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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nikon D5600: Review nach vier Monaten Dauereinsatz


aths
2018-11-27, 14:24:46
Eine Halbformatkamera der oberen Einstiegsklasse mit beweglichem Bildschirm. Nach den ersten Fotos schon Erfolgserlebnisse. Wie schlägt sich der Apparat auf Dauer?

Das Gehäuse liegt gut in der Hand, der Autofokus ist schnell und treffsicher. Dieses Zufriedenheitsgefühl lässt mich über Detail-Schwächen hinwegsehen. Einige Sachen stören dann doch, das etwas steife Trageband gerät manchmal vor den Sucher oder das Display und verdeckt dann die Sicht.

Man bekommt man das Gerät ab rund 600 Euro – bei dem Preis darf man sich nicht über Einschränkungen wundern. Eine Blendenvorschau gibt es nicht. Weil sich der Selbstauslöser nach Anwendung wieder abschaltet, braucht es für effizienten Stativeinsatz einen Kabelauslöser, der Original-Nikon kostet gut 30 Euro. Natürlich habe ich auch den obligatorischen Ersatzakku als Zubehör erworben, und auf dem Bildschirm eine Schutzfolie angebracht. Gut so, denn sonst hätte ich inzwischen einen Kratzer auf dem Glas.

Suchermodus ist okay, Autofokus ziemlich gut

Die Fussel auf der Mattscheibe die sich mit der Zeit angesammelt hatten, ließen sich zum Glück auspusten beziehungsweise mit einem Mikrofasertuch wegwischen. Das Sucherbild ist nicht ganz vollständig, der äußerste Rand fehlt. Im Normalgebrauch kein Problem, im Einzelfall dann doch ein Nachteil. Die Informationsanzeige mit grünen Ziffern unter dem Bild ist etwas zu dunkel für meinen Geschmack. Eine digitale Wasserwaage wurde nicht eingebaut, man darf aber ein statisches Gitternetz zuschalten. Das hilft besser als gedacht, damit bekomme ich Bilder raus die keine Verkippungskorrektur mehr brauchen.

Nach einem Ausflug gibt es manchmal eine Handvoll Fotos die nicht perfekt scharf sind. Bei Tageslicht ein seltener Ausnahmefall. Die Fokuspunkte sind auch gut im Bild verteilt, mir macht die Arbeit damit richtig Spaß! Eine größere Abdeckung war auch nach Monaten im Einsatz fast nie notwendig. Draufhalten, abdrücken, scharfes Bild. Einige Autofokus-Modi erhöhen bei beweglichen Zielen die Chance, dass auf die richtige Stelle scharfgestellt wird. Für meine Zwecke ist das leicht veraltete (oder sagen wir, das bewährte?) Fokusmodul ziemlich gut.

Es gibt aber Grenzen. Draufhalten und abdrücken, bis in die fortgeschrittene Dämmerung ist das möglich, funktioniert nachts auf der Straße bei schlechtem Licht nicht mehr – der ansonsten sehr hohe Zufriedenheitswert mit dem Gerät bekommt hier einen Knicks. Mit etwas Erfahrung finden sich dann meistens noch geeignete Stellen für das automatische Scharfstellen. Ansonsten nimmt man Live-View mit Kontrastfokus, weil der auch bei wenig Licht noch arbeitet. Live-View braucht man manchmal auch tagsüber, um mit dem beweglichem Bildschirm besondere Perspektiven einzufangen. Auf Berührung hin wird auf diese Stelle des Bildschirms scharf gestellt und auf Wunsch auch gleich das Foto gemacht. Der Kontrastfokus ist zwar langsamer, aber man hat die volle Bildabdeckung um vorzugeben worauf scharfgestellt werden soll.

Bedienung ist besser als erwartet

Man sieht schnell, wie viele Bilder auf der Speicherkarte sind, oder mit welchem Speicherverbrauch man pro Foto rechnen muss. An einigen Stellen bietet das Gerät meine Wunschfunktionen bis zu absurden Details: Man kann einen Stapel Bilder auf 1920x1280 runterskalieren – meine bevorzugte Facebook-Foto-Auflösung.

Die Toucheingabe des Bildschirms ist optional, mit Tippen und Wischen arbeite ich aber sehr gerne. Die beiden belegbaren Funktionselemente, Taste und Touch, ließen sich für Iso konfigurieren. Diese Funktionselemente nehme ich aber für den Autofokus. Für Iso-Einstellungen muss man dann ins Menü gehen, dort warten umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten. Man kann eine Wunsch-Belichtungszeit vorgeben, oder sagen dass sie sich je nach Zoom automatisch anpassen soll, wobei man die Empfindlichkeit festlegen darf. Sehr geil.

Wenn man in der Dämmerung oder nachts das Objektiv häufiger wechselt, möchte man mit dem neuen Objektiv das verfügbare Licht optimal nutzen. Das läuft manchmal auf manuelle Iso-Einstellung raus. Dafür entweder die Funktionselemente extra für den Einsatz umdefinieren, oder Iso via Menü auf manuell stellen und via Touch-Schnellmenü ändern. Oder weiterhin Auto-Iso nehmen aber dessen Empfindlichkeit ändern. Klingt alles unnötig umständlich, ist aber nach Eingewöhnung nicht aufwändiger als mit großen Geräten.

Ein paar Bequemlichkeits-Features wären noch schön gewesen, zum Beispiel Profile um Einstellungen zu speichern. Das fest vorgegebene Schnellmenü mit Touch-Funktion reißt aber viel wieder raus! Bildgröße, Dateiformat, Autofokus-Modus und andere Sachen können mit jeweils drei Berührungen umgestellt werden. Das ist schneller als via Funktionstaste das Feature zu wählen und sich mit dem Rad durch Optionen zu scrollen. Es ist auch geil, mit dem rechten Daumen auf dem Touchscreen den Fokuspunkt zu verschieben während man durch den Sucher schaut. Touchscreen als AF-Joystick-Ersatz, das gibt es bei Nikon nur in der aktuellen 5000-er Klasse.

Ein Schulterdisplay ist nicht vorhanden, dank beweglichem Bildschirm verschmerzbar. Auf seltsame Art macht die Reduktion sogar Spaß und um es auf die Spitze zu treiben, klappe ich den Bildschirm manchmal nach innen. Dann gibt es nur den Suchermodus und man konzentriert sich voll auf das Foto. Außerdem ist der Bildschirm dann gut geschützt.

Ein Feature vermisse ich bei allen Kameras, leider auch bei diesem Modell: Gerne würde ich die Mindest-Blendenzahl vorgeben können, um in der Halbautomatik zu verhindern dass eine kompromissbehaftete Offenblende genutzt wird.

Raw-Bildqualität und Jpeg-Optionen

Mit bezahlbaren Optiken (rund 200 bis 350 Euro pro Stück) kann ich Weitwinkel-Fantasien ausleben, oder mit dem Teleobjektiv Dinge schön nah ranholen. Oder mit einer lichtstarken Festbrennweite auch bei fortgeschrittener Dämmerung noch tolle Fotos machen. Bis Iso 3200 keine Probleme, bei 6400 moderater Detailverlust, bei 12800 deutlich flauer und beim Maximal-Isowert von 25600 sichtlich verrauscht. Sofern man nicht mitten in der Nacht fotografiert, braucht man sich keine Sorgen zu machen.

In dieser Preisregion hatte ich diverse Kompromisse erwartet und bin positiv überrascht was man für das Geld an Optik- und Sensorleistung bekommt.

Das "Flat"-Profil erzeugt Jpeg-Bilder die man so nicht verwenden will, sich aber am Computer umfangreich bearbeiten lassen. Das nutze ich manchmal als Raw-Ersatz. Bei Events mache ich aber zu viele Bilder, für Bearbeitung habe ich dann keine Zeit mehr. Da bleibt nur das Jpeg direkt aus der Kamera. Das Bild-Standard-Profil ist so eingestellt, dass das Foto möglichst dem natürlichen Eindruck entspricht. Menschliche Hauttöne sind dabei aber keine Stärke von Nikon. Für inszenierte Portraits nehme ich deshalb Raw. Auch wenn die Bilder mit dem richtigen Objektiv dann gut werden, fühlt sich die D5600 nicht wie eine optimale Portrait-Kamera an. Bei Eventfotografie bin ich mir noch nicht sicher ob man Raw nehmen muss oder Jpeg reicht, hier erscheint mir das Gerät aber ebenfalls nicht optimal. Im Dunkeln kann sich der Fokus schon mal ein Stück vertun. Im Hobby-Einsatz okay, ernsthafter Einsatz braucht zu viel Kontrolle.

Die D5600 ist eine gute Reise-Kamera und macht Spaß bei Landschaftsfotografie und Architektur. Auf Städte-Touren oder im Zoo, oder bei Sonntagsausflügen: Angenehmes Arbeiten mit tollen Ergebnissen.

Schwächen

Auch wenn ich gerne zur D5600 greife, einiges fehlt oder stört, oder könnte in Zukunft mal ein Problem werden. Im Live-View legt die Kamera nach jeder Aufnahme eine unverständliche Pause von einer Sekunde ein. Und warum klappt der Spiegel vor der Aufnahme unnötigerweise noch mal um?

Mit einem USB-Kabel kann man Fotos übertragen, aber leider nicht den Akku aufladen. Auf Reisen muss man entsprechend auch die Akku-Ladeschale mitnehmen. Man kann mit dem Apparat Zeitraffer-Aufnahmen entweder als Fotoserie oder als Video aufzeichnen, aber nicht gleichzeitig Serie und Video erstellen. Raw gibt es nur verlustbehaftet komprimiert. Die nachträgliche Umwandlung zu Jpeg in voller Auflösung geht in der Kamera nur einzeln, nicht für mehrere Fotos gleichzeitig. Drahtloses Auslösen erfordert Zubehör von 200 Euro, alternativ ein Smartphone. Profi-Blitz-Features wie Kurzzeitsynchronisation werden nicht geboten und sehr alte Objektive sind nur eingeschränkt kompatibel: Weder gibt es einen mechanischen Blendenabnehmer, noch den Schraubstift für Autofokus-Objektive die keinen eigenen Motor haben.

Stärken

Belichtungsmessung, Weißabgleich und Autofokus arbeiten zuverlässig. Immer wieder fällt auf, wie viele Probleme man mit der Kamera *nicht* hat. Nur bei einzelnen, sehr wichtigen Fotos kontrolliere ich, sonst verlasse ich mich auf das Gerät.

Das Schnell-Menü erlaubt dank Touchscreen, viele Sachen schön schnell umzukonfigurieren. Unterwegs spielt das leichte Gehäuse seine Stärken aus. Mit einer DX-Festbrennweite bammelt die Kamera während einer Fahrradtour am Hals, ohne dass sie zu schwer wird. Und der moderate Preis der Kamera. Objektive kosten schließlich auch Geld!

Notizen aus dem Praxiseinsatz

Bei Fahrradtouren entdeckt man schon mal ein historisches Industriegelände und möchte dann nicht an der Kamera rumspielen, sondern Fotos machen. Man kann bei der D5600 schon einiges auswählen, unter anderem ob Verschlusszeit und Blende in Drittelschritten, oder Halbschritten änderbar sind. Meistens arbeite ich mit halben Stufen, weil es Zeit spart. Es gibt auch grenzwertige Features wie eine schlecht umgesetzte HDR-Funktion, die zudem Platz im Schnellmenü verschwendet. Falls man zuvor große Geräte in der Hand hatte, fällt auf dass das Feature-Set im Vergleich aber recht überschaubar ist. Es gibt auch keine Iso-Erweiterungen, nur den nativen Bereich. Komplexitäts-Reduktion finde ich eigentlich praktisch, aber: Bei der Bedienung fühlt man sich nicht wie ein Fotograf der seine halbprofessionelle Ausrüstung mitbringt, sondern wie ein Normalverbraucher. Was für Einsteiger, so fasst sich das Leichtgewicht auch an, und so klingt es beim Auslösen.

Schnelle Serienbildaufahme mit Raw sind nur kurz möglich, aber es reichte für mich bislang immer. Auch beim manuellen Auslösen in schneller Folge keine Probleme. Für Stativaufnahmen gibt es gleich zwei Langzeitbelichtungs-Möglichkeiten, Bulb und Time: Belichtung solange der Auslöser gehalten, oder bis er ein zweites mal betätigt wird. Meistens nutze ich das Gerät ohne Stativ und daher mit kurzer Belichtung – freue mich aber, dass dieses Modell Reserven hat falls man sie benötigt.

Bei einem Zoobesuch hatte ich öfters aus zu großer Vorsicht mit unnötig kurzer Verschlusszeit, also zu hohem Iso gearbeitet. Die Bilder sind trotzdem brauchbar, weil der Sensor empfindlich genug ist. Viele Fotos hatte dort ich spontan aufgenommen, das ist kein Problem bei dem schnellen Autofokus, der auch schön exakt arbeitet. Ob nun streitende Affen oder galoppierende Pferde, ich war der begrenzende Faktor, nicht die Spiegelreflex.

Das zusätzliche Bedien-Rad der größeren Modelle vermisse ich nicht. Einige Kleinigkeiten trüben aber den Spaß, wie die klapprige Abdeckung vom Batterie-Schacht. Am Gehäusegriff für die Hand gibt es Gummi, aber nur eine dünne Lage davon. Die Kunststoff-Knöpfe sind einigermaßen okay, und die Räder sogar aus Metall gefertigt – dieses Detail rettet beim Anfassgefühl eine Menge.

Klappt man das Display aus, sieht man auf der Kamera-Rückseite eingearbeitete Spuren. Die sind so gesetzt, dass sie die Kratz-Rillen abdecken die beim verkanteten Einklappen entstehen. Eine gute Idee! Das große Display soll wahrscheinlich vom eher kleinen Sucherbild ablenken. Irgendwo gibt es eben Grenzen wenn das Gerät leicht sein soll. Mit der D5600 und DX-Objektiven kann ich über Stunden ermüdungsfrei arbeiten. Notfalls den ganzen Tag unterwegs sein mit dem Ding um den Hals, das ist möglich ohne zu stöhnen wie lästig die Fotoausrüstung ist.

Fotografie

Mit der D5600 habe ich eine Party um Mitternacht fotografiert. Hatte mit einer stattlichen Anzahl an unscharfen Fotos gerechnet, die Ausbeute wurde aber gut. Wichtiger fand ich noch, dass ich das Gerät gerne mitgenommen und eingesetzt hatte. Der Ich-komme-klar-Faktor ist bei der D5600 ziemlich hoch. Wenn es bei einem Foto-Einsatz darauf ankommt, ist die Ausschlussquote gering. Hatte ich dann zwischendurch mal wieder eine spiegellose Wechselobjektiv-Kamera in der Hand, fühlt sich die Spiegelreflex im Vergleich noch eher wie ein Fotoapparat an. Dies sorgt zumindest bei mir für ein Arbeitsgefühl "ich bin der Fotograf".