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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Maschinenbau Karriereplan... Programmierer?


CGast
2020-02-26, 09:11:02
Hallo zusammen,

kurz zu mir: Ich bin 31 Jahre alt, verheiratet, bin deutscher, lebe in osteuropaeischen Ausland, habe Maschinenbau studiert und die letzten 2,5 Jahre bei einem Automobilzulieferer fuer Verbrennungsmotoren als Entwicklungsingenieur gearbeitet.
Meine Karriere wuerde ich als normal bezeichnen: Leicht ueberdurchschnittlich (fuer lokale, niedrige Verhaeltnisse) bezahlt eingestiegen, sehr gute Jahresbewertungen erhalten, vor einem halben Jahr befoerdert worden (mehr Fach, keine Personalverantwortung) - gut, aber auch nicht wahnsinnig aufregend.

Und doch nuetzt mir das alles wenig, da die Branche keine allzu rosige Zukunft hat, ich gerne nach Oesterreich oder die Schweiz auswandern moechte und dort vergleichbare Angebot sehr rah gesaeht sind und mich daher die Frage umher treibt, was nun.

Ich bin in dem Sinne keine typischer Maschinenbauingenieur: CFD ist bei uns automatisiert ueber die Konsole, FEA durch standards ein simples "klick klick" und CAD ist eine eigene Abteilung, die ausschliesslich CAD nach u.a. meinen Anweisungen durchfuehrt (halt geringer bezahlt). Ich habe technisches Verstaendnis, soft skills, aber keine Faehigkeiten wenn es zaehlt eine Stellenbeschreibung zu erfuellen.
Die Stellen, die ich finde sind in 60% sowieso nur stupide Konstruktionsaufgaben. Mein Karriereplan zu Beginn des Studiums war es irgendwann mal in der Motorenabteilung eines grossen Automobilzulieferers zu arbeiten. Davon habe ich mich verabschiedet.

Also nun?
Konkret habe ich durch geringe Auslastung und so gut es die Ueberwachung hier erlaubt ein wenig in C++ eingearbeitet, habe interne VBA Tools weiter entwickelt und spiele mit dem Gedanken als Quereinsteiger als Junior Programmierer einzusteigen. Abwegiger Gedanke? Haette ich eine Chance oder vergebene Chance ohne Studium / Berufserfahrung?

Danke...
Ja, selbst eingebrockt. Aber Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung

Monger
2020-02-26, 10:26:12
Ich bin jetzt in der Hinsicht ein gebranntes Kind, weil ich ne Menge Elektrotechniker und Maschinenbauer in die Softwareentwicklung einsteigen gesehen habe, und ich sehe die mitverantwortlich an unserem Clusterfuck...

Also, Quereinstiege von Ingenieuren in die Softwareentwicklung sind sehr, sehr häufig. Das ist kein Problem, im Gegenteil: viele Firmen schätzen sehr das Domänenwissen was solche Leute mitbringen.

Und jetzt noch ein ganz subjektiver Rat. Wenn du nicht nur okay, sondern richtig gut als Entwickler werden willst, musst du sehr viel vergessen was du als Maschinenbauer gelernt hast.
Sorgfalt, Präzision, vorausschauende Planung, Expertentum... Das sind alles Qualitäten, die dir bei der Softwareentwicklung im Weg stehen. Zumindest bei allen Projekten größer zwei Mann. Mach nicht den Fehler zu sagen:"das kenne ich schon, ist ganz ähnlich". Nein, ist es wirklich wirklich nicht.

CGast
2020-02-26, 11:22:56
Hallo Monger,

danke fuer dein Feedback. Wie stehen denn ueberhaupt meine Chancen eine Position zu ergattern und auf laengere Sicht nicht auf niedrigstem Niveau stehen zu bleiben? Ich habe die Befuerchtung bei Befoederungen uebergangen zu werden, da ich ja "nur" der Quereinsteiger bin ohne Studium. Ich bin motiviert, aber befuerchte den Anschluss zu verlieren und moechte doch nicht auf das (fuer mich) tote Pferd Maschinenbau setzen.

Auch: Sind Crashkurse sinnvoll? Ich habe von einem befreundeten Programmierer knapp 4 Wochen abends 1-2h einen Einstieg in OOP bekommen - ging recht fix, da ich Vorkenntnisse in SQL, PHP aus frueheren Tagen habe und in VBA mich recht sicher bewege, doch Erfahrung wuerde ich das nicht nennen.

Monger
2020-02-27, 20:50:54
Ich lebe in meiner IG Metall Blase, bin daher kein guter Ratgeber. Und ich weiß nicht, was für Ambitionen du hast.
Der typische Weg in die IG Metall Blase ist via Sklavenhändler aka Personaldienstleister. Wir haben da schon ein paar sehr krumme Lebensläufe gesehen, aber auch engagiert und irgendwann übernommen. Nur gerade in dem Jahr sieht es wenig rosig aus.

Es gibt ne Glasdecke, die liegt etwa beim ersten außertariflichen Bereich. Darauf hast du wesentlich bessere Chancen, wenn du Masterand oder gar Doktor bist. Fachrichtung egal.

Ich persönlich halte Crashkurse für wenig sinnvoll. In der IT hilft nur Übung, Übung, Übung, da sind 4*5*2 Stunden einfach zu wenig, um da was auf die Kette zu kriegen. Erst recht, wenn es was artifizielles ist.
Die meisten unserer Fortbildungen sind mittlerweile an konkrete Projekte gekoppelt, d.h. du gehst mit realen Problemen in die Fortbildung rein, und setzst diese nahtlos später im Alltag um. Wenn du das nicht direkt anwendest, bringt das nix. Ist wie Sport: nur weil du an Neujahr mal für nen Monat in der Muckibude warst, kannst du im Herbst noch keinen Wettbewerb reißen.

Meine Empfehlung: such dir ein cooles, lebendiges Open Source Projekt. Versuche, einen Push Request akzeptiert zu kriegen. Versuche anschließend, ein Ticket bearbeitet zu kriegen. Arbeite für ein viertel Jahr immer wieder an kleineren Aufgaben mit.

Ich suche nächste Woche den Artikel nochmal raus, aber die Quintessenz ist: die Aufgabe eines Programmierers ist es, Probleme für den Kunden zu lösen. Codeverständnis ist dafür wichtig, aber ebenso sehr muss er die Tools kennen, Projektverständnis haben und was von Kommunikation verstehen. Das lernst du am besten nicht im stillen Kämmerlein, sondern in einem existierenden Ökosystem.

EPIC_FAIL
2020-02-27, 21:23:33
Ich bin jetzt in der Hinsicht ein gebranntes Kind, weil ich ne Menge Elektrotechniker und Maschinenbauer in die Softwareentwicklung einsteigen gesehen habe, und ich sehe die mitverantwortlich an unserem Clusterfuck...


Ich stelle da auch mal die provokante These in den Raum, dass die quereinsteigenden Softwareentwickler, d.h. welche ohne formale Ausbildung in diesem Bereich, oft mehr Schaden als nützen. Das Mindset bezogen auf das moderne Softwareengineering und das theoretische Grundlagenwissen stimmen oft nicht. Man sollte diese Leute wirklich sehr früh daran gewöhnen, dass "funktioniert doch wie gefordert!" nicht einmal die halbe Miete ist wenn man ein langfristiges Projekt/Produkt herstellt. Es ist leider furchtbar einfach irgendwie funktionierenden Code hinzubekommen... Wirklich helfen tun da nur Reviews, Reviews, Reviews.

Ich bin da aber vielleicht gerade auch ein wenig pessimistisch eingestimmt, da ich seit Monaten (fast Jahre) nur die Scherben gescheiterter Entwickler zusammenkehre und versuche in Teilen eines xy-MLOC Ungetüms ein wenig Struktur reinzubringen.:freak:

Kennung Eins
2020-02-27, 21:33:51
Auch ne Idee: Du scheinst Projekt-Skills zu haben. Entwicklung in Richtung Scrum-Master wäre auch ne Option.

Monger
2020-02-28, 19:01:52
Hier der angekündigte Artikel. Quintessenz ist: die allermeisten Programmierer sind mies.

https://www.codeproject.com/Articles/5061258/The-Psychological-Reasons-for-Software-Project-Fail

Man kann das als Zynismus abtun, aber für dich steckt da auch ne ganz wichtige Botschaft drin: jetzt in diesem Moment arbeiten eine Menge Leute in der IT die da noch weniger hingehören wie du. Falls du das Mantra beherzigst, dass du Probleme deines Kunden lösen sollst, bist du schonmal in den Top 20% - und dazu brauchst du noch nichtmal Sachkenntnisse.

24p
2020-02-28, 20:05:05
Super Artikel. Bin kein Programmierer, aber es trifft teilweise auch auf Arbeit in Teams und Projekten allgemein zu.

Gast
2020-02-28, 20:35:31
Hier der angekündigte Artikel. Quintessenz ist: die allermeisten Programmierer sind mies.

https://www.codeproject.com/Articles/5061258/The-Psychological-Reasons-for-Software-Project-Fail

Man kann das als Zynismus abtun, aber für dich steckt da auch ne ganz wichtige Botschaft drin: jetzt in diesem Moment arbeiten eine Menge Leute in der IT die da noch weniger hingehören wie du. Falls du das Mantra beherzigst, dass du Probleme deines Kunden lösen sollst, bist du schonmal in den Top 20% - und dazu brauchst du noch nichtmal Sachkenntnisse.
Wie soll denn jemand in der Informatik arbeiten, der nicht programmiert oder programmiert hat...

Monger
2020-02-28, 22:49:31
Wie soll denn jemand in der Informatik arbeiten, der nicht programmiert oder programmiert hat...
Ich will den Thread für die Diskussion nicht derailen, deshalb führe ich das nicht tiefer aus. Aber wenn du dir den Tagesverlauf eines Entwicklers anschaust, womit verbringt er typischerweise die meiste Zeit? Welche Kompetenz sollte ergo bei ihm ausgeprägtesten sein? Und welche Kompetenz lässt sich am ehesten im Selbststudium erwerben?
IT wird nach wie vor als extrem technischer Beruf dargestellt, und diese Darstellung zweifle nicht nur ich, sondern sehr viele mittlerweile an.

Heelix01
2020-02-29, 00:46:33
Ich stelle da auch mal die provokante These in den Raum, dass die quereinsteigenden Softwareentwickler, d.h. welche ohne formale Ausbildung in diesem Bereich, oft mehr Schaden als nützen.

Naja gerade Steuersysteme für Anlagen etc. Werden gerne in labview gemacht.
Denke jede programmiertechnisch interessierte Ingenieur bekommt da brauchbares zustande, ohne Schaden zu verursachen.

Richtige programmiert sind dafür einfach unnötig, diese dürfen sich damit befassen Programme wie labview zu entwickeln.

CGast
2020-03-03, 11:55:01
Entschuldigung fuer die verspaetete Antwort, meine eigene wurde relativ langsam freigeschaltet, sodass ich dann nicht mehr aus Antworten gehofft hatte.

Ich weiss, dass Crashkurse keinen Programmierer machen, sie zeigen einem das Werkzeug, der Rest liegt bei einem selbst. Viel mehr war ja meine Befuerchtung, dass man als solcher Einsteiger keine Chancen hat. Hier im Osten ;) ist das relativ einfach. Hier werden Leute in IT Unternehmen angestellt, die vorher Biologie studiert haben und Windows Word & Excel beherrschen. Anfangs zwar nur als Tester, aber wer willig ist, kommt schnell weit & die Bezahlung ist fuer lokale Verhaeltnisse selbst beim Einstieg noch gut (30% ueber Landesdurchschnitt). Meine Frau hat selbst den Quereinstieg gemacht, jedoch hier noch ein Studium vorangestellt und konnte so als Junior-Entwickler einsteigen und verdient inzwischen mehr als ich.

Mein Fehler war meine Situation nicht vorher zu sehen (sehen zu wollen) und daher nicht hier die Chance genutzt zu haben tatsaechlich genau diesen Weg hier zu gehen, doch nun moechte ich weg. 2,5 Jahre waren genug.

Ich betreue intern einige Tools und loese Kollegenprobleme, so ist das ja nicht, ich denke mal das Mindset ist bei mir tatsaechlich gegeben. Ich kenne = habe "gearbeitet" mit LabView, MATLAB, PHP, HTML, CSS, C++, VBA, Python... Aber alles halt nur auf einfachem Niveau, ohne Code-Reviews, ohne GIT, ohne jemals eine Informatikvorlesung besucht zu haben.
"Das geht und das ist in Ordnung" ist fuer mich nie eine Option, dafuer optimiere ich zu gerne - wobei Monger meinte, dass Ingenieure das gerne uebertreiben...

Scrum-Master klingt interessant, ist zwar kein programmieren in dem Sinn, aber auch da: Ich habe an vielen Projekten gearbeitet, habe jedoch keine Personalverantwortung gehabt. Ich befuerchte mal grosse, gut zahlende Unternehmen in A/CH setzen sowas voraus.

Sollte ich mich fuer den Weg (Scrum, Programmierer, ...) entscheiden, waere der einfachste Weg daher wohl ein Dienstleister? Wie gesagt, ich habe in Maschinenbau exzellente Zeugnisse (Masterabschluss), Arbeitszeugnisse und natuerlich auch Befuerchtungen es aufzugeben und bei quasi 0 zu beginnen.

Monger
2020-03-05, 11:12:10
Dienstleister ist halt mit viel Unsicherheit verbunden. Arbeit ist in aller Regel befristet, Gehalt ist so mittel, und wenn dein Chef ein Arsch ist, bist du ihm ziemlich ausgeliefert. Aber er es ist der einfachste Weg für einen Quereinstieg.

Monger
2020-03-05, 11:29:03
Für den Dienstleister bist du halt ne Ware, und er kriegt dich nur teuer verkauft, wenn dein Portfolio attraktiv ist.
Ich würde damit ganz offen umgehen. Geh hin und frag: was muss ich minimal haben, damit ihr mich verkauft kriegt? Geht klar, ich melde mich in vier Monaten nochmal.

Du wirkst nicht wie ein Fachidiot. Und du kennst deine Grenzen. Beides sehen Arbeitgeber gerne.
Aber da deine Frau ja offenbar in deiner Region in der Branche arbeitet, was sagt die denn zu deinem Plan?