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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Verhandlung zum tödlichen Schuss beim Film Rust mit Baldwin


dreamweaver
2024-03-03, 17:13:47
Seit einigen Tagen läuft ja der Prozess gegen Hannah Gutierrez, Armourer (Waffenmeisterin) am Filmset Rust.
Die Verhandlungstage werden live übertragen und sind auch weiterhin abrufbar:

Tag 1 https://www.youtube.com/watch?v=dImjzszIg0Y
Tag 2 https://www.youtube.com/watch?v=0al45swEWvU
Tag 3 https://www.youtube.com/watch?v=hsK2Y03srlc
Tag 4 https://www.youtube.com/watch?v=u24ZTeWe9NY
Tag 5 https://www.youtube.com/watch?v=BAkf6xGly04
Tag 6 https://www.youtube.com/watch?v=pyxJAZww-2s
Tag 7 https://www.youtube.com/watch?v=Ad90f6I0rUo

Ich habe mir einiges angeschaut (große Teile der Aufzeichnungen sind Pausen, man muss also nicht die ganzen Stunden voll anschauen).
Teils ganz interessant, auch die Aussagen von Experten zum Thema Waffenhandhabung/Waffenmeister am Filmset.
Die Verteidigung scheint darauf aus zu sein, daß die Sicherheitskette nicht nachvollziehbar ist, teils sogar nachdem die Polizei vor Ort war (der eine Detective/Cop machte den Fehler und ließ einen unberechtigten Zivilisten über das Sicherungsband in den betreffenden Waffenprop-Wagen hineingreifen [Tag 1, Benevidez]). Am Ende braucht die Verteidigung nur "berechtigte Zweifel" aufkommen lassen.

Mein Eindruck:

Baldwin hat eigentlich die Hauptverantwortung. Wenn er die Waffe nicht auf jemanden gerichtet hätte, wäre auch keiner getroffen worden (vom Querschläger mal abgesehen). In der Szene war es eigentlich gar nicht vorgesehen, daß Baldwin mit der Waffe zielt. Es sollte nur ein close-up vom langsamen ziehen der Waffe aus dem Holster sein.
Gutierrez hätte die Waffe nach Übergabe nicht aus den Augen lassen dürfen und natürlich die Munition verlässlich checken müssen (vorausgesetzt, daß niemand danach noch die Munition ersetzt hat). Ihr Umgang und Lagerung der Waffen und Munition vor Ort war teils fragwürdig (diverse Zeugenaussagen der Crew)
Die Produktion hat an allen Ecken und Enden gespaart. Gutierrez hatte wohl ihre vereinbarte Stundenzeit als Waffenmeisterin am Set schon aufgebraucht.
Diverse Verfehlungen von Schauspielern/Stuntman mit Waffenumgang (gezeigte Videos in der Verhandlung). Dazu Tag 6, Aussage vom Armourer-Experten Carpenter, der die ganzen Verfehlungsvideos analysiert.
Zwei versehentliche Schüsse mit Platzpatronen in den Tagen vor dem Unglück (ich glaube beide, aber mindestens einer von Propmaster Zachary).
Gutierrez, eine 24-jährige mit so einer Verantwortung unter hektischem Stress, es war ihr zweiter Film.
Gutierrez war als Armourer dem Propmaster (Sarah Zachary) unterstellt (auch eine junge eher unerfahrene Person). Gleichzeitig war Gutierrez nur Parttime-Armourer weil sie auch noch bei den Props allgemein helfen musste. Als Armourer hatte sie aber ihre Chefin (Zachary) als "Hilfskraft engagiert", die ihr bei den Waffen hilft. In der Position war die Chefin (Zachary) also ihr (Gutierrez) unterstellt. Und es gab wohl auch Stress zwischen den beiden.

What could possibly go wrong...
Am Ende eine ganze Latte von Verfehlungen und Fragwürigkeiten an zig Stellen, die dann wohl in einem katastrophalen Moment endeten. Quasi das Schweizer-Käse-Modell
Die Käselöcher als Schwachstellen können unerwartet ihre Größe und Lage verändern. Bei einer ungünstigen Kombination vieler ursächlicher Faktoren entwickeln sich einzelne Fehler zu Schäden, Unfällen oder katastrophalen Folgen. Im Modell liegen dann die Käselöcher auf einer Linie und es entsteht die „Gelegenheit zu einer Flugbahn“, so Reason, die alle Sicherheitsbarrieren überwindet
https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer-K%C3%A4se-Modell

dreamweaver
2024-03-07, 07:46:30
Urteil gegen Gutierrez ist raus: Schuldig wegen fahrlässiger Tötung. Die Strafe wird erst später festgelegt.

War wohl auch kein Weg dran vorbei. Als Armourer ist es Ihre Verantwortung, was da in der Waffe steckt. Ebenso ist es ihr Job sich nicht drängeln zu lassen, egal ob großer Star oder noname Schauspieler.

Als nächstes wird sich dann wohl Baldwin vor Gericht verteidigen (lassen) müssen. Wird sicher interessant.

blackbox
2024-03-07, 09:13:47
Warum sind an einem Flimset überhaupt echte Munition nötig? Oder echte Waffen?

dreamweaver
2024-03-07, 09:50:51
Natürlich wird am Filmset keine echte Munition benötigt. Sie darf auch gar nicht da sein.

Der Regisseur Souza, der auch getroffen wurde, wollte nicht wahrhaben, daß er von einer echten Kugel getroffen wurde. Das hat er auch in seiner Aussage während der Verhandlung gesagt. Erst als sie ihm im Krankenhaus das Röntgenbild mit der Kugel in seinem Schulterblatt zeigten, hat er es geglaubt.

Echte Waffen werden halt genutzt, damit es glaubwürdiger rüberkommt. Oftmals wird auch mit Platzpatronen geschossen wegen Rückstoß, Knall und Rauch. Da gibt es verschieden stark gefüllte Varianten, jenachdem ob Kinder oder Tiere am Set sind, ist die Füllmenge an Schießpulver dann geringer.

Wahrscheinlich hat Gutierrez selbst (unabsichtlich) die echte Munition an das Set gebracht und dort "unabsichtlich verteilt". In der Verhandlung konnte man ja auch anhand von Bildern vom Set im Patronengürtel von Baldwin (anhand des Primers/Zünders der Patronen) erkennen, daß er wohl mindestens eine echte Patrone im Gürtel stecken hatte, anstatt nur Dummy Rounds (also leere Patronen, auch kein Schießpulver). Die Dummy Rounds erkennt man, wenn man sie schüttelt, weil da kleine Kugeln drin sind. Das hat Gutierrez wohl beim Laden der Waffe am Unglückstag verpeilt. Die Verteidigung hatte ja u.a. damit argumentiert, daß es am Set durch den Wind und die vielen Leute zu laut gewesen sei, um das Rascheln der Kügelchen zu hören, und sie vielleicht deshalb eine echte Patrone irrtümlich in den Revolver geladen hatte.

Wie man es auch dreht, sie hat die Verantwortung über die Waffen. Das ist ja gerade ihr Job.

sandokan
2024-03-07, 11:28:45
Warum sind an einem Flimset überhaupt echte Munition nötig? Oder echte Waffen?

John Woo hatte oftmals scharfe Waffen am Set.

In "The Killer" hat Chow Yun-Fat z.B. gegen Ende des Films plötzlich eine Narbe unter dem Auge. Die stammt von einem Splitter der während das Abfeuerns echter Waffen am Set entstanden ist. :eek:

Scheint wohl was mit Realismus zu tun zu haben. Dürfte heute aber eher selten der Fall sein.

Fliwatut
2024-03-07, 11:53:38
CGI wird teurer als mit mit echten Waffen Platzpatronen zu verschießen.

Durango
2024-03-07, 14:17:56
Warum sind an einem Flimset überhaupt echte Munition nötig? Oder echte Waffen?
Es ist eine Low-Budget-Produktion, wo halt viele billige Trottel am Werk waren.

Schuld ist die Waffenmeisterin allemal. Ihr einziger Job war es, die Versicherung gegen die billigen Trottel zu sein. Nur war sie halt selber einer.

anddill
2024-03-07, 14:21:03
Das sind Amis, die ballern natürlich nach Feierabend nen bisschen auf Coladosen. Klar liegt da echte Munition rum.

dreamweaver
2024-03-07, 16:32:23
Es ist eine Low-Budget-Produktion, wo halt viele billige Trottel am Werk waren.

Schuld ist die Waffenmeisterin allemal. Ihr einziger Job war es, die Versicherung gegen die billigen Trottel zu sein. Nur war sie halt selber einer.

Es war tatsächlich keine Low-Budget-Produktion.
Laut SAG (Screen Actors Guild) liegen diese bei $700.000 - $2.000.000.
Rust hatte aber 7 - 8 Millionen Dollar.

Hier gibts ein paar Infos dazu, für welche Teile der Crew etc. wieviel Budget angesetzt war:
https://www.hollywoodreporter.com/movies/movie-news/rust-budget-star-producer-armorer-fees-revealed-1235041946/

Durango
2024-03-07, 21:24:49
Es war tatsächlich keine Low-Budget-Produktion.
Laut SAG (Screen Actors Guild) liegen diese bei $700.000 - $2.000.000.
Rust hatte aber 7 - 8 Millionen Dollar.

Hier gibts ein paar Infos dazu, für welche Teile der Crew etc. wieviel Budget angesetzt war:
https://www.hollywoodreporter.com/movies/movie-news/rust-budget-star-producer-armorer-fees-revealed-1235041946/
Was man an Geld hat und was man damit erreichen will, sind zwei verschiedene Sachen. Den neuesten Avengers für 8 Millionen machen zu wollen würde jeder als Low-Budget bezeichnen.