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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nebengewerbe gründen: Kleinunternehmer & Alternativen


Lethargica
2015-11-01, 14:40:47
Hallo zusammen. Gleich vorweg: Ich spiele derzeit nur vage mit dem Gedanken.
Daher sind Tipps wie, "gehe zum Steuerberater" usw. sicher gut gemeint, geht mir derzeit aber etwas zu weit.

Folge Ausgangslage:

Ich arbeite derzeit als Teamleiter Vollzeit in einem großen Industriebetrieb - das soll auch so bleiben.
Meine neue Tätigkeit würde daher, wenn überhaupt, nur nebenberuflich betrieben werden. Mit meinem Arbeitgeber habe ich schon mal über das Thema gesprochen, von der Seite würde es wohl keine Probleme geben.

In meiner Funktion gebe ich u.a. firmenintern Schulungen zum Thema Arbeitssicherheit, bin verantwortlich für gesetzlichen Prüfungen von Anlagen usw.

Da in meinen Verwandtschaft und Freundeskreis ebenfalls viele Unternehmer aus der Metallbranche sind, kam daher schon öfters die Frage,
ob ich diese Schulungen, Prüfung usw. auch in ihrer Firma durchführen könnte.

Derzeit mache ich das nur bei meinem Onkel, da ich hier auf 450€ Basis beschäftigt bin, daher keine Rechnung schreiben muss usw.
Da es in letzter Zeit aber immer mehr Anfragen gibt, spiele ich derzeit mit dem Gedanken, ein kleines Nebengewerbe zu gründen.

Ziel sollte sein, mit möglichst wenig Aufwand einigermaßen seriös auftreten zu können, sprich Rechnungen & offizielle Prüfberichte ausstellen zu können usw.

Nach kurzer Recherche im Netz würde sich hier die Kleinunternehmerregelung anbieten.

Die 17.500€ würde ich im Leben nie erreichen (Umsatz wäre geschätzt bei ca. 3000-4000€)
Buchführung wäre mit Einnahmenüberschussrechnung recht einfach zu handhaben.
Mit den Nachteilen wie die fehlende Vorsteuerabzugsberechtigung könnte ich leben, da ich nicht viele Anschaffungskosten hätte.

Hat jemand schon Erfahrungen mit dem Thema gemacht? Gibt es eventuell noch Alternativen? Irgendetwas, was es speziell zu beachten gäbe?

Würde mich über konstruktive Meldungen freuen :)

Zafi
2015-11-01, 14:48:25
Du scheinst alles im Griff zu haben. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Als Freiberufler musst du meines Wissens auch kein Gewerbe anmelden. Wenn du Fragen hast, dann ruf auch mal bei deinem Finanzamt an. In der Regel sind die sehr hilfsbereit.

Argo Zero
2015-11-01, 14:52:03
Passt. Unter 17.500€ kam ich sogar ohne EÜR durch und habe einfach Gesamtsumme Einnahmen mit Ausgaben gegenüber gestellt.

Lethargica
2015-11-01, 15:23:52
Danke für die schnellen Antworten :)

Noch einige Fragen die mir gerade gekommen sind:

- Der Gewinn aus der Selbstständigkeit wird am Jahresende bei der Einkommensteuererklärung zu meinem Verdient als Angestellter addiert? Die Besteuerung ist also nicht anders, als würde ich in meinem Beruf als Angestellter 3000€ mehr verdienen oder?

- Wie ist das bei Anschaffungen die ich eventuell tätigen würde z.B. Laptop, Beamer usw. Werden die voll anerkannt, oder wird hier ein privater Nutzungsanteil abgezogen?

Die Antworten bis jetzt machen mir ja durchaus Mut, es einfach mal zu versuchen :)

Philipus II
2015-11-01, 16:36:53
Bei zweiterem kommt es darauf an, ob es private Nutzung gibt. Wenn du also eh einen privaten Gaming PC hast ist es glaubwürdig dass du dein Office-Notbook ausschließlich dienstlich nutzt.

Saiko
2015-11-02, 18:06:39
Hallo,

Ich bin selber nach §19 UStG im Nebengewerbe selbstständig und kann dir die Vor- und Nachteile recht deutlich nennen.

1.) Einnahmen im Sinne des §19 UStG zählen als zusätzliches Einkommen.
Dein "Unternehmen" wird zwar mit deiner persönlichen Steuernummer geführt, ist aber gesondert zu versteuern.

2.) Ja du kannst natürlich Waren auf deine Firma kaufen und auch steuerlich
geltend machen. Das hat Argo Zero schon erwähnt. Du bist immer zum 31. Mai verpflichtet deine EÜR (Einnahme-Überschuss-Rechnung, manchmal auch GÜR) abzugeben. In der schlüsselst du alle "Unternehmerischen Einnahmen und Ausgaben auf und setzt sie ins Verhältnis. Darüber sind auch Waren absetzbar. ABER ACHTUNG: Keine MwSt!(siehe 3.) und keine Ausgaben die deine Einnahmen übersteigen. Das ist dann Pech! Du kannst keine 300 EUR Einnehmen und 800 EUR Ausgeben. Kannst du schon, dann ist aber deine Gewinnbilanz für das Jahr -500EUR. Dafür bekommst du jedoch nix.

3.) Und zugleich der größte Nachteil!
Als Kleinunternehmer im Sinne des §19 UStG darfst du die Mehrwertsteuer nicht extra ausweisen. Du darfst auch NICHT Mehrwertsteuerbefreit einkaufen.

~> Wenn deine Kunden vornehmlich Unternehmen sind, sind gerade sie scharf darauf, dass du die Mehrwehrsteuer ausweisen kannst. Damit sie diese unmittelbar gegen rechnen können. Als Kleinunternehmer bist du für Unternehmen daher eher uninteressant.

4.) Bei dem was du vorhast wirst du die eine oder andere Kammer tangieren mal zumindest die Handwerkskammer. Du wirst also zu Mitgliedschaft bei der Kammer verpflichtet. Bei §19 UStG ist diese meist Kostenfrei.

5.) "Rechnungen & offizielle Prüfberichte ausstellen" Hier wird das Eis sehr dünn! Einiges ist nur Sachverständigen oder Staatlich bestelltem Personal vorbehalten. Du solltest also im Vorfeld ganz genau prüfen, ob deine Tätigkeit rechtlich unbedenklich ist. Auch musst du dir darüber Gedanken machen, was die Konsequenzen eines Fehlers sein könnten.

~> z.B.: Du erstellst ganz offiziell ein Prüfbericht (Weil du das darfst und kannst) ... Es passiert etwas bei deinem Kunden und die Kausalkette führt zu Dir und deiner Prüfung? Wie bist du abgesichert ? Du haftest als Kleinunternehmer mit deinem Privatvermögen. In einem Metallbetrieb oder bei Personenschäden, ist das mal schnell dein Untergang. Du solltest also keinesfalls die Versicherungen vernachlässigen und deren Beiträge müssen also erst mal erwirtschaftet werden.

6.) Selbstständig heißt selbst und ständig.
Die ganze administrative im Hintergrund kostet Zeit und nerven.

- Rechtlich korrekte Rechnung schreiben
- Kundenakquise
- Kundenmails
- Website
- Verträge erarbeiten (Rechtlich Wasserdicht)
- Versicherungen
...
~> Es sind genügend Leute auf Abmahnen von Kleinstbetrieben spezialisiert. Verletzung Impressumspflicht (Auch Social Media) Abmahnung bis zu 50.000 EUR (wenn auch unrealistisch) möglich. Nochmal... Du haftest mit deinem Privatvermögen.

Wenn du all das bedenkst und du dir zur Unternehmensgründung Hilfe suchst, kann es auch viel spaß machen. Nur eines sollte klar sein,
soviel 17,500EUR als Nebeneinkommen auch klingen mag, nach Abzug deiner Kosten und dem Abzug deiner Arbeitszeit bleibt da kein üppiger Stundensatz.

Gruß

Lethargica
2015-11-02, 21:45:42
Hallo Saiko,

erstmal danke für die (auch kritischen) Hinweise.

zu 2.) Anschaffungen habe ich nicht groß vor, da diese auch nicht nötig sind. Keine Sorge, so größenwahnsinnig um mir gleich einen Firmenwagen rauszulassen bin ich sicher nicht ;)

zu 3.) Sollte bei reinen Dienstleitungen doch eigentlich kein so großer Nachteil sein oder?

zu 5.) Ist klar. Wie gesagt, ich bin auf dem Gebiet ja hauptberuflich tätig, von der BG (DGUV) und diversen Herstellern geprüft & zertifiziert.

Die Sache mit der Versicherung (eventuell auch Berufsgenossenschaft) ist bisher auch noch meine größte Sorge.
Würde eher dafür sprechen, sich auf das Thema Schulungen & Unterweisungen zu konzentrieren. Hier sehe ich auch ehrlich gesagt das größere Potential, da auch viel weniger Mitbewerber auf dem Markt sind.

Und nein, leichtes Geld zu verdienen oder gar reich zu werden, ist eigentlich nicht meine Zielsetzung. Mir macht das Thema einfach Spaß und wenn am Ende so viel wie bei meinem Hauptberuf hängen bleibt, wäre ich fürs Erste schon zufrieden :)

-Duke-
2015-11-03, 00:55:44
Die BG ist in erster Linie die Unfallversicherung für Arbeitnehmer.
Wenn Du nicht vorhast, Arbeitnehmer zu beschäftigen, sollte BG kein Problem sein.
Es gibt ein paar, bei denen die Versicherung für den Unternnehmer vorgeschrieben ist, bei den allermeisten ist aber nur was zu zahlen, wenn man Arbeitnehmer beschäftigt.
Müsste man halt mal gucken, welche BG für Deinen Betrieb dann zuständig wäre.

Dicker Igel
2015-11-03, 01:53:15
Da in meinen Verwandtschaft und Freundeskreis ebenfalls viele Unternehmer aus der Metallbranche sind, kam daher schon öfters die Frage,
ob ich diese Schulungen, Prüfung usw. auch in ihrer Firma durchführen könnte.
Nur ein Gedanke dazu: Machst Du denen dann auch Freundschaftspreise? Falls ja, ist es natürlich Deine Sache, aber man sollte dabei auch bedenken, dass man dadurch uU bestehende Preise in den Keller drückt. Günstiger kann man immer werden, teurer wird dann schwieriger.

hadez16
2015-11-03, 08:34:00
Ich plane auch mich nebenberuflich selbsständig zu machen mit der Kleinunternehmer-Regelung.

Hier mal die groben Panzersperren mit denen ich zu tun habe:

1) Versicherung. Je nachdem solltest du dich mit einer Gewerbe-Haftpflicht absichern wenn es dazu kommen kann, dass du Schaden anrichten kannst.

Wenn du eine Maßnahme zur Teamfähigkeit durchführst und du stößt beim blinden Ringeltanz mit festhalten einen Mitarbeiter in die laufende Fräse, sollte es sich lohnen versichert zu sein.

2) Die Kammer muss, so wurde es mir nahegelegt, deinem Vorhaben zustimmen. Bei dem was ich machen will ecke ich da bei etwas an was sich "Meisterpflicht" nennt. Nicht jeder kann sich mit allem selbstständig machen wenn du in diesem Bereich nicht was vorweisen kannst. Wichtig für Quereinsteiger etc.
Vielleicht hast du da ja keinen Stress.

3) Wie oben schon geschrieben wurde, bist du ohne ausweisbare MwSt recht uninteressant für Geschäftskunden. Aber in deinem Fall musst du da wohl durch.

-Duke-
2015-11-03, 11:37:54
Ich verstehe euer Argument mit der Mehrwertsteuer nicht.

Für den beauftragenden Unternehmer ist die Mehrwertsteuer doch nur ein durchlaufender Posten. Dem ist völlig egal, ob er eine Rechnung über 100 € von einem ustl. Kleinunternehmer bekommt, oder eine über 119 € (100 + 19% Ust) von einem regelbesteuertem Unternehmer.


Andersrum wird ein Schuh draus: Hast du private Kunden, freuen die sich wenn du als ustl. Kleinunternehmer keine Ust ausweist und nur eine Rg über 100 statt 119 € stellst.

Zafi
2015-11-03, 12:01:28
Ihr habt bzgl. Mehrwertsteuer eine falsche Vorstellung. Ob man seine Rechnungen mit oder ohne Mehrwertsteuer ausstellt, spielt für Geschäftskunden keine Rolle. Denn ob etwas 100 Euro netto oder 119 Euro brutto kostet, ist unterm Strich das Gleiche.

Unterschiede macht es nur bei Privatkunden, wenn man denen eine Rechnung ausstellt, können die sich die 19 Euro MwSt. nicht vom Finanzamt zurückholen. Da ist man dann mit MwSt. teurer. Wenn du also viel mit Privatkunden zu tun hast, dann bist du ohne MwSt. besser bedient.

Wenn man aber nur Geschäftskunden hat, dann sollte man schon hin zum Vorsteuerabzug tendieren. Denn für die Kunden macht es keinen Unterschied. Man selbst bekommt aber für alle seine Einkäufe die MwSt. zurück.

Auch im Fall des TS kann sich da schon was summieren. Zum Beispiel Arbeitskleidung, Handy, Telefon, Fax, Notebook (Datenträger, NAS), Auto/Bahn/Flug, Büroräume, Geschäftsessen, etc.

Selbst bei einem kleinen Einkommen, kann dies am Jahresende schnell mal ein paar Tausend Euro bringen. Und sonderlich viel Arbeit ist es nicht (aufs Jahr gerechnet vielleicht 0,5 - 1 Stunde).

Lethargica
2015-11-03, 12:04:27
So habe ich das auch verstanden.

Klar, würde ich mit Ware handeln, hätte ich den Nachteil beim Einkauf, bei einer Dienstleistung sollte das aber doch egal sein, oder?

Zafi
2015-11-03, 12:22:39
Klar, würde ich mit Ware handeln, hätte ich den Nachteil beim Einkauf, bei einer Dienstleistung sollte das aber doch egal sein, oder?

Ganz genau.

mercutio
2015-11-03, 12:51:53
Ich arbeite auch nebenberuflich als Freiberufler und ich habe mich aber dafür entschieden, MWSt. auszuweisen.
Im ersten Jahr ist das etwas lästig, da man monatlich eine Vorsteuer-Anmeldung machen muss, bleibt die Umsatzsteuer aber unter einem gew. Grenzwert (ich glaube 6000 €), darf man ab dem 2. Jahr jährlich die USt.-Erklärung machen ohne monatliche VSt.-Anmeldung. Die monatl. VSt-Anmeldg. macht man mit Elster. Da habe ich ganz of 0,-€ anmelden müssen... Bei der Buchhaltung hilft Easy Cash & Tax.

Man muss übrigens beim Finanzamt keine Belege einreichen, muss sie aber natürlich aufbewahren, falls mal ein Prüfer kommt. Die USt.- und Lohnsteuer-Erklärung reicht völlig aus, ich mache das mit WISO. Kann mich grad nicht erinnern ob ich ein EÜR abgeben musste, wenn dann sagt mir das WISO. Bei meinen kleinen Beträgen lohnt sich kein Steuerberater.
Und ich glaube Freiberufler mit kleinen Umsätzen werden auch durchgewinkt, wenn es in der Steuererklärung plausibel aussieht. Wegen 2-3 Tausend zusätzlichen Euronen im Jahr schicken die doch keinen Prüfer, da haben die zu viel zu tun - glaube ich.

Argo Zero
2015-11-03, 13:20:54
Muss immer plausibel sein, dann fällst du auch durchs Raster.
Prüfer ist eher unwahrscheinlich, wenn dann sollst du Belege von Jahren XY nachreichen. Aber dann musst du schon eine seltsame Erklärung abgegeben haben oder hattest Pech.
Die USt-Meldung hättest du bei den Beträgen auch vierteljährig abgeben können (vorher mit FA absprechen). Aber jährlich ist natürlich noch besser, es sei denn du investiert mal in einem Monat und würdest vom Finanzamt Geld bekommen (Vorsteuerüberschuss).