein brauchbares Antibiogramm (Wikipedia) (http://de.wikipedia.org/wiki/Antibiogramm)? So ein Antibiogramm kostet nicht viel.

Das macht jeder bessere Arzt, weil es sich abrechnen läßt, aber vorher (das bebrüten der Kultur im externen Labor dauert ein bissl) wird erst mal mit einem theoretisch potentiell passendem Breitband-Antibiotika prophylaktisch behandelt -> könnte statistisch betrachtet ja passen (schaut auch ggf. Abrechnungtechnisch doof aus, wenn man "nichts" macht und erst mal auf Labor-Ergebnisse wartet -> im Worst Case wird der Pat. bis dahin von allein Gesund und jemand bei den Kasssen könnte auf die Idee kommen, so was nicht mehr abzurechnen).

Das Fleisch was man regelmäßig konsumiert ist idR auch mir diversen Antibiotika "verseucht".
Willkommen im Jahr 2013...

Vor weniger als 100 Jahren sind in Europa 25-50 Millionen Menschen an der spanischen Grippe verreckt* (http://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Grippe).

So lange die Zahl der vollständig antibiotikaresistenten Bevölkerung Europas (wegen des statistischen Vergleichs) sich deutlich darunter bewegt, würde ich mir wenig Gedanken darüber machen.

Das Problem ist imho z.Z primär, daß Leute gegen günstige Antibiotika resistent sind, aber nicht gegen alle...
Ein Schelm wer böses denkt...
;)

PS
*lustigerweise kann kein Antibiotika der Welt was gegen einen Grippevirus ausrichten (da helfen nur gezielte Impfungen - aber auch zu dem Thema ließt man sehr unterschiedliche Meinungen).

Scheiß komplexe Welt...
;)

btw auch sehr interessant:
-> die Zahl der Antibiotikaressistenzen steigt seit dem man sie statistisch erfasst; leider gibt es keine Statistik, die zeigt ob sie stärker ansteigt, als die durchschnittliche statistische Erfassungsrate selbiger...
;)

Tobalt
2013-03-26, 09:18:43
GRRR verlorener längerer Beitrag hier nochmal kurz:

gibt es statistiken/schätzungen welchen anteil an der mortalität bakterielle infekte vor penicillin hatten?

HajottV
2013-03-26, 10:30:21
gibt es statistiken/schätzungen welchen anteil an der mortalität bakterielle infekte vor penicillin hatten?

Das schwankt zeitlich und lokal extrem, 1350 dürfte der Anteil in den am krassesten betroffenen Gebieten über 90% gelegen haben. Aber das ist ein Extremfall.

Chemiker
2013-03-26, 13:44:01
Das ist ein Problem aller Menschen, nicht nur derjenigen mit Immunschwäche (zu denen wir alle mal gehören können). Gibt viele Krankheiten die nur mit Antibiotika geheilt werden können. Und auch da tauchen resistente Erreger auf.

Eisenoxid
2013-03-26, 15:18:09
...aber sicherlich gibt es regelrecht geisteskranke anwendungen. dazu zählte (seit 2012 verboten) z.b. die schweinezucht in den niederlanden, in der vancomycin (das "notfall-antibiotikum" der menschheit) prophylaktisch verfüttert wurde..
Das Fleisch was man regelmäßig konsumiert ist idR auch mir diversen Antibiotika "verseucht".
Willkommen im Jahr 2013...
Jupp, supertoll. Ein hoch auf die Massentierhaltung. Da züchtet man die Resistenten Erreger heran.

So lange die Zahl der vollständig antibiotikaresistenten Bevölkerung Europas (wegen des statistischen Vergleichs) sich deutlich darunter bewegt, würde ich mir wenig Gedanken darüber machen.
Sobald einmal ein etwas gefährlicheres Bakterium eine Multiresistenz entwickelt, kann man sich warm anziehen. Ist bei dem aktuell sorglosen Umgang mit ABs auch nur eine Frage der Zeit.

Das Problem ist imho z.Z primär, daß Leute gegen günstige Antibiotika resistent sind, aber nicht gegen alle...
Ein Schelm wer böses denkt...
;)
Natürlich tauschen erst Resistenzen gegen die günstigen ABs auf, da diese ja auch viel mehr Einsatz finden, wodurch man hier mehr Resistenzen generiert.


Vor weniger als 100 Jahren sind in Europa 25-50 Millionen Menschen an der spanischen Grippe verreckt* (http://de.wikipedia.org/wiki/Spanische_Grippe).

PS
*lustigerweise kann kein Antibiotika der Welt was gegen einen Grippevirus ausrichten (da helfen nur gezielte Impfungen - aber auch zu dem Thema ließt man sehr unterschiedliche Meinungen).

Scheiß komplexe Welt...
;)

Klar hilft gegen Grippe kein AB. Das wirkt nur gegen Bakterien. Grippe wird durch Viren verursacht. Eine ganz andere Sorte von Krankheitserregern.
Der einzige Grund, warum auch oft bei Viruserkrankungen die Erkältung und Grippe ABs verschrieben werden, ist einer Sekundärinfektion vorzubeugen, weil das Immunsystem geschwächt ist.


MMn. sollte man ABs in der Tierhaltung komplett verbieten. Das hätte noch den Nebeneffekt, dass nur noch höherwertiges Fleisch & andere Tierische Produkte produziert würden und die Tiere bessere Haltungsbedingungen hätten, da die Massentierhaltung aktuell, ohne ABs nicht machbar ist.
Leider ist das weltweit kaum durchzusetzen. Selbst in einem einzelnen Staat dürfte die Lobby dahinter so stark sein, dass man es sehr sehr schwer haben würde, das durchzusetzen.

basti333
2013-03-26, 21:40:20
Hallo,

hier im Forum gibt es ja scheinbar ein gewisses Maß an Soft matter und Biologie/Medizin experten bzw. solche die es mal werden wollen.

Ich verfolge derzeit mit besorgnis die Meldungen über vollständig immune Keime und habe dazu ein paar Fragen:

1) Für gesunde Menschen sind diese idr nicht gefährlich weil sie zu 99% vom Immunsystem getötet werden? Es betrifft also in erster Linie alte und schwerverwundete etc. in Krankehäusern. Von Epidemie kann keine Rede sein, oder?

2) Wie ernst ist ein Zustand auf der Welt mit großen Beständen an völlig immunisierten Bakterien. Kann man dagegen zb impfen oder ähnliches? Ich stehe dem Impfen intuitiv skeptisch gegenüber.

Vielleicht können ja mal ein paar fundierte Meinung gepostet werden. Mein Kenntnisstand ist erschreckend gering, da bei uns eher die härtere Schiene (solid state) bedient wird und ich hobbymäßig zur Biologie keinen Draht habe.

Und los! ;)

1. Diese Keime finden sich in der regel bei jedem Menschen. Sie sind also erstmal ungefährlich. Dabei ist resistent oder nicht erstmal egal. Gefährlich werden sie wenn sie an stellen gelangen, wo sie eigentlich nicht hinkommen. Z.B. durch Unfälle, OPs oder auch ein geschwächtes Immunsystem.

Auch hier ist es erstmal egal ob der keim nun resistent ist oder nicht. Nur besteht die therapie bei solchen Wundinfektionen heutzutage zu 99% aus antibiotika. Und hier hat man dann bei den resistenten keimen ein Problem. Noch gibt es meist (zumindest in Deutschland) irgendein Antibiotikum was noch hilft, aber oft halt nicht so gut oder mit krassen Nebenwirkungen. Teuer sind diese s.g. Reserveantibiotika sowieso, aber das ist ja in Deutschland zum Glück nicht so das Thema.

Vor allem in den Staaten treten nun aber zunehmend Keime auf die gegen wirklich alle Antibiotika resistent sind, das ist natürlich ein problem. Zudem gibt es in den USA auch Keimstämme die gefährlicher sind und auch außerhalb von Kliniken etc. zu finden sind. Auch hier ist Europa aus vielfältigen Gründen noch besser dran.

Die USA haben zum einen das problem das sie noch mehr mit Antibiotika umherwerfen als in Deutschland (ich glaube die gibt es dort sogar ohne Rezept) zum anderen das dort viele menschen eine therapie nicht bezahlen können und in ärmlichsten Verhältnissen leben wo sich auch gefährliche keime einfacher verbreiten können.


2. Wenn wir von resistenten keimen sprechen meinen wir Bakterien. Impfen lassen kann man sich, bis auf ein paar Ausnahmen vielleicht, nur gegen Virale Infektionen.



Wo das ganze enden wird ist schwer zu sagen, manche experten warnen schon vor einer Post-Antibiotika Zeit. In der Krankheiten wir Tuberkulose wieder ernstzunehmende Todesursachen werden. Was heute fast in Vergessenheit geraten ist, ist das es vor den Antibiotikern regelrechte Massensterben an Bakteriellen Infektionen gab. Die Menschen hatten davor damals 10x mehr Angst als heute vor Krebs.

Operationen sind heute z.B. nur in den wenigstens fällen letal. Es ist aber nicht lange her da waren OPs Glücksspiele. U.a. weil es keine Antibiotika gab.

Naja, das es genauso schlimm wird ist unwahrscheinlich. Zum einen weil wir heute viel besser aufpassen im Medizinsektor (Hygiene....) und zum anderen weil die leute heute wesentlich besser leben als vor 100 Jahren und "von Natur aus" ein besseres Immunsystem haben. Außerdem werden wohl auch in Zukunft neue Antibiotika entdeckt.

Das diese Resistenzen also unsere Gesellschaft radikal verändern ist eher unwahrscheinlich, aber es kann schon ernsthafte Konsequenzen haben. Eine geringere Lebenserwartungen, evtl. deutlich weniger Operative Therapieverfahren etc. Konkret könnte das heißen das man zukünftig vielleicht eher riskiert das ein gebrochener Knochen schräg zusammenwächst, als einen Patienten das gestiegene OP-Risiko zuzumuten.


Auf alle fälle unverständlich ist aber das praktische nicht-handeln unserer Bundesregierung, das macht einen Fassungslos. Zumal bekannt ist was zu tun wäre und dies langfristig Geld sparen würde.

basti333
2013-03-26, 21:48:04
GRRR verlorener längerer Beitrag hier nochmal kurz:

gibt es statistiken/schätzungen welchen anteil an der mortalität bakterielle infekte vor penicillin hatten?


Das mag es geben, ist aber nicht auf heute zu übertragen. Es haben sich noch viel zu viele anderne dinge geändert. Wir (in der ersten welt) leiden keinen Hunger mehr und leben nicht mehr in unseren eigenen fäkalien.

Es gab mal Schätzungen was passiert wäre wenn die Vogelgrippe auf den Menschen übergesprungen werden. Man erinnert sich vielleicht noch an die Zeit vor ein paar Jahren, an die große H5N1 Panik. Naja, jedenfalls in den USA wären wohl bei ein paar hunderttausend tot gewesen. Die Zeiten als es Pandmien gab die 20, 30 oder 40% der Weltbevölkerung umgebracht haben sind vorbei und werden auch ohne antibiosen nicht wiederkommen. Auch wenn das jetzt nicht zu 100% vergleichbar ist, weil H5N1 ein Virus war, genau wie etwas die spanische Grippe.

Auch Tuberkolose wird nicht wieder die Meistgefürchtetste Krankheit in Deutschland werden.

bleipumpe
2013-03-26, 21:52:13
Erstellt überhaupt noch ein Arzt (oder Tierarzt) ein brauchbares Antibiogramm (Wikipedia) (http://de.wikipedia.org/wiki/Antibiogramm)? So ein Antibiogramm kostet nicht viel.
Nein! Lieber das Mittel der Wahl (sponsored by Pharmahersteller) und drauf damit, inkl. aller Resistenzen.
Ein Resistogramm kostet nicht viel, richtig. Es dauert aber bis zu 3 Tage, bevor nutzbare Ergebnisse vorliegen. Aber in Zeiten von Budgets und Fallpauschalen muss mit jedem Euro gerechnet werden. Und 3 Tage können bei eine ernsten Infektion zu lang sein, d.h. die Therapie muss begonnen werden.
In vielen Ländern gibt es jedoch Leitlinien, welche bestimmte Antibiotika bei den entsprechenden Infekten den Vorzug geben. Da viele Präparate mittlerweile als günstige Generika verfügbar sind, haben Pharmafirmen hier wenig Interesse.
Meiner Erfahrung nach drängen immer wieder Patienten auf die Gabe von AB bei einfachen Infekten z.B. der Atemwege oder der Harnwege. Und viele Ärzte sind diesbezüglich zu unkritisch oder haben einfach keine Lust mehr auf Diskussionen. Dank Google weiß man ja, das verfärbtes Sekret für Bakterien spricht und daher ein Antibiotikum unbedingt erforderlich ist.......was natürlich Schwachsinn³ ist.
Jupp, supertoll. Ein hoch auf die Massentierhaltung. Da züchtet man die Resistenten Erreger heran.
[.....]
Klar hilft gegen Grippe kein AB. Das wirkt nur gegen Bakterien. Grippe wird durch Viren verursacht. Eine ganz andere Sorte von Krankheitserregern.
Der einzige Grund, warum auch oft bei Viruserkrankungen die Erkältung und Grippe ABs verschrieben werden, ist einer Sekundärinfektion vorzubeugen, weil das Immunsystem geschwächt ist.

Um einer bakteriellen Infektion vorzubeugen, wird in der Regel kein Antibiotikum gegeben. Eine bakterielle Infektion erzwingt im Umkehrschluss ja nicht automatisch eine antibakterielle Behandlung. Ein gutes Beispiel ist z.B. die Endokarditisprophylaxe, d.h. die prophylaktische Gabe eines AB bei Patienten mit künstlichen Herzklappen oder Klappendefekten vor invasiven Eingriffen bzw. Untersuchungen. Die strengen Regeln wurden in den letzten Jahren zunehmend gelockert, da die Gabe aus diversen Gründen nicht praktikabel ist.

Die Massentierhaltung ist aber in der Tat ein Riesenproblem. Aber ihr glaubt nicht, wieviele Menschen verordnete Antibiotika nicht zeit- u/o dosisgerecht einnehmen. Da wird die Einnahme nach 2 Tagen beendet, weil es ja besser geht. So etwas provoziert geradezu Resistenzen.

basti333
2013-03-26, 22:00:50
Ein Resistogramm kostet nicht viel, richtig. Es dauert aber bis zu 3 Tage, bevor nutzbare Ergebnisse vorliegen. Aber in Zeiten von Budgets und Fallpauschalen muss mit jedem Euro gerechnet werden.
In vielen Ländern gibt es jedoch Leitlinien, welche bestimmte Antibiotika bei den entsprechenden Infekten den Vorzug geben. Da viele Präparate mittlerweile als günstige Generika verfügbar sind, haben Pharmafirmen hier wenig Interesse.
Meiner Erfahrung nach drängen immer wieder Patienten auf die Gabe von AB bei einfachen Infekten z.B. der Atemwege oder der Harnwege. Und viele Ärzte sind diesbezüglich zu unkritisch oder haben einfach keine Lust mehr auf Diskussionen. Dank Google weiß man ja, das verfärbtes Sekret für Bakterien spricht und daher ein Antibiotikum unbedingt erforderlich ist.......was natürlich Schwachsinn³ ist.


Ich kann da auch nur aus meinen Klinik Alltag erzählen. Wenn es bei uns ein Arzt schafft mit weniger als 3 Überstunden den Dienst zu beenden macht er sich wohl den rest des Tages Gedanken das er nicht irgendwas vergessen hat und ein Patient tot ist. Teilweise findet überhaupt keine Kurvenvisite mehr statt aus Zeitmangel und wenn mal 2 minuten nicht das Telefon klingelt ist man froh wenn man es schaft einen Entlassungsbrief zu schreiben (sonst leuchtet im Computer wieder das rote Lämpchen, wenn der Patient gerade die Kosten seiner Pauschale aufgefressen hat.), den Pflegekräften ergeht es ähnlich, so das auch da niemand Zeit hätte sich auch noch darum zu kümmern.

Letztendlich muss ich also sagen, das es so zwangsweise dazu kommt, das ein Antibiogramm erst gemacht wird, wenn der Patient unter standard Therapie keine Besserung zeigt.

Ich habe es schon mehrfach erlebt das auch Junge Patienten sinnloser weise gestorben sind, weil es nicht genug Personal gab und einfachste Dinge nicht überprüft, umgesetzt, angesetzt, angeordnet oder sonstwas wurden. Willkommen in Deutschland.

bleipumpe
2013-03-26, 22:10:02
Du musst mir nichts erzählen, ich habe mich selber jahrelang durch die Klinik und die Dienste gequält. Ich persönlich fand es z.B. schon als junger Assistent bedenklich, dass immer wieder idente Antibiotika eingesetzt wurden (z.B. Rocephin). Bei uns gab es das geflügelte Wort: Patienten "rocephinisieren".
Ich sehe auch immer wieder, dass z.B. Ärzte in der Notaufnahme bei einfachsten Verletzungen und guter Wundversorung trotzdem zur Sicherheit ein Antibiotikum ansetzen. Gleichzeitig wird der Patient aber angehalten, sich am nächsten Tag beim HA zur Kontrolle vorzustellen.
Erst vor kurzem gab es einen interessanten Artikel in der Fachliteratur, dass jeder 4. Patient im KH ein Antibiotikum erhält. Das kann einfach nicht gut sein.

gnahr
2013-03-26, 22:38:12
ich hatte mal ne dreckige gartenharke im knie und hab wirklich nur rosa tunke drauf bekommen und keine tabletten, obwohl klaffende wunde. (und notaufnahme auf dem lande am sontag... erstmal 3 alte säcke vorlassen die ihre zuckertabletten beim hausarzt vergessen haben, wärend ich blut tropfe... geil.)

bzgl. der bakterien sind doch alle wieder so geil auf neue phagen-stämme, die ja bei der industriellen lebensmittelproduktion schon massenhaft eingesetzt werden und nahezu kein mutationsrisiko aufweißen. das wurde von den disskusionsteilnehmern bisher nämlich konsequent ausgeklammter. dass 2-3 alte säcke wegen resistenter infektverursacher draufgehen ist ja noch fast verschmerzbar, aber dass solche stämme mehr als nur rein zufällig existieren ist das bedenkliche. wenn die bunten medien darüber berichten geht es immer um spanische grippe 3.0 gepaart mit der resistenz gegen alles bekante und so eine spezifische alptraummutation wird ja erst ansatzweise denkbar, wenn wenigstens eins der merkmale mehr als sporadisch auftritt.

achso und von wegen impfgegner: ich lass mir zwar auch lange keine mehr setzen aus purer bequemlichkeit, aber zum bsp. als vormund für kinder und alte/gebrechliche ist sowas unverantwortlich. sich selbst und damit mittelbar den impfschutz der ganzen gemeinschaft von menschen (gibt bunte simulationen dazu von wegen aktivem und passivem impfschutz) aufs spiel zu setzen ist das eine, aber ner risikogruppe exploration im bezug auf das risiko aufzuhalsen oder das überschreiten der kritischen masse an impfgegnern geht garnicht. geht ihr mal zum impfen, dann muss ich nicht. :) völlig falsch geimpft zu werden ist es aber in keinem fall.

Chemiker
2013-03-26, 22:43:23
Bessere Hygiene? Ärzte sind damals wie heute von Natur aus steril. Hände waschen oder gar desinfizieren? LOL!

Deutsche werden z. B. in den Niederlanden im Krankenhaus grundsätzlich isoliert. Dort kommt man mit etwas Hygiene den multiresistenten Keimen bei. In Deutschland offenbar nicht möglich. Naja, wir hinken ja in vielen Bereichen hinterher...

basti333
2013-03-26, 22:49:37
Bessere Hygiene? Ärzte sind damals wie heute von Natur aus steril. Hände waschen oder gar desinfizieren? LOL!

Deutsche werden z. B. in den Niederlanden im Krankenhaus grundsätzlich isoliert. Dort kommt man mit etwas Hygiene den multiresistenten Keimen bei. In Deutschland offenbar nicht möglich. Naja, wir hinken ja in vielen Bereichen hinterher...

Naja, man hier ja differenzieren. Das heute noch einiges schief läuft steht außer frage. Das ist sicherlich multikausal. Personalmangel, wenig Zeit, aber teilweise leider auch Bequemlichkeit. Das alles gibt es.

Aber es guck dir mal einen heutigen OP-Saal an und einen von vor 100 Jahren. Überdruck im OP, sterile Handschuhe, Chirurgische Händedesinfektion, Klimaanlagen mit Filter, OP schleusen, OP-Kittel. Das alles gab es damals nicht.

Chemiker
2013-03-26, 23:53:11
Klar. Dennoch wird in Deutschland viel zu wenig getan und das ist imho ein verbrecherisches Verhalten den Patienten gegenüber.
Man nimmt den Tod vieler Menschen in Kauf. Das kommt wohl dabei heraus, wenn das Geld alles und der Mensch nichts mehr zählt. Unter der schlechten Hygiene leiden letztlich aber alle.

Konami
2013-03-27, 01:10:35
http://pharmakologie.wordpress.com/2009/03/20/antibiotika-ohne-resistenzen/
[...] das geniale an der sache: ein "antibiotikum" (der begriff ist hier eigentlich irreführend), das quorum sensing verhindert, führt wahrscheinlich zu keinem selektionsdruck hin zur resistenzbildung. die zellen werden schließlich nicht abgetötet.
Warum eigentlich? Auch wenn kein direkter Selektionsdruck besteht, müssten doch mutierte Bakterien, die z.B. den Autoinducer mit einem anderen, nicht blockierten Enzym herstellen, sich automatisch erfolgreicher vermehren und damit irgendwann durchsetzen, oder?

Kladderadatsch
2013-03-27, 08:02:29
Warum eigentlich? Auch wenn kein direkter Selektionsdruck besteht, müssten doch mutierte Bakterien, die z.B. den Autoinducer mit einem anderen, nicht blockierten Enzym herstellen, sich automatisch erfolgreicher vermehren und damit irgendwann durchsetzen, oder?
wenn sie sich erfolgreicher vermehren könnten, bestünde ein "direkter" selektionsdruck. die generationszeit sollte hier aber unbeeinflusst bleiben. ob das ausnahmslos der fall ist, weiß ich nicht (wenn die z.b. ihre stationäre phase nicht mehr erkennen und sich tot wachsen, ist das natürlich auch ein nachteil). der selektionsdruck bleibt im vergleich zum direkten abtöten aber in jedem fall deutlich geringer, womit auch die resistenzbildung erschwert wird.

drdope
2013-03-27, 09:08:03
Letztendlich muss ich also sagen, das es so zwangsweise dazu kommt, das ein Antibiogramm erst gemacht wird, wenn der Patient unter standard Therapie keine Besserung zeigt.

Ich arbeite auf einer Gastoenterolgie/Onkologie mit angeschlossener Palliativ Care Unit.

Bei uns im KH werden eigentlich bei jeden Pat. mit T>=38,5°C (rekt.) Blutkulturen abgenommen.
Bei V.a. einer Infektion des Urogenitaltrakts auch immer ein Uricult.

Ergebnisse sind idR von 2 (auch am Wochenende) Tagen da und ab dann wird Zielgerichtet bekämpft, es liegt jedoch in der Motivation des diensthaben Arztes am WE die Ablage "Ungesehen" abzuarbeiten...
;)

Aber bis die Ergebnisse eintreffen wird erst mal fröhlich mit dem - für den Fall passenden - Breitbandantiobiotika der Wahl losgelegt.