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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Berufung finden


Timolol
2016-07-05, 23:00:59
Moin,

Wie gehe ich das am besten an? Ich bin was meine Hobbys angeht recht "Flatterhaft". Früher war viel mit Modellbau. Und ich bin da bekannt dafür einiges auf die Spitze zu treiben und bin dann auch Extrem Motiviert. Ich erreiche dann auch immer was ich möchte und suche mir dann mein nächstes Projekt.
Das war dann beispielsweise der bau eines Motorenprüfstandes um Resonanzanlagen bauen und Motoren überarbeiten zu können. Da war ich ne Zeit lang Feuer und Flamme dafür. Nun verstaubt das Gerät in der Ecke. Das hat prima funktioniert (und funktioniert noch immer) und war sehr von "Erfolg" gekrönt.

Nun reduziere ich gerade mein Modellbau Zeugs aufs mindeste.

Dann kam auch teilweise parallel dazu größere 2 Takter zu frisieren und Oldtimer Umzubauen und zu Restaurieren. Und auch da kann ich mich immer reinbeißen wie ein verrückter und mache so lange bis ich mein gestecktes Ziel erreiche.
Ich erinnere mich als mein Karren in der Einfahrt auf der Seite lag und ich 1/3 der Karosserie rausgeschnitten hatte. Das war dann auch so ein Projekt wo es Null Vernunft gab und ich glaub nen Jahr jeden Tag nach der Arbeit geflext, gedengelt und geschweißt habe bis zum umfallen.
So an die 6 Jahre habe ich dann daran rummgemacht :rolleyes: . Und jeden den ich kannte oder auch nicht war nicht überzeugt das der Gerät jemals wieder auf die Straße kommt. Der Gerät fahre ich aber nun fast täglich und das ist jedesmal toll. Und auch die Reaktionen sind Wahnsinn.
An der Gerät ist nun ein Sparschwein angebracht. Habe schon 30Cent verdient :biggrin: .

Jedenfalls dachte ich mir aufgrund dessen, das ist das was ich machen möchte und habe mir eine Halle angemietet und angefangen Nachkriegsmaschinen zu kaufen und zu Restaurieren. Einfach auch weils Finanziell richtig scheiße war und ich mich für die Technik begeistere.
Auch da dachte ich mir, cool. Sowas wie du macht eigentlich kaum einer. Nur nachdem du dann 1 Jahr lang Maschinen für die Werkstatt inkl. Hebebühne Restauriert hast, vergings einem auch. Die Werkstatt wurde super, dazu noch alles in einem Steam-Punk-Pop-Art Design.
Dann war der Gedanke die Werkstatt im kleinen Stiel als Do it Yourself Werkstatt zu "vermieten", hauptsächlich für Leute mit Oldtimern. Da hatte und hat aber der Vermiter ein Problem damit obwohl die Basis vorhanden wäre. Momentan kommen halt immer wieder mal Verwandte und Kumpels vorbei und geben was für die "Kaffeekasse". Aber dadurch bekommste vlt. gerade mal die Energiekosten gedeckelt und hast Effektiv nix davon weil die Leute Milchmädchenrechnungen aufstellen. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Der eine gibt dir 30€ für die Diagnose kaputte Batterie, der andere 10€ für nen halben Tag Bühne benutzen und Werkzeug zerstören.

Dann habe ich letztes Jahr, aus welchem Grund auch immer, angefangen Öllampen herzustellen. War plötzlich in meinem Kopf und ich war wieder "Feuer und Flamme". Da dachte ich mir, das ist cool. Bauste ein paar, gehste auf Künstlermärkte und verkaufst die. Nu hab ich in einem Jahr 5 Stück gebaut und benötige für eine zwischen 30 und 200 Arbeitsstunden, was sich dann schon wieder nicht rechnen lässt.
Gefallen hats dann wieder jedem. Und viele wollten sowas auch gerne haben. "Da bekommste ja locker 300€ für" oder ähnlich waren die Aussagen. Obwohl ich viel "Müll" verarbeite würde ich auch hier nichtmal annähernd die Kosten decken. Meist fehlt dann irgendwie nen "0" hinten dran.

Und dann gabs immer mal wieder so "Projekte". Du musst jetzt ein Drifttrike bauen. Oder, "ich will jetzt ein mini Mofa machen".

Aktuell ist wieder Gartenarbeit angesagt. Baue mir da gerade eine Sonnenfänger-Skulptur.
Hier muss ich sagen besteht ein gewisser Unterschied zu anderen Projekten. Es ist sehr ausgewogen. Die Arbeit in der Werkstatt geht mit der Arbeit im Garten recht Konform.
Sowas hatte ich mal 3 Monate als ich im "Versuch" gearbeitet habe. Gartengeräte im Wald und auf der Wiese testen. Das war in der Wirtschaftskrise und ich habe mich freiwillig in die Abteilung versetzen lassen. Beste Zeit in der Firma. Körperlich war das teilweise recht unzumutbar, hattest 7h schweres Gerät im Einsatz bis du halbtot umgefallen bist. Aber es hat einen zufrieden gemacht. Auch wenn die arbeiten mitunter hirnlos und schwachsinnig waren (ja das war etwas doof, man hat einfach unnötige Dinge gemacht). Probleme konnten dann in Rücksprache mit der Entwicklung gehalten werden. Fand ich gut, auch wenn vieles eigentlich nicht zumutbar war.

Nu isses so das ich seit Jahren in der Produktion bin und jedesmal das Gefühl habe meine Hirnzellen an der Pforte abzugeben. Jeden Tag machste das selbe und eigentlich trotzdem nicht viel. Trotzdem kommst du völlig gerädert nach Hause und fällst nur noch ins Bett um am nächsten Tag das selbe zu machen.
Deswegen bin ich seit 1 Jahr in 66% teilzeit. Das Wohlbefinden hat sich deutlich verbessert und so gesehen gehts mir außerhalb der arbeit meist recht gut. Jedoch ist es finanziell grenzwertig.
Dachte das ich durch die finanzielle Einschränkung ideen Entwickle finanziell besser dastehen zu können. Das ist aber nicht der Fall.

Immer heist es "mach was dir Spaß macht und du musst nie wieder arbeiten". Ja stimmt, in der Tat gib es hier Möglichkeiten welche auch in meine Ethischen und moralischen Vorstellungen passen. Nur bewegst du dich dann im nicht mehr legalen Bereich.
Dann gibt es diverse andere Sachen welche mir Spaß machen UND Legal sind aber man keinen Cent dran verdienen würde.


Jedenfalls was ich sagen will. Ich bin fast 30 und mich kotzt meine Situation an und weis nicht was ich tun soll.

Morale
2016-07-05, 23:13:21
Kenn ich ganz gut. Bin 30
Mittlerweile hab ich Familie, daher wenig Zeit und auch wirklich so einen Job der viel Spaß macht. Vorher bin ich in der Regel pünktlich gegangen, heute mach ich Überstunden oder arbeite auch mal extra am Wochenende. Gut das kommt alles aufs Gleitzeit Konto. Aber deswegen mache ich das nicht sondern weil mich die Arbeit interessiert

Timolol
2016-07-05, 23:29:03
Hab hier auch Kollegen die nur extra Schichten fahren um etwas mehr Kohle zu haben.
Das mache ich ja gar nicht mehr.
Mir würds da auch schwer fallen eine Familie zu gründen. Einmal auf der sozialen und zum anderen auf finanzieller Ebene.
So gesehen kann ich schon gut mit Kindern. Babysitte immer mal wieder die Nachbarskinder und mache jeden scheiß mit denen. In der Realität sind das dann wieder zusätzliche unkosten welche ich zu tragen habe.
So ist es leider mit allem, irgendwie zahle ich immer drauf und es kommt nur ganz selten was zurück.

Korfox
2016-07-06, 07:39:10
Dass man mit Kindern gut kann heißt noch lange nicht, dass man mit den eigenen Kindern gut kann ;).
Ich denke, den meisten Menschen geht es wie dir - und sie verbringen ihr Leben auf der Suche nach ihrer Berufung, ohne dies zu wissen.
Die Fragen sind dann irgendwo:
- Habe ich überhaupt eine Berufung?
- Liegt meine Berufung in dem Feld, in dem ich suche?

Ich hatte einen Studien-Komm. (Informatik), der hat nach drei vergeblichen Studierversuchen umgesattelt und ist mit 28 Altenpfleger geworden und ging super darin auf.
Vielleicht liegt deine Berufung auch nicht im handwerklichen. Dass du dir Gedanken machst, wie du deine Berufung finden kannst zeigt ja auch, dass du stark reflektierst und den Kopf benutzt...

Sehr komplexes Thema.

Ich habe btw. mehrere Berufungen:
Ich liebe meine Arbeit (obwohl ich einen M.Sc. in Informatik habe habe ich mich komplett ins Programmieren zurückgezogen... etwas Architektur, aber nichts hochtrabendes).
Ich liebe meine Familie (unglaublich, wie sehr man einzelne Menschen lieben kann, obwohl- oder gerade weil - man sozial sehr schwach ist...).
Ich bin aktiv im Katastrophenschutz (da fällt mir kein Klammersatz zu ein).

und gerade beginne ich (mal wieder) die Fotografie zu entdecken, aber das würde ich, glaubeich, eher als teures Hobby bezeichnen.

Oid
2016-07-06, 08:21:50
Warum suchst du dir nicht einen anderen Job? Ich kenne niemanden, der eine berufliche Umorientierung bereut hat. Es muss ja nicht was komplett anderes sein, einfach mal etwas anderes. Diese Wechsel in der "Test-Abteilung" hatte dir ja auch schon gut getan. Mit deinen Fähigkeiten und Interessen sollte sich da doch was finden lassen.

Haste dir auch mal überlegt vielleicht ein Studium zu beginnen? Du bist noch keine 30 und hast keine familiären Verpflichtungen, wenn ich das richtig verstanden habe. Vorwarnung: Im Studium macht man auch viele schwachsinnige Sachen :D

Rooter
2016-07-06, 14:20:16
Würde dir ja vorschlagen, dich in so einem Restaurationsgewerbe selbstständig zu machen aber dem könnte deine selbst genannte Flatterhaftigkeit im Wege stehen.

Offtopic:
Die Werkstatt wurde super, dazu noch alles in einem Steam-Punk-Pop-Art Design.Pics please! =)

MfG
Rooter

mercutio
2016-07-06, 15:04:02
Tja, wie man seine Berufung findet, weiß ich als alter Sack mit nächstes Jahr 40 immer noch nicht.

Wenn man das schafft, dass Beruf = Berufung ist, ist das wie ein 6er im Lotto.

derpinguin
2016-07-06, 16:43:38
Wenn man das schafft, dass Beruf = Berufung ist, ist das wie ein 6er im Lotto.
Dann gibts - mich eingeschlossen - viele Sechser in meinem Umfeld.

Döner-Ente
2016-07-06, 16:49:39
Würde dir ja vorschlagen, dich in so einem Restaurationsgewerbe selbstständig zu machen

Nicht mit der bei Aussteigern aus der 8-16-Uhr-Tretmühle beliebten Selbständigkeit im Restaurantgewerbe verwechseln, sonst landet man zum Schluß noch bei bei einem Herrn Rach im Fernsehen :wink:.

OT:
Mit dem, was man ohnehin am liebsten im Leben macht, zufällig noch locker seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, ist so ein so seltener Luxus, dass man zwar sehr froh sein kann, wenn´s einen zufällig trifft, dem man aber nicht sein Leben lang hinterherlaufen sollte, weil man dann mit allem "Geringeren" unzufrieden sein wird.

Auf der anderen Seite sollte sich niemand dauerhaft mit einer Tretmühle, die er abgrundtief hasst, abfinden, dafür verbringt man nun doch zu viel Lebenszeit mit der Arbeit.
--> Kompromiß: Arbeit ist erstmal zum Geld verdienen da, muss man aber viele Jahre lang machen, sollte also schon irgendwo zwischen "auch auf Dauer erträglich" und "macht meistens eher Spass als Frust" liegen.

Timolol
2016-07-06, 20:06:25
Na das Handwerkliche ist schon mein Ding. Ich weis mittlerweile, das ich komplexe Elektrik und Elektronik nicht mag. Elektrische und elektronische Basteleien ja aber ist einfach nicht mein bevorzugtes Gebiet. Diverse Mechanische Feinheiten begeistern mich schon. Dann splitten sich die Interessen aber wieder auf.
Den ganzen Tag im letzten Loch Schweißraupen ziehen mach ich vlt. ne Woche oder 2 dann krieg ich den Wahn. und so ist es mit allem.
Und in den meisten Berufen hast du sich widerholende Tätigkeiten.

Wenn ich jetzt in eine anderes Berufsweld, meinetwegen Landschafts und Gartenbau gehe, arbeite ich das doppelte um etwas das selbe zu haben wie jetzt. Das bedeutet dann keine Zeit mehr für Hobbies. Und das macht mich dann auch wieder unglücklich.
Mit der Werkstatt Nebenberuflich und später vlt. Selbständig zu machen hat schon einen Reiz, weil man Nebenbei im grunde genommen Narrenfreiheit hat.
Allgemeine Restaurationen, ja sicher auch schon gedacht. Zahlt das einer? Will das einer? Schwierig. Wenn ja wie angehen? Ich habe keine Ahnung.

Timolol
2016-07-06, 20:11:23
Dokumentiere immer mal wieder. Deswegen gibts auch Bilder.

Timolol
2016-07-06, 20:22:21
Blub

minos5000
2016-07-06, 20:25:31
Wäre eine Firma für Oldtimerrestauration o.Ä. dann nichts für dich? Der Markt dafür ist denke ich da.

mercutio
2016-07-08, 09:30:39
(...) Mit dem, was man ohnehin am liebsten im Leben macht, zufällig noch locker seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, ist so ein so seltener Luxus, dass man zwar sehr froh sein kann, wenn´s einen zufällig trifft, dem man aber nicht sein Leben lang hinterherlaufen sollte, weil man dann mit allem "Geringeren" unzufrieden sein wird.

(...) Kompromiß: Arbeit ist erstmal zum Geld verdienen da, muss man aber viele Jahre lang machen, sollte also schon irgendwo zwischen "auch auf Dauer erträglich" und "macht meistens eher Spass als Frust" liegen.

Tja bei mir schwankt es zwischen "ist eigentlich ganz okay" über "warum mache ich das" bis "wie soll ich das die nächsten 30 Jahre noch aushalten"...
Und das ist ja die Aussicht: Die nächsten 30 Jahre ohne Highlights oder berufliche Erfolge (gab es bis jetzt auch keine nennenswerten - zum Glück aber auch keine Misserfolge) "ertragen".
Es plätschert einfach so langweilig dahin.
Und man wird dabei alt, es kommen jüngere die alles schneller und besser können und schwupps wird man entlassen. Und dann H4 bis man dereinst in die Grube fährt... :uup:
Das frustet dann schon.

@TE: Kann es sein, dass Du ein Sensation Seeker bist? (https://de.wikipedia.org/wiki/Sensation_Seeking) Sowas vermute ich bei mir auch. Manche Leute können 30 Jahre lang das Gleiche machen und es stört sie nicht, ich drehe bei dem Gedanken aber fast durch.
Im Urlaub sah ich ein Autohaus für Oldtimer. Fertig restaurierte Prachtstücke. Die hatten sich auf MB 230 SL Roadster spezialisiert, aber auch andere Modelle verfügbar. In diesem Luxus-Bereich funktioniert das schon, glaube ich.
Und in der Glotze läuft grad ne Sendung, in der Nerds Oldtimer-Kriegsgerät kaufen und restaurieren. Gibt wohl nicht viele Werkstätten in Europa, die WW2-Dieselmotoren o.Ä. zum Laufen bringen können. Kann man wohl an 1 Hand abzählen - vielleicht wäre das ja was für Dich? In der Sendung wird es so dargestellt, als ob das gerade sehr im Trend ist, WW2 Kriegsmaschinen zu sammeln.

btw. ein rosa Motor? Ist das nicht ein wenig puffy..?

Timolol
2016-07-08, 19:00:16
Da bin ich wohl ähnlich gestrickt wie du. Hatte das in Vollzeit. Jeden Tag das selbe. Wobei es schon abwechslung gibt, aber halt extrem im Rahmen.
Dann hatte ich immer wieder so Momente wo ich mir mein Leben durchgespielt habe mit der Tretmühle und mich hats geschüttelt, habe Hass, Panik und was weis ich noch geschoben. War dann irgenwie so ein Panisches Todesgefühl wenn mans nicht geschissen bekommt. Habe mir dann immer mal wieder übelst die Kante gegeben. Dazu kam dann noch der 3 Schicht betrieb welcher einen regelmäßig in harte depressionen katapultiert hat.
Aber das alles funktioniert nun in Teilzeit. Jetzt hab ich nur noch zu wenig Geld und einen langweiligen Job mit seltsamen Kollegen.

Ich weis auch nicht obs Oldtimer restaurieren ist. Bekomme demnächst ne DKW für Teilrestauration. Aber sich da erstmal was aufbauen in nem Nischensegment. Schwierig. Luxuskarossen ja. Aber das reizt mich dann wieder nicht. Klar wärs besser, aber ich bin kein KFZler. Und wenn dann wäre eher selbständigkeit was für mich, einfach weil man freier ist.

Letzten Monat habe ich an ner Skulptur fürn Garten gearbeitet. Hatte keinen Bock mehr auf KFZ schrauben und musste was anderes machen.
Ich weis nur nicht was genau der nächste Sinnvolle Schritt ist.
Handwerklich hab ich ja schon ne Richtung. Mich reizt aber auch das Botanische. Irgendwie muss man alles vereinen können.