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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mike Patton - genialer Künstler....


Bakunin3
2003-07-23, 10:11:19
Vermutlich kennt so ziemlich jeder hier noch die - leider - nicht mehr existierende "Band Faith No More".
Und diese wunderbar-geniale Stimme des damaligen Sängers - des zweiten Sängers muß man sagen, denn der erste war lange nicht so gut - die immer zwischen Wahnsinn und Melodie tremulierte.

Als die Band sich nach dem "Album of the Year" auflöste, fand ich das sehr, sehr traurig, zumal es meiner Meinung nach nur sehr wenige Bands gibt/gab, die so innovativ waren, wie Faith No More.

Ich wußte zwar damals auch schon, daß Mike Patton irgendwelche Soloprojekte hatte, aber ich hatte mich damit nie groß befaßt.

Aber jetzt habe ich mich mal mit dem ganzen - oder einem größeren Teil - seines Schaffens-Spektrums vertraut gemacht und muß wirklich sagen, daß ich beeindruckt bin, denn er hat jetzt nicht nur jede Menge Soloprojekte, die sich stilistisch stark voneinander unterscheiden, sondern er macht auch noch bei verschiedenen Projekten ganz anderer Musikrichtungen mit.

Am nächsten zu Faith No More liegt wohl noch "Tomahawk" (Debutplatte "Tomahawk" und Nachfolger "Mit Gas") wobei man sagen muß, daß sich hier zwar genauso wie bei Faith No More harte Riffs und wummerndes Schlagzeug in melodiösen Liedern (oder Teilen davon) treffen, aber daß in Sachen Experimentalität jedes einzelne Stück sehr viel weiter geht, als Faith No More je gingen: Großartig!

"Mr. Bungle" (Mr Bungle, California, Disco Volante) ist - wo ich gerade von Experimenten spreche - in dieser Hinsicht noch sehr viel konsequenter: Hier mischen sich nur noch gelegentliche härtere Passagen mit allem, was Patton gerade so einfällt zu einem Klanggemisch, in dem jazzige Elemente mit Crossover, Lateinamerika, Zirkus und allem verschmelzen, von dem man nicht erwartet hat, daß man es überhaupt irgendwie miteinander synthetisieren könnte.

Mir geht das zwar teilweise in Sachen Experiment fast schon etwas zu weit, aber ich kann insgesamt nicht anders, als mich vor dieser sprühenden Lebenslust, die aus dem Projekt spricht, zu verbeugen.

"Fantomas" hingegen geht mir dann tatsächlich eine Nummer zu weit, was das Experimentieren angeht: Da werden dann - durchaus interessant, aber m.E. zu arg zerstückelt - nur noch beschreibende, wie ein Comic oder ein Filmsoundtrack aufgebaute, Klanggebilde aneinandergereiht... interessant zwar, aber die ganze CD durchzuhören, dazu bedarf es dann schon etwas Durchhaltevermögen... oder Wahnsinn.
Aber auch hier muß ich sagen: Sehr interessant und bewundernswert - und vielleicht bin ich auch nur zu faul, mich richtig drauf einzulassen.

Es gibt wohl noch andere eigene Projekte von M. Patton, aber hiermit will ich es mal bewenden lassen.
Allerdings will ich noch auf ein Projekt hinweisen, das es mir besonders angetan hat, und an dem Patton mitgewirkt hat:

"Lovage" - "Songs to Make Love to Your Old Lady By".
Das Projekt ist eigentlich von Dan Nakamura (man kennt ihn von den "Gorillaz") und es läuft jetzt bei mir seit ein paar Tagen fast ununterbrochen.
Es ist zwar keinesfalls zu vergleichen mit dem, was Patton selbst macht - da es durchgehend sanft, soft und melodisch ist - aber seine Stimme verleiht Liedern wie bei "Sex (I'm a)" im Duett mit Jennifer Charles (vielleicht die erotischste Stimme der Zeit) - eine besondere Note. Diese CD ist absolut wundervoll melodisch, erotisch ... und nebenher auch noch witzig (so zum Anfang, wenn über Chest Rockwell - den ihr sicher alle kennt - und seine "big balls" geredet wird).

Naja, das ist hier zwar keine Rezension von irgend einer Platte... und eigentlich wird die kurze Darstellung keinem der angesprochenen Projekte auch nur annähernd gerecht, aber vielleicht (hoffentlich) hat der eine oder andere mal Lust in eines der vielen Gesichter Pattons zu schauen. ;)

Gruß,
B3

Mr. Bandit
2003-07-23, 10:30:48
Fantomas, Mr. Bungle und Tomahawk kenne ich auch, Peeping Tom (sein Solo Projekt) kenne ich aber z.B. nicht. Letztens wäre ich fast auf ein Tomahawk/Melvins Konzert gegangen, aber die Umstände wollten es anders. ;)

Falls du es noch nicht kennst Bakunin3, Mike hat mit Ipecac (http://www.ipecac.com/) sein eigenes Label mit einer Menge richtig guter Bands.

nggalai
2003-07-23, 10:37:08
Hi B3,

Hehehe. Patton rockt! Schön zu sehen, dass hier doch noch mehr Leute anderes als Faith No More kennen.

Deine Einschätzung zu Tomahawk teile ich voll. Ich würde sogar soweit gehen, dass Tomahawk der Sound ist, den Patton immer für Faith No More wollte . . . in einem Interview meinte Patton mal, dass der einzige Grund für die Existenz von Faith No More aus seiner Sicht war, Geld für seine "richtige" Band (Mr.Bungle) zusammenzukriegen. Entsprechend wurde Faith No More auch ziemlich heftig "weichgespühlt". ;)

Pattons "richtige" Solo-Projekte sind auch ein Ohr wert. Besonders seine Platte für Solo-Stimme, "Adult Themes for Voice" sollte man sich mal antun. "Antun" gilt besonders für Leute, die mit Experimentalmusik nichts anfangen können. ;) "Pranzo Oltranzista" ist wohl eine der schrägsten CDs, die man kaufen kann. Irgendwo zwischen italienischem Schlager, Jazz und Klassik angesiedelt kann die Platte schon ziemlich gewöhnungsbedürftig sein.

Patton hat einen starken Free-Jazz und Neue-Musik-Hintergrund, und hat auch schon für John Zorns "Naked City" auf der Bühne gestanden--die Band, die Fantômas wohl am meisten beeinflusst hat. Fantômas selbst finde ich äusserst eingängig (beide Platten) und von der Komposition her genial. Wie John Zorn bei Naked City wurde auch bei der ersten Fantômas-Scheibe alles im Vorfeld durchkomponiert, und nicht einfach nur Jamsession-mässig "improvisiert" aufgenommen. Beeindruckend, besonders auch live.

Mein Favorit bei den Patton-Projekten ist allerdings noch immer Mr.Bungle. Kreativ, lustig, hintergründig, intelligent, aber immer auch musikalisch. Besonders "Disco Volante" sollte sich wirklich jeder, der sich für etwas schrägere Musik interessiert, unbedingt mal anhören--notfalls auch ein paarmal, bis es "Klick" macht.

Mike Patton mag man entweder oder hasst ihn. Für mich jedenfalls ist Patton eine der wichtigsten und besten Stimmen der modernen Musik, egal ob jetzt Metal, Klassik, Free-Jazz, Experimental oder guten, alten Rock'n'Roll.

93,
-Sascha.rb

Bakunin3
2003-07-23, 11:07:47
Mr.Bandit, nggalai:
jetzt bin ich richtig froh, daß ich meine Eindrücke mal hier reingepostet habe.

Bereits mit dem bisher bekommenen Feedback kann ich loslegen und mal auf musikalische Entdeckungsreise gehen. wie schön! :)

Ich erinnere mich noch, wie ich vor ca. 7 Jahren (ich glaube 1995/96) das erste mal etwas von Mr. Bungle hörte und es damals überhaupt nicht mochte.
Aber damals habe ich auch noch Beck als "Radiomusik" verachtet. ;)

Naja, man entwickelt sich halt doch ein wenig... als ich es jetzt (wieder) hörte fand ich es zwar immer noch anstrengend... aber eben doch gut und interessant.

Ich werde dann gleich mal nach der Arbeit ein wenig suchen gehen...

Gruß und Dank,

B3

Mr. Bandit
2003-07-23, 11:19:49
Als ich meine heutigen Lieblinge The Melvins zum erstenmal gehört habe, war ich auch sehr "verwirrt" und habe mich gefragt was daran so gut sein soll. Logisch, heute sieht das alles anders aus.

Der Sänger der Melvins King Buzzo (übrigens Gitarrist bei Fantomas) hat mal gesagt "We're definately an acquired taste" und er hat Recht. Man muss sich in solche Musik einarbeiten und gut Ding will bekanntlich Weile haben. Bei den Projekten von Mike Patton ist es eben auch so.