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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Synästhesie


Tenobal
2024-03-26, 19:24:11
Hier gibt es eine Recht große Bandbreite an Themen. Daher möchte ich einen etwas ungewöhnliches Threads starten, da mich das Thema mein Leben lang begleitet und mal mehr oder stark beeinflusst.
Gibt es hier User bei denen eine Synästhesie
festgestellt würde?
Für alle die mit dem Begriff nichts anfangen können:
https://www.synaesthesie.org/de/synaesthesie

Ich mag zwar den Begriff nicht, weil es für mich völlig normal ist, dass Buchstaben, Zahlen und Personen untrennbar mit Farben und Formen verbunden sind. Mein ganzes Denken funktioniert auch so. Das mag zwar für die meisten seltsam und abgedreht klingen bzw. werden solche Wahrnehmungen eher psychogenen Substanzen zugeschrieben. Aber ich kann versichern, dass ich nichts dergleichen konsumiere. Da diese Art der Wahrnehmung gar nicht so selten ist wollte ich fragen, ob dies bei anderen hier ebenfalls festgestellt wurde.

Rooter
2024-03-26, 21:46:37
Moment, ich dachte immer bei Synästhesie sind zwei der fünf Sinne quer verschaltet, z.B. Sehen und Hören.

EDIT: Okay, kannte ich noch nicht.

MfG
Rooter

Tenobal
2024-03-26, 22:52:06
Moment, ich dachte immer bei Synästhesie sind zwei der fünf Sinne quer verschaltet, z.B. Sehen und Hören.

EDIT: Okay, kannte ich noch nicht.

MfG
Rooter
Ich schrieb ja, den Begriff Synästhesie mag ich nicht, da er es eigentlich nicht zutreffend beschreibt. Der Begriff Ideasthesia hat sich bisher aber nie so richtig durchsetzen können, entstammt aber aus der Synästhesieforschung. Es lässt sich am besten so beschreiben, dass ein Reiz eine Sinneassoziation auslöst. Buchstaben Wörter und Zahlen sind bei mir mit Farben und Formen verbunden. Es ist nicht so, dass ich statt des Buchstaben Farbklekse sehe, sondern es werden vielmehr Farben assoziiert. Wörter stellen sich als geometrische Formen in unterschiedlicher Ausprägung und Größe in den Farben der Buchstaben dar. Es ist eine Art visueller Assoziation, obwohl das auch nicht ganz passend ist. Ich nehme an, dass dies bei mir dadurch geprägt ist, dass akustische Reize mit der Wahrnehmung von Farben gekoppelt ist.

Wie gesagt es lässt sich schwer in Worte beschreiben und das ganze hat durchaus Vorteile. Ich konnte mir dadurch immer gut Vokabeln merken bzw. habe insgesamt eine sehr gute Gedächtnisleistung. Es gibt im Alltag aber auch einige Schwierigkeiten. Bei einer RGB Tastatur vertippt ich mich recht häufig, wenn Buchstaben mit unterschiedlichen Farben versehen sind und die Farben nicht mit meiner Assoziation zu dem Buchstaben passen. Am besten kann ich auf einer schwarzen Tastatur mit weißen Tasten schreiben. Ich hatte mal die Tastatur meines Laptops mit den entsprechenden Farben beklebt. Das klappte zwar super, aber ich würde so oft darauf angesprochen, dass ich es wieder rückgängig gemacht habe. Es ist eben schwierig bzw. unmöglich, das jemanden begreiflich zu machen, der eine ganz andere Wahrnehmung hat. Es ist ähnlich, wie jemanden, der seit Geburt blind ist, zu erklären wie die Farbe Gelb aussieht.

Aber auch andere Dinge sind schwierig. Es gibt bestimmte Geräusche im Alltag, die zwar nicht Laut sind, aber in der Wahrnehmung alles überlagern. Das Geräusch eines Kugelschreiber, bei dem die Mine heruntergedrückt wird, ist ziemlich ätzend. Wenn das jemand ständig neben mir macht, überlagert das alles. Es erzeugt so etwas wie ein Farbflimmern vor meinem geistigen Auge und dann wird es schwer, einen Text zu lesen oder zu schreiben.

Disconnected
2024-03-27, 10:36:33
Ja, was ist Deine Frage?

[dzp]Viper
2024-03-27, 10:54:42
Buchstaben Wörter und Zahlen sind bei mir mit Farben und Formen verbunden. Es ist nicht so, dass ich statt des Buchstaben Farbklekse sehe, sondern es werden vielmehr Farben assoziiert. Wörter stellen sich als geometrische Formen in unterschiedlicher Ausprägung und Größe in den Farben der Buchstaben dar. Es ist eine Art visueller Assoziation, obwohl das auch nicht ganz passend ist. Ich nehme an, dass dies bei mir dadurch geprägt ist, dass akustische Reize mit der Wahrnehmung von Farben gekoppelt ist.

Wie gesagt es lässt sich schwer in Worte beschreiben
Ich denke, dass hast du gerade extrem gut beschrieben. Jedenfalls konnte ich mir jetzt gut vorstellen "wie" du die Dinge siehst, selbst wenn ich es nicht so sehe.

Tenobal
2024-03-27, 13:58:01
Ja, was ist Deine Frage?
Weniger eine Frage dazu, sondern ob es hier Leute gibt, bei denen es auch festgestellt wurde. Synästhesie gibt es ja in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen. Mir geht es dabei eher um den Austausch.

Es ist nicht so, dass es mich belastet, aber die Wahrnehmung ist eine völlig andere. Und damit ist man schon recht allein. Ich bin nun über 50. Und als Kind habe ich recht schnell gemerkt, dass man darüber nicht sprechen sollte. Das war natürlich auch eine andere Zeit. Aber damals hat man dies eher mit einer psychischen Erkrankung in Verbindung gebracht. Daher hat man eher die Klappe gehalten. Ich weiß noch, als mich meine Mutter danach fragte, welche Nummer ich wählen müsste, wenn es brennt. Spontan sagte ich dunkelblau dunkelblau und gelborange. Das löste ziemlich Ungläubigkeit aus.

Disconnected
2024-03-27, 20:17:53
OK, welche Farben haben die Wochentage bei Dir?

Tenobal
2024-03-27, 21:20:44
Tage oder Monate haben bei mir keine Form oder Farbe um Sinne einer Raum-Form Synästhesie. Die Worte dazu haben aber eine farbige Form, Die Farben stellen die einzelnen Buchstaben dar. So lässt es sich wohl am besten umschreiben. Der passende Ausdruck wäre wohl eine räumlich angeordnete Farbesequenz.Das ist aber bei jedem Wort so.

Disconnected
2024-03-27, 22:57:33
Verstehe, die einzige Gemeinsamkeit dürfte da die Abweichung von der Norm sein. Ein Austausch dürfte sich da recht schwierig gestalten.

Tenobal
2024-03-28, 00:20:58
Verstehe, die einzige Gemeinsamkeit dürfte da die Abweichung von der Norm sein. Ein Austausch dürfte sich da recht schwierig gestalten.
Jain... Es gibt viele Formen und Ausprägungen von Synästhesie. Viele haben eine Mischung aus diversen Synästhesie Formen. Eine richtige Norm gibt es wohl nicht. Es geht mir bei einem Austausch vielmehr darum wie man den Alltag erlebt.

joe kongo
2024-03-28, 00:27:01
Tage oder Monate haben bei mir keine Form oder Farbe um Sinne einer Raum-Form Synästhesie. Die Worte dazu haben aber eine farbige Form, Die Farben stellen die einzelnen Buchstaben dar. So lässt es sich wohl am besten umschreiben. Der passende Ausdruck wäre wohl eine räumlich angeordnete Farbesequenz.Das ist aber bei jedem Wort so.

Wenn du nur Farben siehst, zB die RAL Tabelle dir anschaust, sind das dann Buchstaben oder Wörter, oder funktioniert es in diese Richtung nicht?

Tenobal
2024-03-28, 02:20:14
Das lässt sich schwer erklären. Zahlen sind bei mir in Farben unterteilt bzw. assoziert. Ein tiefes dunkles Blau ist bei mir die z.B. die 1. Zahlenfolgen sind bei mir Farbsequenzen. Ich kann mir Telefonnummern z.B. sehr gut merken. Mein Gehirn speichert sie nicht als einzelne Zahlen ab sondern als eine Farbsequenz, die vor meinem inneren Auge erscheint eine Farbsequenz. Die ist aber mehr zweidimensional. Das gleiche gilt für Buchstabenfolgen, die werden auch erst einmal als reine Farbsequenz dargestellt. Meine Passwörter sind z.B. nie Worte sondern eine wahllose Buchstabenfolge. Ich habe keine Probleme mir das zu merken.
Erst Worte assoziiere ich farblich und dreidimensional. Die Form hat viel mit dem Klangbild des Wortes zu tun. Vokale nehmen dabei größere Areale ein wie Konsonanten. Und je härter und kantiger das Wort oder die Silbe klingt, desto eckiger die Form. Ich hatte als erste Fremdsprache Latein. Da war ich auch richtig gut. Die Wörter werden so ausgesprochen, wie sie geschrieben werden. Vokasbeln konnte ich mir daher richtig gut merken. Englisch war schon schwieriger. Französisch ist für mich eine richtige Hürde. Das geschriebene Wort klingt ganz anders und passt dann nicht mehr mit dem zusammen, was vor meinem inneren Auge passiert. Das bekomme ich nicht im Einklang. Dafür konnte ich mir Gedichte gut merken. Das lässt sich jetzt schwer umschreiben. Aber viel läuft dann über Klangbilder in meinem Kopf ab. Das ist schwierig zu beschreiben. Wahrscheinlich ebenso schwer als würdest Du versuchen jemanden zu erklären wie die Farbe Gelb aussieht. Es ist letztendlich so, dass ich ganz normal sehe. Aber im Kopf entstehen eben ganz andere Assoziationen und das ziemlich intensiv. Wenn ich an ein Wort oder ein Zitat denke, würde das nie in Form von Buchstaben vor meinem "geistigen Auge" erscheinen sondern nur die Anordnung der Formen.

Hier wird das ganz grob umschrieben:
https://synnie-info.de/sequenz-raum-synaesthesien/

Bei mir sieht das dann aber ganz anders aus. Auf der Seite wird das auf eine Art und Weise visualisiert, dass man eine ungefähre Vorstellung davon bekommt.


Es gibt aber sehr verschiedene Formen der Synästhesie:
Graphem-Farb-Synästhesie: Buchstaben und/oder Zahlen sind untrennbar mit einem Farbeindruck verbunden
Farbiges Hören: Geräusche und/oder Musik werden gleichzeitig in Farbe und/oder Formen wahrgenommen
Sequenz-Raum-Synästhesie: Zeiteinheiten wie z.B. Wochentage, Monate, das Jahr oder auch Ziffern besitzen eine bestimmte räumliche Anordnung bzw. Position vor dem inneren Auge
Ordinal Linguistic Personification (OLP): Grapheme werden nicht nur mit Farbe und Form, sondern auch mit einem Geschlecht, Charaktereigenschaften und ggf. Emotionen belegt.
Gefühls-Synästhesie: Emotionale Zustände werden farbig und/oder als Form wahrgenommen.
Person-Farb-Synästhesie: Persönlichkeiten wird eine jeweils charakteristische Farbe zugeordnet. Auch die Zuordnung von Ziffern ist möglich.
Ticker-Tape-Synästhesie: Wahrnehmung von gesprochenen, gehörten, gedachten Worten als „Newsticker“ oder durch Auftauchen der Worte für Sekundenbruchteile vor dem inneren Auge.
Lexikal-gustatorische Synästhesie: Worte haben eine bestimmte Geschmacksrichtung und/oder auf der Zunge spürbare Textur.
Andere Synästhesieformen: Oft werden auch Geschmacksrichtungen, Gerüche, oder Körperempfindungen, wie z.B. Schmerz durch eine synästhetische visuelle Empfindung begleitet.
Der US-amerikanische Anthropologe, Linguist und Synästhet Sean A. Day listet auf seiner Internetseite daysyn.com über 80 verschiedene Formen von Synästhesie auf. Diese Liste wächst kontinuierlich.
https://www.synaesthesie.org/de/synaesthesie

Ursächlich dafür sind bestimmte Verknüpfungen im Gehirn:
Eine Synästhesie findet durch zusätzliche Verbindungen zwischen zwei (oder mehreren) Gehirnarealen statt, in denen die Sinnesreize verarbeitet werden. Diese Verbindungen können mithilfe von einer sogenannten Magnetresonanztomographie (MRT) sichtbar gemacht werden.

Bei der Synästhesie wird ein primär nicht beteiligtes Gehirnareal zusätzlich erregt. Diese Wahrnehmungen beruhen auf neuronalen Verbindungen zwischen zwei oder mehreren Arealen des Gehirns, die Sinnesreize (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen) verarbeiten.

Diese Verbindung zwischen den Gehirnarealen beschränken sich jedoch nicht nur auf Sinnesorgane. Es existieren auch Verknüpfungen anderer neuronaler Strukturen und Bereiche. Dazu gehören beispielsweise Bereiche, die für Gefühle/Emotionen zuständig sind.
https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/synaesthesie/

Disconnected
2024-03-28, 09:43:36
Also den Alltag beeinflusst das eigentlich gar nicht. Das tut dann schon eher extreme Geräuschempfindlichkeit und Misophonie.

Mortalvision
2024-03-28, 10:02:40
Das ganze Thema zeigt einfach, dass das Empfinden von Wirklichkeit stark auf den hirnmäßigen Voraussetzungen beruht. All das aus der Liste oben kann man sich „erdenken“, aber so etwas kommt bei mir nie automatisch.

Vermutlich hat jeder Mensch eine oder mehrere Besonderheiten in seinem Bauplan, nur denken die wenigsten darüber nach.

Live1982
2024-03-28, 15:20:04
Sequenz-Raum-Synästhesie: Zeiteinheiten wie z.B. Wochentage, Monate, das Jahr oder auch Ziffern besitzen eine bestimmte räumliche Anordnung bzw. Position vor dem inneren Auge


Wow krass, das hab ich :eek:
Dachte das wäre "normal"

Wenn ich an Dinge wie Tageszeit, Wochentag, Monat, Quartal etc. denke dann hab ich dazu immer eine räumliche Vorstellung. Genau beschreiben kann ich das aber nicht... aber vor dem inneren Auge "sehe" ich woran ich zeitlich denke :hammer:

Rooter
2024-03-31, 00:58:16
Gerade was Musik --> Farben angeht gibt es ja geniale Leute, Lara de Witt z.B.:

LIxgJbuz3Lo

Ich weiß noch, als mich meine Mutter danach fragte, welche Nummer ich wählen müsste, wenn es brennt. Spontan sagte ich dunkelblau dunkelblau und gelborange. Das löste ziemlich Ungläubigkeit aus.Dann bist du hoffentlich kein Elektroniker, die Widerstands-Farbcodes würden dich sicher in den Wahnsinn treiben. X-D
https://de.wikipedia.org/wiki/Widerstand_(Bauelement)#Farbkodierung_auf_Widerst%C3%A4nden

MfG
Rooter

Tenobal
2024-04-04, 19:36:46
Nee... Bin ich nicht. 😁

Dr. Lars Sahmströhm
2024-04-04, 21:13:39
Wow krass, das hab ich :eek:
Dachte das wäre "normal"

Wenn ich an Dinge wie Tageszeit, Wochentag, Monat, Quartal etc. denke dann hab ich dazu immer eine räumliche Vorstellung.
Ich hab das auch und denke, das ist auch normal, bzw. eine Prägung, die aus dem modernen, digitalen (Arbeits)Leben mit den ganzen Graphen und Diagrammen stammt. Bei dem Wort "Quartal" denke ich sofort an einen Quarter, also 25% eines Kuchendiagramms. Die Wochentage erscheinen bei mir abstrakt als eine siebengliedrige Aufreihung bzw. "Perlenkette" oder sieben undefinierte nebeneinanderliegende Räume. Ein Monat ist eine art Batzen, eine Matrizze, ein solides Brikett, wahrscheinlich von der Kalender-Funktion, die überall als mehr oder weniger quadratische Tabelle auftaucht.

Surrogat
2024-04-18, 09:31:48
Datumsangaben oder Zeiträume dreidimensional körperlich darzustellen, ist doch heutzutage fast schon normal, man wird ja auch von allen möglichen Programmen damit konfrontiert, so eignet man sich das natürlich irgendwann selbst an und ich finde es auch nur sinnvoll Zeit in einem dreidimensionalen Schema darzustellen

@Topic: Ich habe zwar keine farbliche Zuordnung von Zahlen, aber eventuell ein anderes "Phänomen" im Zahlenbereich
Manche Zahlen sind bei mir freundlich und andere weniger freundlich, also eine Art emotionale Beziehung. Beruflich habe ich sehr oft mit sechsstelligen Zahlen zu tun die ich mir merken muss, davon aber zigtausende

Da kommt es öfter mal vor, das ich über manche Zahlen einfach denke, das sie unfreundlich sind, wahrscheinlich einfach weil sie für mein Gehirn nicht so einfach zu merken sind. Andere wiederum merke ich mir zwar nicht bewusst, tauchen sie aber nach Monaten noch einmal auf, begrüße ich sie fast wie alte Bekannte und ein Gefühl der Freude durchfährt mich.
Und dann gibt es noch die Abkürzungen, das sind Zahlen die so gestrickt sind, das man sie quasi abkürzen kann, ist schwer zu erklären, aber die Kombination der sechs Ziffern kann man sich dann einfacher merken, als genau diese sechs Ziffern.

Zahlen haben daher für mich immer auch einen persönlichen Charakter und etwas emotionales, so wie Personen, die eventuell auch ganz eigene Charakteristika haben.

Ja ich weiß, klingt total idiotisch und wahrscheinlich ist es das auch ;D