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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Diagnose Autismus als Erwachsener


Dimension
2020-06-15, 11:53:12
Liebes Forum,

seit frühester Kindheit habe ich mich damit gequählt "anders" zu sein und verschiedene Schwierigkeiten gehabt in Schule, Job, Beziehung, Familie.
Bis ich mich entschlossen habe eine Therapeutin aufzusuchen die mich erstmals auf eine mögliche Störung in Richtung ADHS/Autismus hingewiesen hat. Das war vor zwei Jahren und für mich neu und nicht vorstellbar. Ich kann mich aber mittlerweile damit anfreunden, und je mehr ich mich informiere, umso klarer werden meine Verhaltensweisen erklärbar.

Meine Frage ist jetzt. Was mache ich nun damit? ADHS scheint bei mir nur einen kleinen Anteil zu haben, die meiste Resonanz erkenne ich bei Autismus Symptomen. ADHS wäre medikamentös behandelbar, Autismus nicht. Eine 4-wöchige medikamentöse behandlung zeigte keine Wirkung. Ich hätte aber auch keine Lust als Versuchskaninchen zu fungieren und auf gut Glück laufend verhaltensveränderte Medikamente zu testen.

Es ist noch ein gewisser Weg zu gehen, aber angenommen die Diagnose "Autismus" steht fest. Was kann ich dann tun? Wie gehen erwachsene mit Autismus um? Welche Methoden und Strategien gibt es um den Alltag besser im Griff zu haben?

Und dann noch die rechtliche Frage. Darf ich dann weiterhin Autofahren, schwere Maschinen bedienen, Datenbanken bearbeiten, Kinder hüten, Aktien traden, Firmen gründen? Bin ich dann rechtsstaatlich genau so Bürger wie vorher oder verliere ich ein paar Rechte dadurch?

Surrogat
2020-06-15, 12:53:46
Autismus ist ein weites Feld, das reicht vom frühkindlichen Autismus bis hin zu den Leuten die man als High functional bezeichnet, weil sie in ihren Handlungen zumindest im wesentlichen einem Nicht-Autisten entsprechen.

Sofern du lediglich im sozialen Bereich (Blickkontaktvermeidung, Gesprächsproblematiken etc.) den Autismus hast, sehe ich keinen Grund für andere Einschränkungen des täglichen Lebens.

Wichtig wäre hier also eine Einstufung von medizinischer Seite!
Ach ja, beantrag am besten einen Behindertenausweis, als Autist sollten da 50% drin sein, was dir andere Vorteile bringen kann

Monger
2020-06-15, 15:31:56
Such dir entsprechende Netzwerke. Es gibt ja sehr viele Autisten. Nicht gelesen, aber Schattenspringer von Daniela Schreiter ist wohl gut.
Autismus ist ja per se keine Krankheit, man muss nicht therapieren wenn man kein Problem hat.

MAX|HASS
2020-06-15, 15:43:44
Ich finde, er sollte sich erstmal eine zweite Meinung einholen.

Surrogat
2020-06-15, 16:17:50
Ich finde, er sollte sich erstmal eine zweite Meinung einholen.

sagen wir es mal so, er sollte sich die Diagnose von einem erfahrenen Psychotherapeuten holen, ich weiss ja nicht was sein "Therapeut" für eine Qualifikation hat.

@TS: was man als erwachsener Autist machen soll? Nun ganz einfach, leb dein Leben so gut du es kannst, was solltest du auch sonst machen?

Es gibt durchaus erwachsene Autisten die ein stinknormales Leben führen mt Familie, Beruf und Karriere, Hobbys etc, wie jeder andere auch.

Wenn du eine Inselbegabung haben solltest, was übrigens nicht der Standard ist, solltest du dir überlegen diese beruflich zu nutzen. Es gibt schon Agenturen die gezielt Autisten einstellen, z.b. zur Fehlersuche in Programmen etc.

Opprobrium
2020-06-15, 16:20:21
Ich finde, er sollte sich erstmal eine zweite Meinung einholen.
+1

Zuerst einmal: Du verlierst keinerleich Rechte nur weil (falls überhaupt zutreffend) Du autistisch bist. Das ist ein seeeeehr weiter Begriff. Und anders sind wir alle.

Ohne jetzt jemandem zu nahe treten zu wollen: Ich halte die ganze Psychotherapie zu 95% für Humbug, und es wird viel zu schnell mit Diagnosen und Medikamenten um sich geworfen. Aus dem simplen Grund, daß man damit Geld verdient und die Leute ruhig stellt. Gerade ADHS steht exemplarisch dafür.

Popeljoe
2020-06-15, 18:06:21
Eine gute Freundin (früher Kollegin) von mir hat dieselbe Diagnose bekommen. Es ist immer die Frage, wie du es schaffst, die mit Autismus einhhergehenden Probleme für dich zu lösen. Sie kann beispielsweise sehr schlecht Emotionen bei anderen Leuten wahrnehmen. Sie fragt mich deshalb sehr oft, wie ich gewisse Situationen empfunden habe. Ich bin quasi ihre "Krücke". Mit ihr zusammen zu arbeiten war und ist echt klasse!
Du hast durch den Autismus (so es denn wirklich so ist) gewisse Einschränkungen, aber warum solltest du plötzlich nicht mehr Autofahren dürfen? Du hast doch mit Autismus trotzdem deinen Führerschein gemacht. ;)

Korfox
2020-06-15, 18:28:59
+1

Zuerst einmal: Du verlierst keinerleich Rechte nur weil (falls überhaupt zutreffend) Du autistisch bist. Das ist ein seeeeehr weiter Begriff. Und anders sind wir alle.

Ohne jetzt jemandem zu nahe treten zu wollen: Ich halte die ganze Psychotherapie zu 95% für Humbug, und es wird viel zu schnell mit Diagnosen und Medikamenten um sich geworfen. Aus dem simplen Grund, daß man damit Geld verdient und die Leute ruhig stellt. Gerade ADHS steht exemplarisch dafür.

Psychotherapeuten werfen sicher nicht mit Medis um sich ;-)

Disconnected
2020-06-15, 18:34:21
Und dann noch die rechtliche Frage. Darf ich dann weiterhin Autofahren, schwere Maschinen bedienen, Datenbanken bearbeiten, Kinder hüten, Aktien traden, Firmen gründen? Bin ich dann rechtsstaatlich genau so Bürger wie vorher oder verliere ich ein paar Rechte dadurch?
Du verlierst die rechtliche Zugehörigkeit zur Spezies Mensch und wirst eingesperrt. Ernsthaft, in was für einem Job muss man denn das alles machen?

Haarmann
2020-06-15, 23:35:02
Dimension

Asperger? Wird oft erst spät diagnostiziert (las da mal was von 34 im Schnitt) und ist schwer von ADHS unterscheidbar - wobei ADHS mit Ritalin nicht behandeln kannst imo.

Bist Du zudem auch ein Savant?

Wenn Du zu den hochbegabten Aspergern gehörst ... den Umgang mit Menschen kann man durchaus lernen - oder meiden - wie man will.

Surrogat

Jep - Diskriminierungsverbot gibts noch Obendrauf mit dem Ausweis. Das ist nicht zu unterschätzen imo.

Gast
2020-06-15, 23:56:05
Dimension

Asperger? Wird oft erst spät diagnostiziert (las da mal was von 34 im Schnitt) und ist schwer von ADHS unterscheidbar - wobei ADHS mit Ritalin nicht behandeln kannst imo.

Bist Du zudem auch ein Savant?

Wenn Du zu den hochbegabten Aspergern gehörst ... den Umgang mit Menschen kann man durchaus lernen - oder meiden - wie man will.

Surrogat

Jep - Diskriminierungsverbot gibts noch Obendrauf mit dem Ausweis. Das ist nicht zu unterschätzen imo.
KLAR kannst Du ADHS mit Methylphenidat behandeln. Des Weiteren gehen auch Atomoxetin, Modafinil und andere Stimulanzien / Amphetamine...

NRIs wie z.B. Nortriptylin und Desipramin sollen auch teilweise wirken...

Screemer
2020-06-16, 00:06:22
Das führt in jedem Fall zu Persönlichkeitsveränderung und beseitigt nicht nur die Symptome. Wenn man das Behandlung nennt ok.

Surrogat
2020-06-16, 09:53:39
Jep - Diskriminierungsverbot gibts noch Obendrauf mit dem Ausweis. Das ist nicht zu unterschätzen imo.

Diskriminierung von behinderten ist in Deutschland ohnehin per gesetz ausgeschlossen aber mit nem Behindertenausweis hast du z.b. verbesserten Kündigungsschutz und bekommst einige andere Vergünstigungen, z.b. gibts extra ANgebote bei PKW-Leasing für Behinderte etc.

Steuerlich spart man auch bischen was, wenngleich nicht wirklich viel, hab ja selbst wegen meinem Krebs einen Ausweis, daher weiss ich das

Monger
2020-06-16, 10:23:11
Diskriminierung von behinderten ist in Deutschland ohnehin per gesetz ausgeschlossen...
Theoretisch. Praktisch sind die Chancen auf nen Job über den Weg des Gleichstellungsbeauftragten ziemlich mies. Mieser als wenn du deine Behinderung verschweigst. Meine Frau hat ne Sehbehinderung, die hat so ihre Erfahrungen gemacht.

Aber nochmal: Autismus ist per se keine Krankheit. Gibt natürlich Autisten die Behinderungen haben.
Autismus zu diagnostizieren ist erstmal nur wie Linkshändigkeit zu diagnostizieren: eigentlich irrelevant, aber die Umwelt ist darauf halt schlecht eingestellt.

Popeljoe
2020-06-16, 12:55:38
Das führt in jedem Fall zu Persönlichkeitsveränderung und beseitigt nicht nur die Symptome. Wenn man das Behandlung nennt ok.
:up: Da kann man sich auch gleich nen Kopfschuss geben. Diese Medis sind einfach nur gruselig!

konkretor
2020-06-16, 14:49:31
Wir hatten jetzt auch einen jungen Menschen bei uns der ein Praktika gemacht hat und der definitv Autismus hat. Hat auch einen Betreuer vom Jugendamt.



Mein Chef wollte den erst gar nicht haben, mit so Menschen kann er nix anfangen.

Er war dann trotzdem bei mir in der Abteilung. Sein Praktika ging mehrere Moante immer einen Tag in der Woche.



Habe den Witz gerissen, das einige Programmierer bei uns auch nicht anders drauf wären. Da mußte er lachen. Ich denke er hats verstanden.....

Dimension
2020-06-17, 10:47:41
Hallo,

eine zweite Meinung habe ich im Prinzip bereits, stimme aber eben nicht damit überein. Einmal von einer Psychotherapeutin die mich kennt, und von einer Psychologin, und eine Psychaterin hatte mir ja schon Medikamente verschrieben.

Bevor ich also nochmal das Prozedere einer Diagnose anstrebe, möchte ich vorher das Gespräch mit anderen Personen suchen die im das Asperger/Autismus Spektrum sind und zuvor auf ADHS Diagnostiziert wurden.

Ich habe andere Personen gesehen die mit Medikamenten behandelt wurden, und mir hat nicht gefallen was ich gesehen habe. Es dauert immer eine Weile bis man richtig "eingestellt" ist, und Korrekturen finden in Zeiträumen von 14 -30 Tagen statt. In der Zeit muss ich voll zurechnungsfähig sein, das verlangt einfach der Job von mir.

Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass ich wieder mal dabei bin meinen Job zu verlieren weil ich zu viele Fehler mache. Nur dass es diesmal ein Job ist der mir gefällt, Kollegen sind cool, Bezahlung ist "gut". Aber das wöchentliche Jour Fixe mutiert immer zu meiner persönlichen Liste von Fehlern und Versäumnissen. Das stresst unsere Kunden, meine Kollegen und mich.

Daneben wird das Leben teurer, ich hänge aber immer noch beim Gehalt von vor 10 Jahren und irgendwann gehts halt an die Existenz. Ich kann gut und gerne damit Leben mich vor der Welt zu verstecken, muss aber gut genug funktionieren um mehr als meine Grundkosten decken zu können.
Und vielleicht möchte ich mir mal mehr leisten können als eine 1-Zimmer Wohnung.

Das ist der Hintergrund. Mir ist egal was es jetzt wirklich ist, ich brauche Hilfestellungen in meinem (beruflichen) Alltag und weiß nicht an wen ich mich wenden soll.

Haarmann
2020-06-17, 15:42:24
KLAR kannst Du ADHS mit Methylphenidat behandeln. Des Weiteren gehen auch Atomoxetin, Modafinil und andere Stimulanzien / Amphetamine...

NRIs wie z.B. Nortriptylin und Desipramin sollen auch teilweise wirken...

Meinte meine Psychotante damals auch - ich ging mit dem Rezept zur Apotheke, mit dem Ritalin zu nem "Drogenumschlagsplatz" und mit dem Geld dann weiter...

Selbstredend hat die Dame die Therapie als extrem erfolgreich selbstbewertet...

Man behandelt, wenn man seriös ist, keine Mitmenschen mit sowas, nur weil man selbst ein Problem mit diesen Mitmenschen hat - man sucht - wenn man denn Anstand hätte, die Lösung bei sich selbst.

Surrogat

Bei uns bekommt man mit so ner Diagnose uU sogar ne Rente zugesprochen. Natürlich hats dann auch ne Kehrseite, aber das entscheidet ja jeder für sich selbst.

Aber das man das bei Krebs bekommt - wusste ich jetzt echt noch nicht. Wieder was gelernt.

Atropin
2020-06-17, 18:22:34
Liebes Forum,

seit frühester Kindheit habe ich mich damit gequählt "anders" zu sein und...

Lieber TE,

Du bist teils "anders" als die Anderen und teils gleich. Das sind wir alle.

Unterschiedlichste Probleme in der Schule, im Job und in der Familie haben wir auch "Alle". Ich sehe jetzt im ersten Moment nichts, was Dich dahingehend von Anderen unterscheidet, außer einen gewissen Leidensdruck deinerseits. Ich kenne Deine Geschichte aber nicht und kann das deshalb natürlich nicht beurteilen.

Anteilig beherbergen wir wohl "Alle", mehr oder weniger ausgeprägt, sämtliche psychischen Auffälligkeiten.

Das folgende geht jetzt nicht gezielt in Deine Richtung, aber beschreibt meine Wahrnehmung der letzten Zeit.

Gesellschaftlich setzt sich seit einigen Jahren immer mehr eine "Opfer-Mentalität" durch, eine Art Modeerscheinung welche gesellschaftlich massiv gehypet wird. Das Problem daran ist, dass man damit vermehrt Verantwortung und Reflexion gegenüber der Eigenen Person abgibt. Unter dem Motto: "Juhuu, ich bin krank - demnach kann ich da gar nichts für" Gibt es da Tabletten gegen?

Die gibt es sicherlich, aber wird sie helfen?

Du hast leider eine Diagnose "gezogen" wogegen es keine Tabletten gibt, was Dich etwas "verzweifeln" lässt. Jetzt hast du einen "kranken" Anteil in Dir, auf den Du in Deiner Welt keinen Einfluss hast. Was für eine schreckliche Sackgasse.

Ich hoffe du verstehst die Message zwischen den Zeilen.

Psychopat
2020-06-17, 22:16:22
Ich hab auch einige Erfahrung mit dem Thema. Eine gute Freundin von mir ist Autistin, witzigerweise war ich es der das erkannt hat. Nicht den Autismus, aber das bei ihr was anders ist. Genauer habe ich ihr für die Uni Physik erklärt und dabei festgestellt, das sie sehr selektiv ist was Erklärungsmethoden angeht. Sie kann visuell nicht lernen. Etwas zu zeigen bringt gar nichts. Ich muss es ihr in Worten bescheiben, sonst kommt nichts an. Ich hab ihr daraufhin geraten mal zum Psychologen zu gehen und sich auf Lernschwächen untersuchen zu lassen. Heraus kam dann die Autismus Diagnose. Aber erst vom zweiten Arzt, der erste hat ADHS gesagt.

Ich würde Autismus beschreiben als ein anders strukturiertes Gehirn. Das Wissen darum kann einem das Leben erleichtern, wenn man es akzeptiert und man nicht auf Teufel komm raus "normal" sein will. Konkret auf die Freundin bezogen, durch die Diagnose durfte sie Prüfungen alleine in einem extra Raum schreiben (weniger Ablenkung) und mit mehr Zeit als die anderen. Das hat schon viel Stress im Studium reduziert. Ihr war es aber immer unangenehm zu den Professoren zu gehen und ihre Lage zu erklären.

Konkret auf Job bezogen und "Therapie":
Es gibt Autismus Netzwerke die Dir da helfen können. Vom hiesigen weiß ich das es da eine zuständige Sozialarbeiterin (Psychologin?) gibt, die sich um die Leute kümmert und auch speziell bei Problemen im Job hilft. Das sieht dann so aus, das sie die Leuten auf der Arbeit besucht und schaut wie sich die Situation dort verbessern lässt. Also das sie z.B. mit dem Chef spricht und ihm erklärt wie man mit Autisten besser umgeht.
Meiner Erfahrung nach ist genau das die beste "Therapie". Also, nicht das Du Dich änderst, sondern das die Anderen ihren Umgang mit Dir ändern. Das ist wesentlich leichter machbar. Wenn man weiß wo Deine Schwächen sind, kann man versuchen diese so gut es geht zu umschiffen.
Nach so einem Autismus Netzwerk in Deiner Stadt zu suchen wäre also mein Rat an Dich. Die kennen sich am besten aus und können sämtliche Fragen die Du hast beantworten. Auch was Deine Diagnose angeht.

Schwächen kann man als Autist auch verbessern, aber das geht langsam und anstrengend. Die besagte Freundin von mir ist mittlerweile Apothekerin und Steht gerne im Verkauf. Ist also eine Tätigkeit mit viel Kontakt zu anderen. Es hat ziemlich lange gedauert bis sie sich da eingearbeitet hat, aber sie hat es hinbekommen.
Hier ist ihr Autismus sogar hilfreich, da sie es nicht merkt wenn Kunden zwischen den Zeilen nicht nett sind. Sie merkt es einfach nicht und regt sich deswegen nicht auf, bleibt freundlich.

Korfox
2020-06-18, 09:39:10
Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass ich wieder mal dabei bin meinen Job zu verlieren weil ich zu viele Fehler mache. Nur dass es diesmal ein Job ist der mir gefällt, Kollegen sind cool, Bezahlung ist "gut". Aber das wöchentliche Jour Fixe mutiert immer zu meiner persönlichen Liste von Fehlern und Versäumnissen. Das stresst unsere Kunden, meine Kollegen und mich.

Daneben wird das Leben teurer, ich hänge aber immer noch beim Gehalt von vor 10 Jahren und irgendwann gehts halt an die Existenz. Ich kann gut und gerne damit Leben mich vor der Welt zu verstecken, muss aber gut genug funktionieren um mehr als meine Grundkosten decken zu können.
Und vielleicht möchte ich mir mal mehr leisten können als eine 1-Zimmer Wohnung.

Das ist der Hintergrund. Mir ist egal was es jetzt wirklich ist, ich brauche Hilfestellungen in meinem (beruflichen) Alltag und weiß nicht an wen ich mich wenden soll.
Das ist also was du gerade eigentlich willst/brauchst. Eine Idee, wie du denen Job weitermachen kannst bzw. fehlerärmer und besser wirst. Symptombekämpfung.
Hast du Mal mit deiner Therapeutin besprochen, ob sie evtl. eine Idee hat, wie man genau das kompensieren kann? Sie wird ja wissen, was du arbeitest und ggf. Ideen haben, wie du da Fehler vermeiden kannst (auf Ideen wie Checklisten o.ä. wirst du selbst schon gekommen sein, wenn es was bringt/bringen könnte).

Haarmann
2020-06-18, 13:50:35
Den Tag kennt wohl kaum einer ...

Als Aspi bist laut Definition "krank" - warum eigentlich?
Wenn man der ABC Fraktion (also die mit den immer mehr Buchstaben, die keiner überblicken kann und mit nem L beginnen) zugesteht nicht krank zu sein, dann wirkt das imo befremdlich.

Weils so definiert ist - und es werden Dir alle Nachteile gezeigt - die Vorteile werden Dir jeweils verschwiegen. Die kann und darf man aber nicht nur sehen, sondern auch gezielt nutzen.

Alle reden zB vom "Pokerface" - Du hast das - so Du willst.

Du musst nur Deine innere Ruhe finden - dann verschwinden die Fehler ziemlich schnell - gerade mit Deinem Umfeld müsste das eigentlich klappen - aber wissen die eigentlich, wer Du bist?
Heute wär der Tag dazu ... Aspi Day eben.

Vielleicht findest eine Gruppe mit Deinem Level - also in Real. Nebenher - wenn Du den Leuten nicht gerne in die Augen siehst, warum auch immer, leicht verspiegelte Sonnenbrille fällt nicht auf, aber kaschiert zB dies tiptop.

Funktioniere nicht - lebe.

Monger
2020-06-18, 14:22:16
Es gibt Autisten, die sind extrem produktiv - mit der richtigen Arbeitsumgebung. Manche brauchen da sehr viele Ruhe mit möglichst keiner Ablenkung. Deshalb hat Albert Einstein ja angeblich so gerne im Patentamt gearbeitet, da war er oft völlig ungestört.
Egal ob man sich jetzt so klassifiziert oder nicht - es wäre schon wichtig der Frage nachzugehen, was konkret auf Arbeit nicht läuft, und wie du das verbessern kannst. Daran ändert ne Diagnose wenig.

Simon Moon
2020-06-18, 14:48:42
Den Tag kennt wohl kaum einer ...

Als Aspi bist laut Definition "krank" - warum eigentlich?
Wenn man der ABC Fraktion (also die mit den immer mehr Buchstaben, die keiner überblicken kann und mit nem L beginnen) zugesteht nicht krank zu sein, dann wirkt das imo befremdlich.


Nun, in den aktuellen DSMs und ICDs werden psychische "Krankheiten"* über den Leidensdruck der Patienten definiert. Nun als LBGQT ist das Problem ziemlich einfach strukturiert: Du hast eine Sexualpreferenz die ungewöhnlich ist; wennn du das akzeptierst und einen Partner findest ist das Problem eigentlich soweit gelöst. Auch für die Gesellschaft ist es im Prinzip relativ einfach damit umzugehen: Ah, der/die fickt jetzt halt mit dem/der, ok, kein Problem für mich.



Dazu ist es denke ich auch wichtig auf die Psychiater zu schauen. Ein durchschnittlicher Psychiater / Psychologe hat erfahrungsgemäss nicht viel auf dem Kasten / interessiert sich nicht wirklich für die Introspektive seiner Patienten. Der macht es eigentlich einfach, er fragt dich "was willst du?" und danach indoktriniert er dich einfach solange bis du keine Zweifel mehr an deinen Wünschen hast** - Problem gelöst. Gesellschaftlich gilt ja sowieso das Motto, frei nach Jack Sparrow, "Nimm was du kriegen kannst und gib nichts wieder zurück" - Solidarität, Empathie und solches Zeugs ist ja nur auf einer oberflächlichen Höflichkeitsebene wichtig geheuchelt zu werden.


So und nun haben wir den Autisten. BAMM! Was willst du dem geben, damit er glücklich ist? Du kannst nicht einfach seine Wünsche verstärken und hoffen, dass sich seine Gefühlslage verbessert. Auch die Gesellschaft kann nicht einfach "akzeptieren" (auch wenn das natürlich Voraussetzung bleibt), dass das jetzt halt ein Autist ist und damit hat sichs. Autisten sind da halt einfach komplexer und individueller und darauf muss man eingehen, also eben wirklich eingehen und empathisch sein. Nun, siehe oben, solange natürlich kein Leidensdruck da ist und keine Beeinträchtigungen im Alltag vorkommen, ist der Patient per Definition ja gesund - kommt aber nun der Leidensdruck auf, dann wirds eben schwierig. Vielleicht fahren dann die Psychiater ja tatsächlich eine andere Schiene, aber jedenfalls reicht es nicht mehr den Patienten zu indoktrinieren und die Gesellschaft zur Akzeptanz zu erziehen, damit das Problem gelöst wird, sondern es ist ein stetiger, nie endender Prozess an dem gearbeitet werden muss - und daher wird das als "krank" bezeichnet. Man könnte natürlich auch sagen, dass es an mangelnder Empathie und Verständnis in der Gesellschaft liegt, aber das will keiner hören.





* Eigentlich Syndrom, also eine Ansammlung Symptome. Für eine Krankheit bräuchte man einen konkreten Auslöser wie z.b. ein Pilz, ein Bakterium oder ein Virus.


** Kommt besonders geil bei depressiven Narzissten, die sich fragen wieso alle finden, dass sie ein Arschloch sind. Da rät der Psychiater dann nicht etwa, vielleicht doch auch mal zu überlegen wie man auf andere wirkt, sondern spielen natürlich das gleiche Schema wie oben ab. Resultat: Der Narzisst wird ein noch grösseres Arschloch, fühlt sich aber nicht mehr so beschissen weil ihm einmal wöchentlich der Arsch geleckt wird.

Dimension
2020-06-19, 09:32:08
Leidensdruck ist das Stichwort dass meine Therapeutin ebenfalls verwendet, auch mit den Beispielen die genannt wurden.

Ich nenne mal ein paar Wiederkehrende Beispiele aus meinem Alltag:

Ich richte gerade ein Benutzerprofil ein mit Benutzerkonto, Mailkonto, Spamfilter, benutzerspezifischen Einstellungen. Wärenddessen bekomme ich von meinem Vorgesetzten eine Information für einen Termin in der Zukunft. Nun stehe ich vor der Wahl: Die Arbeit unterbrechen und alles notieren, aber wo notieren? Am besten im Ticket für den Termin, Ticketsystem öffen und warten, Ticket öffnen und warten, Infos eintr ... Telefon klingelt, dringendes Problem, ich mache eine Remote Session zum Kunden auf und kann nicht anfangen mich ums Problem zu kümmern weil mich der Kunde vollabert wie wichtig seine Arbeit nicht sei und blabla. Ich kann das Problem nicht Adhoc lösen und frage den Kunden ob es für ihn in Ordnung ist wenn ich ihn später zurückrufe, was der Kunde bejaht.

Was mache ich jetzt zuerst?
Die eigentliche Tätigkeit zu Ende bringen und das Benutzerprofil anlegen?
Dann vergesse ich die Zeit für die gerade getätigte Arbeit zu erfassen.

Die Info für den nächsten Termin im Ticket eintragen?
Dann vergesse ich 1-2 Schritte beim Anlegen des Benutzerprofils.

Ein Ticket für den akuten Fall anlegen und die bisherige Zeit eintragen?
Dafür muss ich das derzeit geöffnete Ticket schließen und vergesse wieder die Info einzutragen.

Am Ende vergesse ich dann noch drauf den Kunden zurückzurufen.


Eine andere Situation:
Ich bin beim Kunden vor Ort und der Kunde macht einen Witz oder bietet mir etwas aus der Kategorie Eis/Kaffee/Lutscher an, und ich stehe dann vor dem Problem dass ich verschiedene Dinge auf einmal tun muss. Mit dem Kunden smalltalken, Eis essen, Problem lösen. Was dann passiert ist dass ich den Kunden abwürge, das Eis wegkaue und mich wieder ans Problem mache. Ich nehme an das mich deshalb manche Kunden nicht sympathisch finden und entweder meine Kollegen bevorzugen, oder bei mir Fehler weniger tolerieren.

Oder was mir letztens passiert ist.
Komme beim Kunden an und stelle fest: Laptop daheim vergessen... was machen?
Den Kunden informieren und einen neuen Termin ausmachen?
Vorgesetzten informieren und fragen was tun?
Jemanden organisieren der mir das Gerät vorbei bringt und wärenddessen tun was ich kann?

Was mir dabei aber tatsäschlich durch den Kopf geht?
"Ich kann den Job nicht muss kündigen ... was hat der Kunde für ein Modem? ... bin unprofessionell ... deshalb schaff ichs nicht im Leben ... ich sollte kündigen ... vielleicht kann ich den Computer des Kunden verwenden? ... und nächste Woche kündigen ... wie war nochmal die IP von Modem? ... Kündigen ... wie war der Login vom Modem ... wie komme ich jetzt aus dieser Situation? ... ich starte mal das Modem neu damit der Kunde sieht dass ich was tue ...

Am Ende war die Firewall kaputt ... Glück gehabt.

Diese Situationen begleiten mich dann bis in den Schlaf, oder eben durch schlaflose Nächte. Ich kann mich dann auch auf nichts anderes konzentrieren, Filme, Spiele, Musik lenken mich dann nicht ab sondern führen zu noch mehr Stress. Oder ich vergesse nach so einem Tag auch noch auf eine private Verabredung und die eine Person bei der ich mich "ausheulen" hätte können, ist jetzt stinksauer auf mich.

Am nächsten Morgen bin ich dann leicht spät dran ins Büro zu kommen. Erster Kommentar: "Du solltest doch direkt zum Kunden, das hab ich dir doch gestern gesagt!", das war die Info die ich hätte aufschreiben sollen.

Also ja. "Leidensdruck" wäre das Stichwort.

Haarmann
2020-06-19, 12:08:02
Simon Moon

Wenn ich mir selbst ne Diagnose erstellen würde, dann bin ich ein simpler hochbegabter Aspi, wo man, je nach Laune, nen Savant dazuhängen kann. Allerdings hätte ich eher die "Getriebenen" etc als "krank" beschrieben.
Die Kreuzchen kann ich ja selbst machen - und die passen auch auf meine Kindheit - was mich aber daran wirklich nervt ist - es wird nie gefragt, warum das ein Kind so handhabt... es gibt auch Eselslogik - mach oder werde "bestraft".
Musste ja mal so ne Diagnosepisse mitschreiben für diese Geister... die wollten auch nur Kreuzchen machen - kann ich auch.

Nehmen wir mich mal als Kind - warum spielst Du nicht mit gleichaltrigen?
Weil ich Fussball und Puppen Scheisse finde?
Warum sagst Du nix, wenn Du bei den älteren zB beim Schach zusiehst?
Weil die mich dann wegschicken würden?

Das nervt mich irgendwie weit mehr an solcher Diagnostik.

Und wenn die Leerer halt weiterhin jeden Trottel in die Klasse stellen wollen - wirds halt auch immer mehr Kinder geben, die sich langweilen ohne Ende - dann gibts dann die ADHS Diagnose, denn auf die logische Idee, der "hochstehende" Unterricht ist arschlangweilig kommt ja keiner der Helden.
Das es zudem eine Zumutung darstellt, wenn man absolute Deppen in der Klasse hat, leuchtet denen auch nie ein. Wir sind ja alle gleich und so... das der Depp unwohl ist und die Anderen auch - das interessiert die "Gleichmacher" ja eh nie.
Ich gestehe ich habe später ein Experiment gemacht - es heisst ja dumm fi... gut - also hab ich das mit einer "Leuchttürmin des Wissens" aus meiner 1en Klasse später mal auf die Probe gestellt... nee, auch dafür kannst zu blöd sein ;).

Ich sehs bei meiner Tochter im KiGa - da ist ein imo offensichtlich autistisches Kind dort (beim Anblick jeglicher Zeichnung wird jedem die "motorische Störung" auffallen - wenn ers sehen möchte - will keiner - besonders die Mutter nicht) - und die Leerpersonen merken offenbar nix - die Kinder schon... und nein es ist nicht normal mit einer Holzleiter von nem Puppenhaus im Gang zu hocken und aufm Boden rumzukratzen... ganz besonders nicht, wenn Gruppenarbeiten angesagt ist und er nicht bei seiner Gruppe ist.

War ja schon immer so - wenn nen passenden Partner findest - dann hast Ruhe - auch wenn nicht "normal" bist - jedenfalls wenn das keiner mitbekommt.

Die Gesellschaft beschäftigt sich gerade mit wichtigen Dinge - Mohrenköpfen ;).

Monger

Und manche können, wenn se zusammengeschissen werden, einfach hinstehen und es ist ihnen scheissegal ... so gehst viel Ärger ausm Weg, aber wenn Menschen unter Stress stehen - dann machens Fehler. Stressless - auch mal nicht als Stuhl...

Atropin
2020-06-19, 16:43:22
Was mir dabei aber tatsäschlich durch den Kopf geht?
"Ich kann den Job nicht muss kündigen ... was hat der Kunde für ein Modem? ... bin unprofessionell ... deshalb schaff ichs nicht im Leben ... ich sollte kündigen ... vielleicht kann ich den Computer des Kunden verwenden? ... und nächste Woche kündigen ... wie war nochmal die IP von Modem? ... Kündigen ... wie war der Login vom Modem ... wie komme ich jetzt aus dieser Situation? ... ich starte mal das Modem neu damit der Kunde sieht dass ich was tue ...



Menschen sind soziale Wesen und in abgeschwächter Form kenne ich deine Gedanken.

Ich sehe hier nichts von Asperger oder Autismus sondern für mich sind das Selbsterfüllende Prophezeiungen aufgrund eines stark ausgeprägten "Perfektionismus".

Perfektionismus beschreibt ja ein "ängstliches" Kreisen um die eigene Person. Du handelst aus einer Angst heraus die Erwartungen der Anderen nicht erfüllen zu können. Hier würde ich an Deiner Stelle ansetzen und versuchen es mit einem Therapeuten herauszuarbeiten warum das in Deinem Falle so ist.

Die Angstspirale führt zu Deinen klassischen Blockaden, Gedanken und daraus resultierenden "Fehlern".

Du bist viel zu sehr im "Ich" wie sollst Du Dich da um Andere kümmern können?

Korfox
2020-06-19, 20:29:33
Leidensdruck ist das Stichwort dass meine Therapeutin ebenfalls verwendet, auch mit den Beispielen die genannt wurden.

Ich nenne mal ein paar Wiederkehrende Beispiele aus meinem Alltag:

Ich richte gerade ein Benutzerprofil ein mit Benutzerkonto, Mailkonto, Spamfilter, benutzerspezifischen Einstellungen. Wärenddessen bekomme ich von meinem Vorgesetzten eine Information für einen Termin in der Zukunft. Nun stehe ich vor der Wahl: Die Arbeit unterbrechen und alles notieren, aber wo notieren? Am besten im Ticket für den Termin, Ticketsystem öffen und warten, Ticket öffnen und warten, Infos eintr ... Telefon klingelt, dringendes Problem, ich mache eine Remote Session zum Kunden auf und kann nicht anfangen mich ums Problem zu kümmern weil mich der Kunde vollabert wie wichtig seine Arbeit nicht sei und blabla. Ich kann das Problem nicht Adhoc lösen und frage den Kunden ob es für ihn in Ordnung ist wenn ich ihn später zurückrufe, was der Kunde bejaht.

Was mache ich jetzt zuerst?
Die eigentliche Tätigkeit zu Ende bringen und das Benutzerprofil anlegen?
Dann vergesse ich die Zeit für die gerade getätigte Arbeit zu erfassen.

Die Info für den nächsten Termin im Ticket eintragen?
Dann vergesse ich 1-2 Schritte beim Anlegen des Benutzerprofils.

Ein Ticket für den akuten Fall anlegen und die bisherige Zeit eintragen?
Dafür muss ich das derzeit geöffnete Ticket schließen und vergesse wieder die Info einzutragen.

Am Ende vergesse ich dann noch drauf den Kunden zurückzurufen.


Eine andere Situation:
Ich bin beim Kunden vor Ort und der Kunde macht einen Witz oder bietet mir etwas aus der Kategorie Eis/Kaffee/Lutscher an, und ich stehe dann vor dem Problem dass ich verschiedene Dinge auf einmal tun muss. Mit dem Kunden smalltalken, Eis essen, Problem lösen. Was dann passiert ist dass ich den Kunden abwürge, das Eis wegkaue und mich wieder ans Problem mache. Ich nehme an das mich deshalb manche Kunden nicht sympathisch finden und entweder meine Kollegen bevorzugen, oder bei mir Fehler weniger tolerieren.

Oder was mir letztens passiert ist.
Komme beim Kunden an und stelle fest: Laptop daheim vergessen... was machen?
Den Kunden informieren und einen neuen Termin ausmachen?
Vorgesetzten informieren und fragen was tun?
Jemanden organisieren der mir das Gerät vorbei bringt und wärenddessen tun was ich kann?

Was mir dabei aber tatsäschlich durch den Kopf geht?
"Ich kann den Job nicht muss kündigen ... was hat der Kunde für ein Modem? ... bin unprofessionell ... deshalb schaff ichs nicht im Leben ... ich sollte kündigen ... vielleicht kann ich den Computer des Kunden verwenden? ... und nächste Woche kündigen ... wie war nochmal die IP von Modem? ... Kündigen ... wie war der Login vom Modem ... wie komme ich jetzt aus dieser Situation? ... ich starte mal das Modem neu damit der Kunde sieht dass ich was tue ...

Am Ende war die Firewall kaputt ... Glück gehabt.

Diese Situationen begleiten mich dann bis in den Schlaf, oder eben durch schlaflose Nächte. Ich kann mich dann auch auf nichts anderes konzentrieren, Filme, Spiele, Musik lenken mich dann nicht ab sondern führen zu noch mehr Stress. Oder ich vergesse nach so einem Tag auch noch auf eine private Verabredung und die eine Person bei der ich mich "ausheulen" hätte können, ist jetzt stinksauer auf mich.

Am nächsten Morgen bin ich dann leicht spät dran ins Büro zu kommen. Erster Kommentar: "Du solltest doch direkt zum Kunden, das hab ich dir doch gestern gesagt!", das war die Info die ich hätte aufschreiben sollen.

Also ja. "Leidensdruck" wäre das Stichwort.
Das ist ja eine Kombination aus Undingen.
Ich weiß nicht, wie genau deine "Situation" ist, aber wenn ich etwas mache und da gerade nicht gestört werden sollte, dann ist mein Telefon stumm, Outlook aus, Skype und Teams auf "nicht-stören" und meinem Chef sage ich, er soll in 30 Minuten wieder kommen oder einen Termin per Mail machen (wenn es dringend und wichtig ist - das kann er beurteilen - dann bleibt er und weiß, dass meine aktuelle Tätigkeit dabei stirbt und ich da von 0 anfangen werde).
Wenn man so nicht vorgehen kann, dann braucht es halt doch "Checklisten".

Du bist ein Ticket am bearbeiten? Dein Chef kommt zu dir? Schreibe dir auf einen Zettel die Ticketnummer und die nächsten Schritte, dann darf dein Chef. Notiere (wie auch immer), was dein Chef sagt und schreibe auf deinen Zettel, dass du das nachbereiten musst. Ruft der Kunde an? Ticketnummer vom alten Ticket notieren, Ticket zu, neues Ticket aufmachen.

Du musst auf den Außeneinsatz? Gehe deine Außeneinsatz-Checkliste durch, auf der auch dein Laptop steht.

Du hast nunmal die Symptome (wobei das ja eigentlich jetzt erstmal nur eine potentiell schwache Multithreading-Leistung ist). Da du sie kennst hast du die Chance, dir Brücken zu bauen, um zu beheben, was dich stört. Dein Job überfordert dich ja offensichtlich nicht. Der Umgang mit Menschen scheint dich zu überfordern. Und wenn dein Chef nicht damit klar kommt, dann musst du ihm halt sagen: "Moment, ich muss jetzt erst festhalten, was ich machen muss, dann darfst du reden.". Es ist ja in euer beider Interesse.

Psychopat
2020-06-19, 21:09:25
Mein Kommentar zu dem beschriebenen Alltag:
Eine Typisches Problem von Autisten ist, das sie absolut nicht multitasken können und starke Probleme haben Prioritäten zu erkennen, wenn sie mehrere Aufgaben abzuarbeiten haben. Also genau das, was Du beschreibst.

Das einzige was da hilft ist mit der Diagnose Autismus zu Deinem Chef gehen und ihn fragen, ob man deine Aufgaben in der Arbeit so gestalten kann das du weniger multitasken musst und weniger priorisieren musst. Erkläre ihm das es Dich wesentlich mehr stört als Deine Kollegen, wenn man Dich in der Arbeit unterbricht.

Die Problematik ist vergleichbar mit einem Legasteniker. Den würde man auch nicht zum Korrekturlesen einsetzen. Muss der Chef halt wissen das es dieses Problem gibt, dann gibt man dem halt andere Aufgaben.

Atropin
2020-06-19, 22:08:54
Das ist ja eine Kombination aus Undingen.


Was jetzt genau?

Die Situation beschreibt einen völlig normalen Arbeitsablauf. Blöd wenn mal 3 Aufgaben mehr oder weniger simultan eingehen, aber das kann doch mal passieren.

Der Chef gibt ne kurze´ Info. Ein Kunde ruft an. Und das alles während man grade eine andere Aufgabe erledigt. So what?

Atropin
2020-06-19, 22:17:44
Mein Kommentar zu dem beschriebenen Alltag:
Eine Typisches Problem von Autisten ist, das sie absolut nicht multitasken können und starke Probleme haben Prioritäten zu erkennen, wenn sie mehrere Aufgaben abzuarbeiten haben. Also genau das, was Du beschreibst.

Das einzige was da hilft ist mit der Diagnose Autismus zu Deinem Chef gehen und ihn fragen, ob man deine Aufgaben in der Arbeit so gestalten kann das du weniger multitasken musst und weniger priorisieren musst.

Wir alle können im Grunde gar nicht oder nur ganz schlecht multitasken. Das ist die Abstand die unproduktivste Form der Arbeit, die man machen kann. Auch das ist kein autistisches Alleinstellungsmerkmal.

Und bitte geh damit nicht zu deinem Chef.

Noch eine Anmerkung zu Deiner Freundin mit angeblichem Autismus. Da macht sich bei mir leider auch ein ganz surrealer Film breit. Sie war bei zwei Psychologen und bekommt zwei unterschiedliche Diagnosen? Und dann pickt Sie sich die heraus, die ihr und Dir am besten gefällt? Ist das ne´Form von Psych-DRG shoppen gehen?

Psychopat
2020-06-20, 10:11:20
Wir alle können im Grunde gar nicht oder nur ganz schlecht multitasken. Das ist die Abstand die unproduktivste Form der Arbeit, die man machen kann. Auch das ist kein autistisches Alleinstellungsmerkmal.

Und bitte geh damit nicht zu deinem Chef.

Noch eine Anmerkung zu Deiner Freundin mit angeblichem Autismus. Da macht sich bei mir leider auch ein ganz surrealer Film breit. Sie war bei zwei Psychologen und bekommt zwei unterschiedliche Diagnosen? Und dann pickt Sie sich die heraus, die ihr und Dir am besten gefällt? Ist das ne´Form von Psych-DRG shoppen gehen?

Schon mal Autisten bei der Arbeit erlebt? Mehrere? Ja oder nein?
Wenn nein, einfach mal die Klappe halten wenn man keine Ahnung hat.

Zur Diagnose der zwei Ärtzte: Nach der ADHS Diagnose hat sie Rittalin verschrieben bekommen und darauf wie auf LSD reagiert ("Ich sehe die Farben so intensiv!"). Hat nichts gebracht. Ähnliche Sache wie beim TS. Nach dieser offensichtlichen Fehldiagnose dann zu nem anderen Arzt, dann dort sämtliche Tests auf Autismus die es so gibt. Und dann noch alle die man online so finden kann. Haben alle angeschlagen. Dann Treffen mit dem lokalen Autismus Netzwerk, treffen mit vielen anderen Autisten, feststellen das alle ähnliche Problem und schwierigkeiten haben. Tut halt alles nichts zur Sache und ist persönlich, aber muss man anscheinend doch ausbreiten bei Klugscheissern wie Atropin.

Die einzige Möglichkeit, ein für Autisten angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist den Chef und die Kollegen über die eigenen Besonderheiten aufzuklären. Am besten zusammen mit dem betreuenden Sozialarbeiter. Siehe Autismusnetzwerk.
Alles andere ist wie der Versuch eines Einbeinigen beim Marathon mit zu halten.

Das Gespräch mit dem Chef suchen ist übrigens der Vorschlag vom Autismusnetzwerk, nicht von mir. Aber Atropin hat ja mehr Erfahrung als ne Sozialarbeiterin dere Job es ist Autisten zu helfen...

Gast
2020-06-21, 13:21:42
Notier dir alles auf Papier und nutze Checklisten.

Atropin
2020-06-21, 21:32:57
Schon mal Autisten bei der Arbeit erlebt? Mehrere? Ja oder nein?
Wenn nein, einfach mal die Klappe halten wenn man keine Ahnung hat.

Zur Diagnose der zwei Ärtzte: Nach der ADHS Diagnose hat sie Rittalin verschrieben bekommen und darauf wie auf LSD reagiert ("Ich sehe die Farben so intensiv!"). Hat nichts gebracht. Ähnliche Sache wie beim TS. Nach dieser offensichtlichen Fehldiagnose dann zu nem anderen Arzt, dann dort sämtliche Tests auf Autismus die es so gibt. Und dann noch alle die man online so finden kann. Haben alle angeschlagen. Dann Treffen mit dem lokalen Autismus Netzwerk, treffen mit vielen anderen Autisten, feststellen das alle ähnliche Problem und schwierigkeiten haben. Tut halt alles nichts zur Sache und ist persönlich, aber muss man anscheinend doch ausbreiten bei Klugscheissern wie Atropin.

Die einzige Möglichkeit, ein für Autisten angenehmes Arbeitsumfeld zu schaffen, ist den Chef und die Kollegen über die eigenen Besonderheiten aufzuklären. Am besten zusammen mit dem betreuenden Sozialarbeiter. Siehe Autismusnetzwerk.
Alles andere ist wie der Versuch eines Einbeinigen beim Marathon mit zu halten.

Das Gespräch mit dem Chef suchen ist übrigens der Vorschlag vom Autismusnetzwerk, nicht von mir. Aber Atropin hat ja mehr Erfahrung als ne Sozialarbeiterin dere Job es ist Autisten zu helfen...

Dein Post wirkt auf mich nicht souverän.

Du gehst mich dreimal an.( "Klugscheisser, Klappe halten, du hast keine Ahnung"). Wenn jemand emotional so aufgeladen reagiert hat er doch in Wirklichkeit Angst, dass sein eigenes Weltbild doch große Löcher aufweist. So ein Verhalten sieht man eher bei Kindern, daher ist die Reaktion nicht reif sondern sehr infantil und entlarvend.

Dann wird es auch noch moralisierend. " Ich will da nicht drüber sprechen, da es zu Intim ist, aber Atropin lässt mir keine andere Wahl."
Ach komm schon, keiner kennt Dich oder Deine Freundin. Und warum tust du es, wenn es Dir zu intim ist? Hab ich dich dazu gezwungen? Das ist wirklich abgrundtief böse von mir.

Dein Weltbild und deine Kausalzusammenhänge sind sehr löchrig.
Keiner darf sich zum Thema äußern, außer er ist Experte auf dem Gebiet oder verfügt über Erfahrung. Ein Experte hat aber Deiner Freundin eine falsche Diagnose gestellt und ihr ein Amphetamin verschrieben. Erfahrungen kann man Sammeln und daraus lernen. Das Richtige aber auch das Falsche.
Ergo. Alle Menschen auch Experten sind fehlbar und man darf sein Hirn nie einem Experten alleine überlassen. Nichts ist absolut!

Die Geschichte mit Deiner Freundin irritiert mich übrigens immer noch und das hat mehreren Gründe. Ist aber nur Nebenschauplatz und geht mich wirklich nichts an.

Für Autismus ist laut Definition ursächlich eine "schwerste Entwicklungsstörung beschrieben. Es ist doch verwunderlich und sehr unwahrscheinlich, dass jemand damit eine Ausbildung zu ende bringt oder es bis an die Uni schafft, ohne das es vorher auffällt. Es gibt ja noch andere Formen wie Asperger, wobei sich da aber die Experten streiten inwieweit und ob das zu pathologisieren ist.

Autismusnetzwerke sind sicher gut und hilfreich für die Betroffenen. Aber ganz ehrlich. Wenn ich mit denen in Kontakt treten würde und es käme zu einem Treffen würde mich doch alle nach Auffälligkeiten scannen. Und sie würden welche finden. Und damit wäre auch ich Mitglied im Club. Und genau das machst du auch mit dem TE hier im Thread. Du kennst Ihn doch gar nicht, suchst nach Auffälligkeiten und gibst Ihm als Laie (eigener Widerspruch) eine Diagnose. Ach ne, man darf ja als Laie Diagnosen vergeben, wenn man mal mit denen gearbeitet hat. Sehr logisch.

Korfox
2020-06-22, 09:09:43
Wir alle können im Grunde gar nicht oder nur ganz schlecht multitasken. Das ist die Abstand die unproduktivste Form der Arbeit, die man machen kann. Auch das ist kein autistisches Alleinstellungsmerkmal.

Du vernachlässigst hier komplett das Unbewusste. Natürlich kann der gemeine Mensch multitasken, solange seine Gehirnkapazitäten das zulassen. 1. gibt es das Multitasking nach Zeitschlitzverfahren (z.B. wechseln sich die Gehirnhälften hochfrequent ab und bearbeiten unterschiedlichen Kontext, der jeweils zwischengespeichert wird - der Kontextwechsel braucht scheinbar im Schnitt ca. 25-50ms) und 2. gibt es verdammt viel, das dein Gehirn erledigt, ohne dass du das aktiv mitbekommst. Du hörst, siehst, schmeckst, riechst und fühlst gleichzeitig. Damit eine dieser Tätigkeiten dazu führt, dass eine andere nicht durchgeführt wird muss sie schon sehr große Ressurcen beanspruchen (ein Ton muss verdammt laut sein, damit du nicht merkst, dass du dich gerade schneidest).
Autofahren ist etwas ganz offensichtliches, das ohne die Fähigkeit zum Multitasking garnicht funktionieren würde - oder, wie mein Fahrlehrer sagte: Ich kann die nicht das Autofahren ansich beibringen, aber ich kann dir beibringen, dich an die Regeln zu halten.

So, jetzt stehen zwei Meinungen gegeneinander, die beide auch von Wissenschaftlern so vertreten werden. Und das dürfte auch einer von Psychopats Aufhängern sein.

Wenn man sein Daily-Business nicht bewältigt bekommt, wenn man Mal unterbrochen wird, dann deutet das auf eine massive Auslastung der aktiven Ressourcen hin, was heißen kann, dass entweder das Tippen in einem Ticket einen komplett auslastet, oder z.B. die unbewussten Filter so weit herabgesetzt sind, dass das Filtern das ist, das uns eigentlich auslastet, wodurch es so scheint, als würde es uns auslasten einen Kiesel ins Wasser zu werfen.

Atropin
2020-06-22, 16:19:37
Du vernachlässigst hier komplett das Unbewusste. Natürlich kann der gemeine Mensch multitasken, solange seine Gehirnkapazitäten das zulassen. 1. gibt es das Multitasking nach Zeitschlitzverfahren (z.B. wechseln sich die Gehirnhälften hochfrequent ab und bearbeiten unterschiedlichen Kontext, der jeweils zwischengespeichert wird - der Kontextwechsel braucht scheinbar im Schnitt ca. 25-50ms) und 2. gibt es verdammt viel, das dein Gehirn erledigt, ohne dass du das aktiv mitbekommst.

Wenn man sein Daily-Business nicht bewältigt bekommt, wenn man Mal unterbrochen wird, dann deutet das auf eine massive Auslastung der aktiven Ressourcen hin, was heißen kann, dass entweder das Tippen in einem Ticket einen komplett auslastet, oder z.B. die unbewussten Filter so weit herabgesetzt sind, dass das Filtern das ist, das uns eigentlich auslastet, wodurch es so scheint, als würde es uns auslasten einen Kiesel ins Wasser zu werfen.

Deine Definition von "multitasking" macht das Wort obsolet. Wenn du hier autonome Körperfunktionen und erlernte Prozesse (laufen, Autofahren) mit einbaust hat das Wort keine Bedeutung mehr. Es ist dann höchstens eine Zustandsbeschreibung die auf jeden immer zutrifft.

In der allgemeinen Definition beschreibt das Wort doch das bewusste nicht das unbewusste abarbeiten mehrere Aufgaben zur gleichen Zeit.

Es gibt auch andere Ursachen die zu einer Auslastung der aktiven Ressourcen führen und/oder diese zusätzlich verstärken können. Der klassische "Fight or Flight" Reflex = Angst.

Haarmann
2020-06-24, 19:46:41
Dimension

Ich kann Dich verstehen, aber ich denke da fehlts eher an Arbeitsmethodik und Durchsetzungsvermögen. Das Letztere ist wohl recht zentral.

Papier und Bleistift nutzte ich nebenher immer - und irgendwann nahm ich mir dann die Zeit den Mist in das System oder die Systeme zu übertragen. Und diese Zeit wurde auch ordentlich erfasst - da kannte ich keine Gnade - das wurde als "Leerlauf" sozusagen gebucht. Je mehr Leerlauf dasteht, desto eher überlegt sichs ja ev mal wer, ob nicht der Prozess an sich Mist ist.
Selbstredend kommt dann gerne mal Kritik, aber die kommt ja dann von den Leuten, die 3 Eintragungen pro Tag haben und nicht 40...

Für Routinearbeiten - Checkliste machen - ausdrucken - beschriften und abhaken, was erledigt wurd - Problem gelöst. Brauchte ich nie, aber hab ich so gesehen und war sinnig.

Zur Not bei so nem Kunden auf den SLA verweisen und Rückrufnummer plus Zeit -> Fresszettel - fixen Ort haben wo die hinkommen.

Den richtigen Weg kann ich Dir aber nicht weisen, denn Du kennst Dich weit besser. Autismus wirkt für mich hier aber eher wie ne Ausrede ... der ist nicht wirklich Dein Problem.

Popeljoe
2020-07-02, 17:33:43
Leidensdruck ist das Stichwort dass meine Therapeutin ebenfalls verwendet, auch mit den Beispielen die genannt wurden.

Ich nenne mal ein paar Wiederkehrende Beispiele aus meinem Alltag:

Ich richte gerade ein Benutzerprofil ein mit Benutzerkonto, Mailkonto, Spamfilter, benutzerspezifischen Einstellungen. Wärenddessen bekomme ich von meinem Vorgesetzten eine Information für einen Termin in der Zukunft. Nun stehe ich vor der Wahl: Die Arbeit unterbrechen und alles notieren, aber wo notieren? Am besten im Ticket für den Termin, Ticketsystem öffen und warten, Ticket öffnen und warten, Infos eintr ... Telefon klingelt, dringendes Problem, ich mache eine Remote Session zum Kunden auf und kann nicht anfangen mich ums Problem zu kümmern weil mich der Kunde vollabert wie wichtig seine Arbeit nicht sei und blabla. Ich kann das Problem nicht Adhoc lösen und frage den Kunden ob es für ihn in Ordnung ist wenn ich ihn später zurückrufe, was der Kunde bejaht.

Was mache ich jetzt zuerst?
Die eigentliche Tätigkeit zu Ende bringen und das Benutzerprofil anlegen?
Dann vergesse ich die Zeit für die gerade getätigte Arbeit zu erfassen.

Die Info für den nächsten Termin im Ticket eintragen?
Dann vergesse ich 1-2 Schritte beim Anlegen des Benutzerprofils.

Ein Ticket für den akuten Fall anlegen und die bisherige Zeit eintragen?
Dafür muss ich das derzeit geöffnete Ticket schließen und vergesse wieder die Info einzutragen.

Am Ende vergesse ich dann noch drauf den Kunden zurückzurufen.


Eine andere Situation:
Ich bin beim Kunden vor Ort und der Kunde macht einen Witz oder bietet mir etwas aus der Kategorie Eis/Kaffee/Lutscher an, und ich stehe dann vor dem Problem dass ich verschiedene Dinge auf einmal tun muss. Mit dem Kunden smalltalken, Eis essen, Problem lösen. Was dann passiert ist dass ich den Kunden abwürge, das Eis wegkaue und mich wieder ans Problem mache. Ich nehme an das mich deshalb manche Kunden nicht sympathisch finden und entweder meine Kollegen bevorzugen, oder bei mir Fehler weniger tolerieren.

Oder was mir letztens passiert ist.
Komme beim Kunden an und stelle fest: Laptop daheim vergessen... was machen?
Den Kunden informieren und einen neuen Termin ausmachen?
Vorgesetzten informieren und fragen was tun?
Jemanden organisieren der mir das Gerät vorbei bringt und wärenddessen tun was ich kann?

Was mir dabei aber tatsäschlich durch den Kopf geht?
"Ich kann den Job nicht muss kündigen ... was hat der Kunde für ein Modem? ... bin unprofessionell ... deshalb schaff ichs nicht im Leben ... ich sollte kündigen ... vielleicht kann ich den Computer des Kunden verwenden? ... und nächste Woche kündigen ... wie war nochmal die IP von Modem? ... Kündigen ... wie war der Login vom Modem ... wie komme ich jetzt aus dieser Situation? ... ich starte mal das Modem neu damit der Kunde sieht dass ich was tue ...

Am Ende war die Firewall kaputt ... Glück gehabt.

Diese Situationen begleiten mich dann bis in den Schlaf, oder eben durch schlaflose Nächte. Ich kann mich dann auch auf nichts anderes konzentrieren, Filme, Spiele, Musik lenken mich dann nicht ab sondern führen zu noch mehr Stress. Oder ich vergesse nach so einem Tag auch noch auf eine private Verabredung und die eine Person bei der ich mich "ausheulen" hätte können, ist jetzt stinksauer auf mich.

Am nächsten Morgen bin ich dann leicht spät dran ins Büro zu kommen. Erster Kommentar: "Du solltest doch direkt zum Kunden, das hab ich dir doch gestern gesagt!", das war die Info die ich hätte aufschreiben sollen.

Also ja. "Leidensdruck" wäre das Stichwort.
Wie wäre es mit "überfordert"?
Ich habe solche Momente auch manchmal, bin ich jetzt auch "krank"?
Du musst versuchen dein Leben soweit zu strukturieren, dass dir solche Dinge nicht passieren. Im richtigen Moment auch zum Chef mal "Stop!" zu sagen, hilft da sicher auch weiter. Aber Struktur ist Alles und die zu schaffen (auch im Kopf) kostet Zeit und Nerven.
Zum Kunden einfach mal das Eis ablehnen und ganz klar sagen, dass du dich auf deine Arbeit konzentrieren musst, damit er zufrieden ist. Wenn dann die Arbeit getan ist, kannst du ganz locker das Eis annehmen. Spruch dazu "Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!"
Damit bist du nicht unfreundlich, sondern fokussiert. Der Kunde wird dich vielleicht sonderbar finden, aber mit dem Job zufrieden sein.

Haarmann
2020-07-12, 18:22:49
Mal zum Autismus an sich ...

Offensichtlich sehen viele hier nur "Probleme" - allerdings scheinen sich zumindest gewisse junge Autisten nicht mehr so zu sehen - und werden offenbar auch entsprechend "geschult". Betrifft natürlich nur die "Funktionalen" - aber ist mir zufällig übern Weg gelaufen. Die sehen jetzt inzwischen auch ihre Vorteile - und davon hat jede Ausprägung wohl ein paar.

So reagiert ein funktionaler Autist wenn die Kacke am Dampfen ist eigentlich sehr rational und ruhig - kann bei nem medizinischen Notfall durchaus sinnig sein. Daher verstand ich den TS nicht in diesem Punkt.
Autisten können sich zT selbst von "Aussen" her sehen und beurteilen - kann nervend sein oder doof - aber man kann es wie so Vieles auch sinnig anwenden.
Autisten meiner Ausprägung können Dialoge mit echten oder fiktiven Personen halten und somit zB auch einüben. Damit gehts dann zB völlig automatisch durch den Smalltalk Jungel - ist eh immer das gleiche Muster und wird quasi nebenher abgearbeitet. Ob das jetzt auch eine allfällige Nervosität zB Weibchen gegenüber in den Griff kriegt kann ich nicht sagen - kenne ich eh nicht - siehe Oben.
Ich entsinne mich noch gut wie sauer eine Dame mal wurde, als ich, offen wie ich nunmal sein kann, ihr direkt sagte, dass viele der Dialoge im Prinzip nie stattgefunden haben und bei mir quasi ein "Band" ablief.
Ja ich gestehe man lernt dann manchmal auch, weils halt praktisch ist, die richtigen Knöpfe zu drücken beim Gegenüber um eine gewünschte Reaktion auszulösen - mea culpa. Machte mir zumindest oft Spass...

Einige Anregungen dazu wäre ja auch in diesem Artikel aus den gestrigen News zu entnehmen.
Eine Diagnose ist eben nur eine Diagnose.

https://www.heise.de/tp/features/Nicht-alles-was-wir-diagnostizieren-ist-eine-Krankheit-im-engeren-Sinn-4668476.html

Popeljoe

Arbeitsmethodik halt - muss man aber imo auch für sich selbst entwickeln, denn wir Menschen sind eben nicht alle gleich gestrickt.

Argo Zero
2020-07-12, 19:46:04
Ich habe auch so ein paar leichte Züge, die Richtung Autismus gehen.
Da ich mich mit Zen Buddhismus Anfang meiner 20er sowieso viel mit mir selbst beschäftigt habe, fängt man langsam an sich selbst zu mögen und irgendwann lieben zu lernen.

Daher sehe ich es ähnlich wie Haarmann. Social Hacking ist damit so einfach, weil die meisten Menschen einfach gleich sind in ihrem non verbalen Verhalten.
Zwar habe ich damit einige Beziehungen verschlissen, weil die damit einfach nicht klar kamen mit aber so ist das halt.
Ich finde diese Züge an mir mittlerweile regelrecht geil und möchte sie auch nicht mehr missen.

Von daher TL:DR: Sich selbst lieben lernen und Bücher lesen im Bereich Psychologie / Verhaltenstherapie und NLP = Das Leben ist viel leichter.

Dimension
2020-08-12, 19:11:16
Ein Update von mir.

Die Diagnose geht jetzt deutlich in Richtung AD(H)S, und ich habe auch schon ein Medikament verschrieben bekommen.
Nach meinem persönlichen Empfinden bin ich in der Arbeit bereits deutlich aufgeräumter.

Die Richtung ist also sehr gut. Es ist aber erstmal nur ein Teil einer weitergehenden Therapie

Ich möchte jetzt auch andere Situationen beobachten die mir häufig Probleme bereiten wie zb. Auto Fahren.

Mir wurde schon angekündigt dass im September möglicher Weise die Medikation nochmal angepasst wird, das wird sich dann zeigen.

Somit auch ein Danke an alle die mitgeschrieben haben. Ich war schon sehr auf den Autismus versteift, und habe die andere Diagnose erstmal "akzeptieren" müssen.


Vielen Dank