PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychotherapie | Hat es euch was gebracht?


Gast_abgemeldet
2017-02-28, 11:17:07
Die Zeit hat zur Abwechslung mal wieder was Gutes:
Was macht eine gute Psychotherapie aus? Wem hilft welches Verfahren? Und was genau geschieht dabei eigentlich in einem Menschen?

Ein Randproblem? Ein Minderheitenphänomen? Gewiss nicht. Wer heute zum Therapeuten geht, ist damit in bester Gesellschaft und kann ruhigen Herzens den Blick schweifen lassen, auf der Straße, im Restaurant, in der Oper, im Bus: Jede zweite Frau, jeden dritten Mann trifft es einmal im Leben – ihre Seele wird krank. Mal vorübergehend, mal wiederkehrend, mal chronisch. Sie erleben Angstzustände, Traurigkeit bis hin zu völliger Lähmung, Zwangsgedanken, Schmerzen und vernichtenden Selbsthass. Und ihr Elend ist ihnen nur selten anzusehen. ...

Quelle: http://www.zeit.de/2016/46/psychotherapie-psychologie-therapeuten-patienten-methoden


Wer von euch hatte Psychotherapie und wie beurteilt ihr diese im Nachhinein? Welche Form der Psychotherapie habt ihr absolviert? Hat es euch was gebracht? Würdet ihr euch nochmal darauf einlassen? Habt ihr parallel zur Psychotherapie auch Medikamente eingenommen?

Bringen Langzeittherapien überhaupt etwas? Ein Kollege von mir hat 10 Jahre Langzeittherapie (analytisch & tiefenpsychologisch) hinter sich, sein Zustand hat sich nicht verbessert, sondern verschlechtert und er ist irgendwie komischer geworden. Ich habe regelrecht das Gefühl, dass er sich in eine Abhängigkeit zu seinen Therapeuten begeben hat.

Wie sind eure Erfahrungen?

mdf/markus
2017-02-28, 13:38:46
Ich kann nur von meiner Supervision erzählen, die ich berufsbedingt alle 2 Wochen besuche.
Strenggenommen hat die zwar nicht 100%ig therapeutischen Charakter, da mein Supervisor allerdings gleichzeitig PT ist und das Konzept nicht so eng sieht, will ich mal ganz frech den Vergleich ziehen.

Kurzum - ich brauch das. Oftmals weiß ich im vorhinein gar nicht, wie "notwendig das mal wieder war". Ich gehe auch manchmal hin & habe mir selbst noch keinen konreten Inhalt für die Einheit überlegt. Dennoch gibt es meinerseits (vor allem berufsbedingt) immer wieder Problemfelder, die in geregelten Abständen ihren Platz brauchen, um auch auf den Tisch gelegt werden zu können.
Nicht selten ist es vor allem ein Abladen und Einordnen von Emotionen, teilweise auch ohne besonders zielgerichtet an Lösungsansätzen zu arbeiten. Wenn letzteres im Dialog dennoch eintrifft, ist das natürlich eine nette Begleiterscheinung.

Das Konzept steht und fällt aus meiner Sicht vor allem mit der Kontinuität, der eigenen Bereitschaft und der Vertrauensbasis zum Therapeuten.


Was therapeutische Ansätze betrifft, bin ich eher Fan des systemischen Zugangs, weil er für mich ganzheitlicher denkt. Mit vielen Diagnosen/Problemfeldern macht der analytische Zugang jedoch, soweit ich weiß, mehr Sinn.

greeny
2017-02-28, 15:00:21
Hab 2 Therapien hinter mir... Eine im Rahmen einer Tagesklinik, eine "normale"... Gebracht hat es mir nichts. Die Suche nach ner 3. Therapie bildete dann für mich den Schlusspunkt. Zum Einen die unendlichen Wartezeiten (praktisch nichts unter 6 Monaten). Zum Anderen die Suche nach nem "passenden" Gegenüber an sich. Hatte dann endlich eine gefunden, von der ich dachte, dass ich mit der klarkommen würde... Dann meinte die im Erstgespräch, dass sie in meinem Fall keine Chance auf Besserung sieht, weil ich einfach schon zu lange (seit Kindheit) in meinen Depressionen drinstecke...
Trotz keiner Erfolgsaussichten würde sie es aber, wenn ich es denn trotzdem wollen würde, mit mir versuchen.. (Kasse zahlt ja, Erfolg hin oder her).
Äh, nee...

Gast
2017-02-28, 15:13:17
Hab 2 Therapien hinter mir... Eine im Rahmen einer Tagesklinik, eine "normale"... Gebracht hat es mir nichts. Die Suche nach ner 3. Therapie bildete dann für mich den Schlusspunkt. Zum Einen die unendlichen Wartezeiten (praktisch nichts unter 6 Monaten). Zum Anderen die Suche nach nem "passenden" Gegenüber an sich. Hatte dann endlich eine gefunden, von der ich dachte, dass ich mit der klarkommen würde... Dann meinte die im Erstgespräch, dass sie in meinem Fall keine Chance auf Besserung sieht, weil ich einfach schon zu lange (seit Kindheit) in meinen Depressionen drinstecke...
Trotz keiner Erfolgsaussichten würde sie es aber, wenn ich es denn trotzdem wollen würde, mit mir versuchen.. (Kasse zahlt ja, Erfolg hin oder her).
Äh, nee...
Hat bei dir Medikation besser angeschlagen?
(Sport etc.?)

pest
2017-02-28, 15:42:00
Hätte gern einmal die Woche "Therapie" ...ich glaube jeder braucht das, damit wir unsere Umgebung nicht emotional vollmüllen und lieb zueinander sind

hatte schon Einige, hab die alle zugequatscht :freak: - klar ging es mir dann besser

doublehead
2017-02-28, 16:01:58
Ich hatte anderthalb Jahre eine Gesprächstherapie, einmal die Woche. Medikamente habe ich keine genommen. Es hat mir sehr viel gebracht, mir geht es seither deutlich besser. Ich hatte aber auch wirklich Glück mit meiner Therapeutin, eine sehr kompetente Person.

Gast
2017-02-28, 16:07:40
Hätte gern einmal die Woche "Therapie" ...ich glaube jeder braucht das, damit wir unsere Umgebung nicht emotional vollmüllen und lieb zueinander sind

hatte schon Einige, hab die alle zugequatscht :freak: - klar ging es mir dann besser
Wäre eine Selbsthilfegruppe nicht genauso wirksam?
Die kannst Du auch vollquatschen ;)

PHuV
2017-02-28, 16:30:21
Im Rahmen meiner Ausbildung habe ich mich freiwillig auf die andere Seite begeben, und es war gut und richtig so. Mir hats viel gebracht, einerseits als Lerneffekt, wie geht man als PT ran, wie führt man so ein Gespräch. Nicht so lustig, all die Dinge, die man dann vorher im Unterricht so besprochen hatte, dann 1:1 bei sich selbst zu erleben. :freak:

Da das in der Phase war, wo ich dann auch geheiratet hatte und plötzlich Verantwortung für 2 Kinder hatte, hat mir das doch enorm viel gebraucht, die Dinge in meiner Kindheit zu vermeiden, die mir so gar nicht gut taten.

Ich hab die Therapie bei einem der Ausbilder gemacht, ging eher in die Richtung Gesprächstherapie.

Simon Moon
2017-02-28, 16:51:20
Im Rahmen meiner Ausbildung habe ich mich freiwillig auf die andere Seite begeben, und es war gut und richtig so. Mir hats viel gebracht, einerseits als Lerneffekt, wie geht man als PT ran, wie führt man so ein Gespräch. Nicht so lustig, all die Dinge, die man dann vorher im Unterricht so besprochen hatte, dann 1:1 bei sich selbst zu erleben. :freak:


Das ist einerseits das Problem und der Fluch der Psychotherapeuten zugleich: Begibst du dich nur 1:1 auf die Bahn, welche dir gelehrt wurde oder riskierst du mehr und trägst dabei die Verantwortung wenns "scheitert"? Bei ersterem kannst du dir sicher sein, dass auch jeder 2. Patient kapiert, ob du nur eine erlernte Methode anwendest oder wirklich ein Kontakt besteht. Und wenn er kapiert, dass das nur "Methoden" sind, hast du schon das Vertrauen verloren.

Da klappt es dann vielleicht eher, sich wieder zu finden, wenn man sich hier unter Gleichen begegnen kann - aber eben, damit verlässt man schon das Territorium des Erlernten und übernimmt persönliches Risiko. Imo Pest oder Cholera... wobeis halt gerade in dem Bereich auch viele Assis gibt, denen das Schicksal ihrer Klientel so egal ist wie dem AstoTV seinen Anrufern.

Hätte gern einmal die Woche "Therapie" ...ich glaube jeder braucht das, damit wir unsere Umgebung nicht emotional vollmüllen und lieb zueinander sind


Ist nicht dafür eigentlich Freundschaft da? Damit man sich auch mal zumüllen kann... oder ist das dann gleich kaputt, wenn man mal den Glanz an seinem Karren nicht poliert hat?

greeny
2017-02-28, 17:15:23
Hat bei dir Medikation besser angeschlagen?
(Sport etc.?)
Durchschlagend, @Medis, allerdings nur bei den Nebenwirkungen :-/ Keine Ahnung, wie viele ADs ich inzw durch hab... Wurden letztlich alle wieder abgesetzt, wegen Nichtwirkung oder echt massiver Nebenwirkungen...
Sport bringt meiner Psyche leider auch nichts mehr. War mal anders. Fühlte mich danach ausgepowert, aber gut... Inzw nur noch ausgepowert...

Gast
2017-02-28, 18:21:01
Durchschlagend, @Medis, allerdings nur bei den Nebenwirkungen :-/ Keine Ahnung, wie viele ADs ich inzw durch hab... Wurden letztlich alle wieder abgesetzt, wegen Nichtwirkung oder echt massiver Nebenwirkungen...
Sport bringt meiner Psyche leider auch nichts mehr. War mal anders. Fühlte mich danach ausgepowert, aber gut... Inzw nur noch ausgepowert...

Hast du es mit Hochdosierung von Vitamin D3 versucht? Alternativ Lithiumtherapie?

Gast
2017-03-01, 20:52:18
Ich habe eine zweijährige Therapie mit wöchentlichen Gesprächssitzungen hinter mir, die mir sehr geholfen hat, um mich selber besser zu verstehen und zu akzeptieren. Ich habe keine Medikamente bekommen und die Diagnose lautete auch "nur" depressive Phase.
Mit 3 Jahren Abstand war die Enscheidung zur Therapie absolut richtig, ich habe es allerdings auch bei der Wahl des Therapeuten gut getroffen, da ich ihm vertraut habe und deshalb keine Probleme hatte mich zu öffnen.

greeny
2017-03-04, 11:27:58
Hast du es mit Hochdosierung von Vitamin D3 versucht? Alternativ Lithiumtherapie?
D3 ja, Lithium nein...

Deathcrush
2017-03-04, 19:28:13
2 x Verhaltenstherapie mit Medikamente (Paroxetin)

Mir haben die Therapien gut getan, auch wenn es oft sehr schwer war und ich das eine oder andere mal fast den Therapeuten an die Gurgel gesprungen wäre ^^ Ich bin aber der Meinung, das eine Therapie nur dann was bringt, wenn man sich auch zu 100% darauf einlässt und man nicht so einen Kuscheltherapeuten erwischt. Meiner war knüppelhart (aus der damaligen kranken Sicht) Aber das soll wohl so bei einer Schematherapie sein. Behandelt wurde bei mir eine Borderlinestörung. Ich würde jetzt nicht behaupten das ich geheilt bin, kann aber mein impulsives Verhalten sehr viel besser steuern ;)

Gangus
2017-03-04, 19:58:38
Mir hat nix geholfen, außer stabiles Umfeld. Job, Family, Wohnung wieder alles in relativer Ordnung und schon gehts mir deutlich besser und komme sogar wieder mit größeren Problemen alleine klar.

Ohne stabiles Umfeld im Anschluss an eine Therapie kannst du praktisch alle Therapien vergessen. Und wenn es heißt, den Wohnort, den Job und die Family zu wechseln...

PHuV
2017-03-05, 01:54:17
Das ist einerseits das Problem und der Fluch der Psychotherapeuten zugleich: Begibst du dich nur 1:1 auf die Bahn, welche dir gelehrt wurde oder riskierst du mehr und trägst dabei die Verantwortung wenns "scheitert"? Bei ersterem kannst du dir sicher sein, dass auch jeder 2. Patient kapiert, ob du nur eine erlernte Methode anwendest oder wirklich ein Kontakt besteht. Und wenn er kapiert, dass das nur "Methoden" sind, hast du schon das Vertrauen verloren.
Warum? Da denkst Du IMHO zuviel und falsch nach.

Da klappt es dann vielleicht eher, sich wieder zu finden, wenn man sich hier unter Gleichen begegnen kann - aber eben, damit verlässt man schon das Territorium des Erlernten und übernimmt persönliches Risiko.
Was soll das mit den "unter Gleichen"? Bist Du das bei den Ärzten, in der KFZ-Werkstatt oder in der Behörde? Es spielt doch keine Rolle, wenn die Methode funktioniert. Willst Du ein guter Freund Deines Arztes sein, wenn Du nur das Anitbiotika brauchst? :confused:

Ist nicht dafür eigentlich Freundschaft da? Damit man sich auch mal zumüllen kann... oder ist das dann gleich kaputt, wenn man mal den Glanz an seinem Karren nicht poliert hat?
In meinen Augen nein, solche Freunde würde ich sofort loswerden. Mal für jemanden da sein, Stütze sein, ja, sicher, vielleicht auch helfen, was immer das sein mag oder was jeder wieder anderes darunter verstehen will. Seinen Müll soll jeder schon behalten und selbst entsorgen oder bearbeiten.

Simon Moon
2017-03-05, 09:01:29
Was soll das mit den "unter Gleichen"? Bist Du das bei den Ärzten, in der KFZ-Werkstatt oder in der Behörde? Es spielt doch keine Rolle, wenn die Methode funktioniert. Willst Du ein guter Freund Deines Arztes sein, wenn Du nur das Anitbiotika brauchst? :confused:

Das lässt sich doch nicht vergleichen mit einem Auto oder Antibiotika.


In meinen Augen nein, solche Freunde würde ich sofort loswerden. Mal für jemanden da sein, Stütze sein, ja, sicher, vielleicht auch helfen, was immer das sein mag oder was jeder wieder anderes darunter verstehen will. Seinen Müll soll jeder schon behalten und selbst entsorgen oder bearbeiten.

Darum schrieb ich "auch mal" und nicht "ständig". Zumal ich eben nicht der Ansicht bin, dass "jeder eine Psychotherapie braucht, damit alle lieb miteinander sind".

Dicker Igel
2017-03-05, 10:55:27
Zumal ich eben nicht der Ansicht bin, dass "jeder eine Psychotherapie braucht, damit alle lieb miteinander sind".
Jupp, dito.

PHuV
2017-03-05, 11:02:24
Das lässt sich doch nicht vergleichen mit einem Auto oder Antibiotika.
Warum nicht? :confused: Dann eben Prostituierte? Willst Du dann auch, daß sie Dich liebt, wenn Du gerade ihre Dienste in Anspruch nimmst?

Es geht - wenn überhaupt - um Vertrauen, und selbst das ist manchmal nicht notwendig. Der Mensch hat ein Problem, und Du bietest als Berater lediglich mal eine andere Perspektive an, oder eben Techniken, um zu verstehen, was da los ist. Mehr als ein Vertrauen auf die Schweigepflicht braucht es nicht. Daher kann ich Deinen Punkt hier nicht nachvollziehen, finde ihn eher sogar wirr. Der geschulte Berater ist eben ausgebildet, und weiß normalerweise, was er tun und fragen muß, um beim Fragenden etwas zu bewegen. Das Gleich-auf-gleich ist eben nur auf die Begegnung Mensch-zu-Mensch zu sehen, ich höre Dir zu und ich nehme Dich wahr. Dies steht meiner Meinung nach doch überhaupt nicht im Widerspruch, daß sich einer mehr ausgekennt und entsprechende Techniken weiß. Ein Laie von gleich-zu-gleich weiß es eben nicht.

Schau Dir doch mal an, was Versicherungsvertreter und gute Verkäufer machen, die spielen Dir ja auch vor, ein guter "Freund" zu sein, der verständnisvolle Mensch, der aber an Dir selbst gar nicht interessiert ist, sondern nur sein Zeug verkaufen will. Die Techniken funktionieren, egal ob verbunden und aufrichtig oder nicht. Das kann auch für gewisse Menschen sehr hilfreich sein, daß es eben alles auf Methoden und Techniken beruht, wenn sie den innerlichen "Abstand" wahren wollen.

Ich wollte doch gar nicht, daß mir mein Therapeut ein guter Freund ist, geschweige den mich 100% verstehen, mich annimmt, das war mir zu jedem Zeitpunkt ziemlich egal. Mir war wichtig, daß er mich kompetent an meine versteckten und verborgenen Punkte führt, und das ich verstehe, wie er das macht. Also ich würde jederzeit eher dem Techniker und Methodiker vertrauen, der seine Sache sicher beherrscht, als das mir jemand in dem Maße seine Empathie und Mitgefühl entgegenbringt, so daß seine Trauer die Analyse behindert. Es ist nun mal so, einer muß dabei den kühlen Kopf bewahren, gerade wenn es emotional wird. Meine Feststellung war, daß eine gewisse Empathie, Mitgefühl und Mitleid nichts bringen, wenn keine Lösung da ist. Da fühlt man sich vielleicht für einen Moment stabilisiert, weil man etwas abladen konnte, aber mehr eben nicht. Das habe ich ja jahrelang auch vergeblich probiert, sogar mit religiöser Unterstützung.

Wenn man eben seinen Müll dann nicht aufarbeiten kann, und an dem Grundproblem nicht arbeitet, dann ist der Jammermoment schnell wieder am nächsten Tag da. Die Perspektive ist die gleiche, das Verhalten und die bisherigen Lösungsansätze ebenso.

Das ist jetzt aber auch nur mal so prinzipiell und pauschal ohne feste Grenzen. Je nach Typ kann auch eben etwas anderes funktionieren, eben auch das, was Du sagst, man muß zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Auslöser finden, und das dauert eben, man muß eben probieren, Zeit investieren, testen usw. Es muß auch nicht jeder Therapeut gleich gut bei einem ankommen, dann muß man eben solange wechseln, bis es eben paßt, sei es vom Menschen und von der Methodik. Bei mir sind auch schon Menschen aufgetaucht, wo es einfach nicht paßte. Ist doch nicht schlimm.

Darum schrieb ich "auch mal" und nicht "ständig". Zumal ich eben nicht der Ansicht bin, dass "jeder eine Psychotherapie braucht, damit alle lieb miteinander sind".
Bin ich bei Dir. Und lieb zueinander sein ist auch nicht die Lösung, wenn im Hintergrund versteckte Konflikte sind, die dann nicht ausgetragen werden.

Dicker Igel
2017-03-05, 11:11:13
Es geht - wenn überhaupt - um Vertrauen, und selbst das ist manchmal nicht notwendig.
Das Vertrauen könnte man doch auch untergliedern: Man vertraut der fachlichen Kompetenz und man hat Vertrauen auf einer gewissen Gefühlsebene(diese gewisse Wärme). Kann mir vorstellen dass gerade letzteres für die Betroffenen enorm wichtig ist.

Rockhount
2017-03-05, 14:21:55
Ich bin am Ende einer knapp zweijährigen Psychotherapie (Verhaltenstherapie).

Was mir etwas seltsam vorkommt bei der eingehenden Fragestellung:
Ein Außenstehender stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit einer Therapie, weil ein Kollege 'komischer geworden' ist.

Der Erfolg einer Therapie misst sich imo in erster Linie subjektiv aus Sicht des Betroffenen, insofern ist die Frage hier schon ok.

Ich bin mit depressiven Schüben in die Therapie gegangen, zum Teil aufgrund meines damals starken Übergewichts, zum Teil durch die Heranwachsenphase zum Erwachsenen (Elternhaus, Jugend etc). Ziel der Therapie war es, ein autonomes Ich zu entwickeln, Selbstvertrauen und Selbstfürsorge zu erlernen und generelle Verhaltensweisen (Kommunikationsregeln etc.) im sozialen Miteinander zu erlernen, um ein freierer Mensch zu werden und zwangfreier zu leben.

Die Therapie hat mir bislang sehr geholfen, wenngleich natürlich nicht 100% der Probleme gelöst und behoben sind. Problem ist halt, dass wie in Schule und Uni die besprochenen Dinge immer sehr logisch und nachvollziehbar sind, bis man dann mit der Realität konfrontiert wird.
Beim Umsetzen der Hilfestellungen ist man so oder so auf sich gestellt, daher erfordert eine erfolgreiche Therapie imo auch immer einen entsprechend gewillten und motivierten Patienten.

Unterm Strich lebe ich heute ein besseres Leben, achte deutlichst mehr auf mich und habe gelernt, mit mir und meinen Schwächen nachsichtiger umzugehen.

Gast
2017-03-05, 20:55:53
Ich bin mit depressiven Schüben in die Therapie gegangen, zum Teil aufgrund meines damals starken Übergewichts, zum Teil durch die Heranwachsenphase zum Erwachsenen (Elternhaus, Jugend etc). Ziel der Therapie war es, ein autonomes Ich zu entwickeln, Selbstvertrauen und Selbstfürsorge zu erlernen und generelle Verhaltensweisen (Kommunikationsregeln etc.) im sozialen Miteinander zu erlernen, um ein freierer Mensch zu werden und zwangfreier zu leben.

Die Therapie hat mir bislang sehr geholfen, wenngleich natürlich nicht 100% der Probleme gelöst und behoben sind. Problem ist halt, dass wie in Schule und Uni die besprochenen Dinge immer sehr logisch und nachvollziehbar sind, bis man dann mit der Realität konfrontiert wird.
Beim Umsetzen der Hilfestellungen ist man so oder so auf sich gestellt, daher erfordert eine erfolgreiche Therapie imo auch immer einen entsprechend gewillten und motivierten Patienten.

Unterm Strich lebe ich heute ein besseres Leben, achte deutlichst mehr auf mich und habe gelernt, mit mir und meinen Schwächen nachsichtiger umzugehen.
Welche Form der Therapie hast Du absolviert?
Ist medikamentös nachgeholfen worden?

Rockhount
2017-03-06, 19:19:48
Weiss nicht genau was Du bzgl Form meinst. War eine gesprächsbasierte Verhaltenstherapie ohne Medikamente

Monger
2017-03-08, 09:45:42
Ca. 2 Jahre systemische Therapie, nur Heilpraktiker, keine Medikation.

Aber ja, hat eine Menge gebracht. Angstzustände sind nicht wieder gekommen.


Bringen Langzeittherapien überhaupt etwas? Ein Kollege von mir hat 10 Jahre Langzeittherapie (analytisch & tiefenpsychologisch) hinter sich, sein Zustand hat sich nicht verbessert, sondern verschlechtert und er ist irgendwie komischer geworden. Ich habe regelrecht das Gefühl, dass er sich in eine Abhängigkeit zu seinen Therapeuten begeben hat.

Wie sind eure Erfahrungen?
Wenn du nicht Teil der Lösung bist, wirst du zum Teil des Problems.

Ich fand meine zwei Jahre schon etwas zu lang, normalerweise sollte man spätestens nach 10 Sitzungen zumindest ansatzweise Ergebnisse sehen. Wenn nicht, sollte eigentlich der Therapeut bereits eigenständig den Therapievertrag überprüfen.
Wenn das 10 Jahre so läuft, weckt das in mir Zweifel am Therapeuten...

bleipumpe
2017-03-08, 10:42:34
Es gibt auch Situationen und Fälle, da kann man einfach nicht helfen und ist zum Scheitern verdammt. Wenn psychische Probleme schon im Kindes- und Jugendalter beginnt, wird man bei Persistenz im fortgeschrittenen Lebensalter nicht mehr viel bewegen können. Hier kann man Stabilität schon als Fortschritt bezeichnen.

PHuV
2017-03-08, 12:18:53
Ich fand meine zwei Jahre schon etwas zu lang, normalerweise sollte man spätestens nach 10 Sitzungen zumindest ansatzweise Ergebnisse sehen. Wenn nicht, sollte eigentlich der Therapeut bereits eigenständig den Therapievertrag überprüfen.
Wenn das 10 Jahre so läuft, weckt das in mir Zweifel am Therapeuten...
10 Sitzungen ist nur was für Leute, die entsprechend aktiv dann auch alles umsetzen, das können leider viele so nicht.

Ich habe so einen tragischen Bekannten, seit 20 (!) Jahren auf dem Selbstfindungstripp, immer noch mehr in sich reinschauen wollen. Er kapiert ums Verrecken nicht, daß man eben auch leben muß, anstatt nur sich zu analysieren. Mit der Zeit wurde er auch immer esoterischer und verrückter in meinen Augen. Was will man da noch machen? :confused:

Ganz schlimm ist es bei Suchtproblematiken. Da kannste jemand noch zigmal erklären, bei Therapie keine Drogen, Alkohol, kiffen... Die wollen es alle besser wissen. :rolleyes:

Monger
2017-03-10, 12:37:11
Ich habe so einen tragischen Bekannten, seit 20 (!) Jahren auf dem Selbstfindungstripp, immer noch mehr in sich reinschauen wollen. Er kapiert ums Verrecken nicht, daß man eben auch leben muß, anstatt nur sich zu analysieren. Mit der Zeit wurde er auch immer esoterischer und verrückter in meinen Augen. Was will man da noch machen? :confused:

Wenn sich jemand nicht ändern will, ist das seine Sache. Aber die Therapie sollte sowas nicht auch noch unterstützen. Für sowas gibt es ja einen Therapievertrag - wenn die Zielsetzung da in keinem überschaubarem Zeitrahmen erreicht wird, sollte sie abgebrochen werden. Alles andere finde ich unverantwortlich. Eine erfolglose Therapie bestätigt den Patienten ja in seinem Verhalten.

PHuV
2017-03-10, 16:47:46
Das scheint manche Therapeuten nicht zu interessieren.

Daredevil
2017-03-15, 23:10:04
Ich bin seit ca. 2 Monaten das erste mal in meinem Leben in Therapie, obwohl sich meine Probleme schon weiter in die Kindheit zurück führen lassen und habe mit meinem jetzigen Arzt unheimlich Glück gehabt, so einen modern denkenden Menschen mit frischem Blick finden zu können.

Auslöser des Aufsuchens ist ein 'Burnout' in dem ich mich letztes Jahr hinein gearbeitet habe ohne Rücksicht auf mein physisches und psychisches Befinden und bin wirklich froh, so etwas mal zu machen.

Einfach die Tatsache, dass man dort einen Menschen hat, dem man alle Fragen stellen kann, die einem jemals im Kopf rumgeschwirrt haben zu Gedanken und Emotionen, die man in irgendeinem Moment gefühlt hat, ist ein unheimlich riesiges Privileg.

Eine Blitzheilung wird nicht passieren, das erwarte ich aber auch gar nicht. Ich erwarte Unterstützung und die Tools, die mir in die Hand gelegt werden, um mich vor solchen und anderen Situationen im Zukunft zu schützen und mit einer ganz anderen neuen Form der Ausgeglichenheit in mein neues Leben zu starten. Und ich möchte mal behaupten, dass das bislang echt gut funktioniert.

Da bin ich unheimlich dankbar für.

Ironischer Weise habe ich ca. 10 Ärzte vorher kontaktiert, die mir die Krankenkasse zugeschickt hat und niemand hatte vor 3 Monate einen Termin frei. Der Arzt, bei dem ich jetzt bin, wohnt im gleichen Gebäude wie ich auch. Da bin ich nur ganz zufällig mal hin und bekam nach einer Woche einen Termin. Alles passiert halt, wie es passieren soll. :)

Meine 2 Cent zu dem Thema.
Lieber einmal mehr vorstellig geworden als einmal zu wenig.

Gast
2017-03-15, 23:42:13
Ich bin seit ca. 2 Monaten das erste mal in meinem Leben in Therapie, obwohl sich meine Probleme schon weiter in die Kindheit zurück führen lassen und habe mit meinem jetzigen Arzt unheimlich Glück gehabt, so einen modern denkenden Menschen mit frischem Blick finden zu können.

Auslöser des Aufsuchens ist ein 'Burnout' in dem ich mich letztes Jahr hinein gearbeitet habe ohne Rücksicht auf mein physisches und psychisches Befinden und bin wirklich froh, so etwas mal zu machen.

Einfach die Tatsache, dass man dort einen Menschen hat, dem man alle Fragen stellen kann, die einem jemals im Kopf rumgeschwirrt haben zu Gedanken und Emotionen, die man in irgendeinem Moment gefühlt hat, ist ein unheimlich riesiges Privileg.

Eine Blitzheilung wird nicht passieren, das erwarte ich aber auch gar nicht. Ich erwarte Unterstützung und die Tools, die mir in die Hand gelegt werden, um mich vor solchen und anderen Situationen im Zukunft zu schützen und mit einer ganz anderen neuen Form der Ausgeglichenheit in mein neues Leben zu starten. Und ich möchte mal behaupten, dass das bislang echt gut funktioniert.

Da bin ich unheimlich dankbar für.

Ironischer Weise habe ich ca. 10 Ärzte vorher kontaktiert, die mir die Krankenkasse zugeschickt hat und niemand hatte vor 3 Monate einen Termin frei. Der Arzt, bei dem ich jetzt bin, wohnt im gleichen Gebäude wie ich auch. Da bin ich nur ganz zufällig mal hin und bekam nach einer Woche einen Termin. Alles passiert halt, wie es passieren soll. :)

Meine 2 Cent zu dem Thema.
Lieber einmal mehr vorstellig geworden als einmal zu wenig.
keine Medikamente? (Ich habe hier im Forum eine Aversion gegen Medikamente festgestellt. Nutzt ihr denn die Segnungen der Pharmazie nicht?)

Korfox
2017-03-16, 07:11:52
Um die Frage zu stellen sollte man erstmal wissen, ob die Therapie überhaupt bei einem ärztlichen Therapeuten stattfindet. Ein psychiologischer Therapeut dürfte keine Medikamente verschreiben.

Daredevil
2017-03-16, 10:26:46
Tatsächlich praktiziert derjenige auch in meinem Fall Allgemeinmedizin, also wäre das nicht das Hinderniss.
Erfahrungen selbst habe ich mit Citalopram als Unterstützung gemacht vor ca. 8 Jahren und unterm Strich ging es mir tatsächlich in negativ Schüben besser und ich war deutlich besser drauf ( manchmal auch zu deutlich ) in glücklichen Momenten. Allerdings hat dieser Serotonin Wiederaufnahmehemmer Nebenwirkungen sexueller Natur gehabt, die wiederum das Leben schwerer gemacht haben.

Aufgrund dessen und der Erkenntnis, dass bei mir die erhöhte Konzentration von Serotonin eine Wirkung gebracht hat, fahre ich ganz gut mit einer Kombination aus gesunder Ernährung mit viel Lebensmitteln, die für die Vorstufe von Serotonin gebraucht werden, regelmäßigem Ausdauersport und 5-HTP, quasi einem synthetischen Baustein zum bilden von Serotonin. Das hat sich zumindest bei mir als eine Alternative ( oder Placebo ;D ) zu 'richtigen' Medikamenten etabliert.

Gast
2017-04-04, 02:49:49
Interessant wäre ja, ob Psychotherapien erfolgreicher als AD sind...

http://www.deutschlandradiokultur.de/antidepressiva-aehnlich-wirksam-wie-placebos.976.de.html?dram:article_id=377937
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/antidepressiva-forscher-bezweifeln-wirkung-von-prozac-a-537832.html

Ist dieser Kirsch eine bedeutende Nummer in der Depressionsforschung?

Veeegie
2017-05-24, 20:24:58
Müssen Psychiater/Therapeuten berufsbedingt in Deutschland, USA oder anderswo eigentlich selbst eine Therapie besuchen? Ich habe das vor etlicher Zeit mal aufgeschnappt, finde aber nirgends eine Bestätigung dazu. Weiß da jemand mehr?

greeny
2017-05-24, 21:18:41
Interessant wäre ja, ob Psychotherapien erfolgreicher als AD sind...
Bei mir beide(s) gleich erfolglos... :-/

Gast
2017-05-24, 21:37:07
Bei mir beide(s) gleich erfolglos... :-/

Hast Du eigentlich mal Med-Kombis gegen therapieresistente Depris probiert?

Clomipramin
Tranylcypromin + kleine Zugabe Nortriptylin

Venlafaxin + Mirtazapin

Gast
2017-05-25, 14:35:27
Ich habe jetzt insgesamt 9 Jahre Therapie hinter mir. Gesprächstherapie und hab praktisch alle Medikamente durch, die in meinem Fall in Betracht kamen.

Gebessert hat sich eigentlich nur, dass mir inzwischen bewußt geworden ist, wieviel in meiner Kindheit und Jugend schiefgelaufen ist. Hoffnung auf Besserung habe ich nicht mehr.

Als Kind habe ich meinen leiblichen Vater durch meine Mutter verloren. Sie hatte einen regelrechten Haß auf ihn und ich musste letzlich vor Gericht gegen ihn aussagen und daraufhin verlor er jedes Besuchs- und Umgangsrecht. Später (so mit 8 oder 9 Jahren) erzählte sie mir dann mit ihrem neuen Macker zusammen, dass mein leiblicher Vater betrunken ins Wasser gesprungen und gestorben wäre. Das hat mich dann total aus der Bahn geworfen und ich zog mich total zurück, weil ich mir die Schuld an seinem Tod gab.
Naja...
In der Jugend und in jungen Erwachsenenjahren war ich daher immer isoliert und habe auch nie einen EInstieg ins Berufsleben gefunden. Ich habe dann mit 30(!) durch Zufall durch meinen Halbbruder erfahren, dass mein leiblicher Vater nie betrunken irgendwo reingesprungen ist und auch noch viele Jahre lebte und auch immer versucht hat, Kontakt zu mir aufzunehmen.

An dem Punkt brach ich komplett zusammen und dann erst glaubte mir auch mal ein Arzt bzw eine Therapeutin und nahm sich meiner an. Ich war zwar schon immer vorher zu Ärzten gegangen und auch beim Arbeitsamt habe ich es zur Sprache gebracht, aber ich konnte meine Probleme nie wirklich in Worte fassen, weil ich nicht genau wusste, was nicht mit mir stimmte :/

Jetzt bin ich um die 40 und mein Leben ist halt total im Arsch. Es wäre anders gelaufen, wenn in meiner Kindheit mal irgendjemand eingegriffen hätte. War aber nicht. Lehrer schrieben mir nur meine Verhaltensauffälligkeiten ins Zeugnis und zuhause gabs dann Backpfeifen und Drohungen, dass ich von der Schule genommen werde, wenn ich mich weiter komisch verhalte.

Ich will auch kein Mitleid oder Hilfe hier. Soll nur ein Aufruf sein, sich auch mal irgendwo einzumischen.

Ich war auch mal hier angemeldet und hatte auch recht viele Beiträge, aber ich hab mich selbst hier abgemeldet, weil ich mit Menschen nicht gur klarkomme. Es ist immer ein tiefes Mißtrauen, dass man mir schaden will und gleichzeitig auch die tiefe Angst, dass jemanden etwas schlimmes passiert, wenn ich mit ihm/ihr Kontakt habe.

PS:Ich weiß, dass die Geschichte unglaubwürdig klingt. Aber warum sollte ich anonym lügen? Und ich weiß genau, wie reagiert wird. In der Schule wurde ich richtig heftig über Jahre gemobbt, weil ich einmal in Tränen ausgebrochen und meinen Vater vermisste habe. Seitdem bin ich total emotionslos in Gesellschaft. ->Verrückter Einzelgänger, der wohl Kinder fickt oder dergleichen. So denken andere über mich.

PHuV
2017-05-31, 22:28:16
Ich habe jetzt insgesamt 9 Jahre Therapie hinter mir. Gesprächstherapie und hab praktisch alle Medikamente durch, die in meinem Fall in Betracht kamen.

Gebessert hat sich eigentlich nur, dass mir inzwischen bewußt geworden ist, wieviel in meiner Kindheit und Jugend schiefgelaufen ist. Hoffnung auf Besserung habe ich nicht mehr.
Die Besserung kann von niemanden anderen außer Dir selbst erfolgen. Und nur mal so, vielen anderen ging es ähnlich wie Dir, und sie können heute trotzdem ein erfülltest Leben führen.

Wenn Du damit so abgeschlossen hast, ist es schade, dann hast Du leider nur einen Weg von vielen anderen für Dich akzeptiert und entschieden, und nicht unbedingt den besten. :frown: Und reisen kann man es immer, egal wie alt man ist. Nur das wie, daß kann Dir leider keiner sagen, aber es geht, definitiv, immer, solange Du noch atmest, und noch für Dich selbst sorgen kannst. ;) Wenn ich mutmaßen soll, würde ich vermuten, daß Du Dir das alles bis heute nicht verziehen hast, und Du Dir selbst unbewußt die Schuld an dem Verlust Deines Vaters gibt. Aber hier die Botschaft an Dich: Du hast keine Schuld daran! Wenn das so sein sollte, lerne, Dir selbst zu vergeben oder es nachzusehen! Du warst ein Kind, und Du hattest die Infos nicht bzw. keine Chance dazu. Du kannst nicht mehr ändern, was war, das ist klar. Aber Du kannst immer noch Dich ändern, und Deine Perspektive und Sicht auf die Dinge. Ich würde Dir stark empfehlen, nicht aufzugeben.

Nur mal so: hast Du irgendwelche körperliche Beschwerden oder Nebenwirkungen von allen dem?

Monger
2017-06-01, 09:13:33
Müssen Psychiater/Therapeuten berufsbedingt in Deutschland, USA oder anderswo eigentlich selbst eine Therapie besuchen? Ich habe das vor etlicher Zeit mal aufgeschnappt, finde aber nirgends eine Bestätigung dazu. Weiß da jemand mehr?
Ich weiß nicht inwiefern das gesetzlich überprüft wird, aber ein Therapeut sollte eigentlich regelmäßig zur Supervision geben. Manche Therapeuten werben auch explizit damit, welchen Supervisionszirkeln sie angehören.

Supervision ist keine Therapie, dient aber der Seelenhygiene. Da soll dann auch reflektiert werden, inwiefern persönliche Probleme evtl. das Verhältnis zum Klienten beeinträchtigen etc. . Da kommt dann auch die eigene psychische Gesundheit auf den Tisch.

Hab allerdings noch keinen Psychotherapeuten getroffen, der selbst gerne zur Supervision gegangen wäre. Gut möglich dass viele sich davor so gut es geht drücken ;)

Mortalvision
2017-06-01, 09:52:47
Supervision? Das ist schon sehr wichtig. Ich als Lehrer hol mir immer irgendwelche Praktikanten rein, die meinen Unterricht beurteilen sollen. Viel angenehmer, als wenn der Personalchef kommt. Aufs Feedback der Schüler gebe ich nen Pups, wenn es auf meine Person abzielt.

Thema PT: ja, mit 20 in einer psychotherapeutischen Station. Rückblickend waren das sehr fähige Ärzte (außer meinem :D) und Pfleger, und ein Therapiekonzept, dass ein ganzes Netz von Bezugspersonen und Aufgaben beinhaltete: Sport, Kunsttherapie, Musiktherapie, Einzel- und Gruppentherapie, Korbflechten, Stationsessen, Stationsfilme (wo ich erstmals lernte, warum man da keine Gewaltfilme zusammen schauen darf); Gruppenspiele, Spaziergänge, Bücherecke, etc etc.

Das ganze hatte mir sehr geholfen, mein Mobbing am ersten Gymnasium und dann bei der Bundeswehr (danke, Offiziersanwärterkameraden :D) zu verarbeiten. Und es hat den Weg für die ambulante Therapie geebnet, die ich im ersten Studienjahr hatte (Traumreisen, Atemübungen). Als ich meiner psychotherapeutischen Ärztin (Achtung, nicht Arzt für Psychotherapie, das ist nur ein Kurzlehrgang!!!), nicht Psychiaterin, erzählte, dass ich Papa werde, hat sie die Therapie abgebrochen. Fand ich nicht nett, aber mit dem Papa sein hatte ich nie Probleme *g*

Hier nochmal ein Link zu den Ärzten, die PT anbieten. Ich kann jedem nur empfehlen, innerhalb Gruppe 1 zu bleiben, da es etliche Scharlatane gibt, die "Naturmedizin" oder "Homöopathie" damit verbinden und als "Alternativen zur Schulmedizin" auftreten....

https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/wichtigste-fragen/aerztlicher-psychotherapeut/

Veeegie
2017-06-10, 07:50:45
Ich glaube eine Supervision wird zu mindestens hier zu Lande gar nicht gesetzlich überprüft, letztlich habe ich das Gefühl, dass auf diesem Gebiet generell wenig überprüft wird.

Ich denke jeder, der den Weg einer Therapie mal gegangen ist, wird von einen andauernden Weg mit ständigen Training bestätigen. Mich würden mal Erfahrungsberichte interessieren, wie ihr das umsetzt bzw. umgesetzt habt? Habt ihr einen Talisman, der Euch daran erinnert? Habt ihr ein Tattoo? Habt ihr einen Plan erstellt, um Strukturen einzuleben? Habt ihr tägliche wiederkehrende Übungen (Meditationen) die dabei helfen?

Rein pragmatisch, würde mich interessieren und vllt. anderen und mir weiterhelfen. Dank im voraus ;)

Gast
2017-07-09, 14:57:10
Hallo,

ich bin seit 3 Jahren in einer psychoanalytischen Therapie, nachdem ich Panikattacken bekam und immer stärker unter sozialer Phobie mit einhergehender Depression litt, was soweit ging dass ich mich gar nicht mehr unter Menschen traute und dementsprechend mein Studium nicht fortsetzen und keinen Job finden konnte.

Zuerst muss man sagen dass es *die* Psychotherapie nicht gibt. Es gibt sehr unterschiedliche Therapieansätze, wie z.B. Verhaltenstherapie oder eben in meinem Fall Psychoanalyse, und jeder Therapeut bringt so seine eigene Methodik rein. Bei mir war es eben die Psychoanalyse und daher kann ich auch nur davon berichten.

Meine Therapeutin ist in ihrem Fach sehr gut und genießt überregional einen sehr guten Ruf, von daher habe ich schonmal Glück gehabt. Ich habe zwei Einheiten a 50 Minuten die Woche. Üblicherweise berichte ich (wie im Klischee auf der Couch liegend, bringt aber wirklich einiges), was mich beschäftigt hat, und wie es mir geht und die Therapeutin stellt gezielte Nachfragen. Manchmal geht es auch über Kindheitserlebnisse, die ich aufarbeiten soll. Vieles wiederholt sich, und das ist auch der Sinn der Therapie: Man soll durch ständige Selbst-Reflexion bestimmte Automatismen der Krankheit durchbrechen, in meinem Fall ist das die impulshafte, vernichtende Selbstkritik, die wir als Hauptursache meiner Probleme identifiziert haben.

Überhaupt werden viele Probleme im Dialog aufgearbeitet. Durch gezieltes Nachfragen versucht die Therapeutin das Gespräch auf ein bestimmtes Thema zu lenken und mich dazu zu bringen, bestimmte Themen anzusprechen. Nicht selten kommen so auch Dinge zum Vorschein, über die ich nie bewusst nachgedacht habe. Allerdings kriege ich praktisch nie direkte Handlungsempfehlungen, sondern die Therapeutin setzt darauf, dass ich meine Probleme und Ängste durch die intensive Auseinandersetzung damit sozusagen selbst "entzaubere". Das mag in anderen Therapieformen etwas anders laufen, aber bei mir ist die Rollenverteilung klar: Die Therapeutin gibt mir Hilfe zur Selbsthilfe, meine Dämonen muss ich aber selbst töten. ;)

Zur Frage, ob es was gebracht hat, kann ich für mich mittlerweile "ja" antworten, dabei gibt es aber Einschränkungen. Es war ein langer Weg, und nicht selten hat mich die endlose Wiederholung auch genervt. Der Fortschritt war sehr langsam, und ich hatte (und habe) immer noch viele Rückfälle, nämlich Tage wo ich es kaum schaffe zum Briefkasten zu gehen. Mit der Zeit, etwa nach anderthalb Jahren habe ich gemerkt dass ich mir eine gewisse Resistenz antrainiert habe, dass mir die vermeintlichen bösen Blicke und Lästereien der Anderen immer mehr am Arsch vorbei gingen.

Ich habe es geschafft mein Studium fortzusetzen und einen Job zu finden, und die antrainierte Resistenz hilft mir, täglich unter Kommilitonen, Dozenten, Arbeitskollegen und Chefs zu gehen. Es ist oft noch sehr anstrengend und es gibt Rückfälle, aber es geht voran. Ich werde mein Studium im nächsten Semester abschließen und habe bereits ein sehr interessantes Jobangebot für die Zeit danach.

Ob ich das auch ohne die Therapie geschafft hätte, weiß ich nicht. Die Auswirkungen sind nicht "magisch" und ein Therapeut heilt dich nicht von heute auf morgen wie es einige Ärzte vielleicht können. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass man es nur selbst schafft aus dem ganzen Mist rauszukommen. Die Therapie hilft mir nur, die eigene Macht auch zu sehen, aber ergreifen musste ich sie selbst. Und das ist verdammt schwer und braucht viel Ausdauer und Frustresistenz, denn Rückfälle bleiben wie gesagt nicht aus.

PHuV
2017-07-17, 00:09:07
Zuerst muss man sagen dass es *die* Psychotherapie nicht gibt. Es gibt sehr unterschiedliche Therapieansätze, wie z.B. Verhaltenstherapie oder eben in meinem Fall Psychoanalyse, und jeder Therapeut bringt so seine eigene Methodik rein. Bei mir war es eben die Psychoanalyse und daher kann ich auch nur davon berichten.

Es gibt ja auch nicht *den* Menschen. ;) Jeder ist anders, und dadurch, das es heute so viele verschiedene Therapien gibt, kann sich jeder das wählen, wo er den besten Zugang zu sich selbst finden kann.

Mortalvision
2017-07-17, 06:14:50
Kein Problem lieber Gast. Die Wirksamkeit von Psychoanalyse ist klinisch bei leichten Depressionen gut belegt.

Cerise
2017-07-20, 19:19:40
Die Auswirkungen sind nicht "magisch" und ein Therapeut heilt dich nicht von heute auf morgen wie es einige Ärzte vielleicht können.

Nicht der Arzt heilt dich kurzfristig, sondern das Medikament, das er dir verschreibt.
Und das ist genau der Vorteil der Therapie: du lernst, deine akuten Probleme kurz- bis mittelfristig in den Griff zu bekommen und langfristig, wie du sie in der Zukunft vermeidest oder schneller/besser in den Griff bekommst, wenn sie doch wieder auftreten. Hier geht es um Nachhaltigkeit und Selbsthilfe.

(Ich spreche explizit nicht von sehr schweren psychischen Störungen)

derpinguin
2017-07-20, 19:25:49
Das ist auch ein bisschen reduzierend. Natürlich heilen auch Ärzte, einige Sachen lassen sich auch ohne Medikamente lösen bzw. die Medikamente unterstützen eine ärztliche Therapie. Die meisten Sachen heilen wir auch nicht, sondern wir geben den Menschen etwas, was ihnen hilft mit dem Problem leben zu können. Diabetes, Bluthochdruck und Arrhythmien haben die Patienten den Rest ihres Lebens, die Medikamente heilen das nicht, sondern lösen das Problem solange man sie einnimmt.
Und zusätzlich: fast nichts lässt sich von heute auf morgen heilen. Wir können auch nicht zaubern.

Cerise
2017-07-20, 19:31:23
Das ist auch ein bisschen reduzierend. Natürlich heilen auch Ärzte, einige Sachen lassen sich auch ohne Medikamente lösen bzw. die Medikamente unterstützen eine ärztliche Therapie. Die meisten Sachen heilen wir auch nicht, sondern wir geben den Menschen etwas, was ihnen hilft mit dem Problem leben zu können. Diabetes, Bluthochdruck und Arrhythmien haben die Patienten den Rest ihres Lebens, die Medikamente heilen das nicht, sondern lösen das Problem solange man sie einnimmt.
Und zusätzlich: fast nichts lässt sich von heute auf morgen heilen. Wir können auch nicht zaubern.
Genau das meine ich ja. Nach dem Arztbesuch geheilt bin ich vielleicht wenn mich mein Orthopäde wieder eingerenkt hat und ich ohne Schmerzen die Praxis verlasse. Aber viel mehr Beispiele fallen mir gar nicht ein... sobald mir jemand ein Medikament verschreibt oder Physiotherapie verordnet etc. bin ich nicht geheilt, wenn ich die Praxis verlasse.
Und bevor wir uns da jetzt falsch verstehen: auch ein Psychotherapeut heilt meiner Meinung nach nicht.

derpinguin
2017-07-20, 19:35:00
Ich bin durchaus der Meinung, dass Heilberufe auch heilen. Medikamente sind ein Hilfsmittel, das man dazu benutzt, aber ohne Arzt oder Psychotherapeut gehts nicht.