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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitnehmerdasein und Zielvereinbarungen


Gast
2017-12-03, 15:58:15
Anonym, weil potentiell ungünstig auszulegen:

Mich interessiert mal folgendes, und sicher kennen einige solche Situationen: Man ist als Arbeitnehmer, der keinem so richtigen Akkord unterliegt (Ingenieurstätigkeit), angestellt und hat eine Personalabteilung, die jeweils die Vorgesetzten dazu anhält, Viertel- oder Halbjahres-Feedback mit allen Unterstellten zu führen.

Das funktioniert nun so, dass beide Seite da kurz resümieren sollen, was ihnen am anderen oder am Job passte oder eben nicht so - schriftlich. Nun gibt es da auch ein Feld "Zielvereinbarungen" und der AN soll am Ende auch das unterzeichnen, was der Vorgesetzte mit einer HR-Fachkraft dort reinschreibt.

Jetzt möchte ich das ganze mal arbeitsvertragsrechtlich sehen. Ich gehöre zu denen, die auch mal eine Unterschrift zu Ansagen oder Forderungen verlangen, wenn ich glaube, dass es der einzige Weg ist, nicht beschissen zu werden, und gesunderweise sollte man davon ausgehen, dass jemand anderes das mit einem ebenso machen wird.

Gehen wir mal davon aus, dass in Zielvereinbarungen seitens des AGs etwas mehr drin steht als "Sei mal netter morgens", sondern "reduzier dies, mach mehr das, übernimm Verantwortung für jenes, bring jenes bis zum nächsten Mal dort hin".

Rechtlich: Ich klassifiziere das als schriftlich festgehaltene Zusatzabsprache i.S.v. Standardklauseln in Arbeitsverträgen. Wenn man es ganz drastisch sehen möchte, könnte man mir Vertragsbruch unterstellen, wenn der AG beim nächsten Mal guckt und sagt, ich hätte alles Mögliche nicht eingehalten, und ich muss mich auf Sanktionen einstellen. Ist das im Rahmen von rechtlicher Auslegung korrekterweise anzunehmen? Hat das mal irgendwer mit einem Arbeitsrechtler besprochen und bestätigt oder entkräftigt bekommen? (*)

Aspekt 1: Wenn so ein Satz in einer Zielvereinbarung keine Ausführungsplanung mitbringt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es vermutlich um Zusatzaufgaben geht, und ich dabei nicht sicher bin, ob ich dabei zeitlich benachteiligt werde und mit signifikanter Mehrarbeit oder -erreichbarkeit rechnen muss, sollte man sich das verbriefen lassen, und wenn ja, wie sah das bei euch aus? Etwa wie "Zum Erreichen der Zielvereinbarungen werden dem AN X Stunden/% der regulären Wochenarbeitszeit eingeräumt." Ein Vorgesetzter kann also nicht gleichzeitig jeden Tag 100% der Tagesanforderungen UND das Zusatzvereinbarte zugleich fordern.

Aspekt 2: Wenn man davon ausgehen muss, als AN ggf. sanktioniert oder nur subtil bei irgendwas benachteiligt zu werden, wenn man die Vereinbarungen nicht voll erfüllt: ist das hier ein guter Punkt Belohnungen für die Erfüllung zu fordern? Führungskräfte oder Vertriebsleute lassen sich sowas bereits in ihren Verträgen festhalten, soweit bekannt. Wenn das nun allerdings an so einer Stelle auf mich herunterrieselt (als vorrangig Ausführender), was nicht im Vorraus beim Einstieg festgehalten wurde, dass ich nun meinerseits einen monetären Bonus verlangen kann?

Aspekt 3: Wenn ich Zweifel daran habe, dass man mein Schaffen oder Versagen nicht hinreichend objektiv messen wird bzw. am Ende Platz für Aussage gegen Aussage lässt, sollte ich meinerseits gleich mitfordern, dass man maximales Protokollieren aller Elemente einführt? Zum einen der Objektivität wegen, andererseits weil sich ein AG dann mit einem Haufen Daten herumschlagen darf, was ich als Techniker liebend gerne für mich selbst tun werde.

Kurz: Amerikanisch angehauchtes Personal-Controlling schön und gut, ich finde ein paar Sachen daran Affenzirkus. Ich stemme mich dagegen, als fähiger AN sich in eine potentiell benachteiligte Position zu begeben, die im Verhältnis die Taschen anderer besser füllt als die eigenen, wenn plötzlich mehr verlangt ist als der Anstellungsvertrag hergibt.

Daher die Frage, welche Erfahrungen ihr mit einer Es-gibt-nichts-umsonst-Policy als AN schon gemacht habt? Ich bin der letzte Lulatsch, aber es gibt eben Grenzen im Anstellungsverhältnis, und ich würde aus Gründen nie um jeden Preis auf innerbetriebliche Beförderungen hinarbeiten, gerade um den erwähnten Versuchen proportionaler Überladung mit der Zeit Einhalt zu gebieten.

(*) Beim nächsten Mal würde ich das sonst selbst tun, beim einzigen Mal bis jetzt war mein Ende dort allerdings schon meinerseits aus anderen Gründen beschlossen, sodass ich dort nicht zu viel drauf gab. Und aktuell habe ich davor Ruhe. Aber wer weiß, wie lange.

Philipus II
2017-12-03, 18:49:21
1) Solche Zielvereinbarungen sind arbeitsrechtlich selten abseits eventueller Boni/Sonderzahlungen relevant. Der Arbeitnehmer haftet abseits von dann eventuell nicht gewährter Sondervergütung nicht, wenn Ziele aus den üblichen Gründen nicht erreicht werden. Er schuldet nicht einen vom Arbeitgeber definierten Erfolg, sondern eher die Bemühung.

2) Unabhängig davon helfen sie oft, die gegenseitigen Erwartungen deutlich auszusprechen und damit die Zusammenarbeit effizienter zu machen.

3) Ich rate beiden Parteien bei der Formulierung der Ziele sich an SMART auszurichten, um spätere Unstimmigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Unklare Ziele führen irgendwann immer zu Chaos oder Unfrieden.

4) Das Erreichen von Zielen zu belohnen ist meist sinnvoll.

Monger
2017-12-03, 21:19:38
Ich rate mal: IG Metall Rahmentarifvertrag?
Meine Erfahrung: Die Zielerreichung ist da ausschließlich für deine Personalentwicklung relevant. Da viele Projektleiter wenig bis gar kein Interesse daran haben ihr Personal weiterzuentwickeln, ist das eigentlich eine Stärkung des AN, und so hat die IG Metall das bei der Reform dieses Verfahrens wohl auch gemeint.

Kein AG kann dich zu Zielen zwingen, die außerhalb deines Aufgabenbereiches liegen. Wenn die Ziele nicht erreichbar sind, fällt das meist auf deinen AG zurück, nicht auf dich.
Wenn du schwammige Ziele verfehlst, interessiert das kein Schwein. Wenn du aber konkrete, gut formulierte Ziele erreichst, kann das bei kommenden Gehaltsrunden helfen.

Betrachte das Verfahren nicht als Belastung, sondern als Chance. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, wie du vorbei an bockigen Vorgesetzten deinen Lebenslauf verbessern kannst.

Monger
2017-12-04, 00:06:48
Nachtrag: Ich hab noch keinen Chef gesehen, der freiwillig da messbare Ziele reinschreibt. Denen ist das eher lästig, am Ende fällt noch auf dass Mitarbeiter mehr tun als wofür sie bezahlt werden.

Ich kenne Kollegen, die hangeln sich seit 5 Jahren ohne ernstzunehmende Zielerfüllung durch. Das schlimmste was denen passiert, ist Ereignislosigkeit. Mir dagegen hat es sehr geholfen, mehr Geld und eine neue Position rauszuhandeln, hatte allerdings auch einen wohlwollenden Chef.

PHuV
2017-12-04, 10:55:09
Sehe ich wie Monger, die meisten Zielvereinbarungen sind leider nur Makulatur. Sie werden nur als Alibifunktion mißbraucht, eine konkrete Verpflichtung seitens des AGs entsteht leider nicht. Ansonsten drehten sich die Gespräche eh nur darum, viel Geld es mehr gibt.

Ich erlebe aber das auch zum ersten mal seit fast 30 Jahren, daß es auch anders positiv geht. Hier werden die Ziele auch lange nicht so stark gefaßt. Wenn aber Chef sagt, es gibt diese Schulungen oder Zertifizierungen, werden diese auch bewilligt, durchgeführt und bezahlt. Und wenn Ziele nicht erreicht wurden, wird konstruktiv an den Ursachen gearbeitet, so daß diese dann im darauf folgenden Jahr erreicht werden. Sprich, wenn beispielsweise zuviel Arbeit die Ursache ist, wird das wirklich abgebaut. Aber das ist wiederum vermutlich dem geschultet, daß die Firma relativ klein und überschaubar ist. Je größer ein Laden ist, umso unwichtiger und unrelevanter wird das ganze.

Haarmann
2017-12-04, 11:23:00
Wenn nur einseitige Ziele reingekritzelt werden sollten hab ich die schlicht durchgestrichen.
Subjektive Punkte wurden auch gleich wegradiert.

Gast
2017-12-04, 19:10:24
Wenn nur einseitige Ziele reingekritzelt werden sollten hab ich die schlicht durchgestrichen.
Subjektive Punkte wurden auch gleich wegradiert.

Richtig, das ist auch meine Einstellung dazu, wenn ich sowas nochmal selbst zu sehen kriege.

Ich rate mal: IG Metall Rahmentarifvertrag?
Meine Erfahrung: Die Zielerreichung ist da ausschließlich für deine Personalentwicklung relevant. Da viele Projektleiter wenig bis gar kein Interesse daran haben ihr Personal weiterzuentwickeln, ist das eigentlich eine Stärkung des AN, und so hat die IG Metall das bei der Reform dieses Verfahrens wohl auch gemeint.

Das weiß ich offen gesagt gar nicht. Der Hintergrund ist, dass die eher kleine Firma (<100) so lange wie möglich erstmal durch die Departments durch befristet auf 2 Jahre anstellt. Und vereinzelt wurden dann auch Anstellungen in meiner Zeit nicht verlängert.

Betrachte das Verfahren nicht als Belastung, sondern als Chance. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, wie du vorbei an bockigen Vorgesetzten deinen Lebenslauf verbessern kannst.

Hm? Ich kannte Kollegen, die waren eher die Sorte fähig-und-einschüchterungsfähig. Da kamen dann beim ersten Mal Sachen wie "Aufgaben von X übernehmen, wenn der geht; mehr beim Thema Y mitwirken; und du darfst nicht so introvertiert sein". Gefolgt von leichter Panik und Angst, wie das dann beim nächsten Mal aussehen wird. Für solche Fälle sehe ich dann nur noch hoffentlich gelingende Wechsel als Möglichkeit zum Verbessern des Lebenslaufs.

Meine persönliche Motivation dient wie erwähnt mehr der rechtlichen Absicherung und der Wahrung meiner Wochenstundenzahl. Ich halte mich auch nicht für so naiv, als dass meine Wünsche/Ziele irgendwen *dort* je unbedingt jucken sollten. Wenn der Schuh zu sehr drückt, schaut man sich neu um.

littlejam
2017-12-04, 22:23:46
1) Solche Zielvereinbarungen sind arbeitsrechtlich selten abseits eventueller Boni/Sonderzahlungen relevant. Der Arbeitnehmer haftet abseits von dann eventuell nicht gewährter Sondervergütung nicht, wenn Ziele aus den üblichen Gründen nicht erreicht werden. Er schuldet nicht einen vom Arbeitgeber definierten Erfolg, sondern eher die Bemühung.

2) Unabhängig davon helfen sie oft, die gegenseitigen Erwartungen deutlich auszusprechen und damit die Zusammenarbeit effizienter zu machen.

3) Ich rate beiden Parteien bei der Formulierung der Ziele sich an SMART auszurichten, um spätere Unstimmigkeiten und Missverständnisse zu vermeiden. Unklare Ziele führen irgendwann immer zu Chaos oder Unfrieden.

4) Das Erreichen von Zielen zu belohnen ist meist sinnvoll.
Sachlich, ohne Rant gegen den AG :up:

Er schuldet nicht einen vom Arbeitgeber definierten Erfolg, sondern eher die Bemühung.
Im Falle von OKR, bei denen 100% Zielerreichung eher die Ausnahme sein soll, wird das besonders deutlich.

Grüße